Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Mai 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schroth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Engelbert A wegen § 1 Abs 1 lit b PornG. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 20.August 1981, GZ 24 Vr 3680/80-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Harry Zamponi und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und der Tagessatz auf 200 S herabgesetzt; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Jänner 1938 geborene Kaufmann Engelbert A des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit b PornG. schuldig erkannt.
Darnach hatte er Ende 1980 in Linz bzw. Ansfelden in gewinnsüchtiger Absicht die Einfuhr und Beförderung unzüchtiger Schriften und Abbildungen, nämlich von je 100 Stück Farbmagazinen 'Color Climax Nr. 109' und 'Anal Sex Nr. 35', veranlaßt.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Einen Verfahrensmangel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Beschwerdeführer im Unterbleiben der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung beantragten Vernehmung des (Inhabers der Firma B) N. B als Zeugen zum Beweis dafür, 'daß der Angeklagte konkrete Anweisungen gegeben habe, die für ihn eingekaufte Ware verläßlich unkenntlich zu machen und im Sinne der in Österreich bestehenden Rechtsvorschriften für verkäuflich herzustellen' (S. 55). Dazu wird in den Gründen des angefochtenen Urteils ausgeführt (S. 62), dem Antrag sei deshalb ein Erfolg zu versagen gewesen, weil nicht einmal der Angeklagte selbst behauptete, 'daß er solche konkreten Anweisungen gegeben hat, die eine tatsächliche Unkenntlichmachung der inkriminierten Stellen ermöglichen (gemeint wohl: gewährleistet hätten). Ein gesondertes Zwischenerkenntnis hierüber ist inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls - entgegen der Vorschrift des § 238 StPO - nicht ergangen. Unbeschadet dieses Formfehlers erweist sich die Verfahrensrüge als unbegründet:
Rechtliche Beurteilung
Daß der Angeklagte die Anweisung gegeben hat, in Österreich nicht erlaubte unzüchtige Darstellungen (intensiver gleichgeschlechtlicher Unzuchtshandlungen zwischen Frauen) 'zu korrigieren bzw. unkenntlich zu machen', wurde vom Erstgericht ohnehin festgestellt (S. 62). Hiezu ergibt sich aus der insoweit auch den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegten Verantwortung des Angeklagten, daß solche Stellen früher mit Tusche übermalt oder herausgerissen worden waren, während im vorliegenden Fall die Hefte teils mit zugeklebten Seiten und teils mittels Klebeetiketten unkenntlich gemachten (unzüchtigen) Abbildungen geliefert werden sollten, womit der Angeklagte mit den Worten 'wenn das so ist, daß es in Österreich erlaubt ist, dann ist es in Ordnung' einverstanden gewesen war (S. 54). Darüber, ob der Angeklagte auf Grund des mit der ausländischen Lieferfirma geführten (Telefon-) Gesprächs davon überzeugt gewesen ist, daß eine ausreichende Unkenntlichmachung verdächtiger Stellen erfolgen werde, hätte auch der Zeuge B höchstens Vermutungen äußern können. Durch das Unterbleiben der beantragten Zeugenvernehmung sind daher Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt worden.
Ebenso versagt die Mängelrüge (Z. 5), mit welcher der Beschwerdeführer dem Ersturteil eine undeutliche, unvollständige und mit sich im Widerspruch stehende Begründung in Ansehung entscheidender Tatsachen zum Vorwurf macht. Denn ungeachtet der vom Erstgericht ohnehin als erwiesen angenommenen Anweisung durch den Angeklagten, in Österreich nicht erlaubte Abbildungen unkenntlich zu machen, war es dem Schöffensenat nicht verwehrt, aus einer Reihe von anderen Umständen darauf zu schließen, daß der Angeklagte bei der Einfuhr der in Rede stehenden Farbmagazine mit bedingtem Vorsatz im Sinne des Tatbildes des ihm zur Last gelegten Vergehens nach § 1 Abs 1 lit b PornG. handelte und insbesondere auch mit der Verwendung von sensiblem Klebstoff rechnete, zumal er solcherart überklebte Magazine schon bei Konkurrenzfirmen gesehen hatte, und kein Grund vorhanden gewesen war, bei der in Rede stehenden Sendung von der bisherigen Vorgangsweise, nämlich unerlaubte Darstellungen mit Farbtusche zu übermalen, bzw. die betreffenden Seiten herauszureißen, abzugehen. In den Entscheidungsgründen wird in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, daß die Art der Verklebung nur am oberen und am seitlichen Rand, nicht jedoch auch am unteren Rand sowie mittels mit dem Fingernagel ablösbarer Etiketten sogar die Vermutung aufkommen läßt, daß dies überhaupt nur zum Zweck der ungehinderten Einfuhr geschehen ist, weil beim Abziehen der Etiketten bzw. beim Lösen der (Ränder der) zusammengeklebten Seiten die Abbildungen unbeschädigt zutage treten (vgl. S. 54 und 63 - 64 d.A.).
Soweit der Beschwerdeführer jedoch ins Treffen führt, daß die Annahmen des Erstgerichtes nicht zwingend seien und aus den Verfahrensergebnissen nach den Denkgesetzen ebenso andere - für ihn günstigere - Schlußfolgerungen gezogen werden könnten und sollten, unternimmt er nur einen im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unzulässigen Angriff gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung, ohne einen formellen Begründungsmangel des Urteils im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO aufzuzeigen.
Für rechtsirrig im Sinne des § 281 Abs 1 Z. 9
lit a StPO erachtet der Beschwerdeführer den Schuldspruch deshalb, weil mit Rücksicht auf den geringen Anteil der gleichgeschlechtlichen Darstellungen gemessen am Gesamtinhalt von einer den inkriminierten Druckwerken innewohnenden 'Werbekomponente' nicht gesprochen werden könne und es sich zumindest bei den Darstellungen im Magazin 'Anal Sex Nr. 35' auch um keine anreißerisch verzerrte - das Obszöne betonende - Wiedergabe von gleichgeschlechtlichen Betätigungen handle.
Diesem Vorbringen zuwider wurden die inkriminierten Abbildungen vom Erstgericht zu Recht als Darstellungen nicht bloß flüchtiger, sondern intensiver Berührungen von zur weiblichen Geschlechtssphäre zählenden Körperteilen durch (andere) Personen weiblichen Geschlechtes (lesbische Darstellungen) beurteilt und als solche ohne Rechtsirrtum der sogenannten 'harten Pornographie' zugeordnet. Denn bei diesen Abbildungen - deren detaillierter Beschreibung im Urteil es keineswegs bedurfte - handelt es sich durchwegs um auf sich selbst reduzierte, von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen gelöste und - ersichtlich gewollt - betont aufdringliche Darstellungen von Unzuchtsakten zwischen Personen des gleichen Geschlechtes, die als solche nicht propagiert werden dürfen und daher im Sinne der heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft und deren Schutzes generell als unzüchtig angesehen werden müssen, zumal derartige Abbildungen, die eine ins Auge fallende unzüchtige Ausstrahlung entfalten (sollen), wegen der ihnen erfahrungsgemäß innewohnenden stimulierenden Wirkung auch eine 'Werbekomponente' aufweisen, die bei Druckwerken und Laufbildern in der Regel gegeben ist (vgl. Oberster Gerichtshof - verstärkter Senat
- 24.November 1980, 12 Os 111/80 = ÖJZ-LSK. 1981/32 = EvBl 1981/52
=
RZ. 1981/20). Einer darüber hinausgehenden (tätergewollten) Massenbeeinflussung mit dem Ziel, eine große Menschenmenge von ihrer bisherigen heterosexuellen Einstellung abzubringen, bedarf es hiezu nicht. Davon abgesehen handelt es sich gerade bei den in Rede stehenden - periodisch erscheinenden - Magazinen um Druckwerke, die in großer Auflage auf den Markt gebracht werden und von denen allein der Angeklagte je 100 Exemplare eingeführt hat. Im übrigen kann es am - vorliegend gegebenen -
unzüchtigen Charakter von Abbildungen auch nichts ändern, wenn deren Anteil am Gesamtinhalt eines Druckwerks von Fall zu Fall verschieden ist.
Fehl geht schließlich auch der Einwand, im Urteil sei die Anführung eines Tatsachensubstrats unterblieben, aus dem das Erstgericht auf den bedingten Vorsatz des Angeklagten geschlossen habe. Denn aus den Entscheidungsgründen geht, wie schon bei der Behandlung der Mängelrüge dargelegt wurde, ohnehin hervor, daß das Erstgericht vor allem deshalb zur Annahme eines solchen Vorsatzes gelangt ist, weil von der bisher geübten Vorgangsweise, unerlaubte Darstellungen mit Farbtusche unkenntlich zu machen oder die betreffenden Seiten überhaupt herauszureißen, abgegangen wurde und der Angeklagte solcherart - nur unzureichend - überklebte Magazine zuvor schon bei Konkurrenzfirmen gesehen hatte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 37 Abs 1 StGB, § 1 Abs 2 PornG. zu einer Geldstrafe in der Höhe von 100 Tagessätzen zu je 300 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 50 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Ferner wurden die bezeichneten Druckwerke gemäß § 1 Abs 3 PornG., § 41 Abs 1 PresseG. für verfallen erklärt.
Bei der Strafbemessung wertet das Jugendschöffengericht keinen Umstand als erschwerend, die 'einem Geständnis nahekommende Verantwortung' des Angeklagten dagegen als mildernd. Bei der Bemessung des Tagessatzes ging es von einem monatlichen (Netto-) Einkommen des Genannten von 10.000 S und von einer Sorgepflicht für seine (als Angestellte ein Monatseinkommen von 7.000 S beziehende) Ehegattin sowie für ein (eheliches) Kind aus.
Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Höhe des Tagessatzes und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.
Bei der vom Schöffengericht bemessenen Höhe des Tagessatzes mit 300 S blieb - wie der Berufungswerber nunmehr urkundlich nachgewiesen hat - unberücksichtigt, daß er auch noch für ein weiteres (außereheliches) Kind, nämlich den am 7.September 1970 geborenen minderjährigen Christian D zu sorgen hat und vom Vormundschaftsgericht zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 3.000 S an dieses Kind verpflichtet wurde. Die Berufung ist aber auch im Recht, soweit sie gegen den vom Erstgericht bei der Tagessatzberechnung herangezogenen Wert des Warenlagers ins Treffen führt, daß der Angeklagte erst aus der Veräußerung dieser Waren sein Einkommen bezieht.
Die sohin korrigierte Bemessungsgrundlage rechtfertigt zwar eine Herabsetzung der Höhe des Tagessatzes, allerdings nicht auf das vom Berufungswerber angestrebte Ausmaß von 100 S. Denn insoweit darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Unterhaltsbeitrag für das außereheliche Kind des Angeklagten zu einem Zeitpunkt - seinen Angaben zufolge bereits vor drei bis vier Jahren - mit 3.000 S monatlich festgesetzt wurde, zu dem er außerdem noch für zwei eheliche Kinder zu sorgen hatte. Schon daraus resultiert, daß das Einkommen des Angeklagten (der zudem Einkommenseinbußen während des relevanten Zeitraums nie behauptete) jedenfalls erheblich über dem von ihm genannten Betrag (von 10.000 S monatlich) gelegen sein muß. Unter diesem Gesichtspunkt entspricht ein Tagessatz in der Höhe von 200 S durchaus den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz (§ 19 Abs 2 StGB). Insoweit war demnach der Berufung Folge zu geben. Eine bedingte Nachsicht der über den Angeklagten verhängten (reduzierten) Geldstrafe kommt jedoch nach Lage des Falles - die in Rede stehende Straftat wurde während des gegen den Angeklagten beim Landesgericht Linz zum AZ. 25 Vr 2517/77 wegen der Vergehen nach § 1 Abs 1 lit a und c PornG. anhängig gewesenen und mittlerweile rechtskräftig beendeten Strafverfahrens begangen -
im Interesse deren erforderlicher spezialpräventiver Effizienz nicht in Betracht. In diesem Umfang war daher der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03701European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00173.81.0506.000Dokumentnummer
JJT_19820506_OGH0002_0120OS00173_8100000_000