TE OGH 1982/5/19 12Os56,57/82

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Veröffentlicht am 19.05.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Mai 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schroth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried A und eine andere wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1

und Abs. 4 zweiter Deliktsfall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.März 1981, GZ. 1 U 420/81-6 und gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.Mai 1981, GZ. 5 E Vr 1321/81-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

In den Strafsachen gegen Elfriede A wegen § 298 Abs. 1 StGB, AZ. 1 U 420/81 des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz, und gegen Siegfried A wegen §§ 88 Abs. 1 und Abs. 4 zweiter Deliktsfall, 298 Abs. 1

StGB, AZ. 5 E Vr 1321/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, wurde das Gesetz verletzt, und zwar 1.) durch das Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Mai 1981, GZ. 1 U 420/81-6, mit dem Elfriede A des Vergehens nach § 298 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, in der eben genannten Bestimmung;

2.) durch das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.Mai 1981, GZ. 5 E Vr 1321/81-8, soweit damit Siegfried A des Vergehens nach § 298 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, ebenfalls in dieser Bestimmung.

Das zu 1.) genannte Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Mai 1981, GZ. 1 U 420/81-6, und alle sich darauf gründenden Verfügungen und Entscheidungen werden aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs. 2 Z. 3, 292 letzter Satz StPO in der Sache selbst erkannt:

Elfriede A wird von der wider sie erhobenen Anklage, am 19.März 1981 in Graz dem Journalbeamten der Bundespolizeidirektion Graz, mithin einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten, durch die Behauptung, sie habe durch Verursachung eines Verkehrsunfalles als Lenkerin des PKWs. Y den Zeugen Dr. B fahrlässig am Körper verletzt, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB wissentlich vorgetäuscht und hiedurch das Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Aus den Akten 5 E Vr 1321/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und 1 U 420/81 des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Siegfried A verschuldete am 19.März 1981

um ca. 22,35 Uhr in Graz in alkoholisiertem Zustand (1,2 %o Blutalkoholgehalt) durch vorschriftswidriges Linkabbiegen mit seinem PKW. einen Verkehrsunfall, bei dem Dr. Martin B schwer verletzt wurde (Schlüsselbeinbruch links, Prellungen). Da Siegfried A wegen der Alkoholisierung um seinen Führerschein fürchtete, verließ er die Unfallsstelle noch vor Eintreffen der Polizei und rief telefonisch seine Ehefrau Elfriede A herbei, damit sie übereinstimmend mit ihm vor der Polizei angebe, sie und nicht ihr alkoholisierter Ehemann sei gefahren. Dies geschah in der Folge auch und Elfriede A spielte dabei ihre Rolle als schockierte Fahrzeuglenkerin so überzeugend, daß sie zunächst ins Spital eingeliefert wurde. Bei einer im Spital vom Verkehrsunfallskommando durchgeführten Befragung verwickelte sie sich aber in Widersprüche und gab schließlich den wahren Sachverhalt zu (S. 5, 15, 17 in 1 U 420/81; S. 11, 17, 18 in 5 E Vr 1321/81). Mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Mai 1981, das in Form eines Protokolls- und Urteilsvermerkes beurkundet wurde (GZ. 1 U 420/81-6), wurde Elfriede A des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 S (im Nichteinbringlichkeitsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Dieses Urteil wurde mit Ablauf des 29.Mai 1981 rechtskräftig.

Siegfried A wurde mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.Mai 1981, GZ. 5 E Vr 1321/81-8, für die Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 (Abs. 1 und) Abs. 4

zweiter Deliktsfall (§ 81 Z. 2) StGB und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 1/2 Monaten verurteilt. Dagegen meldete er durch seinen Verteidiger rechtzeitig Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an und führte diese auch aus (5 E Vr 1321/81-12, 13), wobei sich die Nichtigkeits- und Schuldberufung nur gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 298 Abs. 1 StGB richtete. In der mündlichen Berufungsverhandlung am 10. November 1981 wurden die Nichtigkeits- und die Schuldberufung zurückgezogen (5 E Vr 1321/81-17); mit Urteil vom selben Tag, AZ. 8 Bs 263/81, GZ. 5 E Vr 1321/81-18, wies das Oberlandesgericht Graz die Strafberufung als unbegründet zurück. Siegfried A hat die über ihn verhängte Freiheitsstrafe inzwischen verbüßt (5 E Vr 1321/81- 27).

Rechtliche Beurteilung

Die Urteile des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Mai 1981, GZ. 1 U 420/81-6, und des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.Mai 1981, GZ. 5 E Vr 1321/81-8, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 298 Abs. 1 StGB § 298 Abs. 1 StGB setzt u.a. voraus, daß eine mit (gerichtlicher) Strafe bedrohte Handlung (wissentlich) vorgetäuscht wurde, was, wie der Oberste Gerichtshof in neuerer Judikatur bereits mehrmals ausgesprochen hat (JBl. 1981, 603 mit zustimmender Besprechung von Liebscher;

11 Os 52/81; vgl. auch Leukauf-Steininger2, RN. 2 zu § 298), nur dann zutrifft, wenn die in Rede stehende Straftat überhaupt nicht begangen wurde, also erfunden ist, nicht aber dann, wenn sie tatsächlich verübt wurde und (bloß) unwesentliche Tatumstände verändert werden oder eine andere Person fälschlich als Täter vorgeschoben wird (anderer Meinung noch SSt. 47/19 und JBl. 1980, 213); dazu kann, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die nähere Begründung der beiden erstzitierten Entscheidungen verwiesen werden. Gerade letzteres trifft im vorliegenden Fall zu, denn die Eheleute A haben lediglich den Täter einer strafbaren Handlung, die tatsächlich vorgefallen ist, bei ihrer Tathergangsschilderung 'ausgetauscht', indem sie wahrheitswidrig behaupteten, Elfriede A, und nicht ihr Ehemann, hätte das Fahrzeug im Unfallszeitpunkt gelenkt. Dieses Verhalten kann nach der nunmehrigen, auch durch die Ausführungen in EBRV. 1971, 448 gedeckten Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht als Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB beurteilt werden. Einer Ahndung dieses Verhaltens als Vergehen der Begünstigung nach § 299 Abs. 1

StGB steht entgegen, daß Elfriede A die Ehefrau des Siegfried A ist (§ 299 Abs. 3 StGB).

Ebensowenig kommt aber auch eine Beurteilung des Täterverhaltens als Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB oder der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB (bzw. als Bestimmung hiezu) in Betracht (Leukauf-Steininger2, RN. 7 und 17 cc zu § 108), wobei das letztbezeichnete Vergehen schon deshalb nicht vorliegen kann, weil Elfriede A nicht als Zeugin, sondern als Beteiligte und vermeintlich schuldtragende Lenkerin von den Polizeibeamten informativ befragt wurde.

Bei rechtsrichtiger Beurteilung wäre daher Elfriede A freizusprechen gewesen, sodaß sich die Gesetzesverletzung zu ihrem Nachteil auswirkt.

Für Siegfried A ist hingegen aus der unrichtigen Anwendung des Gesetzes ein Nachteil nicht entstanden, weil er durch sein Verhalten, wie auch das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in seinem Urteil vom 10.November 1981, AZ. 8 Bs 263/81, zutreffend ausgeführt hat, das gegenüber dem ihm angelasteten Vergehen nach § 298 StGB strenger strafbare Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB begangen hat. Denn er hat seine Ehefrau der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er sie bei seiner polizeilichen Vernehmung am 19.März 1981 einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des (in Wahrheit von ihm selbst begangenen) Vergehens nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 StGB verdächtigte, obwohl er wußte, daß diese Verdächtigung falsch ist. Hiegegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, daß (die dispositionsfähige) Elfriede A in die gegen sie gerichtete Verleumdung wirksam eingewilligt habe und die Tat damit straflos geworden sei.

Verleumdung ist ein 'zusammengesetztes Delikt', das neben dem Schutz verzichtbarer Individualrechte (wie Ehre, Freiheit und Vermögen des Verleumdeten) auch den Schutz der Strafrechtspflege, mithin eines unverzichtbaren Universalrechtsgutes zum Gegenstand hat (vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 1 zu § 297; Foregger-Serini, MKK.2, Erl. I zu § 297).

Mag hiebei auch dem Schutz des Verleumdeten erhöhte Bedeutung zukommen (Pallin in WK. RN. 1 zu § 297) - was sich auch aus dem höheren Strafsatz des § 297 Abs. 1 StGB ergibt, der sich auf die größere Gefahr für den Verleumdeten bezieht -, so steht doch zufolge der systematischen Einordnung des § 297 StGB in den 21.Abschnitt des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches der Schutz der Strafrechtspflege, mithin eines Universalrechtsgutes, auf das der einzelne nicht verzichten kann, im Vordergrund (Burgstaller, RZ. 1977, 2; Leukauf-Steininger2, RN. 1 zu § 297).

Deshalb kann der von einem Teil des Schrifttums (vgl. Zipf, RZ. 1976, 192 ff.; Pallin a.a.O. RN. 2 zu § 297) und in den Entscheidungen SSt. 47/19 (= JBl. 1976, 549) und 13 Os 66/76 vertretenen Auffassung, die Zustimmung des zu Unrecht Verdächtigten schließe die Anwendung des § 297 StGB aus, nicht gefolgt werden (i.d.S. auch Liebscher, JBl. 1976, 569/570; Burgstaller, RZ. 1977, 1 ff.; Foregger-Serini MKK.2 Erl. VI zu § 297; Leukauf-Steininger2, RN. 38, 39 zu § 3). Die Einwilligung des falsch Verdächtigten in seine Verleumdung vermag demnach den Verleumder weder zu rechtfertigen noch sonst dessen Strafbarkeit auszuschließen; auch wer mit Zustimmung des Betroffenen diesen (wissentlich) falsch verdächtigt und ihn solcherart der Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzt, haftet nach § 297 Abs. 1 StGB Siegfried A wäre somit bei richtiger Gesetzesanwendung nicht des Vergehens nach § 298 Abs. 1 StGB, sondern des strenger strafbaren Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen gewesen; bei ihm kann es daher bei der bloßen Feststellung der Gesetzesverletzung (in der Bestimmung des § 298 StGB) das Bewenden haben.

Auf Grund der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E03695

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00056.82.0519.000

Dokumentnummer

JJT_19820519_OGH0002_0120OS00056_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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