Norm
RBÜ Art4 Abs3Kopf
SZ 55/93
Spruch
Das Libretto von Verdis Oper "Otello" ist mit dem Ende seines urheberrechtlichen Schutzes im Ursprungsland Italien (31. 12. 1974) auch in Österreich frei geworden
Art. 7 Abs. 2 RBÜ (Brüssel) ist in Österreich unmittelbar anzuwenden. Bei Vornahme des hier normierten "Schutzfristenvergleiches" ist die "Urhebernachfolgegebühr" des italienischen Rechtes (Art. 175 ff. itUrhG) nicht zu berücksichtigen "Verbandseigene" Werke der RBÜ - das sind alle Werke, deren Ursprungsland (Art. 4 Abs. 3 RBÜ) dieser Übereinkunft angehört - werden auch in jenen Verbandsländern, die zugleich Vertragsstaaten des Welturheberrechtsabkommens sind, ausschließlich nach der RBÜ geschützt
OGH 29. Juni 1982, 4 Ob 413/81 (OLG Wien 4 R 67/81; LGZ Wien 26 Cg 123/80)
Text
Die klagende Verlegerin ist auf Grund eines mit dem italienischen Originalverlag G. Ricordi & C. abgeschlossenen Subverlagsvertrages Inhaberin der alleinigen und ausschließlichen Werknutzungsrechte der graphischen Vervielfältigung und Verbreitung - einschließlich des Rechtes der Übersetzung in die deutsche Sprache - an der Oper "Otello" (deutsch: "Othello") von Giuseppe Verdi (Libretto: Arrigo Boito) für das Gebiet der Republik Österreich. Die Oper "Otello" wurde am 5. 2. 1887 in Mailand uraufgeführt; das vollständige Libretto, der Klavierauszug sowie die Partitur und das Aufführungsmaterial sind in den Jahren 1886 und 1887 erstmals in Italien erschienen. Komponist und Librettist waren italienische Staatsbürger; Giuseppe Verdi ist am 27. 1. 1901, Arrigo Boito am 10. 6. 1918 verstorben.
Die Beklagte hat im Jahr 1979 einen Klavierauszug (mit italienischem Originaltext und deutscher Übersetzung) sowie ein Textbuch (in deutscher Übersetzung) der Oper "Otello" herausgebracht, ohne die Zustimmung der Klägerin einzuholen.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte dadurch in die ausschließlichen Werknutzungsrechte der Klägerin am Libretto Arrigo Boitos eingegriffen habe, verlangt die Klägerin von der Beklagten gemäß § 86 UrhG ein angemessenes Entgelt von 99 360 S (einschließlich 7360 S Umsatzsteuer) samt Anhang. Die Unrichtigkeit der Rechtsansicht der Beklagten, daß die Werke Arrigo Boitos in Österreich nicht mehr urheberrechtlich geschützt seien, weil sie im Ursprungsland Italien bereits frei sind, ergebe sich aus § 96 UrhG: Die hier geforderte formelle Gegenseitigkeit sei im Verhältnis zu Italien schon deshalb gegeben, weil österreichischen Urhebern bzw. Werken österreichischen Ursprungs in diesem Land schon auf Grund der Berner Übereinkunft bzw. des Welturheberrechtsabkommens Inländerbehandlung zukomme. Davon abgesehen würden auch nach dem italienischen Dekret Nr. 82 vom 23. 8. 1946 im Ausland ersterschienene Werke ausländischer Urheber in Italien schon unter der Voraussetzung (formeller) "Gegenseitigkeit" geschützt, ohne daß - wie dies noch Art. 188 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 633 vom 22. 4. 1941 vorgesehen hatte - ein "Schutzfristenvergleich" vorzunehmen sei. Zum gleichen Ergebnis führten aber auch die in § 96 UrhG angeführten Staatsverträge, hier also die Berner Übereinkunft (Brüsseler Fassung) und das Welturheberrechtsabkommen (Genfer Fassung): Daß die Verbandsländer der Berner Übereinkunft zur Anwendung des in Art. 7 Abs. 2 vorgesehenen "Schutzfristenvergleiches" nicht gezwungen seien, vielmehr über die Konvention hinaus volle Inländerbehandlung gewähren könnten, folge aus Art. 19 der Berner Übereinkunft, welcher den Schutz der Übereinkunft als reinen Mindestschutz umschreibe. Für das österreichische Urheberrecht ergebe sich die Unzulässigkeit des "Schutzfristenvergleiches" schon kraft Größenschlusses aus dem Durchführungsgesetz zum Welturheberrechtsabkommen vom 7. 11. 1956, BGBl. 109/1957, welches als "Grundsatzentscheidung" des österreichischen Gesetzgebers umso mehr auch für den Bereich der Berner Übereinkunft mit ihrem ungleich höheren Schutzniveau gelten müsse. Art. XVII des Welturheberrechtsabkommens stehe einer Anwendung der hier (ausnahmsweise) günstigeren Vorschriften dieses Abkommens auch im Rahmen der Berner Übereinkunft nicht entgegen, zumal Art. 20 der Berner Übereinkunft den Verbandsländern ausdrücklich das Recht zum Abschluß besonderer Abkommen vorbehalte, die - wie hier Art. IV Z 4 des Welturheberrechtsabkommens im Zusammenhang mit dem schon erwähnten Durchführungsgesetz - für den Urheber günstiger sind als die Berner Übereinkunft. Selbst wenn man aber der gegenteiligen Auffassung der Beklagten folgen wollte, müßte im Rahmen des "Schutzfristenvergleiches" in jedem Fall die in Art. 175 ff. des italienischen Urheberrechtsgesetzes vorgesehene "Urhebernachfolgegebühr" (domaine public payant) angemessen berücksichtigt werden.
Die Beklagte hat das Klagebegehren vor allem dem Gründe nach bestritten. Die Berufung der Klägerin auf § 96 UrhG sei verfehlt, weil der österreichische Gesetzgeber - nach dem Beispiel der Berner Übereinkunft - in der Frage der Dauer der Schutzfrist vom Grundsatz der materiellen Gegenseitigkeit ausgegangen sei. Da im übrigen auch das italienische Dekret Nr. 82 aus dem Jahr 1946 die Gewährung der Inländerbehandlung von einer - nicht notwendig formellen - Gegenseitigkeit abhängig mache, sei in Italien keine bedingungslose Gegenseitigkeit gewährleistet. Zur Beseitigung dieser "Patt"- Situation bedürfe es einer zwischenstaatlichen Vereinbarung oder einer einseitigen Gegenseitigkeitsverordnung (Kundmachung). Art. 7 Abs. 2 der Berner Übereinkunft schreibe den "Schutzfristenvergleich" zwingend vor; eine analoge Anwendung des österreichischen Durchführungsgesetzes zum Welturheberrechtsabkommen sei im Bereich der Berner Übereinkunft entgegen der Meinung der Klägerin ausgeschlossen. Aus dem angeführten Gesetz selbst sei für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil nach Art. XVII des Welturheberrechtsabkommens (samt Zusatzerklärung) im vorliegenden Fall ausschließlich die Berner Übereinkunft anzuwenden sei und auch Art. 20 dieser Übereinkunft eine Heranziehung des Welturheberrechtsabkommens nicht zulasse. Schließlich könne auch der Umstand, daß nach italienischem Urheberrecht bei Verwertung frei gewordener Werke eine "Urhebernachfolgegebühr" zu entrichten ist, nichts daran ändern, daß auf Grund des "Schutzfristenvergleiches" nach Art. 7 Abs. 2 der Berner Übereinkunft der von Arrigo Boito stammende Text der Oper "Otello" mit dem Ende des Jahres 1974 auch in Österreich frei geworden sei. Bei dieser Rechtslage fehle aber dem Zahlungsbegehren der Klägerin die rechtliche Grundlage.
Das Erstgericht wies die Klage aus rechtlichen Erwägungen ab: Nach § 96 UrhG schließe das Bestehen von Staatsverträgen jede weitere Prüfung einer allfälligen Gegenseitigkeit aus. Der zwischen Österreich und Italien abgeschlossene Vertrag vom 8. 7. 1890, RGBl. 4/1891, sei nicht mehr anwendbar; beide Länder gehörten aber der Berner Übereinkunft und dem Welturheberrechtsabkommen an. Das letztgenannte Abkommen sei hier, wie sich aus der Zusatzerklärung zu seinem Art. XVII ergebe, nicht anzuwenden; der in Art. 7 Abs. 2 der Berner Übereinkunft vorgesehene "Schutzfristenvergleich" führe hingegen zu dem Ergebnis, daß das in Italien mit dem Ende des Jahres 1974 - zugleich mit der Musik - frei gewordene Libretto der Oper "Otello" seit dem 1. 1. 1975 auch in Österreich nicht mehr urheberrechtlich geschützt sei.
Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes schließe zwar - so führt das Berufungsgericht aus - das Bestehen von Staatsverträgen einen weitergehenden Schutz unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit nicht aus; nach der Praxis beider Staaten sei aber der Begriff der Gegenseitigkeit in § 96 UrhG und im italienischen Gesetzesdekret Nr. 82 vom 23. 8. 1946 nur iS materieller Reziprozität auszulegen. Art. 7 Abs. 2 der Berner Übereinkunft begrenze die Schutzfrist in Österreich mit dem Ende der Schutzdauer im Ursprungsland Italien. Für den gegenteiligen Rechtsstandpunkt der Klägerin sei aus Art. 19 der Berner Übereinkunft ebensowenig zu gewinnen wie aus dem - hier keinesfalls analog anzuwendenden - österreichischen Durchführungsgesetz zum Welturheberrechtsabkommen. Art. XVII Z 1 des Welturheberrechtsabkommens schließe eine Heranziehung dieses Abkommens im vorliegenden Fall aus; entgegen der Meinung der Klägerin könne aber das Welturheberrechtsabkommen auch nicht als "besonderes Abkommen" iS des Art. 20 der Berner Übereinkunft angesehen werden. Die in Italien eingehobene "Urhebernachfolgegebühr" sei für die Entscheidung dieses Rechtsstreites ohne rechtliche Bedeutung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Unbestritten ist, daß Musik und Text der Oper "Otello" in Italien selbst nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind: Gemäß Art. 25 des italienischen Gesetzes Nr. 633 vom 22. 4. 1941 über den Schutz des Urheberrechts und anderer mit seiner Ausübung verbundenen Rechte (itUrhG; abgedruckt bei Möhring - Schulze - Ulmer - Zweigert, Quellen des Urheberrechts, Abschnitt Italien, Teil II 3 ff.) dauern die wirtschaftlichen Verwertungsrechte am Werk "während der Lebenszeit des Urhebers und bis zum Ende des 50. Kalenderjahres nach seinem Tode"; gemäß Art. 26 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt sich bei den in Art. 10 erwähnten Werken - das sind solche, die "durch die ununterscheidbaren und untrennbaren Beiträge mehrerer" geschaffen worden sind - sowie bei dramatisch-musikalischen, choreographischen und pantomimischen Werken die Dauer der jedem Miturheber oder Mitarbeiter zustehenden wirtschaftlichen Verwertungsrechte nach dem Leben des letztversterbenden Miturhebers. Anders als nach österreichischem Recht (s. dazu § 11 Abs. 3 gegenüber § 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 öUrhG), werden also in Italien die sogenannten "verbundenen Werke" (wie Opern, Operetten usw.) in Ansehung ihrer Schutzdauer den in Miturheberschaft geschaffenen Werken gleichgestellt. Giuseppe Verdi ist, wie bereits erwähnt, am 27. 1. 1901, Arrigo Boito am 10. 8. 1918 verstorben. Da mit dem Gesetzesdekret Nr. 440 vom 20. 7. 1945 die Schutzfristen für bereits veröffentlichte, noch geschützte Werke um 6 Jahre verlängert worden sind, waren daher Musik und Text der Oper "Otello" in Italien nur bis zum 31. 12. 1974 urheberrechtlich geschützt. Mit dem 1. 1. 1975 ist das gesamte Werk in Italien gemeinfrei geworden; seine Verwertung ist allerdings jetzt mit der sogenannten "Urhebernachfolgegebühr" ("diritto demaniale", "domaine public payant") gemäß Art. 175 ff. itUrhG belastet.
Im Gegensatz dazu ist bei einer Beurteilung nach österreichischem Urheberrecht festzuhalten, daß gemäß § 11 Abs. 3 UrhG die Verbindung von Werken verschiedener Art - hier: die Verbindung eines Werkes der Tonkunst mit einem Sprachwerk zu einer Oper - an sich keine Miturheberschaft begrundet, die Schutzfrist vielmehr für jedes der auf diese Weise verbundenen Werke nach § 60 zweiter Halbsatz UrhG gesondert zu berechnen ist (s. dazu Peter, Das österreichische Urheberrecht 54 f. § 11 UrhG Anm. 7, 157 f. § 60 UrhG Anm. 7). Danach wäre zwar die Musik Giuseppe Verdis, welcher 1901 verstorben ist, auch nach österreichischem Recht bereits gemeinfrei, nicht aber das von Arrigo Boito geschaffene Libretto der Oper "Otello": Die mit dem Tode des Textdichters (10. 6. 1918) beginnende Schutzfrist von ursprünglich 50 Jahren wäre zunächst durch die UrhGNovelle 1953, BGBl. 106 (Art. III Abs. 1), um 7 Jahre, also bis 31. 12. 1975, und in der Folge durch die UrhG-Novelle 1972, BGBl. 492, auf nunmehr insgesamt 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers verlängert worden, der Text der Oper "Otello" also in Österreich noch bis zum 31. 12. 1988 urheberrechtlich geschützt.
Die Entscheidung über das Urteilsbegehren der Klägerin hängt also davon ab, ob für den mehrfach genannten Operntext die 56 jährige Schutzfrist des italienischen Rechtes oder aber die 70 jährige Schutzfrist des österreichischen Urheberrechtsgesetzes gilt. Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, daß Arrigo Boito italienischer Staatsangehöriger war und sein Libretto - ebenso wie der Klavierauszug, die Partitur und das Aufführungsmaterial - in den Jahren 1886 und 1887 erstmals in Italien erschienen ist; da ein "gleichzeitiges" Erscheinen auch in Österreich iS des § 9 Abs. 2 UrhG nicht einmal behauptet worden ist, liegt ein Fall des § 96 UrhG vor, nach welchem (ua.) im Ausland erschienene Werke ausländischer Urheber den urheberrechtlichen Schutz in Österreich "nach Maßgabe von Staatsverträgen oder unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit" genießen. Daß hier die fremdenrechtlichen Anknüpfungspunkte des "Staatsvertrages" und der "Gegenseitigkeit" iS der zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes gleichrangig nebeneinanderstehen - und nicht, wie das Erstgericht meint, die Geltung von Staatsverträgen jede weitere Prüfung der Gegenseitigkeit von vornherein ausschließt -, folgt schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung; auch die Erläuternden Bemerkungen zur Neufassung der §§ 95 ff. UrhG durch die UrhGNov. 1972 (abgedruckt bei Dittrich, Österreichisches und internationales Urheberrecht 95 f. nach § 95 UrhG) lassen keinen Zweifel daran, daß der Gesetzgeber auch dann, wenn urheberrechtlicher Schutz bereits auf Grund von Staatsverträgen besteht, einen darüber hinausgehenden Schutz nach Maßgabe der Gegenseitigkeit keineswegs ausschließen wollte.
Auf der Grundlage des § 96 UrhG ist also vorerst zu prüfen, welche zwei- oder mehrseitigen, im Verhältnis zwischen Österreich und Italien geltenden Staatsverträge den Schutz in Italien ersterschienener Werke italienischer Urheber in Österreich regeln. Der hier an erster Stelle zu nennende Österreichisch-italienische Urheberrechtsvertrag vom 8. 7. 1890, RGBl. 4/1891, ist, wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat, nach der übereinstimmenden Auffassung beider Vertragspartner nicht mehr anwendbar (s. dazu Dittrich aaO 116; ferner den in JABl. 1969/20 veröffentlichten Notenwechsel zwischen der Botschaft der Republik Italien in Wien und dem Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, abgedruckt bei Dittrich aaO 595); weitere bilaterale Abkommen urheberrechtlichen Inhalts zwischen Österreich und Italien bestehen nicht. Beide Staaten sind aber Verbandsländer der Revidierten Berner Übereinkunft und Vertragsstaaten des Welturheberrechtsabkommens, wobei im Verhältnis zwischen ihnen die Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft (BGBl. 183/1953; im folgenden: RBÜ) und die Genfer Fassung des Welturheberrechtsabkommens (BGBl. 108/1957; im folgenden: WUA) gelten. Das gegenseitige Verhältnis dieser beiden internationalen Übereinkommen ergibt sich aus Art. XVII Z 1 WUA, wonach dieses Abkommen in keiner Weise die Bestimmungen der RBÜ und die Zugehörigkeit zu dem durch diese Übereinkunft geschaffenen Verband berührt. Gemäß lit. b der diesem Artikel beigefügten Zusatzerklärung - welche gemäß Art. XVII Z 2 WUA ein wesentlicher Bestandteil dieses Abkommens für die am 1. 1. 1951 durch die RBÜ gebundenen sowie für die ihr später beigetretenen Staaten ist - ist das Welturheberrechtsabkommen in den Beziehungen zwischen den Ländern des Berner Verbandes auf den Schutz der Werke nicht anwendbar, die nach der RBÜ als Ursprungsland ein Land des durch die genannte Übereinkunft geschaffenen internationalen Verbandes haben. "Verbandseigene" Werke der RBÜ - das sind alle Werke, deren Ursprungsland (Art. 4 Abs. 3 RBÜ) ein Verbandsland dieser Übereinkunft ist - werden also in den Verbandsländern der RBÜ, die gleichzeitig Vertragsstaaten des WUA sind, ausschließlich nach der RBÜ geschützt; der Urheber eines solchen Werkes kann sich im Geltungsbereich der RBÜ nicht auf das WUA berufen, sondern nur den Schutz nach den Bestimmungen der RBÜ in Anspruch nehmen (so ausdrücklich die EB zum WUA, 53 BlgNR, XIII. GP, abgedruckt bei Dittrich aaO 397; ebenso Bappert - Wagner, Internationales Urheberrecht 264 f. Art. XVII WUA RNr. 1 und 2). Das gilt auch für den hier zu beurteilenden Fall. Da das Libretto der Oper "Otello" in Italien (erst)erschienen und sein Ursprungsland ein Verbandsland der RBÜ ist, genießt es in Österreich urheberrechtlichen Schutz ausschließlich nach dieser Übereinkunft und nicht auch nach den Bestimmungen des WUA.
Gemäß Art. 7 Abs. 1 RBÜ umfaßt die Dauer des durch die Übereinkunft gewährten Schutzes "das Leben des Urhebers und 50 Jahre nach seinem Tod". Falls aber ein oder mehrere Verbandsländer eine längere als diese Schutzdauer gewähren, richtet sich die Schutzdauer gemäß dem zweiten Absatz dieser Bestimmung "nach dem Gesetz des Landes, wo der Schutz beansprucht wird, aber sie kann die im Ursprungsland des Werkes festgesetzte Dauer nicht überschreiten". Diese Bestimmung enthält entgegen der Meinung der Klägerin nicht bloß eine Ermächtigung des nationalen Gesetzgebers zur Abkürzung der jeweiligen innerstaatlichen Schutzfrist; sie gehört vielmehr auf Grund ihres Inhaltes zu jenen Konventionsnormen, die nach Maßgabe der Transformation der RBÜ in das jeweilige nationale Recht in den einzelnen Verbandsländern - also auch in Österreich - unmittelbar anzuwenden sind (Ulmer, Der Vergleich der Schutzfristen im Welturheberrechtsabkommen, GRURAusl. 1960, 57). Der hier angeordnete "Schutzfristenvergleich" beruht auf der Erwägung, daß es unbillig wäre, ein Werk in einem fremden Land länger zu schützen als in seinem Ursprungsland; gibt das Ursprungsland - als die "Heimat" der geistigen Schöpfung - die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe des Werkes frei, dann besteht kein Anlaß mehr, eine solche Verwertung in anderen Ländern weiterhin von der Zustimmung des Urhebers abhängig zu machen; auch in diesen Ländern ist dann vielmehr ein berechtigtes Bedürfnis an einer freien Verwertung des betreffenden Werkes anzuerkennen (Ulmer aaO 58).
Der Klägerin ist nun ohne weiteres zuzugeben, daß Art. 7 Abs. 2 RBÜ keinen "Maximalschutz" normiert und daher den Verbandsländern keine zwingende Begrenzung des Urheberrechtsschutzes auf die Schutzdauer im Ursprungsland vorschreibt. Die Verbandsländer sind zwar nicht verpflichtet, verbandsangehörige Werke länger als im jeweiligen Ursprungsland zu schützen; es ist ihnen aber nicht verwehrt, auch solchen Werken volle Inländerbehandlung zu gewähren und unter Abstandnahme von einem Vergleich der Schutzfristen in jedem Fall die inländische Schutzfrist anzuwenden (Bappert - Wagner aaO 92 RNr. 2; Ulmer aaO 58 f; eine ausdrückliche Klarstellung in dieser Richtung enthält im übrigen auch Art. 7 Abs. 8 der Stockholmer und der Pariser Fassung der RBÜ, abgedruckt bei Dittrich aaO 296 f:
".........., soweit die Rechtsvorschriften dieses Landes nichts anderes bestimmen, ....."). Dem österreichischen Urheberrecht ist aber eine solche - über Art. 7 Abs. 2 RBÜ hinausgehende - Schutzfristenregelung fremd. Der hier von der Klägerin mehrfach zitierte § 1 des BG vom 7. 11. 1956 zur Durchführung des Welturheberrechtsabkommens, BGBl. 109/1957, abgedruckt bei Dittrich aaO 105 f.), betrifft nach seinem Wortlaut nur solche Werke, die in Österreich ausschließlich durch das WUA geschützt sind; er soll das Bundesministerium für Justiz in die Lage versetzen, von der Ermächtigung des Art. IV Z 4 Abs. 1 WUA Gebrauch zu machen und die - zufolge des in Art. II, IV Z 1 WUA festgelegten Grundsatzes der Inländerbehandlung regelmäßig durch das Recht des Staates, in dem der Schutz beansprucht wird, bestimmte - Schutzdauer solcher Werke gegebenenfalls auf jenen Zeitraum zu begrenzen, der für Werke der betreffenden Art in jenem Vertragsstaat festgesetzt ist, in welchem das Werk zuerst veröffentlicht wurde (s. dazu die EB und den Bericht des Justizausschusses zu diesem BG, abgedruckt bei Dittrich aaO 105 f). Inwiefern mit diesem "Ermächtigungsgesetz" eine über die Ausführung des WUA hinausreichende "Grundsatzentscheidung" getroffen worden wäre, welche "umsomehr für den Bereich der ein ungleich höheres Schutzniveau gewährleistenden RBÜ gelten" müßte, kann auch die Klägerin nicht schlüssig begrunden. Daß der österreichische Gesetzgeber zur Anwendung des in Art. IV Z 4 Abs. 1 WUA vorgesehenen Schutzfristenvergleiches eine innerstaatliche Ausführungsbestimmung für erforderlich gehalten hat (s. dazu die EB und den Bericht des Justizausschusses aaO; zu den hierüber in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Meinungsverschiedenheiten siehe einerseits Bappert - Wagner aaO 236 Art. IV WUA RNr. 21, anderseits Ulmer aaO), läßt keinen Schluß darauf zu, daß auch Art. 7 Abs. 2 RBÜ im gleichen Sinne verstanden werden und auch seine Anwendung im Einzelfall durch einen besonderen Rechtsakt verfügt werden müßte; der Wortlaut der letztgenannten Konventionsbestimmung läßt vielmehr keinen Zweifel an der unmittelbaren innerstaatlichen Anwendbarkeit des hier vorgesehenen "Schutzfristenvergleiches" (vgl. dazu Rintelen, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht 226 f.; ebenso für das deutsche Urheberrecht: Ulmer aaO 57). Das von der Klägerin befürchtete "absurde Ergebnis" einer solchen Auslegung des Art. 7 Abs. 2 RBÜ - weil "zwar Werke aus Ländern, die mit Österreich nur durch das Welturheberrechtsabkommen verbunden sind, hier die volle 70 jährige Schutzfrist nach dem Tod des Urhebers in Anspruch nehmen könnten ...., nicht aber Staaten, für die die internationalen Beziehungen zu Österreich durch die Berner Übereinkunft geregelt werden ..." - kann aber gerade durch eine entsprechende Abkürzung der Schutzfrist gemäß Art. IV Z 4 Abs. 1 WUA in Verbindung mit § 1 des BG BGBl. 109/1957 vermieden werden.
Auch der Versuch der Klägerin, die für sie günstigeren Bestimmungen des WUA über den Schutzfristenvergleich (Art. IV) auf dem Umweg über Art. 20 RBÜ für den vorliegenden Fall nutzbar zu machen, muß erfolglos bleiben. Art. 20 RBÜ räumt zwar den Verbandsländern das Recht ein, insoweit miteinander besondere Abkommen urheberrechtlichen Inhalts zu treffen, als diese den Urhebern über die RBÜ hinausgehende Rechte verleihen oder andere Bestimmungen enthalten, die der RBÜ nicht zuwiderlaufen; daß aber das WUA keinesfalls als "besonderes Abkommen" iS dieser Bestimmung angesehen werden kann, folgt schon aus der bereits in anderem Zusammenhang erwähnten Zusatzerklärung zu Art. XVII WUA, wonach das WUA in den Beziehungen zwischen den Ländern des Berner Verbandes auf den Schutz "verbandseigener" Werke schlechthin unanwendbar ist.
Der in Art. 7 Abs. 2 RBÜ vorgesehene "Schutzfristenvergleich" führt also zu dem Ergebnis, daß das Libretto der Oper "Otello" mit dem Ende seines urheberrechtlichen Schutzes im Ursprungsland Italien (31. 12. 1974) auch in Österreich frei geworden ist. Daß dieser Operntext in Italien jetzt der - zeitlich unbegrenzten - "Urhebernachfolgegebühr" nach Art. 175 ff. itUrhG unterliegt, ist dabei ohne rechtliche Bedeutung. Auf Grund der angeführten Bestimmungen des italienischen Urheberrechts sind bestimmte Prozentsätze der Einnahmen aus einer Verwertung (Aufführung, Rundfunksendung, Vervielfältigung, Verbreitung) gemeinfreier Werke an den italienischen Staat oder an die "Hilfs- und Unterstützungskasse der Urheber, Schriftsteller und Musiker" abzuführen (s. dazu Möhring - Schulze - Ulmer - Zweigert aaO Teil I - Einführung 17 f.). Es geht hier also - wie die Klägerin selbst erkennt - nicht etwa um das Fortbestehen irgendwelcher Ausschließungsrechte des Urhebers, sondern allein darum, daß die Wiedergabe gemeinfreier Werke aus sozialen Gründen mit einer Vergütungspflicht belastet wird, durch welche finanzielle Mittel zur Förderung und Unterstützung zeitgenössischer Urheber bereitgestellt werden sollen (vgl. dazu Rintelen aaO 180 f.; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht[3], 350 ff.; Fromm - Nordemann, Urheberrecht[4], 61 f., Einleitung Anm. 12). Die "Urhebernachfolgegebühr" des italienischen Rechtes ist also nach ihrem Wesen und ihrer Zielsetzung etwas ganz anderes als die "wirtschaftlichen Verwertungsrechte des Urhebers an seinem Werk" iS des Art. 25 itUrhG, sie kann daher auch beim Schutzfristenvergleich nach Art. 7 Abs. 2 RBÜ nicht berücksichtigt werden. Die Meinung der Revision, daß sich diese "(ewige) Urhebernachfolgevergütung" des italienischen Rechtes mit der um 14 Jahre längeren Schutzfrist des österreichischen Rechtes "sicherlich die Waage halte", ist infolgedessen vom Berufungsgericht mit Recht abgelehnt worden.
Damit bleibt aber iS der eingangs dargelegten rechtlichen Erwägungen noch zu prüfen, ob sich ein über die RBÜ hinausgehender urheberrechtlicher Schutz des Librettos der Oper "Otello", wie ihn die Klägerin hier für sich in Anspruch nimmt, allenfalls unter dem Gesichtspunkt der "Gegenseitigkeit" (§ 96 UrhG) aus dem italienischen Urheberrecht ableiten läßt. Auch diese Frage muß jedoch verneint werden. Mit dem bloßen Hinweis auf die in Art. 4 RBÜ gewährleistete Inländerbehandlung ist hier für die Klägerin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil dieser Grundsatz, wie bereits ausgeführt, in der RBÜ selbst gerade in bezug auf die Schutzdauer durch den - auf dem Gedanken der materiellen Reziprozität beruhenden - "Schutzfristenvergleich" des Art. 7 Abs. 2 RBÜ durchbrochen worden ist. Daß im Verhältnis zwischen Österreich und Italien insoweit (materielle) Gegenseitigkeit bestunde, als in Österreich erschienene Werke österreichischer Urheber in Italien nicht bloß 56 Jahre, sondern 70 Jahre geschützt würden, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Auch wenn man aber die von § 96 UrhG geforderte "Gegenseitigkeit" rein formell auffassen und sie daher schon dann als verwirklicht annehmen wollte, wenn Italien generell auf den "Schutzfristenvergleich" nach Art. 7 Abs. 2 RBÜ verzichtete und "verbandsangehörigen" Werken ausländischer Urheber unbeschränkte Inländerbehandlung angedeihen ließe, wäre damit für die Klägerin nichts gewonnen, weil auch diese Voraussetzung hier nicht gegeben ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der von der Klägerin hier erwähnten fremdenrechtlichen Norm des italienischen Urheberrechts, nämlich dem Dekret Nr. 82 vom 23. 8. 1946 (abgedruckt bei Möhring - Schulze - Ulmer - Zweigert aaO 55 in FN 34) - nach welchem die Werke ausländischer Urheber bei Fehlen der Voraussetzungen des Art. 185 Abs. 2 und des Art. 189 Abs. 1 itUrhG "vorbehaltlich der Anwendung der internationalen Verträge unter der Bedingung der Gegenseitigkeit geschützt" sind - iS der Ausführungen der Klägerin tatsächlich ein rein formeller, den früher in Art. 188 Abs. 2 itUrhG vorgeschriebenen "Schutzfristenvergleich" ausschließender Gegenseitigkeitsbegriff zugrunde liegt. Auch unter dieser Annahme ergibt sich ja gerade aus dem Gesetzesdekret Nr. 82, daß eben auch das italienische Recht den Werken ausländischer Urheber keine uneingeschränkte Inländerbehandlung gewährt, vielmehr einen über die Berner Übereinkunft hinausgehenden urheberrechtlichen Schutz - ebenso wie das österreichische Recht - an die Voraussetzung der "Gegenseitigkeit" bindet. Daß angesichts dieser im wesentlichen inhaltsgleichen Ausgestaltung der fremdenrechtlichen Vorschriften beider Staaten dem Anknüpfungspunkt der "Gegenseitigkeit" im Verhältnis zwischen Österreich und Italien keine praktische Bedeutung zukommt, ist richtig; diese - von der Klägerin als "Patt"- Situation bezeichnete - Rechtslage führt dann aber notwendig dazu, daß sich der gegenseitige Urheberrechtsschutz allein nach den einschlägigen Staatsverträgen - hier also nur nach der RBÜ - richtet.
Kann sich aber die Klägerin für den von ihr behaupteten urheberrechtlichen Schutz des Librettos der Oper "Otello" auch nicht auf "Gegenseitigkeit" iS des § 96 UrhG berufen, dann fehlt ihrem Urteilsbegehren die rechtliche Grundlage. Der unbegrundeten Revision mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z55093Schlagworte
Othello (Verdi), Libretto gemeinfrei, Schutzfristenvergleich (Art. 7 Abs. 2 RBÜ), keine Bedachtnahme auf, "Urheberrechtsnachfolgegebühr" (Art. 175 ff. it. UrhG), Urheberrechtsnachfolgegebühr (Art. 175 ff. it. UrhG), keine, Bedachtnahme auf - bei Schutzfristenvergleich (Art. 7 Abs. 2 RBÜ), Welturheberrechtsabkommen, Schutz verbandseigener Werke (Art. 4 Abs. 3, RBÜ) in Ländern, die auch Vertragsstaaten des - sind, Werk, verbandseigenes (Art. 4 Abs. 3 RBÜ), Schutz in Verbandsländern„ die auch Vertragsstaaten des WUA sindEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0040OB00413.81.0629.000Dokumentnummer
JJT_19820629_OGH0002_0040OB00413_8100000_000