TE OGH 1982/6/29 10Os63/82

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Veröffentlicht am 29.06.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Glock als Schriftführer in der Strafsache gegen Gabriele A wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht (in Jugendstrafsachen) vom 24.Februar 1982, GZ. 8 Vr 859/81-16, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 26.Juni 1964 geborene und sohin zur Tatzeit noch jugendliche Hilfsarbeiterin Gabriele A des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 24.September 1981 in Ried im Innkreis vor dem Kreisgericht in der Strafsache gegen Robert B, AZ. 8 E Vr 514/81, als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptungen, Robert B habe am 25. Juli 1981 in Schildorn die Eingangstüre zum Gasthaus der Berta C nicht absichtlich eingeschlagen, sondern diese Schwingtüre sei ihm lediglich entgegengeschwungen und dabei in Brüche gegangen, falsch aussagte.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines entschuldigenden Aussagenotstands nach § 290 StGB erachtete das Erstgericht mit der Argumentation als nicht erfüllt, daß zwischen B und der Angeklagten als Verlobten keine Lebensgemeinschaft i.S. des § 72 Abs. 2 StGB bestand, deren Wesen es - im Einklang mit der Rechtsprechung - grundsätzlich richtig definierte (S. 79). Ausgehend von dieser Definition bejahte es zwar eine Geschlechtsgemeinschaft, verneinte aber sowohl eine Wohnungsgemeinschaft - gegen ihr Vorliegen führte es ins Treffen, daß B nur fallweise im Haushalt der Theresia A (der Mutter seiner Verlobten) gewohnt bzw. übernachtet und mangels Besitzes eines entsprechenden Schlüssels auch nicht jederzeit freien Zugang zu deren Wohnung gehabt habe - als auch eine Wirtschaftsgemeinschaft - die es deshalb nicht als gegeben ansah, weil der Genannte seiner (selbst über kein Einkommen verfügenden) Verlobten keinen Unterhalt leistete und jene ihm demgemäß auch nicht den Haushalt führte, die Haushaltsführung vielmehr auch mit Bezug auf die Verlobten ausschließlich der Theresia A oblag, welche B 'allenfalls zeitweise mitversorgte'.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch hat die Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z. 5 und 9 lit. a (richtig: lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO erhoben, der Berechtigung insoferne nicht abzusprechen ist, als sie - zum Teil sachlich im Rahmen der Rechtsrüge - Begründungsmängel (Z. 5) des Urteils im Zusammenhang mit der vorangeführten doppelten Negierung, auch in Ansehung der ihr zugrundeliegenden einzelnen Feststellungen behauptet. Für die - wenn überhaupt, so doch höchstens mit dem Hinweis, daß er keinen Wohnungsschlüssel besessen habe, dann aber jedenfalls nach Lage des Falles von vorneherein (zumindestens) nur unzureichend begründete -

Konstatierung des Erstgerichts, B hätte bloß fallweise im Haushalt der Theresia A gewohnt, ergibt sich weder aus dem vorliegenden Akt noch aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen und im Urteil als Feststellungsgrundlage zitierten Akt 8 E Vr 514/81 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis gegen Robert B auch nur der geringste Anhaltspunkt. Dem letzteren Akt ist vielmehr im Gegenteil ebenfalls zu entnehmen, daß Robert B zur Tatzeit (ersichtlich ohne Einschränkung und somit ständig) in 4923 Lohnsburg Nr. 74, - also im Haus der Theresia A - gewohnt hat (s.

in jenem Akt insbesondere in ON. 9 die Seiten 7 und 21, in ON. 11 S. 7 und 13, ON. 14 - S. 93 ff. -, ferner S. 159 - erliegend in ON. 21 -, 181 - erliegend in ON. 22 -, 214, 226 u.v.a.) und dort auch polizeilich gemeldet war (S. 101); ein gegen ihn unter Heranziehung des - namentlich aus der Annahme eines unsteten Aufenthaltes abgeleiteten - Haftgrundes der Fluchtgefahr vom Kreisgericht Ried im Innkreis am 6.August 1981 erlassener Haftbefehl (ON. 6) wurde darum bereits 6 Tage später in einer Haftprüfungsverhandlung (ON. 20) aufgehoben (vgl. auch die ebenfalls auf diesen - ständigen - Wohnsitz des Genannten hinweisenden, im gegenständlichen Akt befindlichen Ablichtungen aus 8 E Vr 514/81 des Kreisgerichtes Ried, insbesondere S. 5 und 25). Zur mängelfreien Begründung der bekämpften Feststellung über einen bloß fallweisen Aufenthalt des Genannten im Hause A hätte es demzufolge nicht nur einer entsprechenden Deckung durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, sondern auch einer Erörterung der jener Konstatierung entgegenstehenden vorbezeichneten Verfahrensergebnissen und einer Darlegung der Erwägungen durch das Gericht bedurft, von denen es bei der Beseitigung der sich daraus gegen die Verneinung einer Wohnungsgemeinschaft ergebenden Einwendungen geleitet war. Ebenso hätte sich das Erstgericht, wenn es sich schon bei der Ablehnung einer Lebensgemeinschaft auf die Aussage der Theresia A bezieht, auch mit jener Deposition gesondert befassen müssen, wonach B wie ein Schwiegersohn im Haushalt gelebt und sich im Falle einer Heirat (faktisch) nichts geändert hätte (S. 71); die stillschweigende übergehung dieser Angabe im Urteil wird durch die Beschwerde gleichfalls zutreffend als Unvollständigkeit der Begründung (i.S. des Z. 5) gerügt.

Auch der Bestand einer Wirtschaftsgemeinschaft kann mit den vom Erstgericht herangezogenen Argumenten allein nicht schlechthin negiert werden, zumal eine gemeinsame Haushaltsführung keineswegs unbedingt von finanziellen Zuwendungen eines (Lebensgemeinschafts-) Partners an den anderen abhängt sowie die Verrichtung manipulativer Tätigkeiten im Haushalt hiefür kein unabdingbares Erfordernis darstellen. Es ist nämlich durchaus denkbar, daß ein Paar in Lebensgemeinschaft in einem von einer dritten Person - hier möglicherweise von der Mutter der Angeklagten geführten - gemeinsamen Haushalt lebt, der als Mittelpunkt ihrer gemeinschaftlichen Lebensführung anzusehen ist. Unter derartigen Umständen gestattet außerdem selbst die (teilweise oder gänzliche) Kostentragung für diese Lebensführung durch den Dritten (während einer kürzeren oder längeren Zeitspanne) in keiner Weise, das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft mit Fug auszuschließen. Ihr Ausschluß erweist sich mithin entsprechend den berechtigten Beschwerdeausführungen im konkreten Fall als offenbar nur unzureichend begründet.

Der begründeten Nichtigkeitsbeschwerde war darum - ohne ein Eingehen auf ihr weiteres Vorbringen - nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen.

Anmerkung

E03810

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00063.82.0629.000

Dokumentnummer

JJT_19820629_OGH0002_0100OS00063_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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