TE OGH 1982/5/25 10Os31/82

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Veröffentlicht am 25.05.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Mai 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, 75 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 2.Dezember 1981, GZ. 10 Vr 800/80-77, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, sowie der Ausführungen des Verteidigers Dr. Michael Stern und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 12 (zwölf) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.März 1932 geborene Landwirt Franz A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 27.September 1980 in Simonsfeld, Gemeinde Ernstbrunn, nach wiederholten Morddrohungen durch zwei gezielte Schüsse aus einer Schrotdoppelflinte Kal. 12/70 aus einer Entfernung von höchstens 3 m den Gendarmeriebeamten Alfred B und sodann durch zwei weitere gezielte Schüsse aus dieser Waffe aus einer Entfernung von zirka 14 m den genannten Beamten und den Gendarmeriebeamten August C vorsätzlich zu töten versucht hat.

Die Geschwornen hatten die bezüglichen Hauptfragen 1 und 16 mehrheitlich (jeweils mit 6 : 2 Stimmen) bejaht und die beiden Zusatzfragen 8 und 23 in Richtung einer zur Tatzeit bestandenen Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten (jeweils stimmeneinhellig) verneint. Demzufolge entfiel eine Beantwortung der Eventualfragen wegen Totschlags (2, 17), absichtlicher schwerer Körperverletzung mit (3, 18) und ohne schwere(n) Dauerfolgen (4, 19), Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (5, 20), schwerer Körperverletzung (6, 21) und fahrlässiger Körperverletzung (7, 22) sowie wegen Tatbegehung im Zustand voller Berauschung (9 bis 15 und 24 bis 30).

Dieses Urteil wird vom Angeklagten Franz A mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z. 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Als Verletzung der in § 314 und 316 StPO enthaltenen Vorschriften über die Fragestellung (Z. 6) wird geltend gemacht, daß die eingangs bezeichneten Fragen 3, 5, 18 und 20 nicht als Eventualfragen, sondern richtig als Zusatzfragen zu den jeweils nachfolgenden (gleichfalls vorerwähnten) Eventualfragen 4, 6, 19 und 21 zu stellen gewesen wären. Diese Rüge schlägt jedoch nicht durch. Wenngleich nach § 316 StPO für Erschwerungsumstände, welche einen besonderen Strafsatz bedingen, eine selbständige Zusatzfrage gestellt werden kann, bleibt es nämlich doch dem Schwurgerichtshof anheimgestellt, ob er solche Umstände überhaupt zum Gegenstand einer eigenen Frage macht oder ob er sie in die Schuldfrage aufnimmt (§ 317 Abs 2 StPO) und etwa (wie hier) - außer durch die allgemeine Belehrung nach § 325 Abs 2 StPO, die bereits einen derartigen Hinweis gemäß § 330 Abs 2 StPO enthält - auch noch in der Rechtsbelehrung nach § 321 Abs 2

StPO auf die Möglichkeit einer bloß teilweisen Bejahung der betreffenden Schuldfrage aufmerksam macht (vgl. Mayerhofer-Rieder III/2, Nr. 8 f. zu § 316; Nr. 1 ff. zu § 330

StPO). Der Schwurgerichtshof war daher durchaus berechtigt, den strafsatzändernden Umstand der schweren Dauerfolgen - i.S. des § 85 Z. 2 und 3 StGB - (§ 87 Abs 2 erster Strafsatz StGB), schon in die Eventualfragen 3 und 18 aufzunehmen, und wäre gar nicht verpflichtet gewesen, in Ansehung dieses Qualifikationsmerkmales gesonderte Fragen zu stellen. Tat er dies aber überflüssigerweise, dann kann sich der Angeklagte nicht dadurch beschwert erachten (§ 345 Abs 3 StPO), daß dies durch weitere (einschränkende) Eventualfragen (4 und 19) für den Fall der Verneinung der Fragen 3 und 18 statt durch erweiternde Zusatzfragen zu den Eventualfragen in Richtung (bloß) § 87 Abs 1 StGB (wie 4 und 19) - an Stelle der Fragen 3 und 18 - geschah. Gleiches trifft auf das Verhältnis der Eventualfragen 5 und 20 zu den jeweils folgenden Eventualfragen 6 und 21 zu, wobei die Bestimmungen des § 85 Z. 2 und 3 StGB (Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen) gleichfalls keine eigenen Tatbestände, sondern (schon nach dem Gesetzeswortlaut) nur - gegenüber § 84 Abs 1 StGB (schwere Körperverletzung) erweiterte Erfolgsqualifikationen zum Grunddelikt der Körperverletzung nach § 83 StGB darstellen. Als in Ansehung der Tatbeschreibung (§ 314 Abs 1 i. V.m. § 312 Abs 1 StPO) verfehlt (Z. 6) bezeichnet der Beschwerdeführer ferner die Formulierung der Eventualfragen 7 und 22, weil die Abgabe gezielter Schüsse Vorsatz indiziere und daher nicht als Tathandlung einer fahrlässigen Körperverletzung in Betracht kommen könne.

In diese Richtung hin läßt die Beschwerde indessen mangels jeglicher Substantiierung, nach welchen anderen Tathandlungen des Angeklagten im gegebenen Zusammenhang hätte gefragt werden sollen und durch welches Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung eine derartige (anderslautende) Fragenformulierung indiziert gewesen wäre (§ 314 Abs 1 StPO), überhaupt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen (§ 285 Abs 1, 344 StPO).

Als unbegründet hinwieder erweist sich der auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Vorwurf einer den Geschwornen erteilten unrichtigen Rechtsbelehrung.

Bei der Erklärung des Begriffs 'vorsätzlich' (§ 5 StGB) 'zu allen einschlägigen Fragen' - gemeint sind offenbar die Fragen 1 und 16, 2 und 17, 6 und 21 sowie 5 und 20 - hat der Schwurgerichtshof auf die Vorsatzform der Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) allerdings nur insoweit Bezug genommen, als er bei der Erläuterung des bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 a.E. StGB) darauf hinwies, daß letzterer (auch) dann nicht in Betracht kommt, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg vom Täter ('geradezu bezweckt' - § 5 Abs 2 StGB - oder) 'als gewiß vorausgesehen' wird; einer näheren Erklärung des Ausdrucks 'gewiß' bedurfte es jedoch, der Beschwerdeauffassung zuwider, im Hinblick auf dessen Allgemeinverständlichkeit nicht.

Das (bloß) dogmatische Gleichsetzen der 'Absicht' (§ 5 Abs 2 StGB) mit dem - herkömmlicherweise als Oberbegriff für alle drei Vorsatzarten verwendeten - Begriff 'direkter Vorsatz' aber (vgl. hiezu Leukauf-Steininger2, RN. 24 zu § 5 StGB) vermag mangels inhaltlicher Relevanz eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung nicht zu begründen.

Die Rechtsbelehrung zur Strafbarkeit des Versuches (in Ansehung der Hauptfragen 1 und 16) bemängelt der Beschwerdeführer deshalb als unrichtig, weil darin ausgeführt wird, es spiele keine Rolle, 'aus welchen Gründen es nicht zur Vollendung gekommen ist' (Band II/S. 311), wogegen doch - rechtsrichtig gesehen - eine absolute Untauglichkeit des Versuches (§ 15 Abs 3 StGB) oder ein Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) zur Straflosigkeit führen. Die relevierte Passage der Rechtsbelehrung, wonach die Gründe für das Unterbleiben einer Deliktsvollendung ohne Belang sind, betrifft jedoch, wie sich aus dem Zusammenhang mit den folgenden Erläuterungen deutlich genug ergibt, ohnedies nur jene Fälle, in denen eine an sich mögliche Vollendung aus anderen Ursachen als wegen freiwilligen Rücktritts des Täters vom Versuch unterblieben ist; von einer Unrichtigkeit kann daher insoweit nicht gesprochen werden. Sofern der Beschwerdeführer aber die Nichterörterung der beiden vorerwähnten Fälle der Straflosigkeit eines Versuchs als Unvollständigkeit rügt, verkennt er zum einen, daß der Schwurgerichtshof mangels Zusatzfragen in Richtung § 16 StGB solche den durch die Fragen gesteckten Rahmen überschreitende Darlegungen in die Rechtsbelehrung gar nicht aufnehmen durfte (Mayerhofer-Rieder, Nr. 16 und 20 zu § 345 Abs 1 Z. 8 StPO u.a.); zum anderen vermag er mit seinen Einwänden nicht darzutun, daß die gerügte Unvollständigkeit in bezug auf § 15 Abs 3

StGB nach Lage des Falles zu einer Irreführung der Geschwornen bei der Fragenbeantwortung hätte führen können und damit einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung gleichzuhalten wäre, räumt er (darin) doch selbst ein, daß eine Vollendung des versuchten Mordes durchaus nicht 'unter keinen Umständen möglich' war, sodaß er eine in concreto denkbare Aktualität der in Rede stehenden, darauf bezogenen Problematik gar nicht behauptet.

Unberechtigt ist weiters der Vorwurf, die Rechtsbelehrung zu den Hauptfragen 1 und 16 sowie deren Abgrenzung von den Eventualfragen 2 und 17 sei unverständlich, weil den Geschwornen als medizinischen Laien das Tatbestandsmerkmal 'Gemütsbewegung' (in § 76 StGB) - 'noch dazu falsch' - als 'ästenischer Affekt' dargestellt wurde (Band II S. 311). Denn der Schwurgerichtshof hat das relevierte Tatbestandsmerkmal keineswegs bloß derart erläutert, sondern ohnedies auch auf die sogenannten 'asthenischen' Affekte verwiesen - woraus zweifelsfrei zu entnehmen ist, daß es sich bei der Bezeichnung 'ästenisch' augenscheinlich nur um eine durch einen Schreibfehler bedingte Verballhornung des Wortes 'sthenisch' handelt -, insbesondere aber beide Fallgruppen durch eine gerade für Laien einprägsame Aufzählung jeweils affektauslösender Momente, wie Zorn, Aufwallung und Rache einerseits sowie Furcht, Bestürzung, Schrecken, Verzweiflung und Mutlosigkeit andererseits, exemplifiziert; von einer - sei es auch nur auf einer Unverständlichkeit beruhenden - Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung kann daher in diesem Zusammenhang gleichfalls keine Rede sein, zumal eine heftige Gemütsbewegung im Sinn des § 76 StGB durchaus auch in einem sthenischen Affekt wurzeln kann (Leukauf-Steininger2, RN. 4 zu § 76 StGB). Welche weiteren Aufklärungen schließlich der Beschwerdeführer in Ansehung der Eventualfragen 7 und 22

zu den Tatbestandsvoraussetzungen einer fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs 1 und 4 StGB) vermißt, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend, daß der Angeklagte versucht hat, zwei Gendarmeriebeamte durch mehrere Schüsse zu töten, sowie die zum Teil sehr schweren Körperverletzungen, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, wobei die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stand, daß es beim Versuch geblieben ist und daß er zur Tatzeit durch den Konsum von Alkohol enthemmt und seine Zurechnungsfähigkeit herabgesetzt war. In seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Minderung der Strafe unter das gesetzliche Mindestmaß (im Wege der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41

StGB), vor allem mit der Argumentation, daß er sich zur Tatzeit aus Angst, nach 'Gugging' (gemeint: in eine Nervenheilanstalt) gebracht zu werden, in einer heftigen Gemütsbewegung befand und später bei der Hauptverhandlung Reue über die Folgen seiner Tat bekundete. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe jedoch im wesentlichen zutreffend festgestellt. Von einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tatzeit im Sinne des § 34 Z. 8 StGB kann beim Angeklagten keineswegs gesprochen werden; seiner damals vorgelegenen Gemütsverfassung in der ihr tatsächlich zukommenden Bedeutung hat das Erstgericht aber nach dem Vorgesagten ohnedies ausreichend Rechnung getragen. Daß sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung bei einem der von ihm verletzten Beamten entschuldigt hat (S. 292/II), vermag nach Lage des Falles nur wenig ins Gewicht zu fallen.

Dennoch vermeinte der Oberste Gerichtshof, daß der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten und dem Umstand, daß es beim (Mord-) Versuch geblieben ist, doch ein derart erhebliches Gewicht zukommt, daß eine (geringe) Herabsetzung der Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß vertretbar ist.

Eine weitergehende Reduzierung konnte hingegen, weil immerhin nicht übersehen werden darf, daß die Taten äußerst schwere Verletzungen von zwei Beamten, zum Teil mit empfindlichen Dauerfolgen nach sich zogen, sowohl aus Gründen der Spezial- als auch der Generalprävention nicht in Erwägung gezogen werden. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E03776

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00031.82.0525.000

Dokumentnummer

JJT_19820525_OGH0002_0100OS00031_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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