Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.April 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pribitzer als Schriftführers in der Strafsache gegen Alexander A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems an der Donau als Schöffengerichts vom 18.März 1981, GZ. 10 Vr 624/80-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Verlesung der Gegenausführung des Zollamts Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Karner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, zum Teil auch
gemäß § 290 Abs. 1 StPO 1. im Schuldspruch wegen des Vergehens der
versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB (B 2 b), 2. im Ausspruch, der Angeklagte habe das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. als Mitglied einer Bande verübt, 3. im Schuldspruch B 1, soweit dem Angeklagten zur Last gelegt wird, die von ihm den Gendarmeriebeamten fälschlich angelasteten Handlungen seien mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht, 4. darnach im Ausspruch, er habe das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB begangen, 5. demzufolge in dem auf § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und § 28 StGB gestützten Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung gemäß § 38 StGB) aufgehoben.
I. Gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:
Alexander A hat das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB begangen.
II. Die Strafsache wird im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs B 2 b, der Bandenqualifikation und des Freiheitsstrafausspruchs zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht rückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner gegen die verhängte Freiheitsstrafe gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des diesbezüglichen Urteilsausspruchs verwiesen.
Die gegen die Geldstrafe nach § 12 Abs. 4 SuchtgiftG.
gerichtete Berufung wird zurückgewiesen.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 21.Februar 1961 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Dachdeckergehilfe Alexander A wurde des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (A 1), des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. (A 2), des Finanzvergehens (der Abgabenhehlerei) nach §§ 37 Abs. 1 lit. a, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG. (A 3), des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB (B 1) sowie der Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB (B 2 a) und der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB (B 2 b) schuldig erkannt.
Ihm liegt zur Last A. ab Anfang 1978 bis 10.August 1980 in Horn, Wielandsberg und in anderen Orten Niederösterreichs sowie in Wien vorsätzlich 1. als Mitglied einer Bande mindestens 200 g Heroin, etwa 10 kg Haschisch (Cannabisharz) und etwa 100 Portionen ('Trips') LSD in Verkehr gesetzt zu haben, woraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte;
2. über die zu Punkt 1 angeführten Mengen hinaus zum Zweck des Eigenverbrauchs unberechtigt mindestens 20 g Heroin, etwa 500 g Haschisch und etwa 10 Portionen ('Trips') LSD, erworben und besessen zu haben;
3. in Tateinheit mit den unter Punkt 1 und 2 angeführten Taten vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war, gekauft, an sich gebracht und verhandelt zu haben, wobei es ihm bei den unter Punkt 1 beschriebenen Tathandlungen darauf ankam, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; ferner B. am 19.Dezember 1980 als Beschuldigter vor dem Untersuchungsrichter des Kreisgerichts Krems und am 14.Jänner 1981, 28.Jänner 1981, 12.Februar 1981 und 18. Februar 1981 als Zeuge in den (abgesondert durchgeführten) Strafverfahren gegen Peter B, Josef C, Engelbert D und Gerald E (jeweils) durch die im wesentlichen gleichlautende Behauptung, zwischen dem 11.August 1980 und dem 18.Dezember 1980 Geständnisse abgelegt und Angaben über den eigenen Suchtgiftvertrieb und denjenigen anderer Personen nur deshalb gemacht zu haben, weil er von den vernehmenden Gendarmeriebeamten mehrfach geschlagen und mißhandelt sowie mit Mißhandlungen bedroht und solcherart zu diesen (falschen und ihn belastenden) Angaben genötigt worden sei, 1. die Gendarmeriebeamten Josef F und Leopold G der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt zu haben, indem er sie von Amts wegen zu verfolgender, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohter Handlungen (sowie der Verletzung von Amts- und Standespflichten) falsch verdächtigte, obgleich er wußte, daß die Verdächtigungen falsch waren;
2. a) durch die vorerwähnten, wahrheitswidrigen zeugenschaftlichen Angaben am 14.Jänner 1981, 28.Jänner 1981, 12.Februar 1981 und 18. Februar 1981 vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache insoweit falsch ausgesagt zu haben, als er sich dadurch nicht selbst entlasten wollte; und überdies dadurch gleichzeitig b) getrachtet zu haben, Peter B, Josef C, Engelbert D und Gerald E, die mit Strafe bedrohte Handlungen nach dem Suchtgiftgesetz begangen hatten, der Verfolgung (absichtlich) ganz oder zum Teil zu entziehen.
Die Schuldsprüche bekämpft Alexander A mit einer auf die Z. 5, 9
lit. a und 10 des § 281 Abs. 1
StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Als unbegründet erweist sich dieses Rechtsmittel zunächst, soweit damit in Ausführung des erstangeführten Nichtigkeitsgrunds eine Widersprüchlichkeit, Aktenwidrigkeit, Unvollständigkeit und eine unzureichende Begründung in bezug auf die Urteilsfeststellungen betreffend die vom Angeklagten in Verkehr gesetzten (angekauften und weiterverhandelten) sowie für den Eigenbedarf verwendeten Suchtgiftmengen, insbesondere von Heroin, geltend gemacht wird.
Rechtliche Beurteilung
Einen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO vermag der Beschwerdeführer mit jenem Teil des umfangreichen Vorbringens zur Mängelrüge, wonach sein umfassendes, später widerrufenes Geständnis vor der Sicherheitsdirektion für Niederösterreich, das er zunächst auch noch vor dem Untersuchungsrichter aufrechterhalten hatte, wegen der darin aufscheinenden (vom Schöffensenat aber für unentscheidend gehaltenen) Widersprüche und wegen seiner labilen Persönlichkeit keine Feststellungsgrundlage bilden könnte, nicht aufzuzeigen. Diese und auch die weiteren einschlägigen Ausführungen richten sich nach Inhalt und Zielsetzung ausschließlich gegen die der Anfechtung entzogene freie Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO). Es erübrigt sich daher ein näheres Eingehen hierauf. Zusätzlich zu dem Geständnis konnte das Erstgericht auf die Angaben des Karl H (Band I S. 269), Reinhard I (Band I S. 117, 121, 123, 125, 131, 133, 135 und 137) und Günther J (Band I S. 215 und 217) verweisen (Band II S. 45).
Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers wurden die ihn teilweise entlastenden Angaben des Engelbert D (Band I S. 549), Gerald E (Band I S. 524 und 525), Günther J (Band I S. 542), Robert K (Band I S. 547), Walter L (Band I S. 554 f.) und Reinhard I (Band I S. 530 f.) berücksichtigt (Band II S. 45).
Die Behauptung des Beschwerdeführers, sein - nach seiner Darstellung falsches - Geständnis sei nur infolge von Schlägen und Mißhandlungen sowie durch Drohung mit Mißhandlungen seitens der vernehmenden Gendarmeriebeamten zustande gekommen, hielt das Erstgericht - abgesehen von den Zeugenaussagen der bezichtigten Beamten Josef F und Leopold G (Band I S. 521, 522 sowie Band II S. 12) - auch deshalb für widerlegt, weil er dieses (ihm angeblich abgenötigte) Geständnis zunächst vor dem Untersuchungsrichter aufrecht erhalten hatte. Den - im Urteil gleichfalls erörterten - Versuch des Beschwerdeführers, hiefür eine plausible Erklärung zu geben, erachtete das Gericht mit zureichender Begründung als gescheitert (Band II S. 44). Damit ist dem wesentlichen Beschwerdeargument, daß auf dieses Geständnis ein Schuldspruch nicht gestützt werden könne, die Grundlage entzogen.
Der Rechtsmittelwerber vermag aber auch mit seinem Hinweis auf die im Ersturteil als glaubwürdig bezeichneten Aussagen der Zeugen Friedrich M und Karl H keine Urteilsnichtigkeit nach der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO darzutun. Zunächst verweist das Gericht im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer behaupteten Schlägermethoden der Beamten der Sicherheitsdirektion darauf, daß M und H nach ihren eigenen Angaben anläßlich ihrer Einvernahmen von Beamten derselben Behörde nicht geschlagen wurden (Band II S. 45 in Verbindung mit Band I S. 568 bzw. Band II S. 22). Der Beschwerde ist zwar beizupflichten, daß im übrigen den Angaben des M (Band I S. 181 ff. und S. 564 ff.) ein den Nichtigkeitswerber belastendes Substrat nicht zu entnehmen ist. Der Zeuge H hingegen hielt auch in der Hauptverhandlung (am 18.März 1981), zumindest, soweit es den vom Beschwerdeführer betriebenen umfangreichen Handel mit Haschisch und LSD anlangt, seine den Angeklagten belastenden Angaben (vor der Sicherheitsdirektion S. 269) aufrecht (Band II S. 20/21, 23 und 25). Darnach ist das Urteil, das sich im Zusammenhang mit dem Ankauf, dem Besitz und der Weitergabe von Haschisch durch den Beschwerdeführer u. a. auf die Darstellung des Zeugen H beruft (Band II S. 46), auch insoweit mängelfrei.
Mit den die Urteilsfeststellungen vernachlässigenden Beschwerdeausführungen zur Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO, wonach die Verfahrensergebnisse zur Feststellung eines Suchtgifthandels, insbesondere mit Heroin, nicht ausreichten, bringt der Beschwerdeführer den angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Im Recht ist hingegen der Angeklagte, soweit er - hier der Sache nach in Ausführung des Nichtigkeitsgrunds der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO - einwendet, es fehlten tragfähige Urteilsfeststellungen für die Annahme der bandenmäßigen Begehung des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (A 1). Für den Bandenbegriff des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. gilt die allgemeine Legaldefinition des § 278 StGB (LSK. 1976/368). Darnach kann von einer Bande nur dann gesprochen werden, wenn sich mehrere (mindestens aber drei) Personen zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl gleichartiger, im einzelnen aber noch unbestimmter Straftaten verbinden (LSK. 1975/107 und 1978/301). Wenn auch das Bestehen einer Bande einen besonderen Organisationsgrad nicht voraussetzt (LSK. 1978/301), ist doch für die bandenmäßige Begehung erforderlich, daß durch die Verbindung zur Bande, insbesondere bei verteilten Rollen, die Mitwirkung von verläßlichen Komplizen bei der Ausführung gesichert ist und die Täter hiebei einen entsprechenden Rückhalt durch ihre Bandenzugehörigkeit finden (LSK. 1979/296). Im Ersturteil wird die Annahme der Verbrechensverübung durch den Beschwerdeführer als Mitglied einer Bande bloß darauf gestützt, daß er mit ihm bekannten Personen, und zwar Walter L, Robert K, Friedrich M, Günther und Lothar J, Engelbert D, Gerald E und Josef C, von denen er wußte, daß sie Heroin weiterverkaufen, in ständiger 'Geschäftsverbindung' stand und ihnen Suchtgift zum Weiterverkauf überließ. Dabei wird für die Annahme der Qualifikation allein das gegenseitige Wissen dieser Personen von ihrer Tätigkeit (als Suchtgifthändler und Suchtgiftkonsumenten) sowie das fallweise gegenseitige Aushelfen untereinander mit Rauschgift bzw. dessen Vermitteln bei Bedarf für ausreichend angesehen (Band II S. 40 und 49). Eine solche Geschäftsverbindung kann aber der für den Bandenbegriff essentiellen Verbindung zur fortgesetzten Begehung von Verbrechen wider die Volksgesundheit nicht gleichgesetzt werden. Das Urteil ist darum in dem Ausspruch, Alexander A habe das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. als Mitgliedeiner Bande verübt, gemäß § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO nichtig.
Aus Anlaß der Beschwerde war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen gemäß § 290 Abs. 1 StPO wahrzunehmen, daß das Urteil im Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB (B 2 b) mit dem vom Angeklagten nicht geltend gemachten, sich aber zu dessen Nachteil auswirkenden Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist.
Den Gegenstand dieses Schuldspruchs bilden ebenso wie jenen wegen Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht (B 2 a) die in den abgesondert durchgeführten Strafverfahren gegen Peter B, Josef C (AZ. 9 Vr 344/80), Engelbert D (AZ. 9 Vr 625/80) und Gerald E (AZ. 11 Vr 557/80) wegen §§ 12, 16 SuchtgiftG. beim Kreisgericht Krems am 14. Jänner 1981, 28.Jänner 1981, 12.Februar 1981 und 18.Februar 1981 jeweils in den dort durchgeführten Hauptverhandlungen von A als Zeuge (bewußt wahrheitswidrig) abgelegten Aussagen. Darnach seien seine (später widerrufenen) Geständnisse und Angaben über den eigenen Suchtgiftvertrieb sowie über jenen von anderen Personen (insbesondere des Peter B, Josef C, Engelbert D und Gerald E) nur dadurch zustandegekommen, daß er von den vernehmenden Gendarmeriebeamten Josef F und Leopold G geschlagen, mißhandelt und mit Mißhandlungen bedroht worden sei.
Inhalt und Umfang dieser nach den Urteilsannahmen falschen und zugleich die vorgenannten Personen begünstigenden zeugenschaftlichen Angaben des A in den gesondert durchgeführten Strafverfahren werden schon beim Schuldspruch B 2 a dahin eingeschränkt, daß diese falschen Beweisaussagen nur insoweit als Vergehen nach § 288 Abs. 1 StGB zugerechnet werden, als sich A hiedurch nicht selbst entlasten wollte (Band II S. 35 und 51).
Die Darlegung der Gründe für den Widerruf seines zunächst abgelegten und nicht nur sich selbst, sondern auch die abgesondert verfolgten Personen (darunter Peter B, Josef C, Engelbert D und Gerald E) belastenden Geständnisses und der im Rahmen desselben gemachten Angaben stellt aber infolge des hier auf der Hand liegenden sachlichen Zusammenhangs einen untrennbaren Bestandteil seiner (in der Folgezeit leugnenden) Verantwortung in dem gegenständlichen Strafverfahren dar;
hat er doch sämtliche, ihm zu B 2 a angelasteten falschen Zeugenaussagen bereits im Jänner und Februar 1981, also vor dem nunmehr angefochtenen, erst am 18.März 1981 gefällten Urteil abgelegt. Sonach wird durch die vorerwähnte inhaltliche Einschränkung implizite zum Ausdruck gebracht, daß diese falschen Angaben zumindest teilweise auch der eigenen Entlastung als Angeklagter dienten.
Abgesehen davon, daß das Urteil eine Feststellung über ein zur Verwirklichung des Vergehenstatbestands nach § 299 Abs. 1 StGB erforderliches absichtliches Handeln des Angeklagten (§ 5 Abs. 2 StGB) vermissen läßt, weist der aufgezeigte Konnex zwischen diesen nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Komplizen entlastenden und sie gleichzeitig auch begünstigenden Angaben und der im Rahmen seiner eigenen Verteidigung leugnenden Verantwortung auf den persönlichen Strafausschließungsgrund des § 299 Abs. 3 StGB hin. Darnach ist wegen Begünstigung nicht zu bestrafen, wer die Tat u.a. in der Absicht begeht, zu verhindern, daß er selbst wegen Beteiligung an der strafbaren Handlung, derentwegen der Begünstigte verfolgt wird, bestraft werde. Straflosigkeit nach dieser Gesetzesstelle tritt dann ein, wenn der Täter auch nur zum Teil in Selbstbegünstigungsabsicht handelt (LSK. 1978/136). Dieser Aspekt blieb beim Schuldspruch wegen versuchter Begünstigung unberücksichtigt; vor allem fehlt jede Feststellung zu dem hier in Betracht zu ziehenden persönlichen Strafausschließungsgrund des § 299 Abs. 3
StGB Dieser Konstatierungsmangel begründet eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO, die gleichfalls zu vermissende Feststellung des dolus directus specialis gemäß § 5 Abs. 2 StGB eine solche nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO Die bisher aufgezeigten Nichtigkeiten führen zur Aufhebung des Urteils in den betreffenden Punkten sowie in dem auf § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und § 28 StGB gegründeten Freiheitsstrafausspruch.
Der Oberste Gerichtshof mußte aber noch einen weiteren, Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO bewirkenden Rechtsirrtum des Kreisgerichts von Amts wegen wahrzunehmen. Der Angeklagte wurde des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB (zweiter Fall, richtig:
höherer Strafsatz) schuldig gesprochen; ebenso verfehlt wie überflüssig auch dahin, die Gendarmeriebeamten der Verletzung von Amts- und Standespflichten falsch verdächtigt zu haben, also des (richtigen) zweiten Deliktsfalls, der ja subsidiär nur dort eingreift, wo nicht ohnehin eine amtswegig zu verfolgende strafbare Handlung vorgeworfen wird (und der Bezichtigte irgendwelche Amts- oder Standespflichten zu beobachten hat).
Dem gegenständlichen Schuldspruch (B 1) liegt zugrunde, daß der Angeklagte zwei Gendarmeriebeamten von Amts wegen verfolgbarer, mit Strafe bedrohter Handlungen falsch verdächtigte, wobei die fälschlich angelasteten Handlungen '(§§ 15, 83 Abs. 1, 105 Abs. 1, 313 StGB)' mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht waren. Dies fußt auf der Ansicht, die Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) sei, unter Ausnützung einer Amtsstellung begangen (§ 313 StGB), eine nicht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, sondern mit solcher bis zu eineinhalb Jahren bedrohte Handlung (S. 50). Indes ist § 313 StGB lediglich eine fakultativ anwendbare Strafausdehnungsnorm, die keine önderung der Strafsätze nach sich zieht (EvBl. 1978 Nr. 63, EvBl. 1978 Nr. 136 = JBl. 1979 S. 43 ff., 13 Os 155/81). Daraus folgt, daß die - in der Bedeutung des § 297 StGB stets als strafbewehrter Deliktstypus, d.h. als abstrakte gesetzliche Regelung (siehe § 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) zu verstehende - 'Handlung' nach § 105 StGB, auch wenn sie unter Ausnützung einer Amtsstellung verübt wird, nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist (EvBl. 1978 Nr. 63, 13 Os 155/81). Darnach verantwortet der Angeklagte nicht das Verbrechen, sondern das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB In diesem Sinn war sogleich in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs. 2 Z. 3 StPO).
Die Generalprokuratur vertritt die Auffassung, daß den Gendarmen durch die Behauptung der versuchten Körperverletzung und der Nötigung einer von ihnen als Verdächtiger vernommenen Person das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 StGB vorgeworfen wurde (Strafsatz: sechs Monate bis fünf Jahre); dazu verweist die Generalprokuratur auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 20. April 1978, LSK. 1978/219. Allein der Oberste Gerichtshof vermag an dieser vereinzelt gebliebenen Entscheidung nicht festzuhalten. Seit jeher war es festgefügte Rechtsprechung, daß Mißbrauch der 'Amtsgewalt' nur die Ausnützung (abusus) einer an sich pflichtgemäßen Amtshandlung zum Zweck einer rechtswidrigen Schädigung sein konnte; was aber niemals eine Amtshandlung, d.h. die typische Ausübung der dem Beamten anvertrauten Gewalt sein konnte, war vom Begriff des 'Amtsmißbrauchs' ausgeschlossen. Der Polizeibeamte, der anläßlich einer Hausdurchsuchung oder einer Totenbeschau etwas für seine eigenen Tasche mitgehen ließ, haftete nicht für Mißbrauch der Amtsgewalt, sondern für Diebstahl (EvBl. 1948 Nr. 823, JBl. 1966 S. 433 u.a.); der Landbriefträger, der mehr Geld zur Einzahlung übernahm, als ihm nach den Vorschriften erlaubt war, und sich das Geld aneignete, beging gemeine Veruntreuung (SSt. XXXI/107);
der Eisenbahnbedienstete, der den Fahrgästen die Fahrkarten abnahm und dann für sich selbst verwertete, war für Betrug verantwortlich (KH. 4063, zu einer Zeit, als die Staatsbahn noch zur Staatsverwaltung gehörte, anders als später seit BGBl. Nr. 843/1922 und Nr. 407/1923 die Bundesbahn); wer die ihm durch das Amt gebotene Gelegenheit und Macht ausnützte, um einer Drohung zur Erzielung eines privatrechtlichen Vorteils Nachdruck zu verleihen, verübte eine Erpressung (SSt. XX/59).
Zusammenfassend mit anderen Worten: Eine Handlung, die sich nicht einmal äußerlich als Amtshandlung darstellt (z.B. Diebstahl, vorsätzliche Körperverletzung, Drohung, Verführung zur Unzucht), vermochte nicht das Verbrechen des Amtsmißbrauchs zu begründen (ZBl. 1938
Nr. 2; SSt. VIII/11, XXV/48, XXVI/81). Darnach konnte durch die Erzwingung eines Geständnisses nur Erpressung begangen werden (KH. 735, SSt. XX/19). Diese Rechtslage ist durch § 302 StGB noch deutlicher hervorgetreten, noch schärfer akzentuiert worden, indem der Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt nunmehr darauf abstellt, daß ein Beamter seine Befugnis, 'Amtsgeschäfte' vorzunehmen, mißbraucht. 'Amtsgeschäfte' sind alle Verrichtungen, die zur unmittelbaren Erfüllung der Vollziehungsaufgaben eines Rechtsträgers dienen, also zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebs gehören und 'für die Erreichung der amtsspezifischen Vollzugsziele sachbezogen relevant sind' (EvBl. 1978 Nr. 136 = JBl. 1979 S. 43 =
RiZ. 1978 Nr. 63, verstärkter Senat). All das kann von einer versuchten Körperverletzung, von Schlägen, Mißhandlungen und Drohungen mit Mißhandlungen (zwecks Abnötigung eines Geständnisses) nicht gesagt werden.
Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob das durch Mißhandlungen und durch Drohung mit Mißhandlungen abgenötigte Geständnis nach der Vorstellung des Beamten ein den Tatsachen entsprechendes oder ein falsches Geständnis sein soll: Mit den Worten 'als deren Organ' normiert § 302 StGB das Erfordernis des Organhandelns (EvBl. 1977 Nr. 185 = JBl. 1977 S. 274; LSK. 1976/317). Aus dem Tatbestand scheiden darum alle Verhaltensweisen eines Beamten aus, die schon nach ihrer Art nicht als Organhandeln im Rahmen der Hoheitsverwaltung gelten können, weil die Handlungen zwar während oder im Zusammenhang mit der Amtsbesorgung sowie unter Ausnützung der durch das Amt eingeräumten tatsächlichen Möglichkeiten, aber ohne Ausübung einer Amtsgewalt gesetzt wurden (EvBl. 1977 Nr. 185 = JBl. 1977 S. 274), nicht einmal äußerlich als ein in die funktionelle Kompetenz des Beamten fallendes Amtsgeschäft, als ein Verhalten, zu dem er kraft seiner Organstellung in abstracto berechtigt wäre, angesehen werden können (LSK. 1979/129). Sind darnach das Führen von Privatgesprächen mit Hilfe des Amtstelephons samt Falschbeurkundung in der Fernsprechbetriebsrechnung (abermals EvBl. 1977 Nr. 185) und die Inanspruchnahme von Gebühren durch einen Beamten, von denen er weiß, daß sie ihm nicht oder nicht in der begehrten Höhe zustehen (LSK. 1976/317), mangels Organhandelns nicht Mißbrauch der Amtsgewalt, dann können es folgerichtig die körperliche Mißhandlung und die Bedrohung einer zu vernehmenden Person auch nicht sein, gleichgültig, von welchen Zielvorstellungen der nötigende Beamte beherrscht wird.
Der Oberste Gerichtshof findet sonach keinen Anlaß, von seiner schon in der Entscheidung vom 19.November 1981, 13 Os 155/81, ausgesprochenen Ansicht abzugehen, daß der gegen einen Beamten erhobene Vorwurf der (versuchten) Körperverletzung während einer Amtshandlung sowie der Drohung mit Mißhandlungen zwecks Herbeiführung eines (richtigen oder falschen) Geständnisses die Bezichtigung wegen der Vergehen nach den §§ 83 (§ 15) und 105 StGB in sich schließt. Das hat zur Folge, daß eine solche wissentliche Falschverdächtigung das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB herstellt.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. unter Anwendung des § 28
StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren, gemäß § 38 Abs. 1 FinStrG. eine Geldstrafe von 250.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit sechs Wochen Freiheitsstrafe, und gemäß § 12 Abs. 4 SuchtgiftG. eine Verfallsersatzstrafe von 1,270.000 S, im Uneinbringlichkeitsfall sechs Monate Freiheitsstrafe. Gemäß § 38 StGB wurde die Anrechnung der Vorhaft 'auf die Strafe' ausgesprochen.
Mit seiner Berufung bekämpft der Angeklagte sämtliche Strafaussprüche (einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen) mit der Behauptung, er - als sehr labile, (nur) mäßig begabte Persönlichkeit, der übrigens bisher bloß wegen des Fahrlässigkeitsdelikts nach § 170 Abs. 1 StGB eine Vorstrafe erlitten habe - sei von dem abgesondert verfolgten Josef C auf raffinierte Weise zum Suchtgiftkonsum verleitet worden, welche Umstände (summarisch) als zusätzliche Milderungsgründe zu werten seien.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß wegen der Aufhebung des Ausspruchs, der Angeklagte habe das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. bandenmäßig begangen, des Schuldspruchs nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB und des auf den 'zweiten Fall' des § 297 Abs. 1 StGB abhebenden Schuldspruchs wegen Verbrechens der Verleumdung auch der auf § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und § 28 StGB gestützte Strafausspruch aufzuheben war, sodaß der Angeklagte mit dem gegen die Freiheitsstrafe gerichteten Teil seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen werden mußte.
Die auf § 12 Abs. 4 SuchtgiftG. gestützte Verfallsersatz-Geldstrafe kann mit Berufung nicht angefochten werden, weil bei deren Ausmessung für Ermessenserwägungen kein Raum bleibt (dazu u.a. LSK. 1975/108 und 1981/16, zuletzt 13 Os 143/81 und 13 Os 155/81). Da der Angeklagte dem Erstgericht (auch) hinsichtlich der in Rede stehenden Verfallsersatzstrafe nur einen Ermessensfehler vorwirft, nämlich mangelnde Schuldangemessenheit auf Grund der aufgezeigten Strafzumessungsgründe, eignet sich das als Berufung gegen die Verfallsersatz-Geldstrafe bezeichnete Vorbringen auch nicht zur Behandlung als Rechtsrüge im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO Die Berufung gegen die Verfallsersatzstrafe war sonach als unzulässig zurückzuweisen. Die mit sechs Monaten festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe (§ 12 Abs. 5 SuchtgiftG.) ist angemessen. Auch die vom Schöffengericht - gemäß § 22 Abs. 1
FinStrG. für das Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei gesondert von den für die übrigen, dem Angeklagten zur Last gelegten Delikte ausgesprochenen Unrechtsfolgen - verhängte Geldstrafe nach § 38 Abs. 1
FinStrG. erweist sich (unter Berücksichtigung des Umstands, daß der zur Tatzeit erst 17 bis 19 Jahre alt gewesene Angeklagte finanzstrafrechtlich unbescholten ist) als gerecht. Infolge des - unangefochten festgestellten - strafbestimmenden Wertbetrags von 128.000 S, dessen Vierfaches die Strafobergrenze bildet, beurteilt nämlich der Oberste Gerichtshof - dem Berufungsvorbringen zuwider - die vom Erstgericht bestimmte Geldstrafe ebenso wie die gemäß § 20 FinStrG. festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Wochen nicht als überhöht.
Anmerkung
E03664European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00138.81.0429.000Dokumentnummer
JJT_19820429_OGH0002_0130OS00138_8100000_000