TE OGH 1982/6/2 1Ob597/82

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Veröffentlicht am 02.06.1982
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Norm

ABGB §871
ABGB §874
ABGB §878
ABGB §1016
ABGB §1295

Kopf

SZ 55/84

Spruch

Derjenige, der zwei möglichen Kontrahenten gegenüber jeweils als Vertreter des anderen erschien und eine Willensübereinstimmung nur auf Grund eines von ihm zumindest fahrlässig veranlaßten Irrtums beider Kontrahenten herbeiführte, haftet demjenigen Irrenden, der durch sein Verhalten einen Schaden erlitt

OGH 2. Juni 1982, 1 Ob 597/82 (OLG Wien 14 R 209/81; LGZ Wien 11 Cg 474/80)

Text

Der Beklagte war vom 1. 2. 1977 bis 28. 4. 1977 Verkaufsberater der Z-Häuser GesmbH & Co. KG in deren Vertriebsstelle in Wien. Im März 1977 vereinbarte er mit Josef H mündlich, daß dieser das im W-Gelände stehende Musterhaus um 600 000 S kauft und darüber später eine schriftliche Vereinbarung getroffen wird. Gleichfalls im März 1977 besichtigten die Kläger dieses Musterhaus. Der Beklagte teilte ihnen mit, daß sie dieses Haus günstig um 684 000 S kaufen könnten, weil dieser Preis um 200 000 S unter dem Listenpreis liege. Etwa zwei Wochen später entschlossen sich die Kläger zum Kauf des Hauses. Der Beklagte erklärte ihnen, er habe bei ihrer ersten Vorsprache nicht gewußt, daß das Haus schon verkauft ist. Der Käufer sei jedoch bereit, gegen Zahlung von 60 000 S vom Vertrag zurückzutreten. Diesen Vorschlag hatte der Beklagte Josef H gemacht und dieser war damit einverstanden gewesen. Die Kläger entgegneten, sich die Sache noch überlegen zu wollen. Sie gelangten zur Ansicht, daß ihnen dieses Haus noch immer billiger komme als ein anderes Haus. In der Folge rief der Beklagte die Kläger mehrmals an und fragte, ob sie schon den Betrag von 60 000 S an Josef H überwiesen hätten. Er sagte, daß die Firma Z die notwendigen Vermessungen auf ihrem Grund nur dann vornehmen werde, wenn der Betrag von 60 000 S bezahlt sei. Die Kläger überwiesen diesen Betrag im April 1977 auf das Konto des Josef H. Der Beklagte und ein weiterer Angestellter der Firma Z führten in der Folge Vermessungen auf dem Grund der Kläger durch. Mit Vertrag vom 5. 4. 1977 kauften die Kläger das Musterhaus um 680 000 S.

Die Kläger begehrten vom Beklagten den Ersatz des von ihnen an Josef H bezahlten Betrages mit der Begründung, daß der Firma Z vom Kaufinteresse des Josef H nichts bekannt gewesen sei; dies hätten sie erst nach Abschluß des Kaufvertrages erfahren. Durch die Irreführung des Beklagten seien sie zur Bezahlung des Betrages von 60 000 S an Josef H veranlaßt worden.

Der Beklagte bestritt eine Irreführung der Kläger.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte noch fest, daß das Aufgabengebiet des Beklagten nach dem schriftlichen Anstellungsvertrag auch den Abschluß von Kaufverträgen über Z-Häuser umfaßt habe. Tatsächlich sei jedoch der Beklagte nicht berechtigt gewesen, Kaufverträge abzuschließen. Er sei bei seiner Einschulung darauf aufmerksam gemacht worden, daß er nur zur Entgegennahme von Kaufanträgen berechtigt sei, nicht jedoch auch zum Abschluß von Kaufverträgen. Es sei ihm ferner mitgeteilt worden, daß ein Kaufvertrag erst rechtswirksam sei, wenn er von der Geschäftsführung der Firma Z genehmigt worden sei. Erst nach Abschluß des Kaufvertrages hätten die Kläger erfahren, daß die Firma Z von einem Verkauf des Hauses an Josef H nichts gewußt habe und der Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, Kaufverträge abzuschließen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Beklagte durch sein schuldhaftes Verhalten die Kläger veranlaßt habe, an Josef H eine Nichtschuld in der Höhe von 60 000 S zu bezahlen. Die Kläger hätten dadurch einen Schaden erlitten, zu dessen Ersatz der Beklagte nach den Bestimmungen der §§ 1295 ff. ABGB verpflichtet sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Schadenersatz könne erst begehrt werden, wenn ein Schaden tatsächlich eingetreten sei. Solange nicht feststehe, daß die Rechtsverfolgung gegen Josef H aussichtslos oder der Rückforderungsanspruch gegen ihn nicht einbringlich sei, hätten die Kläger keinen Vermögensnachteil erlitten. Der an Josef H von ihnen bezahlte Betrag sei zwar zunächst aus ihrem Vermögen ausgeschieden, an seine Stelle sei jedoch als Aktivpost der Rückforderungsanspruch gegen Josef H getreten. Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung oder Uneinbringlichkeit ihrer Forderung bei Josef H hätten die Kläger nicht einmal behauptet.

Über Revision der Kläger hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuen Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von den Klägern erhobene Anspruch ist, wie die Revision richtig darlegt, ein Schadenersatzanspruch. Nach dem Prozeßstandpunkt der Kläger haben sie dadurch einen Schaden erlitten, daß ihnen der Beklagte erklärt hatte, das Haus bereits an Josef H verkauft zu haben, obwohl er zum Verkauf nicht berechtigt war; er habe sie hiedurch zwecks Bewirkung eines Vertragsrücktrittes des Josef H zu einer Zahlung von 60 000 S an diesen veranlaßt.

Eine Rückforderung dieses Betrages von Josef H wäre entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes unter diesen Umständen nicht nach § 1431 ABGB möglich gewesen. Nach dem Prozeßstandpunkt der Kläger konnte Josef H auf Grund der Behauptungen des Beklagten glauben, wirklich Käufer zu sein, so daß es allein in seinem Ermessen lag, ob er das Haus weiterverkaufte oder gegen Entgelt auf seine Vertragsrechte verzichtete. Die Kläger hätten auf Grund der Erklärungen des Beklagten ebenfalls der Meinung sein müssen, daß das Haus bereits verkauft sei. Nur der Beklagte hätte gewußt, daß er bei Abschluß des Vertrages mit Josef H ohne Vollmacht gehandelt hätte. Zwischen den Klägern und Josef H bestand damit ein Vertrag. Ein Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB besteht aber nur für rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen (Arb. 9700; EvBl. 1961/284; Koziol - Welser[5] I 323; Wilburg in Klang[2] VI 440).

Die Frage, inwieweit das Vertragsverhältnis zwischen den Klägern und Josef H nach den Bestimmungen der §§ 871, 901 ABGB angefochten werden könnte, wäre nicht zu prüfen. Zu einer solchen Anfechtung könnten die Kläger nur nach den Grundsätzen der Rettungs- und Schadensminderungspflicht gehalten sein. Auf deren Verletzung durch den Geschädigten ist aber nicht von Amts wegen einzugehen (ZVR 1976/13; ZVR 1975/164; SZ 47/69 uva.). Zur Einleitung von mit Kostenrisken verbundenen Schritten, die ohne das Verhalten des Schädigers nicht erforderlich gewesen wären, ist der Geschädigte im übrigen nicht verpflichtet (SZ 45/5 ua.).

Die Entscheidung des Rechtsstreites hängt davon ab, ob der Beklagte von seinem Dienstgeber zum Verkauf des Hauses bevollmächtigt war. War dies der Fall, dann hätte Josef H durch die mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung die Rechtsstellung eines Käufers erlangt. Eine Irreführung der Kläger durch den Beklagten lag nicht vor. Dem Schadenersatzbegehren der Kläger wäre die Grundlage entzogen. War der Beklagte hingegen zum Abschluß von Kaufverträgen nicht berechtigt, wäre Josef H auf Grund seiner mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung lediglich als Anbotsteller anzusehen. Jener hätte die Kläger dadurch, daß er ihnen erklärte, das Haus sei bereits verkauft, in Irrtum geführt. Dem Beklagten wäre möglicherweise nur fahrlässige Irreführung nachweisbar, was auch die Revision (möglicherweise weil der Beklagte glauben hätte können, Josef H hätte doch schon Rechte erworben haben können) annimmt. Auch bloß fahrlässige Irreführung berechtigt den Getäuschten nicht nur, den Vertrag anzufechten, sondern macht auch unter Umständen schadenersatzpflichtig (SZ 48/102). Die Ersatzpflicht trifft jedoch in der Regel nur den Vertragspartner, auch wenn die Irreführung von seinem Vertreter oder Verhandlungsgehilfen gesetzt wurde, weil vorvertragliche Pflichten nur die Vertragspartner treffen. Außerhalb vorvertraglicher Beziehungen ist die nur fahrlässige Zufügung reiner Vermögensschäden nicht rechtswidrig und macht daher grundsätzlich nicht ersatzpflichtig (Koziol - Welser[5] I 117; Bydlinski in JBl. 1976, 208). Es ist aber in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß demjenigen, der als Vertreter eines anderen im rechtsgeschäftlichen Verkehr auftritt, selbst vorvertragliche Pflichten zur Prüfung seiner Vollmacht und Mitteilung auftretender Zweifel dem Gegner gegenüber obliegen. Diese Verpflichtung des Vertreters wird mit dem Erfordernis der möglichst reibungslosen Funktionsfähigkeit des Institutes der direkten Stellvertretung in Verbindung mit dem Gedanken des Ausgleiches der seitens des Vertreters durch seine Teilnahme an der fremden Interessenverwirklichung herbeigeführten besonderen Risikosteigerung im Verkehr begrundet (Welser, Vertretung ohne Vollmacht 97; SZ 51/79). Dieses Risiko besteht insbesondere darin, daß eine geschäftliche Erklärung nicht als solche dessen gilt, für den sie abgegeben wurde (Welser aaO 96). Derjenige, der - zu Recht oder zu Unrecht - für einen anderen "kontrahiert", ist im Verhältnis zum Dritten eben nicht irgend jemand, sondern eine Person, die am Vertragsgeschehen entscheidend beteiligt ist (Welser aaO 94). Verschweigt ein Vertreter vorsätzlich oder fahrlässig seine mangelnde Vertretungsmacht, so haftet er dem Dritten für den verursachten Schaden (Koziol - Welser[5] I 148). Nichts anderes kann für einen Vertreter gelten, der zwei möglichen Kontrahenten gegenüber jeweils als Vertreter des anderen erschien und eine Willensübereinstimmung nur auf Grund eines von ihm zumindest fahrlässig veranlaßten beiderseitigen Irrtums herbeiführte. Er haftet dann demjenigen Irrenden, der durch sein Verhalten einen Schaden erlitt.

Bei Erhebung der Schadenshöhe ist zu fragen, was gewesen wäre, wenn der den Irrtum Veranlassende pflichtgemäß vorgegangen wäre und den Vollmachtmangel mitgeteilt hätte (Welser aaO 129). Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, zunächst das Anbot des Josef H der Firma Z weiterzuleiten und darauf hinzuwirken, daß es von dieser auch angenommen wird.

Wären die Kläger vom Beklagten nicht getäuscht, sondern vom wahren Sachverhalt in Kenntnis gesetzt worden, hätten sie also immer noch damit rechnen müssen, als Käufer nicht zum Zuge zu kommen, weil die Annahme des Anbots des Josef H durch die Firma Z zumindest möglich war. Die Kläger, die das Haus haben wollten, hätten daher auch ohne Täuschung durch den Beklagten mit Josef H wohl eine Vereinbarung angestrebt, um diesen zur Aufgabe seines Anspruchs zu veranlassen. Diese Vereinbarung hätte aber zweifellos einen anderen Inhalt gehabt. Die Kläger wären kaum bereit gewesen, die ihnen genannte Abstandssumme in voller Höhe zu bezahlen, wenn sie gewußt hätten, daß Josef H noch nicht sicher die Position eines Käufers erlangt hätte. Die Täuschung durch den Beklagten wäre somit nicht für die Abgabe der Willenserklärung überhaupt, sondern für einen bestimmten Inhalt dieser Willenserklärung ursächlich gewesen (vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 147). Durch die Täuschung des Beklagten wäre den Klägern also nur insoweit ein Schaden verursacht worden, als sie eine höhere Abstandssumme an Josef H bezahlten, als sie ohne die Täuschungshandlung des Beklagten geboten hätten. Dieser Betrag kann nur nach dem hypothetischen Parteiwillen der Kontrahenten ermittelt werden.

Die Feststellungen des Erstgerichtes über die Berechtigung des Beklagten zum Abschluß von Kaufverträgen wurden in der Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht, die Beweisrüge des Beklagten nicht erledigt.

Anmerkung

Z55084

Schlagworte

Irrtum, Haftung des scheinbaren Vertreters für Schaden durch fahrlässig, veranlaßten - der Kontrahenten, Vertrag, Haftung eines scheinbaren Vertreters für Schaden durch, fahrlässig veranlaßten Irrtums der Kontrahenten, Vertreter, scheinbarer, Haftung für Schaden durch fahrlässig, veranlaßten Irrtums der Kontrahenten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0010OB00597.82.0602.000

Dokumentnummer

JJT_19820602_OGH0002_0010OB00597_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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