Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pribitzer als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der versuchten Anstiftung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 302 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 5.November 1981, GZ. 6 Vr 694/81-11, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des (richtig:) Verbrechens der versuchten Anstiftung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 302 Abs. 1 StGB, ferner im Ausspruch, daß das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen wurde, in der Unterstellung dieser Tat unter § 88 Abs. 4 StGB nur in Beziehung auf den im § 81 Z. 1 StGB bezeichneten Fall sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 7.April 1922 geborene Viehhändler Johann A wurde (zu 1) des Vergehens (richtig: Verbrechens) der versuchten Anstiftung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15 (12), 302 Abs. 1 StGB und (zu 2) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 (§ 81 Z. 1 und 2) StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er (zu 1) am 18.Juli 1981 in Höfen mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf vorläufige Abnahme des Führerscheins nach § 76 KFG. zu schädigen, den Gendarmeriebezirksinspektor Franz B durch das Angebot eines Betrags von 100 S bis 200 S für die Unterlassung der Abnahme des Führerscheins (richtig: für dessen Rückgabe nach vorläufiger Abnahme) zum wissentlichen Mißbrauch seiner Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu bestimmen getrachtet; ferner (zu 2) kurz vor dieser Tat als Lenker eines Personenkraftwagens unter besonders gefährlichen Verhältnissen durch Abkommen von der Fahrbahn im Ortsgebiet von Höfen infolge Unachtsamkeit und Alkoholisierung den Alois C und den Helmut D, die neben einem am rechten Fahrbahnrand abgestellten Autobus standen, niedergestoßen und hiedurch fahrlässig am Körper schwer verletzt, nachdem er sich zuvor fahrlässig durch den Genuß von Wein und Bier trotz Kenntnis der ihm bevorstehenden Lenkertätigkeit in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte. Die besonders gefährlichen Verhältnisse (§ 81 Z. 1 StGB) erblickte das Schöffengericht in der Einschränkung der Fahrtüchtigkeit des Angeklagten infolge einer bis an die Grenze der Volltrunkenheit reichenden Alkoholisierung und einer erheblichen übermündung (S. 93, 96).
Auf die Gründe der Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützt, bekämpft Johann A den Schuldspruch wegen versuchter Anstiftung zum Mißbrauch der Amtsgewalt (1) sowie zum Schuldspruch wegen der Körperverletzung (2) die Annahme der Qualifikation nach § 88 Abs. 4 StGB, allerdings bloß im Hinblick auf den im § 81 Z. 1 StGB bezeichneten Fall.
Die nur gegen den Schuldspruch wegen des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt ergriffene Rechtsrüge beschränkt sich - neben von einem urteilsfremden Sachverhalt ausgehenden und daher nicht gesetzmäßig ausgeführten Erörterungen zur subjektiven Tatseite - auf die Darlegung der Rechtsansicht, das Angebot von 100 S bis 200 S für die Rückgabe des vorläufig abgenommenen Führerscheins sei ein absolut untauglicher Versuch, den Gendarmeriebeamten zum Amtsmißbrauch zu verleiten, weil die Aussicht auf einen derartig 'lächerlich geringen' Geldbetrag unter keinen Umständen geeignet sei, einen Beamten von der Erfüllung seiner Pflichten abzubringen.
Rechtliche Beurteilung
Dem ist zu erwidern, daß eine generalisierende, von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste Betrachtungsweise es keineswegs geradezu als denkunmöglich ausschließen läßt, daß auf diese Weise durch das Verhalten des Angeklagten ein Gendarmeriebeamter zum Mißbrauch seiner Befugnisse angestiftet werden könne (LSK. 1976/139).
Auf einen dem Beamten gebotenen Vermögensvorteil und damit auch auf dessen relative Geringfügigkeit kommt es, weil nicht von entscheidender Bedeutung, dabei nicht an (SSt. 49/64). Auch die lautere Gesinnung und Unbestechlichkeit des Beamten, welcher der Verleitung im konkreten Fall widerstanden hat, kann die absolute Untauglichkeit des Anstiftungsversuchs nicht bewirken; kann doch ein mit der vorläufigen Abnahme des Führerscheins befaßter Gendarmeriebeamter in abstracto nicht als zur Verwirklichung des an ihn gerichteten Ansinnens ungeeignete Person und damit der Versuch einer Anstiftung zum Amtsmißbrauch nicht als absolut untauglich (§ 15 Abs. 3 StGB) angesehen werden (EvBl. 1967/414).
Dessen ungeachtet ist der Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO), wenn auch nicht aus den vom Angeklagten angestellten Erwägungen, ein Erfolg beschieden (SSt. XVII/134 u.a.). Der Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB, der im Hinblick auf den Mißbrauch der amtlichen Befugnis Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB), voraussetzt, erfordert, daß auch der Anstifter insoweit mit diesem speziellen Vorsatz handelt (SSt. 49/64). Nun hat das Erstgericht - ersichtlich von der unrichtigen Rechtsmeinung geleitet, daß für alle Tatbestandsmerkmale des § 302 Abs. 1 StGB gleichermaßen bedingter Vorsatz genüge (S. 101) - nur die Feststellung getroffen, der Angeklagte habe als zumindest durchschnittlich gebildeter Mensch auch wissen müssen, daß ein wegen des Verdachts der Alkoholisierung vorläufig abgenommener Führerschein nicht sofort gegen Bezahlung einer Mandatsstrafe zurückgegeben werden könne (S. 99). Damit wurde jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, daß es der Beschwerdeführer zur Zeit seines im nahezu volltrunkenen Zustand geäußerten Angebots von 100 S bis 200 S für gewiß hielt, daß der Gendarmeriebeamte durch die sofortige Rückgabe des Führerscheins die ihm in abstracto zustehende Befugnis mißbrauchen und von ihr einen in concreto rechtswidrigen Gebrauch machen würde (LSK. 1979/129). Dagegen spricht jedenfalls die vom Gendarmeriebeamten Franz B (S. 77) bekundete Tendenz des alkoholisierten Angeklagten, die Führerscheinabnahme als unzulässig hinzustellen.
Den Ausführungen der Mängelrüge, die der Qualifikation nach §§ 88 Abs. 4, 81 Z. 1 StGB zugrundeliegende Feststellung einer erheblichen übermüdung des Angeklagten sei durch den Hinweis auf das Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen nicht zureichend begründet, kommt gleichfalls Berechtigung zu. Dieses Gutachten hat im gegebenen Zusammenhang dargelegt, daß nur eine (alkoholbedingte) Fahruntüchtigkeit des Angeklagten mit absoluter Sicherheit anzunehmen ist, wobei 'eine gewisse übermüdung' desselben noch hinzukommt. Die sichtlich unvollständige Wiedergabe der betreffenden Ausführungen im Hauptverhandlungsprotokoll (S. 83) läßt nur erkennen, daß der Sachverständige zur Begründung seiner Annahme auf die Unfallszeit um 4 Uhr früh hingewiesen hat. Dieses Gutachten allein vermag daher die - über die erwähnte Deposition des Sachverständigen hinausgehend -
vom Erstgericht angenommene erhebliche übermüdung (S. 93, 96) nicht hinreichend zu begründen. Als solche ist nämlich nur eine Ermüdung anzusprechen, die ein Ausmaß erreicht, in dem unter ihrem wesentlichen Einfluß die konkrete Gefahrenlage wenn auch nur für eine Person (SSt. 48/24) bis zu einer außergewähnlich hohen Unfallswahrscheinlichkeit verschärft wird. Nur eine Ermüdung, die einen solchen Grad erreichte, könnte im konkreten Fall die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse gemäß § 81 Z. 1 StGB (hier in Konkurrenz neben der Qualifikation nach der Z. 2 dieser Gesetzesstelle:
ZVR. 1976/33) begründen.
Da § 81 Z. 2 StGB als Spezialnorm die Tatbegehung in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand, § 81 Z. 1 StGB hingegen als Generalvorbehalt alle sonstigen Fälle einer Tatbegehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen umfaßt (ZVR. 1976/33), bedarf es für die Konkurrenz beider Qualifikationen des Hinzutritts weiterer Umstände, die für sich allein oder auch nur durch das Zusammentreffen mit der Alkoholisierung die Gefahr zusätzlich erhöhen (Kienapfel, BT I, S. 36, RN. 198; Leukauf-Steininger2, S. 559 RN. 33).
Diese können auch in der Person des Täters gelegen sein, also etwa in übermüdung, Krankheit oder mangelnder Fahrpraxis bestehen (EvBl. 1965/139, ZVR. 1966/14 zu den entsprechenden Bestimmungen der lit. a und b des § 337 StG.).
Spielt aber diese zusätzliche Beeinträchtigung gegenüber der Gefahrerhöhung infolge Alkoholisierung eine völlig untergeordnete, die Unfallswahrscheinlichkeit nicht maßgeblich beeinflussende Rolle, dann wäre trotz des Hinzutretens dieser übermüdung der Unrechtsgehalt der Fahrlässigkeitstat durch die Anwendung der Spezialnorm des § 81 Z. 2 StGB abgegolten.
Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Beratung (§ 285 e StPO) das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen.
Mit ihren Berufungen waren beide Prozeßparteien auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E03671European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00036.82.0429.000Dokumentnummer
JJT_19820429_OGH0002_0130OS00036_8200000_000