TE OGH 1982/3/31 11Os194/81

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Veröffentlicht am 31.03.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollak als Schriftführers in der Strafsache gegen Siegfried A wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen und durch Einbruch verübten Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130, erster Fall StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichtes vom 9. November 1981, GZ. 13 Vr 2354/81- 16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Steiner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 20 (zwanzig) Monate herabgesetzt. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. September 1951 geborene Siegfried A des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen und durch Einbruch verübten Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130, erster Fall, StGB schuldig erkannt und gemäß dem § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in der Zeit zwischen Februar 1981 und dem 24. Juli 1981

in Graz (dem wörtlich wiedergegebenen Spruch zufolge) 'in wiederholten Angriffen Lebensmittel, Getränke, Parfumeriewaren, Bekleidungsgegenstände und andere Gebrauchsgegenstände in einem nicht genau bekannten, 5.000 S übersteigenden, jedoch 100.000 S nicht übersteigenden Werte, nämlich im Werte von 68.023,70 S Berechtigten des Kaufhauses B durch Einbruch und Einsteigen in ein Gebäude gewerbsmäßig mit dem Vorsatz weggenommen hatte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern'.

Den - diesen zum Teil widersprüchlichen Urteilstenor erläuternden, in der Urteilsbegründung enthaltenen - Feststellungen nach entschloß sich der Angeklagte im Februar 1981, da er offenbar mit seinem Monatseinkommen von 7.000 S bis 8.000 S (als Prospektverteiler) nicht das Auslangen fand, zu 'einem Einbruchsdiebstahl'. Er kletterte des Nachts auf das Dach der Halle (Lagerraum) des Kaufhauses B in Graz, drang dort, nachdem er die Verschraubung eines Fensters mit einer Zange gelöst hatte, in den Lagerraum ein, öffnete von innen ein anderes Dachfenster, stieg durch dieses wieder auf das Dach, verschloß das zunächst geöffnete Fenster von außen und begab sich sodann durch das zweite Fenster in den Lagerraum zurück. Dort befand sich eine Kühlanlage (im Ausmaß von 10 x 2,7 x 3 m), deren Hinterseite von der Wand des Lagerraumes etwa einen Meter entfernt war. Weil die Türen zwischen dem Lagerraum und den Verkaufsräumen (anscheinend) dauernd offen waren und der Angeklagte überzeugt war, daß er sich in dem erwähnten Zwischenraum hinter der Kühlanlage ungestört längere Zeit würde aufhalten können, beschloß er, dort 'auf unbestimmte Zeit Quartier zu nehmen', wobei sein Vorsatz zeitlich unbegrenzt darauf gerichtet war, seinen Bedarf an allen Dingen, die er zum Leben benötigte, durch Diebstahl aus den Warenbeständen der Firma B zu decken. Er wollte sich schon unmittelbar nach dem Eindringen in das Gebäude durch die wiederkehrende Begehung von solchen Diebstählen eine einzige fortlaufende Einnahmequelle verschaffen.

In der Folge verblieb der Angeklagte bis zum 24. Juli 1981, als er anläßlich einer Reparatur an der Kühlanlage entdeckt wurde, dauernd in den Geschäftsräumlichkeiten der Firma B, wobei er jeweils während der Nacht in den Verkaufsräumen Sachen der im Spruch genannten Art im Mindestgesamtwert von S 68.023,70 (die er schließlich bei seiner Vernehmung im einzelnen bezeichnete /ON 4 S. 33 a bis 33 d, ON 15 S. 93/) an sich brachte. Lebensmittel, welche für etwa eine Woche gereicht hätten, wurden bei Entdeckung des Angeklagten in seinem Versteck sichergestellt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. b, lit. c, 10

und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO behauptet der Beschwerdeführer einen inneren Widerspruch des Urteils, weil in dessen Spruch einerseits von einem nicht genau bekannten (5.000 S, nicht aber 100.000 S übersteigenden) Gesamtwert der gestohlenen Sachen die Rede sei, anderseits jedoch ein solcher Wert mit S 68.023,70 genau beziffert werde. Des weiteren rügt die Beschwerde im gegebenen Zusammenhang das Unterbleiben von detaillierten Feststellungen, welche Sachen der Angeklagte im einzelnen wegnahm und welchen Wert diese Sachen hatten.

Rechtliche Beurteilung

Die vorerst in Ansehung des Urteilsspruches der Sache nach geltend gemachte Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO liegt nicht vor:

Bei dem (an sich richtig) bezeichneten Mangel des Urteilsspruches handelt es sich bloß um eine mißverständliche Formulierung, zu deren Auslegung die Entscheidungsgründe herangezogen werden können (Mayerhofer/Rieder, E. Nr. 2 a zu § 260 StPO). Aus diesen geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, welche - übrigens vom Angeklagten im Verfahren selbst bezeichneten - Sachen im einzelnen vom Schuldspruch erfaßt werden. Mit der Verweisung in den Urteilsgründen auf die entsprechenden (Gegenstand der Hauptverhandlung bildenden) Angaben des Angeklagten, welche sich wiederum auf die in den (in der Hauptverhandlung verlesenen; S. 98) Polizeierhebungen enthaltenen Schadensaufstellungen (mit dort aufscheinenden Einzelwerten; vgl S. 39 ff) beziehen, ist, da solcherart die vom Schuldspruch erfaßten diebischen Angriffe in unverwechselbarer und die Gefahr einer Doppelverurteilung ausschließender Weise individualisiert erscheinen, dem Tatkennzeichnungsgebot des § 260 Abs. 1 Z. 1 StPO Genüge getan (vgl. dazu auch SSt 19/37). Mit dem erwähnten Hinweis sind aber auch die für die rechtliche Beurteilung der Diebstähle nach Beschaffenheit und Wert der einzelnen Sachen maßgeblichen Tatumstände festgestellt. Deshalb geht der aus dem Gesichtspunkt einer Subsumtion der Diebstähle unter den Tatbestand der Entwendung nach dem § 141 StGB, somit - weil der Angeklagte mangels Vorliegens einer Ermächtigung nach dem Abs. 2 leg. cit. seinen Freispruch anstrebt - der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b in Verbindung mit jenem der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO (vgl. dazu u.a. Mayerhofer/Rieder, E. Nr. 11 zu § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO; LSK 1976/134) erhobene Beschwerdevorwurf von Feststellungsmängeln fehl.

Dem weiteren, sachlich in Ausführung dieser beiden Nichtigkeitsgründe die Subsumtion unter § 141 StGB reklamierenden Beschwerdevorbringen ist folgendes zu erwidern:

Das Tatbild der Entwendung dient der Privilegierung (gewisser) geringfügiger Vermögensdelikte (nur) unter der Voraussetzung, daß diese Taten aus bestimmten verzeihlichen Motiven begangen wurden. Eine generelle Entkriminalisierung im Bagatellbereich liegender Vermögensdelikte wird indes hiedurch weder bezweckt noch ermöglicht (Kienapfel, BT II, RN 1 zu § 141 StGB). Deshalb begründen fortgesetzte diebische Angriffe, die auf einen einheitlichen Tatentschluß zurückgehen und solcherart eine Gesamttat bilden, keine Entwendung, wenn die zusammenzurechnenden Werte der gestohlenen Sachen (nur) insgesamt die Bagatellgrenze übersteigen (Kienapfel a. a.O., RN 21), kann doch in einem solchen Fall des Gesamtvorsatzes von verzeihlichen Motiven im erwähnten Sinn keine Rede (mehr) sein. Gerade aber diesen zur Beurteilung seines Verhaltens als eine Gesamttat führenden einheitlichen Tatentschluß des Angeklagten nahm das Erstgericht vorliegend mit seiner Feststellung, der Vorsatz (des Angeklagten) sei zeitlich unbegrenzt darauf gerichtet gewesen, den Bedarf an allen zum Leben benötigten Dingen durch Diebstahl aus den Warenbeständen der Firma B zu decken, als erwiesen an (S. 104 f). Angesichts des vom Angeklagten (ersichtlich auf Grund der in den Aufstellungen der Bestohlenen angegebenen Einzelwerte) sogar wiederholt ausdrücklich anerkannten (S. 33, 33 d, 93) Gesamtwertes der von ihm auf Grund seines Gesamtvorsatzes gestohlenen Sachen von fast 70.000 S gehen daher sämtliche Beschwerdeeinwendungen, welche auf die Privilegierung des Tatverhaltens als Vergehen der Entwendung abzielen, ins Leere. Eines Eingehens auf weitere Voraussetzungen des § 141 StGB über die privilegierende Tatmotivation (Not, Befriedigung eines Gelüstes), wie sie in der Nichtigkeitsbeschwerde behauptet werden, bedarf es somit nicht.

Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO erblickt der Beschwerdeführer ferner in der Annahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit des Diebstahls nach dem § 130

erster Fall StGB, die seiner Ansicht nach bei der angenommenen, einem einheitlichen Willensentschluß entspringenden Gesamttat ausscheide.

Auch dieser Einwand versagt.

Einheitlicher Tatentschluß und entsprechende Tatbildverwirklichung, vorliegend gegen ein und dasselbe Opfer in Fortsetzungszusammenhang, dem solcherart die Deliktswiederholung immanent ist, schließen die auf Erzielung einer fortlaufenden, zumindest für längere Zeit wirkenden Einnahme gerichtete Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) des Täters nicht aus. Es kann auch schon bei Begehung einer einzigen Tat, wenn dabei die auf wiederkehrende Einnahmen zielende innere Tendenz klar, sinnfällig und unmißverständlich zum Ausdruck kommt, Gewerbsmäßigkeit gegeben sein.

Eben diese, für die Gewerbsmäßigkeit maßgebliche innere Tendenz und nicht bloß eine, wie die Beschwerde andeutet, zeitlich begrenzte mehrmalige Ausnützung einer sich bietenden Diebsgelegenheit stellte das Erstgericht ausdrücklich fest, sodaß der rechtlichen Annahme der Gewerbsmäßigkeit im Sinn des § 130 erster Fall StGB ein Rechtsirrtum nicht anhaftet. Daß dem Angeklagten ein Vorwurf, er hätte beabsichtigt, das Kaufhaus B zu verlassen, um in ein anderes (oder nochmals in dasselbe) Kaufhaus zwecks Verübung eines Diebstahles einzusteigen, nicht gemacht wird, ist - der Beschwerde zuwider - ohne Bedeutung, zumal dem Angeklagten nicht gewerbsmäßiger Diebstahl durch (wiederholten) Einbruch nach der dritten Begehungsform des § 130 StGB zur Last liegt.

Letztlich ist aber auch die mit Beziehung auf den bei Entdeckung des Angeklagten bei ihm vorgefundenen für etwa eine Woche reichenden Lebensmittelvorrat der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1

StPO erhobene Rüge, es läge insoweit bloßer Versuch des Diebstahls vor, nicht stichhältig.

Wesentlich für die Abgrenzung der Vollendung des Diebstahls vom Versuch ist der Eintritt des Gewahrsamswechsels. Dieser geschah vorliegend, legt man der Betrachtung den (auf die Umstände des Einzelfalles abstellenden) faktisch-normativen Begriff des Gewahrsams, d.i. der tatsächlichen, von einem natürlichen Herrschaftswillen getragenen Sachherrschaft (Kienapfel, BT II, RN 54 zu § 127 StGB), zugrunde, mit der Verbringung der Lebensmittel in das wenn auch innerhalb des Lagerraums liegende Versteck. Denn es war den Verfügungsberechtigten des bestohlenen Kaufhauses damit (über eine bloße Gewahrsamslockerung hinaus) die faktische Sachherrschaft bereits genommen und es hätte für den im Lagerraum dauernd aufhältigen Täter vor Konsumierung der Lebensmittel keines weiteren Gewahrsamsbruches mehr bedurft.

Somit nahm das Erstgericht zu Recht auch für die erwähnten, beim Angeklagten noch sichergestellten Lebensmittel Diebstahlsvollendung an.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze als unbegründet. Sie war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 129 StGB eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die mehrfache Qualifikation des Diebstahls, hingegen das reumütige Geständnis als mildernd. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Er führt insbesondere aus, das Erstgericht habe den Unrechtsgehalt der Tat überbewertet; die Milderungsumstände des § 34 Z. 9 und 10 StGB wären ihm zuzubilligen gewesen. Wenngleich die zusätzlich reklamierten Milderungsgründe nicht vorliegen - drückende Notlage ist infolge der festgestellten Tätigkeit als Prospektverteiler und eine besonders verlockende Gelegenheit schon nach der einleitend beschriebenen Art der Deliktsbegehung auszuschliessen - kommt der Berufung im Ergebnis Berechtigung zu:

Auf der Basis der vom Erstgericht richtig und vollständig angeführten Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB) erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten für tat- und tätergerecht.

In diesem Sinn war daher der Berufung Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf der im Urteilsspruch zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03660

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00194.81.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19820331_OGH0002_0110OS00194_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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