TE OGH 1982/6/17 13Os98/81

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Veröffentlicht am 17.06.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1982 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführers in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Wilfried A wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengerichts vom 7.Jänner 1981, GZ. 8 Vr 652/80-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kosch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das Urteil in seinem angefochtenen Teil (Schuldspruch 2) und im Strafausspruch aufgehoben sowie gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Dipl.Ing. Wilfried A wird von der Anklage, im Zug des Grundzusammenlegungsverfahrens in der Katastralgemeinde Nikitsch mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, die nachangeführten Arbeiten könnten aus Zeitmangel nicht innerhalb der Dienstzeit und im Rahmen der dienstlichen Aufgaben, sondern nur in der Freizeit und gegen Entgelt vorgenommen werden, zu Handlungen verleitet zu haben, welche die nachstehend aufgeführten oder andere Personen am Vermögen schädigten, wobei der Betrug mit einem insgesamt 5.000 S übersteigenden Schaden begangen worden sei und zwar a) im November 1978 Anton B und Amon C in Beziehung auf die Unterteilung der Kirchen- und Pfarrgründe in Pachtflächen zur Bezahlung von 10.000 S durch die Zusammenlegungsgemeinschaft Nikitsch, b) im Herbst 1978 den Bürgermeister der Gemeinde Nikitsch, Alois D, in Beziehung auf die Parzellierung von Gemeindegründen in Hausplätze zur Bezahlung von je 1.300 S durch die Käufer von Hausplätzen, Gesamtschaden

45.500 S;

Dipl.Ing. Wilfried A habe hiedurch das Vergehen des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs. 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm laut dem Schuldspruch 1 weiter zur Last liegende Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB wird Dipl.Ing. Wilfried A nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 (einhundertachtzig) Tagessätzen zu je 300 (dreihundert) Schilling, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 90 (neunzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 14.Oktober 1936 geborene Oberbaurat der Burgenländischen Landesregierung Dipl.Ing. Wilfried A wurde (zu 1) des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB und (zu 2) des Vergehens des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, (zu 1) im Frühjahr 1978 als Operationsleiter des mit Verordnung des Amts der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 16.September 1974 in der Katastralgemeinde Nikitsch eingeleiteten Grundzusammenlegungsverfahrens für die pflichtgemäße Zusammenlegung nachträglich in das Verfahren einbezogener Grundstücke von Anton B, Wilhelm E, Peter F und Christoph G für sich einen Geldbetrag von insgesamt 40.000 S gefordert und angenommen zu haben sowie (zu 2) während dieses Grundzusammenlegungsverfahrens mit dem Vorsatz, sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, durch die Vorgabe, die nachangeführten Arbeiten könnten aus Zeitmangel nicht im Rahmen der Dienstzeit und der dienstlichen Aufgaben, sondern nur in der Freizeit und gegen Entgelt vorgenommen werden, zur Bezahlung von Geldbeträgen verleitet zu haben und zwar (zu a) im November 1978 den Anton B und den Amon C in Beziehung auf die Unterteilung der Kirchen- und Pfarrgründe in Pachtflächen zur Bezahlung von 10.000 S durch die Zusammenlegungsgemeinschaft Nikitsch;

(zu b) im Herbst 1978 den Bürgermeister der Gemeinde Nikitsch, Alois D, in Beziehung auf die Parzellierung von Gemeindegründen in Hausplätze zur Bezahlung von je 1.300 S durch die Käufer von Hausplätzen, Schaden (zu 2 b) insgesamt 45.500 S.

Den Schuldspruch wegen schweren Betrugs (2) bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9

lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge ist begründet.

Der Angeklagte hat sämtliche erhaltenen Beträge vor dem 20.Juni 1980, dem Tag der Erstattung der Strafanzeige, zurückgezahlt; fraglich ist, weshalb. Das Schöffengericht hat vermeint, weil er nach dem ihm bekannt gewordenen Anlaufen der dienstbehördlichen Ermittlungen die Schadensgutmachung nicht mehr mit Erfolg verweigern konnte, es also am Merkmal der Freiwilligkeit der Rückzahlungen mangle.

Dem kann nicht gefolgt werden: Angesichts der von der vorgesetzten Dienststelle (seit der Vorsprache des Bürgermeisters von Nikitsch Anfang März 1980) geführten Erhebungen war zwar zu erwarten, daß sie den bestehenden Verdacht der rechtswidrigen Bereicherung aus der Amtstätigkeit des Beschwerdeführers erhärten werden und daß dies möglicherweise zur Erstattung der Strafanzeige führen könnte. Da indes das Motiv, einer Anzeige oder strafgerichtlichen Verfolgung vorzubeugen, Freiwilligkeit i.S.

d. § 167 StGB nicht ausschließt (Leukauf-Steininger2 § 167 RN. 14) und der Angeklagte nach Lage des Falls die Gutmachung des Schadens mit Aussicht auf Erfolg hätte unmöglich machen oder jedenfalls - etwa durch die Verweisung der Geschädigten auf das Amtshaftungsgesetz (nach dessen § 1 für rechtswidrige und schuldhafte Schädigung in Vollziehung der Gesetze nicht das schädigende Organ, sondern der Rechtsträger haftet) - so hätte hinauszögern können, daß dies wirtschaftlich einer Vereitlung gleichkam, ist die Schadensgutmachung, reduziert beurteilt im Verhältnis des Schädigers zu den Geschädigten, noch als freiwillig in der Bedeutung des § 167 Abs. 2 StGB zu qualifizieren. Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit der Ersatzleistungen stehen nicht zur Diskussion. Der Schuldspruch wegen Betrugs mußte sonach aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO behoben werden.

Die Generalprokuratur vertritt den Standpunkt, daß in dem unter Pkt. 2 des Urteils inkriminierten Verhalten die Merkmale des Betrugs mit denjenigen der Geschenkannahme durch Beamte in Tateinheit zusammentreffen, daß diese echte ungleichartige Idealkonkurrenz bereits in erster Instanz hätte wahrgenommen werden sollen und daß die Aufhebung der Strafbarkeit des Betrugs infolge tätiger Reue an der weiter bestehenden Strafbarkeit des Täters nach § 304 Abs. 2 StGB nichts ändere; es sei daher nunmehr - auf Grund der mit der Kassierung der Betrugssentenz insoweit erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten - ein Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 304 Abs. 2 StGB auch im Rahmen des im Pkt. 2 umschriebenen Sachverhalts zu fällen.

Dem ist jedoch nicht so.

Bei der Auslegung des § 304 StGB ist die Gesetzesrubrik

'Geschenkannahme durch Beamte' miteinzubeziehen;

darnach ist Vermögensvorteil, den ein Beamter 'für die' pflichtgemäße (oder pflichtwidrige) Vornahme (oder Unterlassung) eines Amtsgeschäfts von einem anderen für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen läßt, eben nur ein solcher, den der andere dem Beamten im Bewußtsein, daß dieser keinen Rechtsanspruch darauf hat, dafür gibt, daß er (pflichtgemäß oder pflichtwidrig) ein Amtsgeschäft vornimmt (oder unterläßt), also in diesem Sinn als 'Geschenk' für ein (dafür) erwartetes amtliches Verhalten. Täuscht der Beamte dem anderen vor, daß er auf dessen Leistung einern Anspruch habe oder daß er dafür keine amtliche, sondern eine private Gegenleistung erbringen werde, dann fehlt es schon objektiv an einem Geschenk im Sinn des § 304 StGB, nämlich an einem vom Geber gezielt 'für ein Amtsgeschäft' an einen Beamten, der darauf keinen Anspruch hat, geleisteten Vermögensvorteil, aber auch an einem auf den Erhalt einer solchen Leistung gerichteten Vorsatz des Beamten. Umgekehrt macht sich ja auch ein derart getäuschter Geber nicht einer Verleitung zur Pflichtwidrigkeit nach § 307 Z. 1 StGB schuldig, was aber ansonsten im Hinblick auf das korrespondierende Verhältnis zwischen § 304 und 307 StGB der Fall sein müßte (siehe Leukauf-Steininger2 RN. 1 zu § 307 StGB). Die bewußte Mitwirkung des andern ist vielmehr unter dem Blickwinkel einer notwendigen Teilnahme eben jenes andern (vgl. Rittler2 I 290 in bezug auf § 104 StG.) zu sehen, der, je nach der Sach- und Rechtslage, entweder selbst strafbar (so korrespondierend zu § 304 Abs. 1 StGB nach § 307 Abs. 1 StGB) oder straflos (so bei Geschenkannahme nach § 304 Abs. 2 StGB) sein kann. Wer aber, wie vorliegend, getäuscht wird, scheidet als notwendiger Teilnehmer aus; der den Vermögensvorteil Empfangende haftet daher für die Täuschung (hier den Betrug nach § 146 und ff. StGB), nicht aber für das Delikt der notwendigen Teilnahme (hier die Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 StGB), eben weil es am (bewußten) Teilnehmer fehlt.

Das von der Generalprokuratur angeschnittene Konkurrenzproblem stellt sich in Wahrheit demnach hier gar nicht.

Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe für den als unangefochten unberührt gebliebenen Schuldspruch 1

waren erschwerend die Verleitung von dem Angeklagten anvertrauten Bediensteten, mildernd hingegen das (jetzt sinngemäß als vollständig anzusehende) reumütige Geständnis des Angeklagten sowie, daß er sich bei der Verrichtung der Arbeiten durch besonderen Fleiß auszeichnete, und die Schadensgutmachung. Ein psychischer Ausnahmezustand nach dem Verkehrsunfall am 21.August 1978 kann nicht mildernd sein, weil die Tatzeit des einzigen, noch aufrechten Schuldspruchs das Frühjahr 1978 war.

Bei dem Strafsatz des § 304 Abs. 2 StGB, der keine Untergrenze vorsieht und bis zu einem Jahr reicht, wäre eine Freiheitsstrafe von drei Monaten dem auf den Unrechtsgehalt der Taten bezogenen Verschulden des Angeklagten adäquat. Da es nach den konkreten Umständen jedoch nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, ist zufolge § 37 Abs. 1 StGB die Verhängung einer Geldstrafe statt der Freiheitsstrafe geboten, die nach dem Umrechnungsschlüssel des § 19 Abs. 3, letzter Satz, StGB 180 Tagessätze beträgt.

Der Angeklagte bezieht ein Monatseinkommen von 20.000 S netto und hat für seine Ehefrau und fünf minderjährige Kinder zu sorgen. Der Oberste Gerichtshof erachtet einen Tagessatz von 300 S als diesen persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im (bei Neubemessung der Strafe maßgebenden) Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung (LSK. 1975/82) angemessen.

Soll nicht das Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit gerade bei der Tätigkeit öffentlicher Beamter an den Nahtstellen von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Interessen immer mehr Schaden nehmen, so muß jedwede Art von Korruption als verwerflich gekennzeichnet werden. Dazu kommt, daß sich die Rechtsbegriffe der Untergebenen regelmäßig an dem Verhalten ihrer Vorgesetzten ausrichten und sich deren schlechtes Beispiel besonders verderblich auswirkt (10 Os 61/77). Die bloße Androhung der Vollziehung der Geldstrafe würde darum nicht genügen, um der Begehung strafbarer Handlungen dieser Art durch andere hinreichend entgegenzuwirken (§ 43 Abs. 1 StGB). Da jede, auch eine unbedingte Geldstrafe eine mildere Strafe als eine (selbst bedingt aufgeschobene) Freiheitsstrafe ist, bedeutet die Verhängung einer unbedingten Geldstrafe an Stelle einer in der Unterinstanz bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe keine Verschlechterung der Lage des Angeklagten (§ 290 Abs. 2 StPO; EvBl. 1973 Nr. 85, verstärkter Senat). Die bloß angemeldete, nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten war zurückzuweisen (13 Os 81/81; 13 Os 160/80), weil er weder bei der Anmeldung noch in einer Ausführung dieses Rechtsmittels ausdrücklich erklärt hat, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert finde (§ 294 Abs. 2 und 4 StPO).

Anmerkung

E03798

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00098.81.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19820617_OGH0002_0130OS00098_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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