TE OGH 1982/6/7 12Os61/82

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Veröffentlicht am 07.06.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schroth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hassan und Silvia A wegen des Vergehens nach § 15 StGB, 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. über die von den Angeklagten Hassan und Silvia A gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4.Dezember 1981, GZ 7 Vr 709/81- 33, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers, Dr. Florian Lackner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Hassan A wird teilweise Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im übrigen wird seiner Berufung und der Berufung der Angeklagten Silvia A nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 4.April 1955 geborene Hilfsarbeiter Hassan Mahmoud Hassan A des versuchten Vergehens nach § 15 StGB und 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. und die am 15.Oktober 1956 geborene Hilfsarbeiterin Silvia A des teils vollendeten und teils versuchten Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG.

und § 15 StGB schuldig erkannt. Es liegt ihnen zur Last, im April 1981

1.) im bewußten und gewollten Zusammenwirken in Ried/Innkreis versucht zu haben, unberechtigt ein Suchtgift, nämlich ein Kilogramm Haschisch von Mahmoud Eid B, zu erwerben;

2.) Silvia A allein in Braunau/Inn unberechtigt ein Suchtgift, nämlich Haschisch, erworben und besessen zu haben.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen erhielt die Angeklagte Silvia A im April 1981 in Braunau/Inn über ihr Ersuchen von Marcello C ungefähr 0,5 Gramm Haschisch für ihren eigenen Verbrauch ausgefolgt (Punkt 2 des Urteilssatzes).

Ebenfalls im April 1981 suchten die Angeklagten Silvia A und Hassan Mahmoud Hassan A den damals in Ried/Innkreis wohnhaften Mahmoud Eid B auf, um von ihm die Zurückzahlung von 6.000 S und 100 DM zu fordern, die er ihnen schuldete. Mahmoud Eid B, beiden Angeklagten als ein Suchtgifthändler bekannt, der über Haschisch verfügte, konnte den geforderten Geldbetrag nicht bezahlen und bot ihnen die übergabe von einem Kilogramm Haschisch an, welches als Pfand dienen und außerdem bis zur Begleichung der Schuld von den Angeklagten zur Deckung ihres Suchtgiftbedarfes herangezogen werden sollte. Die Angeklagten gingen auf diesen Vorschlag ein, worauf ihnen Mahmoud Eid B einen Leinensack mit einem Pulver übergab, bei welchem es sich jedoch nicht um ein Suchtgift, sondern um den Farbstoff 'Henna' handelte. Silvia A überprüfte den Inhalt des Leinensackes und verwies Mahmoud Eid B darauf, daß dieses Pulver nicht Haschisch, sondern Henna sei, worauf jener behauptete, selbst irregeführt worden zu sein. Mahmoud Eid B wäre zwar in der Lage gewesen, den Angeklagten Haschisch auszufolgen, machte von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch (Punkt 1 des Urteilssatzes). Das Urteil bekämpfen beide Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher sie der Sache nach nur den Schuldspruch wegen versuchten Vergehens nach § 15 StGB und 16 Abs 1 Z. 2

SuchtgiftG. (Punkt 1 des Urteilssatzes) anfechten, von dem sie irrtümlich annehmen, er sei (anklagekonform) wegen versuchten Verbrechens nach § 15 StGB und 12

Abs 1 SuchtgiftG. erfolgt. Einwände gegen den weiteren Schuldspruch der Silvia A wegen vollendeten Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. (Punkt 2 des Urteilssatzes) werden in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 4

des § 281 Abs 1 StPO wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Abweisung ihres Antrages auf Vernehmung des Zeugen Leo D zum Beweise dafür, daß die bei der Angeklagten Silvia A sichergestellte Briefwaage schon mindestens seit der Zeit ihrer Verheiratung mit Ali E in ihrem Besitz ist (S. 185 d.A.).

Das Schöffengericht hat diesen Beweisantrag mit der Begründung abgewiesen, daß der Zeitpunkt des Besitzerwerbes der Angeklagten Silvia A an dieser Briefwaage unerheblich sei und sich dieser Gegenstand tatsächlich auch schon im Besitz des Ali E befunden haben könnte (S. 186 d.A.).

In diesem Zusammenhang verweisen die Beschwerdeführer darauf, daß das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung auf Beweisergebnisse über den Zeitpunkt der Anschaffung der Briefwaage Bezug genommen hat, und leiten daraus ab, daß dem Beweisthema Bedeutung zugekommen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Ablehnung dieses Beweisantrages sind jedoch die Verteidigungsrechte der Beschwerdeführer nicht beeinträchtigt worden, weil das Erstgericht zu Recht davon ausgegangen ist, daß das Ergebnis der Beweisaufnahme keine die Frage der Tatverübung betreffenden Feststellungen oder Folgerungen gestattet hätte. Denn das Erstgericht hat seine Konstatierung über den Vorsatz der Angeklagten, von Mahmoud Eid B Haschisch entgegenzunehmen, u.a. auf den Umstand gestützt, daß die Angeklagten in ihrer gemeinsamen Wohnung in einem Versteck eine Briefwaage aufbewahrt hatten, an der Cannabisrückstände festgestellt worden waren. Für die Annahme des Erstgerichtes, daß die Angeklagten diese Waage zum Abwiegen von Rauschgift verwendet haben, ist die Aufbewahrung dieses Gerätes in einem Versteck und nicht der Zeitpunkt des Besitzerwerbes maßgebend gewesen (S. 196 f. d. A.). Die widersprechenden Darstellungen der Angeklagten über die Länge des Zeitraumes, in dem sie diese Briefwaage in Besitz hatten, sind vom Erstgericht in den Entscheidungsgründen zwar erwähnt, jedoch unter Hervorhebung der Bedeutungslosigkeit des Zeitpunktes der Anschaffung der Waage durch die Angeklagten nicht als Grundlage für Schlußfolgerungen herangezogen worden. Nach Lage des Falles wäre eine Feststellung dieses Zeitpunktes unter keinen Umständen geeignet gewesen, daraus irgendwelche Rückschlüsse über die den Angeklagten angelastete Tat abzuleiten, sodaß der Beweisantrag ohne Verletzung von die Verteidigung sichernden Verfahrensgrundsätzen abgelehnt werden konnte.

Mit der auf die Z. 9 lit a und lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Rechtsrüge machen die Angeklagten geltend, daß die Tat als absolut untauglicher Versuch straflos sei oder ihnen zumindest ein strafaufhebender Rücktritt vom Versuch zuzubilligen wäre.

Auch dieses Vorbringen hält einer überprüfung nicht stand. Nach § 15 Abs 3 StGB ist ein Versuch nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstandes, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war. Die Prüfung der Tauglichkeit des Versuches ist auf der Grundlage des Vorhabens des Täters nach einem abstrahierenden und generalisierenden Maßstab vorzunehmen, wobei die neuere Judikatur von einer ex-ante-Betrachtung ausgeht und auf den Eindruck abstellt, den ein mit Durchschnittswissen ausgestatteter Beobachter, der den Tatplan und die für dessen Verwirklichung bedeutsamen objektiven Umstände kennt, vom Täterverhalten und von der Möglichkeit der Herbeiführung des strafgesetzwidrigen Erfolges gewinnt (Steininger in ÖJZ. 1981, 373; JBl. 1979, 100). Absolut untauglich und daher im Sinne des § 15 Abs 3 StGB straflos ist ein Versuch nur dann, wenn sich aus dieser Sicht eines unbefangenen Betrachters die Tatvollendung als geradezu denkunmöglich darstellt (siehe hiezu EvBl 1981/76, 1979/73, 1978/58). Die von der Lehre entwickelte Tauglichkeitsprüfung nach dem Eindruck eines die Tat begleitenden Beobachters geht von einem objektivierten Generalisierungskriterium aus, wodurch die bei einer nachträglichen verallgemeinernden Einschätzung eines Tatverhaltens unausweichlichen Zweifel über das Maß der zulässigen Generalisierung vermieden werden (siehe hiezu Leukauf-Steininger2, RN. 38 und 39 zu § 15 StGB; Mayerhofer-Rieder, StGB2, Anm. zur E.Nr. 92 zu § 15). Im vorliegenden Fall ist für die Tauglichkeit des den Angeklagten zur Last fallenden Versuches entscheidend, ob nach der Art der Handlung die Tatvollendung möglich gewesen ist. Dem Standpunkt der Beschwerdeführer zuwider handelt es sich dabei nicht um die Frage nach der Tauglichkeit des Objektes, weil eine derartige Problematik nur in Versuchsfällen gegeben sein kann, die einen Tatbestand mit einem darin umschriebenen Schutzobjekt betreffen, welche Voraussetzung beim Vergehen nach § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. nicht zutrifft. Es liegt auf der Hand, daß diese Strafbestimmung der Verhinderung des Suchtgiftbesitzes durch unbefugte Personen dient und das Tatbestandselement 'Suchtgift' nicht ein durch diese Norm geschütztes Rechtsgut, sondern vielmehr das Begehungsmittel des mit Strafe bedrohten Verhaltens bezeichnet.

Eine Beurteilung der festgestellten Tathandlung der Angeklagten nach den dargelegten Grundsätzen führt aber zu dem Ergebnis, daß nach Art ihres Vorgehens die Deliktsvollendung im Bereich des Möglichen gelegen ist.

Die von den Angeklagten erklärte Bereitschaft, von einer tatsächlich über Haschisch verfügenden und scheinbar zur Ausfolgung von Suchtgift bereiten Person ein Quantum Haschisch sogleich als Pfand annehmen zu wollen, stellte eine ausführungsnahe Handlung zum tatbestandsmäßigen Erwerb von Suchtgift dar, die bei einer ex-ante-Betrachtung keineswegs als aussichtsloses Unterfangen erscheinen konnte. Darüber hinaus müßte im gegenständlichen Fall im Hinblick auf das tatsächliche Vorhandensein von Haschisch im Besitze des Mahmoud Eid B, der wegen der von ihm eingeforderten Darlehensschuld zu einer die Interessen der Angeklagten befriedigenden Leistung an sie motiviert gewesen wäre, auch eine abstrahierende nachträgliche Bewertung (ex-post-Betrachtung) des Verhaltens der Täter zu dem Ergebnis führen, daß derartige Handlungen unter solchen Umständen erfahrungsgemäß einen Erwerb von Suchtgift bewirken können und daher die konkrete Gefahr einer Tatbestandsverwirklichung geschaffen worden ist, woraus sich auch aus dieser Sicht eine Tauglichkeit des Versuches ergeben würde.

Der Versuch der Angeklagten, Suchtgift zu erwerben, scheiterte ausschließlich an der Haltung des Mahmoud Eid B, der seiner Zusage, Haschisch übergeben zu wollen, nicht entsprach, sondern deren Einhaltung nur vortäuschen wollte. Aus dem Vorgehen der Angeklagten ließ sich aber keineswegs der Eindruck gewinnen, daß die Verwirklichung ihres Vorhabens, Haschisch zu übernehmen, aussichtslos war, vielmehr hätte dieses Vorgehen unter - objektiv durchaus im Bereich des Möglichen gelegenen - nur geringfügig modifizierten anderen Umständen zum Ziel führen können. Da ein Versuch nur dann absolut untauglich ist und demzufolge straflos bleibt, wenn die Tatvollendung unter keinen Umständen möglich war, fehlte es an der Voraussetzung für die Annahme dieses Strafausschließungsgrundes, weshalb das Erstgericht mit Recht von der Strafbarkeit des Verhaltens der Angeklagten ausgegangen ist. Von Straflosigkeit wegen Rücktritts vom Versuch kann gleichfalls keine Rede sein, weil die Beschwerdeführer durch Entgegennahme einer von Mahmoud Eid B als Haschisch bezeichneten Substanz bereits alle Voraussetzungen für den Erfolgseintritt geschaffen haben und demgemäß ein mißlungener Versuch vorgelegen ist, bei dem ein strafaufhebender Rücktritt auch dann nicht in Betracht kommt, wenn der Täter nach Scheitern desselben darauf verzichtet, auf andere Weise den tatbestandsmäßigen Erfolg anzustreben (siehe hiezu Leukauf-Steininger2, RN. 9 zu § 16 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Hassan Mahmoud Hassan A und Silvia A war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte beide Angeklagten nach § 16 SuchtgiftG. zu Freiheitsstrafen, und zwar Hassan A in der Dauer von vier Monaten. Silvia A in der Dauer von fünf Monaten. Bei der Strafzumessung nahm das Erstgericht als erschwerend bei beiden Angeklagten die zu erwerben versuchte große Haschischmenge, bei Silvia A auch die einschlägigen Vorstrafen und die Tatwiederholung an, wertete hingegen als mildernd bei beiden Angeklagten den Versuch des Vergehens, bei Hassan A den bisher ordentlichen Lebenswandel, bei Silvia A das Geständnis hinsichtlich eines Urteilsfaktums und den Beitrag der Wahrheitsfindung bei einem weiteren Faktum. Die gemeinsam ausgeführten Berufungen der beiden Angeklagten streben Herabsetzung und bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafen an. Davon ist allein die Berufung des Hassan A teilweise begründet. Unberechtigt erweisen sich beide Berufungen insoweit, als sie eine Herabsetzung des Strafausmaßes begehren, weil die zu erwerben versuchte große Haschischmenge durchaus an der Obergrenze des Strafrahmens orientierte Freiheitsstrafen rechtfertigt, um dem Handlungsunwert gerecht zu werden und der Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Hingegen konnte die über Hassan A verhängte Freiheitsstrafe im Gegensatz zu jener der Silvia A gemäß § 43 Abs 1 StPO bedingt nachgesehen werden, weil bei ihm generalpräventive Erfordernisse, wie sie vom Erstgericht hervorgehoben werden, jene von spezialpräventiver Natur noch nicht überwiegen und der vorliegende Milderungsgrund des Versuches im Zusammenhang mit dem ordentlichen Lebenswandel noch die Annahme rechtfertigt, daß die Androhung der Strafe genügen wird, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Bei Silvia A hingegen hindert allein schon die Vorstrafenbelastung die Gewährung bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO

Anmerkung

E03738

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00061.82.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19820607_OGH0002_0120OS00061_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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