Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juni 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner und Dr Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführer in der Strafsache gegen Ali A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, § 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Jänner 1982, GZ 6 a Vr 12.239/81-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 2 wegen des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels nach den § 13, 35 Abs. 1
FinStrG und in dem auf den § 35 Abs. 4 FinStrG gestützten Strafausspruch (einschließlich der sich darauf beziehenden Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung, soweit sie gegen den Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz gerichtet ist, wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der syrische Staatsangehörige Ali A des (teils im Deliktsstadium des Versuches gebliebenen) Verbrechens wider die Volksgesundheit nach den § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, 15 StGB (Pkt 1 des Schuldspruches) und des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels nach den § 13, 35 Abs. 1 (im Urteilsspruch durch einen Schreibfehler unrichtig: 25 Abs. 1) FinStrG (Pkt 2 des Schuldspruchs) schuldig erkannt.
Den zu diesen Schuldsprüchen getroffenen Urteilsfeststellungen nach hatte der Angeklagte am 9. November 1981
vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer solchen Menge, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, nämlich
12.420 Gramm Cannabisharz, auf dem Luftweg aus Syrien nach Wien-Schwechat gebracht, um damit von hier nach Brüssel weiterzufliegen und es dort an Händler zu übergeben. Auf dem Flughafen Wien-Schwechat wurde er jedoch (im Transitraum) festgenommen und dabei das (in seinem bereits für den Weiterflug nach Brüssel 'eingecheckten' Koffer mit doppeltem Boden versteckte) Suchtgift sichergestellt (vgl auch S 12 d.A). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte bereits österreichisches Zollgebiet betreten, wobei er es unterließ, das Suchtgift der Zollbehörde zu deklarieren (S 108 f d. A).
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
In seinen Einwendungen zum Schuldspruch wegen des Verbrechens nach den § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, 15 StGB verkennt der Angeklagte den Begriff der im § 12 Abs. 1 SuchtgiftG neben den anderen (selbständigen) Begehungsformen der Erzeugung, des Inverkehrsetzens und der Ausfuhr pönalisierten Einfuhr von Suchtgift. Dieser Begriff bezieht sich auf österreichisches Staatsgebiet (daher grundsätzlich auch auf den Luftraum über diesem) und nicht etwa auf Zollinland im Sinn abgabenrechtlicher Vorschriften (EvBl 1982/30, 56). Die verbotswidrige Einfuhr war daher, entgegen der Beschwerdeansicht, im vorliegenden Fall jedenfalls mit der Landung des Flugzeuges auf dem Flughafen Wien-Schwechat vollendet. Daß der Angeklagte nicht nach Österreich 'einreisen' wollte (um hier, wenn auch nur vorübergehend, Aufenthalt zu nehmen), sondern nur zwecks umgehenden Weiterfluges sich auf dem Flugplatz Wien-Schwechat befand und sein Gepäck samt dem Suchtgift aus dem sogenannten Transitraum nicht herauskam, ist deshalb, der Beschwerde zuwider, ohne jede Bedeutung. Feststellungen darüber waren entbehrlich.
Der Angeklagte haftet sohin für die verbotswidrige vollendete Einfuhr des Suchtgiftes im Sinn des § 12 Abs. 1
SuchtgiftG, aber auch, weil angesichts der von ihm beabsichtigten illegalen Durchfuhr des Suchtgiftes durch Österreich nach Belgien österreichische Interessen verletzt wurden (§ 64 Abs. 1 Z 4 StGB), für die deshalb der inländischen Strafgewalt unterliegende (vollendete) Ausfuhr des Suchtgiftes aus Syrien (vgl neuerlich EvBl 1982/30, 56).
Das Mitsichführen des Suchtgiftes im Transitraum des Flughafens Wien-Schwechat unmittelbar vor dem Abflug nach Brüssel stellt zudem den ausführungsnahen (§ 15 StGB) Versuch der verbotswidrigen Ausfuhr aus Österreich nach Belgien dar.
Die rechtliche Subsumtion des Verhaltens des Beschwerdeführers, der den deliktsspezifischen Tätervorsatz gar nicht bestreitet, unter den Tatbestand des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach den § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, 15 StGB ist somit frei von Rechtsirrtum, sodaß die Rechtsrüge des Angeklagten insofern versagt.
Begründet ist seine Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis allerdings in Ansehung des Schuldspruches wegen des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels.
Zwar ist gemäß dem § 48 Abs. 1 (§ 172 Abs. 1) ZollG grundsätzlich jede über die Zollgrenze eingehende oder zum Austritt über die Zollgrenze bestimmte Ware dem der übertrittsstelle nächstgelegenen Zollamt zu stellen, wobei die Zollgrenze abgesehen von Zollan- und - ausschlüssen, mit der Bundesgrenze übereinstimmt (§ 1 ZollG). Für den Reiseverkehr räumt § 172 Abs. 12 ZollG indes zum Zweck der Erleichterung der Zollabfertigung den Zollämern ein, wenn es die örtlichen Gegebenheiten gestatten, den Reisenden auf dem Amtsplatz bestimmte Wege (Fahrstreifen, Durchgänge und dgl) zu bezeichnen, deren Wahl einer Erklärung des Reisenden darüber gleichkommt, ob er Waren, die der Stellungspflicht unterliegen, mit sich führt oder nicht. In Ansehung des Zollamtsplatzes im Bereich des Flughafens Wien-Schwechat wird auf Grund der erwähnten Gesetzesbestimmung - wie au zahlreichen ausländischen Flughäfen - das sogenannte Zwei-Kanal-System gehandhabt, bei dem der vom Luftfahrzeug kommende Reisende zwischen zwei entsprechend bezeichneten Ausgängen wählt und dadurch zu erkennen gibt, ob er stellungspflichtige Waren (§ 48 Abs. 1, 172 Abs. 1 ZollG) mit sich führt oder nicht. Die Zollschuld entsteht bei Benützung des Kanals für nicht stellungspflichtige Waren trotz Mitführens anderer (zollpflichtiger) Waren erst mit dem Verlassen des Kanals (vgl 'Das österreichische Zollrecht', 2. Auflage, I. Teil, Manhart-Fuchs-Schnürer Anm 21
zu § 172 Zoll).
Das Erstgericht traf nun keine Feststellung darüber, in welchem Bereich des Flughafens der Angeklagte von den Polizeibeamten (gestellt und) festgenommen wurde (siehe S 109 d.A) - nach dem Akteninhalt fand die Amtshandlung im Transitraum statt (siehe S 12 und 13 d.A) - und ob für ihn, dessen Reiseziel den Urteilsannahmen zufolge (S 109 d.A) Brüssel war, überhaupt eine Möglichkeit bestanden hätte, als Transitpassagier (ohne den bezüglichen Bereich zu verlassen) einer zollrechtlichen Stellungspflicht nachzukommen. War dies nämlich nicht der Fall, dann fehlt es - mangels Ungehorsams gegen die von den österreichischen Zollorganen vertretene Zollhoheit (vgl dazu auch Dorazil-Harbich-Kropfitsch-Reichel E Nr 41 zu § 35 FinStrG) - schon am objektiven Tatbestand des Schmuggels nach dem § 35 Abs. 1 FinStrG und es brauchte auf die im Urteil gleichfalls unerörtert gebliebene Frage eines vom Angeklagten in der Hauptverhandlung behaupteten Irrtums (§ 9 Fin-StrG) über seine Stellungspflicht (siehe S 98, 102 f d.A) nicht mehr eingegangen zu werden.
Der dargestellte Feststellungsmangel, der einer abschließenden rechtlichen Beurteilung des Falles entgegensteht, nötigt sohin zur Urteilsaufhebung in Ansehung des Finanzvergehens.
Mithin war über die Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
Mit seiner gegen den Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz gerichteten Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die große Menge des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes und den Umstand, daß der Angeklagte aus reiner Gewinnsucht handelte, als mildernd das Geständnis, die Unbescholtenheit und den Umstand, daß die Tat teilweise beim Versuch blieb.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte (auch) eine Herabsetzung
der Freiheitsstrafe an.
Dieses Begehren ist nicht berechtigt.
Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig festgestellt. Für eine besondere Würdigung der in der Berufungsschrift angeführten weiteren Milderungsumstände fehlt es an hinreichender Deckung in den Verfahrensergebnissen. Auch wenn man berücksichtigt, daß alles den Gegenstand des Verfahrens bildende Cannabisharz sichergestellt werden konnte, erscheint das vom Erstgericht gefundene Strafmaß mit Rücksicht auf die bedeutende Menge des eingeführten Suchtgiftes nicht als überhöht. Mithin konnte der Berufung, soweit sie den Strafausspruch nach dem Suchtgiftgesetz bekämpft, kein Erfolg beschieden sein. Der Kostenausspruch beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03753European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00041.82.0609.000Dokumentnummer
JJT_19820609_OGH0002_0110OS00041_8200000_000