Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9.September 1982
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter George A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, 75 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9.November 1981, GZ. 20 U Vr 9958/80-44, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers, Dr. Karl Bernhauser, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe
unter Anwendung des § 41 Abs 1 StGB
auf 8 (acht) Jahre herabgesetzt.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.April 1937 geborene britische Staatsangehörige Peter George A im zweiten Rechtsgang - neuerlich - auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, 75 StGB schuldig erkannt. Die Geschwornen hatten die an sie gerichtete Hauptfrage, ob der Angeklagte schuldig sei, am 18.Oktober 1980 in Wien Anna B dadurch vorsätzlich zu töten versucht zu haben, daß er ihr mit einem 1 kg schweren Betonbrocken ca. 10 bis 15 mal heftig auf den Kopf schlug, wobei sie eine an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, nämlich Rißquetschwunden am rechten Jochbein, am Stirnbein, am linken Scheitelbein und im Hinterhauptbereich, einen Bruch des rechten Zeigefingers mit teilweisem Nagelabriß des vierten Fingers der rechten Hand und des fünften Fingers der linken Hand erlitt, stimmeneinhellig bejaht. Die auf Vorliegen eines strafaufhebenden Rücktritts vom Versuch gerichtete Zusatzfrage, ob er die Ausführung dieser Tat freiwillig aufgegeben habe, hatten sie im Stimmenverhältnis 7 : 1 verneint. Die an sie nach dem Verbrechen des versuchten Totschlages nach § 15, 76 StGB, weiters nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB
gerichteten Eventualfragen (Nr. 3.), 5.) und 6.) des Fragenschemas) und die zur ersten Eventualfrage gestellte Zusatzfrage (Nr. 4.) des Fragenschemas) nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch (des Totschlages) hatten sie folgerichtig unbeantwortet gelassen. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er vorbringt, die zur Zusatzfrage erteilte Rechtsbelehrung sei insofern unrichtig, als das Erstgericht darin ausführe, es mangle an der Freiwilligkeit des Rücktritts, wenn der Täter nicht mehr die Kraft oder den Mut aufbringt, die Tat zu vollenden und deshalb, weil er sich außerstande sieht, sein Ziel zu erreichen, von der Tatvollendung Abstand nimmt. Demgegenüber sei ausschließlich die innere Umkehr des Täters entscheidend, nicht aber die Motivation hiefür, die durchaus in der beschriebenen Verfassung des Täters gelegen sein könne. Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde versagt.
Die gerügte Rechtsbelehrung zur Zusatzfrage zur Hauptfrage (Frage 2 /siehe S. 4 ff.; Beilage C zu ON. 43 /), die weitgehend mit den Ausführungen in Leukauf-Steininger2, RN. 2 und 3 (am Ende) zu § 16 StGB
übereinstimmt, ist klar und verständlich. Sie entspricht der ständigen Lehre und Rechtsprechung (vgl. dazu die bei Leukauf-Steininger a.a.O. zitierte Judikatur), steht mit den einschlägigen Gesetzen und Grundsätzen des Strafrechts im Einklang und ist (somit) nicht unrichtig. Entgegen dem Beschwerdevorbringen, dem nur insofern zuzustimmen ist, als keine besondere, insbesonders ethisch wertvolle Motivation der Freiwilligkeit des Rücktritts gefordert wird, ist bei der Beurteilung dieser Freiwilligkeit allein maßgebend, ob der Täter nach seiner Vorstellung die Tat hätte vollenden können. Bringt er dazu nicht mehr die Kraft oder den Mut auf, so stellt diese physische oder psychische Verfassung keine im Sinne des § 16 StGB strafbefreiende Motivation für die Abstandnahme von der Tatvollendung dar, sondern bewirkt - jedenfalls nach der Vorstellung des Täters - deren Unmöglichkeit, wie es auch die Geschwornen nach ihren in der Niederschrift zur Fragebeantwortung festgehaltenen Erwägungen angenommen haben. Von Freiwilligkeit der Abstandnahme von der Tatvollendung kann unter solchen Umständen - selbst wenn der Täter bloß irrig annimmt, seine physische oder psychische Beschaffenheit reiche zur Vollendung der Tat nicht aus - nicht gesprochen werden (vgl. auch SSt. 38/53;
LSK. 1978/325; 1975/49 u.a.). Dies bringt die Rechtsbelehrung zutreffend zum Ausdruck, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die schwere Verletzung des Opfers, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel, daß es beim Versuch geblieben ist und die psychisch abnorme Persönlichkeit. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 StGB und bedingte Strafnachsicht.
Die Berufung ist teilweise berechtigt.
Zu den vom Geschwornengericht im übrigen zutreffend angenommenen Strafbemessungsgründen kommen als weitere Milderungsgründe noch, daß der Angeklagte durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Z. 17 StGB) und die heftige Gemütsbewegung sowohl im Zeitpunkt des Entschlusses als auch bei der Ausführung der Tat (siehe Gutachten des Sachverständigen Dr. C S. 123). Die Milderungsgründe überwiegen somit beträchtlich. Die Tat ist nur aus der besonderen Konfliktsituation, aus der drohenden Beendigung der erheblich spannungsbelasteten Liebesbeziehung zu dem Opfer, zu dem der Angeklagte eine besonders starke Bindung hatte (siehe Aussage der Zeugin Anna B S. 221, und Gutachten des Sachverständigen S. 117, 230, 304), zu erklären. Beim Angeklagten handelt es sich um keinen an und für sich gefährlichen Menschen, vielmehr liegt eine einmalige (allerdings besonders schwere) Verfehlung vor, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten steht. Es besteht somit begründete Aussicht, daß der Täter auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde (siehe Gutachten des Sachverständigen S. 123, 125, das sich mit der allgemeinen kriminologischen Erfahrung deckt).
Die Voraussetzungen der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 Abs 1 StGB liegen somit vor.
Der Berufung war teilweise Folge zu geben und die Freiheitsstrafe auf die angemessene Höhe von 8 Jahren herabzusetzen. Im übrigen war aber die Berufung, die auch bedingte Strafnachsicht anstrebt, schon wegen des Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 43 StGB nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03823European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00092.82.0909.000Dokumentnummer
JJT_19820909_OGH0002_0120OS00092_8200000_000