Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Payrhuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127
Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengerichtes vom 26. November 1981, GZ 2 b Vr 959/81-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, nach Verlesung der Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Presslauer und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Krenn zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Manfred A ist schuldig, in der Nacht zum 11. Mai 1981 Wien in Gesellschaft des gesondert verfolgten Peter B als Beteiligter dem Karl C fremde bewegliche Sachen, nämlich Zigaretten und Weinbrand, mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbrechen und Einsteigen in ein Gebäude weggenommen zu haben.
Er hat hiedurch das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach
den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1
StGB begangen.
Er wird hiefür nach dem § 129 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG sowie des § 37 Abs. 1 StGB und unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 31. August 1981, AZ 18 U 1.555/81, unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Geldstrafe (als Zusatzstrafe) in der Höhe von 60 (sechzig) Tagessätzen verurteilt.
Die Höhe des Tagessatzes wird mit 100 (einhundert) Schilling bemessen.
Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 30 (dreißig) Tagen festgesetzt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Gemäß den §§ 389 Abs. 1 und 390 a Abs. 1 StPO hat der Angeklagte Manfred A die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14. Juni 1963 geborene Lehrling Manfred A des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in der Nacht zum 11. Mai 1981 in Wien in Gesellschaft des gesondert verfolgten Peter B als Beteiligter (§ 12 StGB) versucht zu haben, dem Karl C fremde bewegliche Sachen durch Einbrechen und Einsteigen in ein Gebäude mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die (Sach-)Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er bei einem offenen WC-Fenster in das Innere des Clublokales des Postsportvereins in Wien 17., Roggendorfgasse Nr 2, einstieg und in der Folge ohne Beute den Tatort verließ.
Nach den Urteilsfeststellungen beschlossen der Angeklagte Manfred A und der gesondert verfolgte Peter B in der Nacht zum 11. Mai 1981 einen Einbruchsdiebstahl in einem früher vom Postsportverein als Clublokal benützten Raum im Gebäude Wien 17., Roggendorfgasse Nr 2, zu unternehmen. In Ausführung dieses Planes stieg zunächst der Angeklagte Manfred A durch ein offenes Fenster in das Gebäude ein, wobei ihm Peter B behilflich war, doch vermochte er nicht bis in das ehemalige Clublokal vorzudringen, sodaß er das Haus wieder verließ. Hierauf ging er mit Peter B, welcher Aufpasserdienste geleistet hatte, auf die andere Seite des Gebäudes, wo B ein Fenster aufbrach und einstieg. Während dieser in das Bauwerk eindrang, entfernte sich der Angeklagte A vom Tatort, weil er an einer Fortsetzung des Versuches, in das Gebäude zu gelangen, nicht mehr interessiert war. Peter B kam in das ehemalige Clublokal und stahl dort Zigaretten und Weinbrand.
Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge wegen der Ablehnung der Beweisanträge des öffentlichen Anklägers auf Vernehmung der Zeugen Peter B und Karl C ist allerdings schon deshalb unbegründet, weil vom Anklagevertreter anläßlich der Antragstellung in der Hauptverhandlung für die begehrten Beweisaufnahmen kein Beweisthema angegeben, sondern lediglich die 'neuerliche Ladung' der beiden ausgebliebenen Zeugen beantragt wurde (S 111 d.A). Grundsätzlich hat aber - wie sich aus der Vorschrift des § 222 Abs. 1 StPO ergibt -
der Beweisführende die Tatsachen, die er beweisen, und die Beweismittel, deren er sich bedienen will, anzugeben. Hingegen fehlt es an einem auf seine Berechtigung überprüfbaren Beweisantrag, wenn der Antragsteller es unterließ, das Beweisthema zu bezeichnen und sich dieses Beweisthema auch nicht eindeutig aus dem Zusammenhang ergibt. Die Unterlassung der Anführung jener Umstände, die durch die beantragten Beweismittel erwiesen werden sollen, schließt eine erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO aus (Mayerhofer/Rieder, StPO, E Nr 16, 18 und 19 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO).
Der öffentliche Ankläger gab - nach der ungerügt gebliebenen Protokollierung des Vorganges - in der Hauptverhandlung im unmittelbaren Anschluß an seine Antragstellung überdies die Erklärung ab, der 'vorläufigen' Verlesung der Aussagen der Zeugen Peter B und Karl C im Vorverfahren nicht entgegenzutreten, woraus ein - vorläufiger - Verzicht auf die Vernehmung dieser Zeugen vor dem erkennenden Gericht abzuleiten ist, der eine Erneuerung der Antragstellung nach stattgefundener Verlesung unter näherer Darlegung der noch für eine unmittelbare Befragung der Zeugen sprechenden Erwägungen erfordert hätte (siehe SSt 36/31). Ferner übersieht die Staatsanwaltschaft bei ihrem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde, die Vernehmung des Zeugen Karl C wäre auch im Zusammenhang mit einer Modifizierung der Anklage 'in Richtung des § 128 Abs. 1 Z 4
StGB' notwendig gewesen, daß bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages (und den hiefür vorgebrachten Gründen) auszugehen ist und hiezu erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Umstände keine Berücksichtigung finden können (SSt 41/71). Die 'Modifizierung der Anklage', von der - in ihrer protokollierten Form - unklar ist, ob es sich hiebei um eine echte Anklageausdehnung durch den weiteren Vorwurf, bei der Tat seien noch andere als in der Anklageschrift bezeichnete Sachen gestohlen worden - diesfalls könnte das wegen einer Teileinstellung des Verfahrens nach dem § 109 Abs. 1 StPO (S 1 b und 1 d d.A) gegebene und nur im Weg der formellen Wiederaufnahme des Verfahrens zu beseitigende Verfolgungshindernis unbeachtet geblieben sein - oder es sich lediglich um das Vorbringen handelte, der Wert der in der Anklageschrift bezeichneten Diebsbeute habe 5.000 S überstiegen, wurde jedenfalls erst nach der beschlußmäßigen Ablehnung der vom öffentlichen Ankläger begehrten Vernehmung des Zeugen Karl C durch das Schöffengericht vorgenommen. Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO bringt die Staatsanwaltschaft vor, der festgestellte Sachverhalt sei nicht als versuchter, sondern als vollendeter Diebstahl durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 2 StGB zu beurteilen.
In diesem Umfang ist die Nichtigkeitsbeschwerde berechtigt. Ob eine unter Beteiligung mehrerer Täter verübte Tat vollendet wurde, muß nach den in der Außenwelt herbeigeführten Veränderungen und nicht nach den allenfalls divergierenden subjektiven Vorstellungen der Beteiligten über die Wirksamkeit ihres Beitrages bis zum Abschluß des Tatgeschehens beurteilt werden. Mehrere bei der Tatausführung vorsätzlich zusammenwirkende Mittäter haften für den gesamten eingetretenen Erfolg, soweit er im gemeinsamen Willen liegt, ohne daß jeder Mittäter das gesamte Tatbild verwirklichen muß.
Daher kann ein und dieselbe Tat nicht vom Standpunkt eines Mittäters als vollendetes Delikt und vom Standpunkt eines anderen Mittäters als Versuch dieses Deliktes beurteilt werden (EvBl 1975/168). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes begingen beide Täter im einverständlichen Zusammenwirken Ausführungshandlungen zum Einbruchs- und Einsteigdiebstahl, wobei die schließlich von Peter B allein vorgenommene Sachwegnahme im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Willensbildung, die Identität des angegriffenen Objekts und den zeitlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Versuchshandlung, an der noch der Angeklagte Manfred A aktiv mitwirkte, eine Einheit darstellt, sodaß eine als Grundlage für eine differenzierte Behandlung der Täterschaft in Betracht kommende echte Konkurrenz der Diebstahlsvollendung mit dem vorangegangenen Versuch nicht gegeben war. Daraus folgt, daß die Abstandnahme des Angeklagten Manfred A von der weiteren Mitwirkung an der Tat während der Versuchsphase - worin jedenfalls schon mangels einer Verhinderung der Tatausführung oder einer Erfolgsabwendung kein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch zu ersehen ist (§ 16 Abs. 1 StGB) - ihn von der aus den Grundsätzen der Mittäterschaft abzuleitenden Haftung für die unmittelbar darauffolgende Erfolgsverwirklichung nicht zu befreien vermag.
Voraussetzung für die Beurteilung der Mitwirkung des Angeklagten Manfred A als Versuch des Diebstahls wäre demnach das Unterbleiben der Vollendung der in der Anfangsphase gemeinsam ausgeführten Tat gewesen.
Die vom Erstgericht für seinen gegenteiligen Standpunkt herangezogene Bestimmung des § 13 StGB, wonach bei Beteiligung mehrerer an einer Tat jeder von ihnen nach seiner Schuld zu bestrafen ist, vermag die Beurteilung einer vollendeten Tat als Versuch nicht zu begründen. Diese Bestimmung bringt nämlich in Ergänzung des § 12 StGB auch für die Fälle der Beteiligung mehrerer an einer Tat lediglich das Prinzip des Schuldstrafrechtes zum Ausdruck, nämlich daß unabhängig vom Verschulden anderer nur für eigene Schuld gehaftet wird, woraus sich ergibt, daß jeder Tatbeteiligte bei Vorsatzdelikten nur im Rahmen seiner Erfolgsvorstellungen und bei Fahrlässigkeitsdelikten im Rahmen der ihm zumutbaren Voraussehbarkeit verantwortlich ist (Mayerhofer/Rieder, StGB2, Anm 3 zu § 13). Eine Beschränkung der Haftung für einen gemeinsamen Vorsatz mehrerer Beteiligten ist daraus nicht abzuleiten. Auch der vom Erstgericht zitierten Entscheidung EvBl 1980/40 kann keine andere Auffassung entnommen werden, weil dieser Entscheidung eine Abweichung in den strafqualifizierenden Erfolgsvorstellungen der Beteiligten an einer Mißhandlung zugrunde lag.
Im vorliegenden Fall liegt die Schuld des Angeklagten Manfred A in dem auf die Deliktsverwirklichung gerichteten Vorsatz, der durch die Aufgabe seiner Mitwirkung an der Tat im Stadium des unbeendeten Versuches keiner rückwirkenden önderung zugänglich war und angesichts der diesem eigenen Vorsatz entsprechenden Diebstahlsvollendung durch den Mittäter auch die Haftung des Angeklagten Manfred A für das vollendete Delikt begründet. Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft teilweise Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die mehrfache Qualifikation des Diebstahls und das Zusammentreffen mit der im Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 31. August 1981, GZ 18 U 1.555/81-5, abgeurteilten Taten, als mildernd das Geständnis des Angeklagten und seinen ordentlichen Lebenswandel zur Tatzeit.
Von mindergünstigen Erziehungsverhältnissen kann nach dem Erhebungsbericht der Wiener Jugendgerichtshilfe (ON 9 d. A) trotz der frühen Scheidung der Eltern des Angeklagten nicht die Rede sein.
Auch eine Alkoholisierung, die der Jugendgerichtshof Wien in seinem Urteil als mildernd gefunden hatte, kommt als Milderungsgrund nicht in Betracht, fehlt doch jeder verständliche Anlaß dafür, daß sich der Angeklagte in einer die Hemmung gegen kriminelle Impulse beeinträchtigenden Weise bezechte, wobei in diesem Zusammenhang auch zu beachten ist, daß auch die durch das erwähnte Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien abgeurteilten Taten in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand verübt wurden.
Dem Wegfall des vom Erstgericht angenommenen Milderungsgrundes, daß die Tat beim Versuch blieb, steht allerdings gegenüber, daß sich der Angeklagte während der Tatausführung vom Tatort entfernte und an der Beute überhaupt nicht partizipierte, was ihm als mildernd zugute kommt.
Auf der Grundlage der aufgezeigten Strafzumessungsgründe zeigt sich, daß die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1
StGB gegeben sind. Es war daher eine Geldstrafe in einem Ausmaß zu verhängen, das bereits vom Erstgericht gewählt worden war. Der Angeklagte verdient nunmehr als Mechanikergehilfe 4.900 S monatlich, hat kein Vermögen und für niemanden zu sorgen: Bei diesen Bemessungsgrundlagen erscheint ein Tagessatz in der Höhe von 100 S angemessen.
Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.
Anmerkung
E03636European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00020.82.0324.000Dokumentnummer
JJT_19820324_OGH0002_0110OS00020_8200000_000