TE Vwgh Erkenntnis 2005/5/24 2004/11/0022

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Veröffentlicht am 24.05.2005
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 2001 §26 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Gerhard Stranzinger und Mag. Gerhard Stranzinger, Rechtsanwälte in 4910 Ried/Innkreis, Schwanthalergasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 8. Jänner 2004, Zl. P 835352/1-PersD/2004, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde anlässlich seiner Stellung am 18. März 2003 für "tauglich" erklärt. Mit am 1. Dezember 2003 zugestelltem Einberufungsbefehl wurde er mit Wirkung vom 7. Jänner 2004 zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen. Auf Grund einer im Rahmen der Einstellungsuntersuchung festgestellten Dienstunfähigkeit wurde der Beschwerdeführer am 12. Jänner 2004 vorzeitig aus dem Grundwehrdienst entlassen.

Mit Eingabe vom 15. September 2003 beantragte der Beschwerdeführer "gemäß § 36a (1) Ziff. 2 WG", ihn von der Verpflichtung zur Ableistung des Präsenzdienstes zu befreien.

Diesen Antrag begründete er wie folgt:

"Es liegen besonders rücksichtswürdige familiäre - wie überdies auch wirtschaftliche - Interessen vor, die die beantragte Befreiung erfordern.

Mein Vater J ist als Folge eines schweren Krebsleidens dauernd arbeitsunfähig und zum Frührentner geworden. Dadurch war er gezwungen, seine Funktion als (alleiniger) Geschäftsführer der 'K Gesellschaft m.b.H.' mit Sitz in Wien zurück zu legen und wurde durch Gesellschafterbeschluss vom 12.09.2003 mit sofortiger Wirkung abberufen. Mit demselben Beschluss bin ich - ebenfalls mit sofortiger Wirkung zum neuen Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft mit selbständigem Vertretungsrecht bestellt worden. Die notarielle Urkunde über den einschlägigen Gesellschafterbeschluss füge ich anliegend in Kopie bei.

Meine Geschäftsführerbestellung erfolgte, um die reibungslose Fortführung der gegenständlichen Firma, bei der es sich um ein Familienunternehmen handelt, und damit auch den Erhalt der dortigen Arbeitsplätze zu gewährleisten. Dabei kam es meinem Vater als dem Hauptgesellschafter entscheidend darauf an, die Führung des Unternehmens an ein Familienmitglied zu übertragen und dadurch eine enge Vertrauensbasis für den auch zukünftigen Bestand der Firma zu schaffen, ohne den der Lebensunterhalt sämtlicher Familienmitglieder ernsthaft gefährdet sein würde.

Für diese Aufgabe kam allein nur ich in Betracht. Mein älterer Bruder schied aus beruflich bedingten Gründen als Betreiber einer Landwirtschaft aus, während sich meine beiden jungen und minderjährigen Geschwister noch in der Schulausbildung (Berufs- bzw. Grundschule) befinden."

Mit Eingabe vom 16. September 2003 präzisierte er sein Vorbringen u.a. dahin, er sei alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der K GmbH, deren Gesellschafter sein Vater und die K Bau- und HandelsgesmbH seien. Seine Vertretung sei nicht möglich, er verweise diesbezüglich auf seinen Antrag. Im Fall seiner Einberufung wäre die Gesellschaft geschäftsführungslos und müsste die gesamte Tätigkeit (Immobilien, Ankauf, Sanierung, Vermietung und zum Teil Wiederverkauf) einstellen.

Mit Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 18. Dezember 2003 wurde dieser Antrag abgewiesen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer u.a. aus, der angefochtene Bescheid setze sich nur höchst unzulänglich mit denjenigen Gründen auseinander, auf die er seinen gegenständlichen Antrag gestützt habe. Er habe insbesondere dezidiert darauf hingewiesen, dass er nach Beendigung der Handelsschule 2001 wegen der akuten Erkrankung seines Vaters sofort in die Firma (K Gesellschaft m.b.H.) eingetreten sei und sich dort durch erhöhte Arbeitsleistung in die von ihm zwischenzeitlich übernommene, konkret dargelegte Geschäftsführertätigkeit eingearbeitet habe, dass eine Vertretung in dieser Vertrauensposition aus den "konkret angeführten Gründen" nicht möglich sei, im Falle seiner Einberufung eine Fortführung des Betriebes buchstäblich "von heute auf morgen" nicht mehr möglich wäre, und somit nicht nur eine Gefährdung der Arbeitsplätze, sondern darüber hinaus eine unmittelbare Existenzgefährdung bzw. gänzliche Existenzvernichtung nicht nur für ihn, sondern insbesondere auch für seine Eltern und seine beiden minderjährigen schulpflichtigen Geschwister drohe. Es dürfe ihm als Geschäftsführer des Familienbetriebes nicht verweigert werden, die allein ihm mögliche Aufrechterhaltung der Firmenexistenz zu gewährleisten. Zu seinen familiären Interessen brachte er vor, seine Familienmitglieder, insbesondere sein krebskranker Vater, aber auch seine Mutter, sein jüngerer Bruder sowie seine kleine Schwester bedürften seiner Unterstützung, die im Falle der Leistung des Grundwehrdienstes durch ihn erheblich gefährdet wäre, sodass die Existenz seiner Angehörigen bzw. des "Familienverbundes" bedroht wäre.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe wirtschaftliche Interessen an der Befreiung geltend gemacht, deren besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 Wehrgesetz 2001 sei jedoch nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe sich darauf berufen, er sei nach Absolvierung der Handelsschule im Jahr 2001 im Hinblick auf eine akute Erkrankung des Vaters in das Unternehmen eingetreten um eine Chance zu nutzen, sollte sein Vater zur Gänze ausfallen. Er sei verhalten gewesen, im Hinblick auf seinen bevorstehenden Wehrdienst, insbesondere seit seiner Tauglichkeitsfeststellung am 18. März 2003, seine Dispositionen im Unternehmen so zu gestalten, das die Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gewährleistet sei, was er unterlassen habe. In Ansehung der behaupteten familiären Interessen habe es der Beschwerdeführer unterlassen darzulegen, inwieweit lebenswichtige Interessen von Familienangehörigen gefährdet würden. Auch die Angehörigen hätten im Übrigen ihre Angelegenheiten so disponieren müssen, dass der Beschwerdeführer bei der Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht ausreichend vertreten werden könne.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 lauten auszugsweise:

"Befreiung und Aufschub

§ 26 (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

..."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen das Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Anlass bietet, sind wirtschaftliche Interessen eines Wehrpflichtigen am Betrieb eines Unternehmens im Sinne dieser Gesetzesstelle nur dann zu bejahen, wenn der Wehrpflichtige selbst Unternehmensinhaber (somit selbständiger Einzelunternehmer, Mitinhaber bzw. Gesellschafter im Falle des Betriebes des Unternehmens durch eine Gesellschaft) ist (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2001, Zl. 2000/11/0082, vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0206, und vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/11/0269, zur diesbezüglich gleichen Vorgängerbestimmung des § 36a Abs. 1 Z 2 WG 1990).

Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen wiederum liegen nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1990, VwSlgNr. 13.261/A, vom 21. November 2000, Zl. 2000/11/0064, und vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/11/0269).

Der Beschwerdeführer hat sich darauf gestützt, dass er als Geschäftsführer des näher bezeichneten Unternehmens, einer Gesellschaft mbH., deren Gesellschafter zwei näher genannte Rechtspersönlichkeiten sind, unabkömmlich sei. Er selbst ist nicht Gesellschafter dieses Unternehmens. Damit vermag er es im Lichte der dargestellten Rechtsprechung auch nicht, besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen für eine Befreiung von der Verpflichtung zur Listung des Grundwehrdienstes im Sinn des § 26 Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 2001 darzutun.

Der Wehrpflichtige ist im Übrigen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl.  auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/11/0269) gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden werden. Den Wehrpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des Wehrgesetzes angesehen werden.

Es kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zur Annahme gelangte, dass der Beschwerdeführer der ihn treffenden Harmonisierungspflicht nicht entsprochen hat, zumal er nicht konkret dargelegt und durch entsprechende Beweise, zu denen er näheren Zugang hat als die Behörde, untermauert hat, aus welchen Gründen im Fall seiner Präsenzdienstleistung der wirtschaftliche Untergang des Unternehmens drohe, und insbesondere warum es ihm trotz darauf gerichteter Versuche nicht möglich gewesen wäre, für seine Vertretung vorzusorgen. Eine Grundlage dafür, nur er persönlich könne die Geschäftsführung ausüben und es sei aus konkreten Gründen ausgeschlossen, dass für die Zeit seiner Präsenzdienstleistung ein Vertreter tätig sei, ist nicht erkennbar. Mit dem Hinweis auf eine "Vertrauensstellung" - die für jeden Geschäftsführer einer GesmbH gilt - vermag er nicht, die erforderliche Begründung zu ersetzen.

Es war - ausgehend von der oben dargestellten Rechtslage - zutreffend auch die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner familiären Interessen zu prüfen.

Wie bereits oben festgehalten, ist die besondere Rücksichtswürdigkeit solcher familiärer Interessen dann anzunehmen, wenn durch die fehlende Unterstützung der Angehörigen (hier: Eltern bzw. Geschwister) eine Gefährdung ihrer Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen, wie z. B. der behauptete Verlust der Existenzgrundlage, zu befürchten ist. Zur Unterstützung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen. Jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, haben überdies ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten (siehe dazu die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 2001 und vom 26. Februar 2002 sowie die hg. Erkenntnisse vom 4. Juni 1991, Zl. 90/11/0231, vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0113, und vom 10. November 1998, Zl. 97/11/0377).

Der Beschwerdeführer zeigt in der Beschwerde nicht im Konkreten auf, auf Grund welcher Beweise, die die belangte Behörde aufzunehmen unterlassen habe, gefolgert hätte werden müssen, seine Eltern und Geschwister seien in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, und der Beschwerdeführer sei der einzige, von dem abhänge. Insoweit der Beschwerdeführer behauptet, er habe für entsprechende Dispositionen nicht ausreichend Zeit gehabt, ist im zu entgegnen, dass er längstens auf Grund der Stellung bzw. Tauglichkeitsfeststellung, somit seit 18. März 2003, damit rechnen musste, zum Grundwehrdienst einberufen zu werden, und ihm ab diesem Zeitpunkt, der vor dem "Gesellschafterbeschluss" vom 12. September 2003 lag, mit rund einem 3/4 Jahr ausreichend Zeit zur Verfügung stand, Vorkehrungen zu treffen. Soweit er darauf verweist, in "unzähligen Fällen" seien für tauglich befundene junge Männer nicht oder erst Jahre später einberufen worden, ist für ihn daraus kein subjektives Recht abzuleiten.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Mai 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004110022.X00

Im RIS seit

30.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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