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65 Pensionsrecht für BundesbediensteteNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasianlassfall; Anlassfallwirkung der Aufhebung ua des Art3 Z2, Z4, Z28 und Z36 des PensionsreformG 2000 mit E v 16.03.01, G150/00.Spruch
1. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
2. Der Bescheid wird aufgehoben.
3. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit ATS 29.500,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer wurde auf seinen Antrag hin mit Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 12. Oktober 2000 mit Ablauf des 31. Oktober 2000 gemäß §14 Abs1 BDG wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 13. November 2000 wurde daraufhin der dem Beschwerdeführer gebührende monatliche Ruhegenuss unter Anwendung der Abschlagsregelung des §4 Abs3 PG bemessen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem vorliegenden Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 10. Jänner 2001 abgewiesen. Die belangte Behörde führt dazu im Wesentlichen aus, dass die Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 31. Oktober 2000 wirksam geworden sei und daher für die Bemessung des Ruhegenusses die am 1. November 2000 geltenden Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965 maßgebend seien. Demnach werde der Ruhegenuss gemäß §4 PG 1965 idF des Pensionsreformgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 95, auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt. 80 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bildeten die Ruhegenussbemessungsgrundlage. Diese sei jedoch für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Tages liegt, zu dem der Beamte frühestens seine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung bewirken hätte können, um 0,25 Prozentpunkte zu kürzen. Eine Kürzung fände nur dann nicht statt, wenn der Beamte im Dienststand verstorben sei oder wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall in Ausübung des Dienstes zurückzuführen sei. Da dies hier nicht der Fall sei, habe das Bundespensionsamt völlig zu Recht eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage vorgenommen.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in der unter anderem die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des Art3 Z2 (betreffend §4 Abs3 und 4 PG), Z4 (betreffend die Aufhebung des §4 Abs7 und 8 PG), Z28 (betreffend die Inkrafttretensbestimmung des §58 Abs35 PG) und Z36 (iW betreffend die Übergangsbestimmung des §62j PG) des Pensionsreformgesetzes 2000 behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift erstattet, in der sie mit näherer Begründung die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Mit Erkenntnis vom 16. März 2001 G150/00 hat der Verfassungsgerichtshof ua. Art3 Z2, Z4, Z28 und Z36 des Pensionsreformgesetzes 2000 als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
2. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 1. März 2000. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 22. Februar 2001 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides u.a. die oben unter Pkt. I.4. bezeichneten, mit dem dort genannten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
5. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985, 10515/1985). Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. 1. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von Schilling 4.500,- enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B287.2001Dokumentnummer
JFT_09989373_01B00287_00