Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen August A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. April 1981, GZ 10 Vr 2848/77-83, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil und der darauf beruhenden Verweisung des Privatbeteiligten Albert B auf den Zivilrechtsweg unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 51-jährige Kaufmann August A 1. des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (Punkt I/A des Urteilssatzes), 2. des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG (Punkt I/B des Urteilssatzes) und 3. des Verbrechens des versuchten schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB (Punkt II/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt und hiefür nach § 147 Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe (in der Dauer von 1 1/2 Jahren) sowie nach § 33 Abs. 5 FinStrG (unter Bedachtnahme auf §§ 21, 22 FinStrG) zu einer Geldstrafe (in der Höhe von 40 Millionen Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit 1 Jahr Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Wegen eines weiteren Betrugsvorwurfs erging ein (unbekämpft gebliebener) Freispruch.
Inhaltlich des Schuldspruchs hat der Angeklagte I/ in der Steiermark und in Wien in den Jahren 1975
bis 1977 als verantwortlicher Generalbevollmächtigter der Firmen 'X-Geräteverwaltungs-GesmbH' und 'Y-Fertigteilhauserzeugungs-GesmbH' zu seinem und der Gesellschafter Vorteil als Abgabenpflichtige des Finanzamtes Graz-Stadt bzw des Finanzamtes für Körperschaften in Wien A/ unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) für das Jahr 1975 die Umsatzsteuer um 1,179.783 S vorsätzlich verkürzt, B/ für die Jahre 1976 und 1977 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer durch Geltendmachung ungerechtfertigter Vorsteuerabzüge (§ 33 Abs. 3 lit. d FinStrG) in der Gesamthöhe von 31,900.186 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten; II/ versucht, mit dem Vorsatz, sich und die Gesellschafter der Firmen 'X-Geräteverwaltungs-GesmbH' und 'Z Beteiligungs- und Verwaltungs-GesmbH' sowie 'Y-Fertigteilhauserzeugungs-GesmbH' unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Firma C Austria GesmbH in Bischofshofen durch Täuschung über Tatsachen zu nachteiligen Handlungen, welche die Firma C Austria GesmbH an ihrem Vermögen um mehr als 100.000 S schädigen sollten, zu verleiten, indem er in den Jahren 1975 und 1976
in Bischofshofen Verfügungsberechtigte der genannten Firma durch die Vorgabe, Baumaschinen im Werte von 50 Millionen Schilling nach Nigerien liefern zu können, zur Abwicklung des Geschäfts jedoch Vorausfakturen ohne Proformavermerke zu benötigen, zur Ausstellung von Rechnungen ohne Proformavermerke mit ausgewiesenen Mehrwertsteuerbeträgen in Höhe von 1,158.320 S und 2,240.766 S, somit insgesamt 3,399.086 S veranlaßte, wodurch die Firma C Austria GesmbH dadurch, daß er die Rechnungen dem Finanzamt für Körperschaften in Wien vorlegte und die ausgewiesenen Mehrwertsteuerbeträge als Vorsteuer geltend machte und kassierte, in der Folge als Rechnungsleger (Haftung gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972) die (von ihm) zu Unrecht kassierte Vorsteuer am 25. November 1977 dem Finanzamt zurückerstatten mußte, an ihrem Vermögen einen Schaden in Höhe von 3,399.086 S erleiden sollte, wobei es jedoch nicht zur Vollendung des Delikts kam, weil der Firma C Austria GesmbH dieser Schaden durch Rückzahlung der entsprechenden Beträge seitens des Finanzamtes ersetzt wurde.
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch hat er Berufung ergriffen.
Rechtliche Beurteilung
Berechtigung kommt seinen Beschwerdeausführungen zunächst schon insoweit zu, als er - formell Begründungsmängel behauptend, der Sache nach aber Feststellungsmängel im Sinne der Z 9 lit. a bzw der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend machend - vorbringt, es erscheine 'unverständlich, warum er für das Jahr 1975 unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht die Umsatzsteuer um 1,179.783 S verkürzt hätte', und sich damit gegen den Schuldspruch wegen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (Punkt I/A des Urteilssatzes) wendet. Denn der Tatbestand des bezeichneten Finanzvergehens setzt (in bezug auf die Umsatzsteuer) voraus, daß die Verkürzung von Umsatzsteuer unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung bewirkt wird, wodurch er sich von jenem der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG unterscheidet, welch letzterer auf die Verkürzung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen durch Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe (monatlicher oder vierteljährlicher) Umsatzsteuer-Voranmeldungen abstellt (vgl Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar zum FinStrG, Anm 7 zu § 33; Fellner, Kommentar zum FinStrG, RN 43 aE zu § 33; Sommergruber, FinStrG Bd 4, 214; SSt 50/71).
Nun deutet zwar die Mitteilung des Finanzamtes Graz-Stadt, wonach die (laut Punkt I/A des Urteilssatzes) zu Unrecht in Anspruch genommenen Gutschriften im Umsatzsteuer-Jahresbescheid des Finanzamtes für Körperschaften in Wien vom 28. Juni 1977 enthalten sind (vgl S 129/Bd I), darauf hin, daß die bezügliche Abgabenverkürzung im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung (für das Jahr 1975) bewirkt worden sein könnte; das angefochtene Urteil enthält jedoch hiezu keinerlei Feststellungen, wozu kommt, daß nach dem Inhalt des Schuldspruchs zu Punkt I/A des Urteilssatzes als Abgabenpflichtige für die verkürzte Umsatzsteuer sowohl die Firma 'X-Geräteverwaltungs-GesmbH' als auch die Firma 'Y-Fertigteilhauserzeugungs-GesmbH' angenommen werden, während nach der erwähnten finanzbehördlichen Mitteilung und den bezughabenden Unterlagen (ON 20/ Bd I) nur die Firma 'X-Geräteverwaltungs-GesmbH' betroffen ist (vgl auch S 373 f, 376/Bd II). Mangels entsprechender Feststellungen zum Schuldspruchfaktum I/A kann somit derzeit nicht beurteilt werden, ob insoweit der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FinStrG erfüllt ist oder allenfalls (auch) für das Jahr 1975 der Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG in Betracht kommt.
Sowohl in bezug auf den Schuldspruch zu Punkt I/A als auch in bezug auf den Schuldspruch zu I/B des Urteilssatzes (Verkürzung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen durch Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe ordnungsgemäßer Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Jahre 1976 und 1977) leidet das angefochtene Urteil aber auch insoweit an Feststellungsmängeln, als ihm nicht zu entnehmen ist, welchen konkreten Inhalt die - nur im Zuge der Beweiswürdigung ohne nähere inhaltliche Substantiierung (vgl S 390/Bd II) erwähnten -
Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 8. und 9. Mai 1978 (betreffend die Umsatzsteuer bzw die Umsatzsteuervorauszahlungen für 1975, 1976 und 1977) hatten. Das Erstgericht beruft sich in den Entscheidungsgründen (S 374 ff/Bd II) zwar auf die Prüfungs- und Erhebungsergebnisse der zuständigen Finanzbehörden, unterläßt aber, wie der Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend rügt, eine Klarstellung der sich aus dem Spruch der jeweiligen (rechtskräftigen) Bescheide der Finanzstrafbehörde im einzelnen ergebenden Abgabenverkürzungen. Dieser Mangel fällt umso mehr ins Gewicht, als (was der Beschwerdeführer bei einem Teil seiner Ausführungen allerdings übersieht) im gerichtlichen Finanzstrafverfahren grundsätzlich - und auch über den Anwendungsbereich des § 55 FinStrG (der zwar für die Umsatzsteuer, nicht aber für die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gilt; vgl Sommergruber aaO 350) hinaus - dem Grunde und der Höhe nach vom Bestehen der sich aus einem rechtskräftigen - sei es auch in der Folge beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (vgl 11 Os 84/81) - Bescheid der Finanzstrafbehörde ergebenden Abgabenschuld als Tatsache auszugehen ist (vgl EvBl 1977/
166 = SSt 48/36; ÖJZ-LSK 1979/77 ua).
Im Recht ist der Beschwerdeführer aber auch, soweit er sich gegen
den Schuldspruch wegen §§ 15, 146, 147 Abs. 3
StGB (Punkt II/ des Urteilssatzes) wendet. Zwar liegt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - schon angesichts des Umstandes, daß die Firma C von der Finanzbehörde zunächst tatsächlich zur Erstattung der vom Angeklagten zu Unrecht kassierten Vorsteuerbeträge herangezogen wurde, kein absolut untauglicher Versuch vor (zumal es durchaus denkbar erscheint, daß die genannte Firma - hätte sie eine Anfechtung des bezüglichen Bescheides unterlassen -
im Umfang der von ihr /sogar schon/ bezahlten /S 375/ Bd II/ Vorschreibungen endgültig geschädigt worden wäre); das Erstgericht hat es jedoch unterlassen, einerseits den von der Verteidigung der Sache nach vor allem zum Nachweis des Mangels eines Schädigungsvorsatzes in bezug auf die Firma C (vgl S 357/Bd II) beantragten Zeugen Dr.Hanspeter D zu vernehmen (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) und andererseits seine Feststellung, wonach der Angeklagte das Verbrechen des versuchten Betrugs zumindest mit dolus eventualis beging und 'wußte, daß die Firma C, Bischofshofen als Rechnungsleger gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 die von ihm zu Unrecht kassierte Vorsteuer dem Finanzamt zurückerstatten wird müssen' (S 399, 400/Bd II), entsprechend zu begründen (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO). Denn abgesehen davon, daß die Formulierung der folgenden Urteilsausführungen, inhaltlich deren der Angeklagte den Schadenseintritt bei der Firma C für möglich halten 'mußte' (S 400/Bd II) bzw damit rechnen 'mußte', daß die Firma C gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 zur Rückerstattung der Vorsteuer herangezogen werden könnte (S 401/Bd II), die Möglichkeit bloß bewußt fahrlässigen Handelns offen läßt (vgl ÖJZ-LSK 1978
142; RZ 1979/20; Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 18 zu § 5), spricht vor allem die im Urteil zwar erwähnte (vgl S 375; 402/Bd II), bei Konstatierung der subjektiven Tatseite vom Erstgericht aber in keiner Weise verwertete finanzbehördliche Berufungsentscheidung (vgl auch Beilagenkuvert nach ON 77), derzufolge es an den Voraussetzungen für eine Rückforderung der vom Angeklagten zu Unrecht kassierten Vorsteuern von der Firma C mangelte, weitgehend gegen einen solchen Vorsatz, sodaß das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, eingehend zu erörtern und zu begründen, warum es dennoch zu der überzeugung gelangte, daß der Angeklagte eine Schädigung der Firma C (durch Verpflichtung zur Rückzahlung der von ihm zu Unrecht geltendgemachten und kassierten Vorsteuer an den Fiskus) ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand. Da eine Erneuerung des Verfahrens schon aus den aufgezeigten Gründen unumgänglich erscheint, erübrigt es sich, auch noch auf die weiteren Beschwerdeeinwände einzugehen.
Vielmehr war das angefochtene Urteil, das nur in seinem freisprechenden Teil und in der (damit verbundenen) Verweisung des Privatbeteiligten Albert B auf den Zivilrechtsweg unberührt zu bleiben hatte, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO aufzuheben, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen und der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E03669European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00008.82.0423.000Dokumentnummer
JJT_19820423_OGH0002_0090OS00008_8200000_000