Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Skreinig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anton A wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 16. Dezember 1981, GZ 11 Vr 243/81-63, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Dellisch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in seinem (diesen Angeklagten) schuldig sprechenden Abschnitt aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Anton A wird (auch) von der (weiteren) Anklage, er habe am 20. Mai 1978 in Zedras (in Gesellschaft des Franz A als Beteiligten zumindest) einen Holzbloch im Wert von S 270,-- dem Florian B mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 (und Abs. 2 Z 1) StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO - sohin zur Gänze - freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde (im zweiten Rechtsgang) der am 12. Jänner 1933 geborene Landwirt Anton A des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er zwischen Anfang Mai und dem 20. Mai 1978 in Zedras (Gemeinde Ludmannsdorf, Bezirk Klagenfurt) einen Holzbloch im Werte von etwa 270 S dem Florian B mit dem Vorsatz weggenommen hatte, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Von der (weiteren) Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurden hingegen der Angeklagte Anton A, insoweit ihm überdies der Diebstahl 'weiterer neun Holzbloche' im Wert von etwa 2.490 S vorgeworfen worden war, und sein Sohn Franz A, dem der Diebstahl von 11 Holzblochen im Wert von 3.100 S zum Vorwurf gemacht wurde, zur Gänze. (Damit ist die Anklage, die sowohl dem Anton als auch dem Franz A einen Gesellschaftsdiebstahl von insgesamt 11 Holzblochen vorgeworfen hat, bezüglich des Erstgenannten in Ansehung eines Holzbloches - schon im ersten Rechtsgang, vom öffentlichen Ankläger nicht gerügt - unerledigt geblieben.) Der Angeklagte Anton A bekämpft diesen Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z 5, 9 lit. a und b sowie 10 des § 281 Abs. 1 StPO
Rechtliche Beurteilung
Bereits der auf Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer geltend macht, daß 'die ihm zur Last gelegte Tat nach § 141 Abs. 4 StGB gerichtlich nicht strafbar sei, weil ein Baumstamm von 4 m Länge im Werte von 270 S als Bodenerzeugnis geringen Wertes anzusehen sei', kommt Berechtigung zu. Bodenerzeugnisse im Sinn der relevierten Straflosigkeitsbestimmung sind nach dem Wortsinn dieses Begriffs (im Gegensatz zu den anorganischen Bodenbestandteilen) die Pflanzen als organische Produkte des Bodens (vgl im § 141 Abs. 4 StGB 'Waldprodukte'), und zwar einschließlich ihrer Früchte (vgl 'Baumfrüchte') sowie bereits abgetrennter Teile (vgl 'Klaubholz'). Eine (kriminalpolitisch sicherlich gebotene) restriktive Auslegung des in Rede stehenden weiten Begriffs (vgl Bertel im WK, RN 27 zu § 141) kann nun entweder über den Wortteil '- erzeugnisse' - nur künstliche, unter menschlicher Mithilfe erzeugte (eine derartigen Einschränkung ist nach dem Sinn des Gesetzes sicherlich nicht gewollt: vgl etwa den natürlichen Waldbestand) oder nur natürliche Produkte (auch eine solche Auslegung wäre zu eng; vgl etwa gesetzte Jungbäume im gehegten Wald) - oder aber über den Wortteil 'Boden-' erfolgen: in die zuletzt bezeichnete Richtung geht die herrschende Auffassung insoferne, als unter 'Boden' ohne Rücksicht auf das Vorhandensein oder Fehlen einer Einzäunung nur Wald und (freies) Feld verstanden werden, nicht aber auch Hausgärten, Schrebergärten und dergleichen (vgl RZ 1980/22; Leukauf- Steininger, StGB2, RN 25 zu § 141; Kienapfel, BT II RN 60, 61 zu § 141; Bertel, aaO, RN 26, 27 und - im Ergebnis, obgleich unter nicht sachgerechter Heranziehung der Bewirtschaftungsverhältnisse als Kriterium, auch - 28). Nur in diesem Zusammenhang (mit ihrem Standort) wird von Kienapfel (aaO, RN 61) auf Jungbäume 'aus einer Tannenschonung' sowie auf Setzlinge einer Baumschule Bezug genommen und nicht etwa im Hinblick auf ihre Größe oder auf ihr Alter; ebenso Bertel, aaO, in bezug auf Jungbäume in RN 28 (möglicherweise aus anderen Erwägungen - '... noch zu den Bodenerzeugnissen ...' -, jedoch insoweit ohne Begründung der einschränkenden Tendenz, in RN 25). Jede die solcherart nach dem Wortsinn engstmögliche Auslegung des Begriffs Bodenerzeugnisse (als solche in Wald und Feld) noch weiter einschränkende Interpretation wäre aber als Ausschaltung eines sprachlich bereits zwingend erfaßten Teiles des Aussageinhalts der hier aktuellen Norm und damit als Reduktion eines Straflosigkeitsgrundes gemäß § 1 StGB unzulässig (vgl ÖJZ 1980, S 63, 65). Dementsprechend findet sich kein Anhaltspunkt dafür, ganze Bäume oder bestimmte Baumteile (den Stamm und Stammteile im Gegensatz zu den östen) aus dem Anwendungsbereich des § 141 Abs. 4 StGB auszuklammern. Auch die Literatur (Leukauf-Steininger, aaO, RN 25:
'Bäume oder ganze Sträucher'; Kienapfel, aaO, RN 61: - 'große Bäume') gibt dafür keinerlei Begründung. Der (unkritische) Hinweis auf SSt 17/14 vermag nicht durchzuschlagen; denn abgesehen davon, daß es sich in dem jener Entscheidung zugrundegelegten Fall betreffend drei Bäume mit je 18 - 20 cm Durchmesser) gar nicht um Objekte geringen Wertes handelte, ist zum einen eine negative Orientierung an den im Gesetz bloß beispielsweise angeführten Produkten zum Zweck einer Reduzierung des Straflosigkeitsgrundes (wie schon gesagt) aus rechtsstaatlichen Gründen keinesfalls zulässig und zum anderen ist auch die seinerzeit (nach § 60 des damals in Geltung gestandenen Forstgesetzes RGBl Nr 250/1852) nicht vorgelegene verwaltungsbehördliche Strafbarkeit nunmehr (nach § 174 Abs. 4 Forstgesetz 1975, BGBl 440) ohnedies gegeben. Daraus ergibt sich, daß eine Ausschaltung der rechtswidrigen Aneignung (auch) von Bäumen oder Baumteilen im Wald oder (freien) Feld aus der Straflosigkeit nach § 141 Abs. 4 StGB nur dann und deswegen in Betracht kommt, wenn und weil sie nicht bloß geringen Wertes sind (Kienapfel, aaO, RN 61 - 'große' Bäume; Bertel, aaO, RN 25 - Setzlinge 'noch' Bodenerzeugnisse). Da dies auf den Bloch im Wert von rund 270 S, der den Gegenstand des Schuldspruchs bildet, nicht zutrifft, ist (auch) der (durch § 141 Abs. 4 StGB reduzierte - vgl Kienapfel, aaO, RN 53) Tatbestand des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB (unbeschadet allfälliger verwaltungsbehördlicher Strafbarkeit nach § 174 Abs. 4 lit. b Z 3 ForstG 1975) nicht verwirklicht worden. Die Ahndung des vom bekämpften Schuldspruch erfaßten Verhaltens des Angeklagten fällt damit nicht in die Kompetenz der Gerichte (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO). Es war daher bereits aus diesem Grund in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde mit einem Freispruch vorzugehen, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen bedurfte.
Anmerkung
E03718European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00013.82.0326.000Dokumentnummer
JJT_19820326_OGH0002_0100OS00013_8200000_000