Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollak als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach dem § 311 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 10. April 1981, GZ 10 Vr 423/81-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Staudacher und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Gehart zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe in Anwendung des § 37 StGB und unter Ausschaltung des Ausspruches über die bedingte Strafnachsicht nach dem § 43 StGB in eine Geldstrafe von 240 (zweihundertvierzig) Tagessätzen zu je 150 (einhundertfünfzig) S umgewandelt.
Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 120 (einhundertzwanzig) Tagen festgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittlverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. September 1953 geborene Postbeamte Karl A des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach dem § 311 StGB schuldig erkannt. Laut den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen hatte der beim Postamt 9020 in Klagenfurt als Beamter der 'Gesamtzustellerabrechnung' tätig gewesene Angeklagte im Jänner 1981 aus der ihm in der vorerwähnten Funktion anvertrauten Handkasse in mehreren Angriffen insgesamt 93.650 S entnommen und für sich verwendet. Um die Entdeckung dieser Malversationen bei einer Kassenprüfung zu verhindern, trug er am 26. Jänner 1981 in je eine Zustellkarte für Postanweisungen die Beträge von 29.000 S und 27.773,20 S sowie in je eine weitere Zustellkarte Scheckverkehrsanweisungen über 30.716,80 S und über 6.160 S als (an diesem Tag) ausgezahlt ein, obwohl entsprechende Postanweisungen gar nicht existierten und die betreffenden Scheckverkehrsanweisungen zwar vorhanden, aber tatsächlich nicht ausgezahlt worden waren. Nach Aufdeckung dieses Sachverhalts durch die Postinspektion, jedoch noch bevor eine Strafverfolgungsbehörde davon Kenntnis erlangte, ersetzte der Angeklagte am 28. Jänner 1981 den Fehlbetrag.
Das Erstgericht ging konform mit der Anklagebehörde davon aus, daß die Strafbarkeit des Angeklagten wegen der (unter Ausnützung seiner Amtsstellung begangenen) Veruntreuung von 93.650 S durch tätige Reue aufgehoben sei, weil er den Schaden rechtzeitig gutgemacht habe (§ 167
StGB); dadurch lebe jedoch die Strafbarkeit der beschriebenen Deckungshandlung - Falschbeurkundung tatsächlich nicht stattgefundener Auszahlungen in den vier Zustellkarten vom 26. Jänner 1981 - als (sonst durch die Vortat verdrängtes) Delikt nach dem § 311 StGB wieder auf.
In seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a (inhaltlich lit b) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte Karl A geltend, sein Gesamtverhalten bis zur vollständigen Schadensgutmachung sei als eine Einheit anzusehen, sodaß der (ihm in bezug auf die Veruntreuung zustatten kommende) Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue auch einer Ahndung der bloß zur Verschleierung der Vortat begangenen Falschbeurkundung entgegenstehe.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu.
Wie schon das Erstgericht verkennt auch der Beschwerdeführer, daß ein Fall von Gesetzeskonkurrenz, bei dem sich, wenn in bezug auf den primären Tatbestand Strafaufhebung durch tätige Reue eingetreten und für das verdrängte Delikt ein solcher Sttrafaufhebungsgrund nicht normiert ist, die - im Ersturteil und in der Nichtigkeitsbeschwerde jeweils gegensätzlich beantwortete - Frage stellt, ob der verdrängte Tatbestand zum Zug kommt ('wiederauflebt': vgl hiezu Kienapfel BT II § 167 RN 22 ff;
Liebscher im WK § 167 Rz 27 ff), hier in Wahrheit gar nicht gegeben ist.
Handlungen, die, wie die inkriminierte Vorgangsweise des Angeklagten, der Verschleierung eines bereits vorher verübten anderen Delikts dienen, stehen nur dann als sogenannte straflose Nachtat zur betreffenden Vortat im Verhältnis (bloß) scheinbarer Realkonkurrenz, wenn durch sie kein neues Rechtsgut verletzt wird, die aus der Naachtat (Deckungshandlung) resultierende Rechtsgutverletzung also nicht über jene aus der vorangegangenen Tat hinausgeht;
richtet sich jedoch die Nachtat gegen ein anderes Rechtsgut (oder gegen ein zwar gleichartiges Rechtsgut einer anderen Person), so ist sie stets gesondert strafbar (sh EvBl 1979/106, LSK 1981/100 uva). Nun unterscheidet sich aber das durch die Strafdrohung des § 311 StGB gegen falsche Beurkundung im Amt geschützte Rechtsgut, nämlich die Richtigkeit des Inhalts von im Rechtsverkehr zu gebrauchenden öffentlichen Urkunden (EvBl 1979/195) von jenem eines Vermögensdeliktes wie zB der Veruntreuung. Wenn daher ein Beamter wie der Angeklagte, sei es auch unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit, zunächst ein Gut veruntreut und sodann zur Verschleierung der Tat Falschbeurkundungen im Sinn des § 311 StGB vornimmt, verstößt er dadurch - anders als im Verhältnis zu einem zuvor begangenen Mißbrauch der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB (vgl RZ 1976/5; Steininger in ÖJZ 1980, 483 FN 53) - gegen ein weiteres Rechtsgut und haftet darum nicht nur für die Veruntreuung, sondern auch nach dem § 311 StGB Wird in einem solchen Fall die Strafbarkeit des Täters wegen der Veruntreuung durch tätige Reue aufgehoben, so bleibt doch seine strafrechtliche Haftung für das Vergehen nach dem § 311
StGB, bei dem ein solcher Strafaufhebungsgrund im Gesetz nicht vorgesehen ist, unberührt.
Die Verschiedenheit der jeweils verletzten Rechtsgüter bewirkt mithin bei der gegebenen Fallkonstellation nicht erst - wie bei Gesetzeskonkurrenz (vgl das oben zitierte Schrifttum zu § 167 StGB) - das 'Wiederaufleben' eines verdrängten Delikts; es ist vielmehr von echter Realkonkurrenz der zusammentreffenden Delikte auszugehen. Da es nach den Urteilsfeststellungen nicht zweifelhaft ist, daß die Zustellkarten, in denen der Angeklagte (als Beamter - vgl 10 Os 57/80) tatsächlich nicht stattgefundene Auszahlungen fälschlich beurkundete, mit Beweisbestimmung (§ 74 Z 7 StGB) für den Geldverkehr der Post ausgestattete öffentliche Urkunden darstellen und nach dem Vorsatz des Angeklagten auch dieser Zweckbestimmung entsprechend im Rechtsverkehr (wenngleich allenfalls bloß postintern) gebraucht werden sollten, um die darin (fälschlich) beurkundeten Tatsachen von rechtserheblicher Bedeutung darzutun (vgl zu all dem EvBl 1981/116, 1980/19, 1979/195, 1979/65), erweist sich der Schuldspruch wegen Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach dem § 311 StGB im Ergebnis als richtig. Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 311 StGB eine achtmonatige Freiheitsstrafe, die es gemäß dem § 43 Abs 1 StGB auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die Wiederholung der strafbaren Handlungen, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit, das volle Geständnis und den Umstand, daß ein Schade nicht eingetreten ist. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafermäßigung bzw die Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe und auch deren bedingte Nachsicht an.
Der Berufung kommt nur teilweise Berechtigung zu.
Zwar wurden in erster Instanz die Milderungsumstände im wesentlichen
richtig und auch vollzählig angeführt.
Doch ist dem Berufungswerber beizupflichten, daß der (einzige) vom Erstgericht herangezogene Erschwerungsgrund zu entfallen hat, weil die Falschbeurkundung in insgesamt vier Zustellkarten nach Lage des Falles als Tateinheit aufzufassen ist.
Unter diesem veränderten Aspekt erweist sich aber die vom Schöffengericht gefundene Strafsanktion als zu hart. Ausgehend von einer dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat an sich angepaßten viermonatigen Freiheitsstrafe war zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 37 StGB vorliegen. Diese Frage war zu bejahen, zumal im Hinblick auf das tadelsfreie Vorleben des nicht mehr im öffentlichen Dienst stehenden Täters und seiner umfassend bekundeten Schuldeinsicht weder general- noch spezialpräventive Gründe gegen ein solches Vorgehen sprechen.
Insoweit war daher der Berufung Folge zu geben.
Dagegen konnte dem weiteren Berufungsbegehren, auch die somit ihrer Art nach veränderte Strafe bedingt nachzusehen (vgl die bei Mayerhofer-Rieder unter Nr 52 zu § 293
StPO angeführten Entscheidungen) schon um ihrer (auch hier) aus spezialpräventiver Sicht erforderlichen Effektivität willen (siehe ÖJZ-LSK 1976/22) nicht entsprochen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03646European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00105.81.0331.000Dokumentnummer
JJT_19820331_OGH0002_0110OS00105_8100000_000