TE OGH 1982/3/30 10Os155/81

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Veröffentlicht am 30.03.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Skreinig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bertwin A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach § 146, 147

Abs 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 3. Juni 1981, GZ 7 Vr 2575/79-47, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen Betrugs zum Nachteil des Ingo B und des Hans C (Punkt II 1 und 2) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22. Mai 1927 geborene Vertreter Bertwin A des Vergehens des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in Villach 'im Rückfall (§ 39 StGB)' mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitete, welche diese (Personen und Firmen) an ihrem Vermögen um mehr als 5.000 S schädigten, und zwar

I. im September 1978 Dipl.Ing. Peter D 1.) (im Urteil S 228 unrichtig: 'II.') durch die Vorgabe, er sei berechtigt, diesen als Verkaufsleiter der Firma E für Villach einzustellen, müsse ihn aber hiezu vorerst einschulen, zur Vornahme von Fahrten mit dessen PKW (Schaden mindestens 7.238,40 S);

2.) durch Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Gewährung von Darlehen in der Höhe von insgesamt 8.200 S;

II. durch die fälschliche Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, 1.) am 3. November 1978 Ingo B zum Verkauf und zur Verlegung von Spannteppichen zum Preis von 19.463 S, 2.) am 28. November 1978 und 15. Dezember 1978 Hans C zur Lieferung von Elektromaterial und Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten zum Wert von insgesamt 13.112,05 S.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z 4, 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO, der teilweise Berechtigung zukommt.

Nicht zielführend ist allerdings zunächst der auf die beiden letztangeführten Nichtigkeitsgründe gestützte Vorwurf, 'die Rückfallsqualifikation nach § 39 StGB' werde ihm angesichts dessen zu Unrecht angelastet, daß als rückfallsbegründende Verurteilungen (- seiner Meinung nach - den Anordnungen der § 61, 1 StGB zuwider) vor dem Inkrafttreten des (geltenden) Strafgesetzbuches (am 1. Jänner 1975) erlittene Abstrafungen herangezogen würden. Abgesehen von der Unrichtigkeit dieser Rechtsauffassung in jeder Beziehung (auf nach dessen Inkrafttreten begangene Taten und damit auf die den Gegenstand der Schuldsprüche bildenden, erst im Jahr 1978 verübten strafbaren Handlungen ist das StGB nach § 61, erster Satz, auf jeden Fall anzuwenden; ferner stellt § 39 Abs 1 StGB nicht auf vorangegangene Verurteilungen nach diesem Recht ab, sondern auf solche wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Taten), statuiert nämlich § 39 StGB weder ein Tatbestandsmerkmal noch eine Deliktsqualifikation; diese Vorschrift ist vielmehr nur eine fakultative allgemeine Strafausdehnungsnorm (SSt 46/ 40 = verstärkter Senat uva), deren Anwendung lediglich im Falle einer überschreitung der Grenzen der durch sie ermöglichten Strafschärfung mit Nichtigkeitsbeschwerde (nur § 281 Abs 1 Z 11 - und nicht auch Z 10 - StPO) angefochten werden kann; ein derartiger Rechtsirrtum wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet und es würde eine solche Behauptung ja auch jeder Grundlage entbehren, hat doch das Erstgericht vorliegend die Freiheitsstrafe (von einem Jahr) innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens des § 147 Abs 2 StGB festgesetzt und demnach die Bestimmung des § 39 StGB überhaupt nicht zur Anwendung gebracht. Ihre überflüssige Aufnahme ins Urteil (S 228) ist unter diesen Umständen mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar (SSt 46/40, 45 ua).

Die dagegen gerichteten Beschwerdeausführungen enthalten somit sachlich bloß ein Berufungsvorbringen, mit dem ein materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird (§ 285 a Z 2, 285 d Abs 1 Z 1 StPO). Gleichfalls unberechtigt ist die Mängelrüge (Z 5) zum Faktum I 1 und 2 (Betrug zum Nachteil des Dipl.Ing. Peter D). Hiezu rügt der Beschwerdeführer einerseits die Urteilsfeststellung über die (die Basis für die Schadenssumme lt dem Pkt I/1 bildende) - seinerseits bestrittene -

Vereinbarung eines Kilometergeldes von 2,40 S mit Dipl.Ing. D (für dessen Fahrleistung) als durch dessen Aussage bei der Hauptverhandlung nicht gedeckt und auch durch das gegen ihn nachträglich insofern ergangene Versäumungsurteil nicht ausreichend begründet; andererseits beschwert er sich darüber, daß ihm gewisse Beträge schadensmäßig faktisch doppelt angerechnet würden, weil - wie er meint - die Schadenssumme von 7.238,40 S zu Punkt I 1 (außer dem Kilometergeldanspruch des Genannten) auch angeblich unbefriedigte Forderungen aus dem Titel einer zugesagten Bezahlung von Benzin- und Verpflegskosten enthalte, solche Kosten aber von ihm (Beschwerdeführer) ohnehin mittels des (herausgelockten) Darlehens von 8.200 S zu Punkt I 2 abgedeckt worden seien.

Mit diesem Vorbringen, das die Aussage des Zeugen Dipl. Ing. D aktenwidrig wiedergibt und den vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt mit - ohne Bezugnahme auf bestimmte konkrete Verfahrensergebnisse - willkürlich aufgestellten Behauptungen konfrontiert, wird ein Begründungsmangel des Urteils nicht aufgezeigt. Dessen Konstatierungen betreffend den Inhalt des zwischen dem Angeklagten und Dipl.Ing. D geschlossenen übereinkommens dahin, daß sich der Angeklagte zur Zahlung eines Kilometergeldes von 2,40 S je Kilometer (das allein bei einer zurückgelegten Wegstrecke von 3.016 km die - volle - Schadenssumme des Faktums I 1 ergibt) und außerdem auch noch von Benzinkosten sowie Verpflegungskosten verpflichtet hat (daher soweit er hiefür mittels des dem D lt Punkt I 2 herausgelockten Darlehens Zahlungen leistete, über das Kilometergeld hinausgehende eigene Verbindlichkeiten erfüllte, weshalb diese Geldverwendung die Schadenssumme weder zu Punkt I 1 noch zu Pkt I/2 in irgendeiner Weise berührt), finden in der Aussage des genannten Zeugen in der Hauptverhandlung (S 224 f), wo er ausdrücklich bei seinen früheren Angaben (S 102, 58) blieb, ihre hinreichende Begründung; außerdem werden sie durch das vom Angeklagten (zwischendurch) vor dem Untersuchungsrichter abgegebenen Schuldbekenntnis (ON 36) gestützt, welchem das Schöffengericht (im Rahmen der ihm durch § 258 Abs 2 StPO eingeräumten Befugnis) ebenfalls höhere Glaubwürdigkeit zuerkennen durfte wie dem Widerruf und der mithin vor wie nach der bewußten Einvernahme im gerichtlichen Vorverfahren leugnenden Verantwortung. Ausschließlich auf einen Angriff gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung laufen daher auch die Bemühungen des Angeklagten hinaus, diese Verantwortung mit der Argumentation als glaubwürdiger wie die Zeugenaussage des Dipl.Ing. D hinzustellen, daß die von jenem behaupteten Täuschungshandlungen unter den konkreten Umständen ein 'völlig untaugliches Mittel' zur Irreführung eines Akademikers in der betreffenden Richtung wären. In Ansehung des Faktums I ist das Urteil daher - wie insoweit abschließend gesagt werden kann - mit keiner (den Vorschriften der Prozeßordnung entsprechend dargetanen) Nichtigkeit behaftet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb in dem Umfang schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als nicht gesetzmäßig ausgeführt zurückzuweisen (§ 285 a Z 2, 285 d Abs 1 Z 1 StPO). Berechtigung kommt hingegen der hinsichtlich des Punktes II (1 und 2) erhobenen Verfahrensrüge (Z 4) zu, mit welcher sich der Angeklagte gegen die Abweisung seines (in der mit dem angefochtenen Urteil beendeten Hauptverhandlung gestellten) Beweisantrages auf Vernehmung der Zeugen Wolfgang F und Erich G wendet. Ihre Anhörung sollte über sein Provisionseinkommen im Oktober und November 1978 bei der Firma H sowie darüber Aufschluß geben, welche Provisionen er in den Folgemonaten von der Firma zu erwarten hatte und tatsächlich verdient, aber nicht ausbezahlt erhalten hat (S 225). Das Erstgericht hat zur Begründung der Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung (S 226) lediglich auf die Verlesung des Konkurs- und Strafakts F verwiesen, ohne daß dargelegt wird, was daraus für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen zu gewinnen sein soll. Im Urteil (S 241 f) wird zwar nicht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Zwischenerkenntnis, das dort (S 245) in der gleichen nichtssagenden Weise wiedergegeben erscheint, aber doch (auch) in sachlichem Zusammenhang damit auf Grund (des auf S 231-233 zusammengefaßten wesentlichen) Inhalts der Akten S 117/79 des Landesgerichtes für ZRS Wien (betreffend den Konkurs über das Vermögen des Wolfgang F), 5 b E Vr 2792/79

(betreffend eine Strafsache gegen Heinrich J) und 2 d Vr 4039/79 (betreffend eine Strafsache ursprünglich auch gegen F, nach Einstellung gemäß § 109 StPO aber nur noch gegen Gerhard K verehelichter L) jeweils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (vor allem dahin, daß den beiden angeführten Strafverfahren Betrügereien von Provisionsvertretern zum Nachteil des Wolfgang F zugrundelägen, wodurch dessen Fa 'H' - seinen Angaben nach - schon lange bevor am 30.10.1979 der Konkurs eröffnet wurde in geschäftliche Schwierigkeiten geriet, und daß ferner der Angeklagte - seiner eigenen Darstellung zufolge - schon ab Beginn seiner Tätigkeit bei diesem Unternehmen nur so geringe Zahlungen erhielt, daß er davon kaum seinen Lebensunterhalt zu bestreiten vermochte) festgehalten, die wirtschaftliche Lage der 'H' habe sich nicht von heute auf morgen verschlechtert, sondern schon lange zuvor abgezeichnet, und es habe der Angeklagte von dieser schlechten Lage gewußt.

Darüber, welche Provisionsansprüche der Beschwerdeführer tatsächlich erworben hat und ob ihm solche noch zustehen oder nicht sowie warum er - bejahendenfalls - trotz anfänglich geringer Einkünfte nicht doch mit einer vollen Provisionsauszahlung in Zukunft rechnen konnte, geben die bewußten Akten (so etwa die Aussage des - vorliegend als Zeugen beantragten - Erich G im Verfahren 2 d Vr 4039/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien - siehe Band I, ON 45, S 593 ff) keinen Aufschluß. Ebenso läßt sich allein daraus, daß der - in Kärnten lebende - Beschwerdeführer in dem über das Vermögen des Wolfgang F beim Landesgericht für ZRS Wien anhängig gewesenen Konkursverfahrens seine (behaupteten) Forderungen nicht angemeldet hat, in obigen Belangen gegen ihn nichts Nachteiliges ableiten. Dem Zwischenerkenntnis lassen sich logische Erwägungen, von denen sich das Erstgericht bei der damit getroffenen Entscheidung leiten ließ, nicht entnehmen. Relevanz kann den Anträgen gleichfalls nicht von vornherein abgesprochen werden, zumal das Erstgericht den Schuldspruch der Sache nach ausschließlich auf die Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten (und deren Verschweigen durch ihn) abstellt, mag auch die Täuschungshandlung (als solche) im Urteilsspruch (S 228) wie mehrfach in den Gründen (S 235, 239, 240) mit Vorspiegelung der 'Zahlungsfähigkeit und -willigkeit' (schlechthin) umschrieben werden. Da das Erstgericht im Falle des Nachweises nicht unbeträchtlicher Provisionsansprüche des Beschwerdeführers gegen Wolfgang F (Firma H) und Klarstellung der für die subjektive Beurteilung der Frage ihrer Einbringlichkeit durch den Beschwerdeführer - trotz dessen anfänglich geringem Einkommen (S 233) sowie zahlreicher gegen ihn anhängiger, durchwegs ergebnisloser Exekutionen (S 234) - möglicherweise - doch - zur überzeugung hätte kommen können, daß er sich im Zeitpunkt der Bestellungen bei B und C zumindestens als zahlungsfähig ansah und letztere (demnach) nicht mit Schädigungsvorsatz im fraglichen Punkt irreführte, wurde der Angeklagte durch die Abweisung dieser Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt. Wegen dieses (sohin mit Fug geltend gemachten) Verfahrensmangels war der Nichtigkeitsbeschwerde im vorbezeichneten Umfang (ohne Eingehen auf ihr weiteres Vorbringen) ebenfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben (§ 285 e StPO) und über sie sowie das Rechtsmittel der Berufung spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E03602

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00155.81.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19820330_OGH0002_0100OS00155_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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