TE OGH 1982/9/21 4Ob396/81

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Veröffentlicht am 21.09.1982
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Norm

ABGB §1295
PatG §147

Kopf

SZ 55/131

Spruch

Derjenige, dessen Patent wegen fehlender Erfindungseigenschaft des Patentgegenstandes für nichtig erklärt wurde, haftet für den Schaden, den er einem Dritten zuvor durch Androhung oder Einleitung strafgerichtlicher Verfolgung wegen angeblicher Patenteingriffe zugefügt hatte, nur dann, wenn er die mangelnde Erfindungshöhe schuldhaft verkannt hatte

OGH 21. September 1982, 4 Ob 396/81 (OLG Wien 3 R 97/81; HG Wien 17 Cg 114/80)

Text

Mit Vertrag vom 7. 8. 1962 hat die Klägerin von der R-KG, Maschinenfabrik in T (BRD), (ua.) zwei zur Herstellung flexibler Kunststoffrohre bestimmte "Riffelrohraggregate" gekauft. Im Zuge der vorangegangenen Verhandlungen hatte die R-KG am 25. 7. 1962 die Klägerin davon verständigt, daß die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland einen "Anspruch patentrechtlicher Art" gegen die Fertigung solcher Aggregate erhoben habe; diese Streitfrage sei zwar in der Zwischenzeit bereinigt worden, doch dürfe die Klägerin die von ihr zu erwerbenden Aggregate nicht in die Bundesrepublik Deutschland (zurück-)verkaufen und auch keine Riffelrohre dorthin exportieren. In ihrem Antwortschreiben vom 7. 8. 1962 hat die Klägerin eine solche Verpflichtung ausdrücklich übernommen.

In der Folge wurde der Beklagten auf Grund der Anmeldung vom 30. 5. 1959 das österreichische Patent Nr. 257 145 - "Vorrichtung zum Querrillen der Wände eines Kunststoffrohres" - mit der Priorität der Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 21. 2. 1959 erteilt; die Patentschrift wurde am 25. 9. 1967 ausgegeben, die Patentdauer hat am 15. 1. 1964 begonnen.

Mit Schreiben vom 12. 12. 1967 machte die Beklagte der Klägerin von dieser Patenterteilung Mitteilung, wobei sie auf die "unhaltbare Situation" verwies, daß neben ihrer Generallizenznehmerin auch andere Firmen - darunter die Klägerin - in Österreich Faltenrohre herstellen. Der einfachste Weg zur Bereinigung der Angelegenheit wäre nach Ansicht der Beklagten der Abschluß eines Lizenzvertrages zwischen den Parteien; sollte die Beklagte jedoch bis zum 15. 1. 1968 keine Stellungnahme der Klägerin zu diesem Vorschlag erhalten, dann müsse sie annehmen, daß die Klägerin an einer außergerichtlichen Einigung nicht interessiert sei.

Demgegenüber vertrat die Klägerin - nach Rücksprache mit der R-KG - die Auffassung, daß das von ihr verwendete Verfahren das Patent der Beklagten nicht verletze. Sie wurde darin vor allem durch ein Privatgutachten des Patentanwalts Dipl.-Ing. Albin K vom 9. 8. 1968 bestärkt, wonach Ausführungen von Vorrichtungen zum Querrillen der Wände eines Kunststoffrohres, die nicht sämtliche Merkmale des Patentanspruches des österreichischen Patentes Nr. 257 145 benützten, vom Schutzbereich dieses Patentes nicht erfaßt würden.

Da es auch in der Folgezeit zu keiner einvernehmlichen Regelung kam, stellte die Beklagte am 3. 3. 1972 zu 17 Vr 628/72 des Landesgerichtes Linz den Antrag auf Einleitung eines Strafverfahrens nach § 149 PatG und Vornahme von Vorerhebung gegen unbekannte Täter, insbesondere einer Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der K-GmbH in Linz und "Beschlagnahme der sich auf die Verletzungen des österreichischen Patentes Nr. 257 145 beziehenden Werkzeuge, insbesondere Preßdüsen, sowie Geschäftspapiere". Nachdem das Landesgericht Linz am 23. 3. 1972 diesem Antrag stattgegeben und einen Hausdurchsuchungsbefehl betreffend "das Betriebs- und Firmengelände sowie die Büroräume und Produktionsstätten" der K-GmbH erlassen hatte, dehnte es auf Verlangen der Beklagten diese Anordnung am 5. 4. 1972 auch auf die entsprechenden Räumlichkeiten der Klägerin aus. Bei der am selben Tag dort vorgenommenen Hausdurchsuchung wurden mehrere von der Beklagten als patentverletzend bezeichnete Bestandteile der beiden Riffelrohraggregate ausgebaut und "zum Zweck der Beweisführung gemäß §§ 143 ff. in Verbindung mit § 24 StPO bis zur Entscheidung durch das Gericht vorläufig beschlagnahmt".

In der Folge brachte die (nunmehrige) Beklagte am 11. 4. 1972 zu 17 Cg 67/72 des Handelsgerichtes Wien eine auf Unterlassung, Rechnungslegung, Herausgabe der Bereicherung und Schadenersatz gerichtete Patenteingriffsklage gegen die (nunmehrige) Klägerin ein. In ihrer Klagebeantwortung vom 24. 5. 1972 wendete die (nunmehrige) Klägerin (ua.) unter Hinweis auf die japanische Patentschrift Nr. 240 893 - welche im Verfahren zur Erteilung des österreichischen Patentes Nr. 257 145 nicht berücksichtigt worden war - Nichtigkeit dieses Patentes zufolge neuheitsschädlicher Vorveröffentlichung ein. Das Verfahren, welchem die R-KG als Nebenintervenientin auf der Seite der (nunmehrigen) Klägerin beigetreten war, wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24. 5. 1974 gemäß § 190 Abs. 1 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den von der (nunmehrigen) Klägerin und der Nebenintervenientin beim Österreichischen Patentamt erhobenen Antrag auf Nichtigerklärung des österreichischen Patents Nr. 257 145 unterbrochen.

Tatsächlich hatten in der Zwischenzeit die R-KG (am 24. 8. 1972 zu N 11/72) und die Klägerin (am 28. 11. 1972 zu N 16/72) bei der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes gleichlautende Anträge auf Nichtigerklärung des Patentes der Beklagten gemäß §§ 1, 3 PatG gestellt. Die Nichtigkeitsabteilung gab diesen Anträgen mit Erkenntnis vom 13. 6. 1975 statt und erklärte das österreichische Patent Nr. 257 145 für nichtig. Der dagegen erhobenen Berufung der Patentinhaberin gab der Oberste Patent- und Markensenat mit Erkenntnis vom 11. 10. 1978, Op 4/75-17, nicht Folge. Beide Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens sprachen dem bekämpften Patent die notwendige Erfindungseigenschaft ab und verwiesen dabei vor allem auf die schon erwähnte japanische Patentschrift Nr. 240 893.

Die Beklagte zog daraufhin am 22. 7. 1980 die Patenteingriffsklage zu 17 Cg 67/72 des Handelsgerichtes Wien unter Verzicht auf den Anspruch zurück; auch den Antrag auf Strafverfolgung unbekannter Täter (17 Vr 628/72 des Landesgerichtes Linz) nahm sie am 6. 10. 1980 zurück.

Mit Beschluß vom 28. 2. 1972 hat die Beschwerdeabteilung des schwedischen Patentamtes eine Patentanmeldung der Beklagten, betreffend die hier in Rede stehende Vorrichtung zum Herstellen quergewellter Kunststoffrohre, abgewiesen und dabei gleichfalls auf die druckschriftliche Vorveröffentlichung dieser Erfindung durch die japanische Patentschrift Nr. 240 893 verwiesen.

Mit der vorliegenden, am 26. 6. 1980 beim Handelsgericht Wien überreichten und als "Widerklage" zu 17 Cg 67/72 bezeichneten Klage verlangt die Klägerin a) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 4 062 810 S samt Anhang und b) die Feststellung, daß die Beklagte den gesamten künftigen Schaden zu ersetzen habe, welcher der Klägerin aus der von der Beklagten vorgenommenen sicherstellungsweisen Vorkehrung (Beschlagnahme und Verwahrung) zu 17 Vr 628/72 des Landesgerichtes Linz erwachse.

Die Klägerin stützt ihren Ersatzanspruch primär auf den - ihrer Ansicht nach hier noch anwendbaren - § 164 Abs. 1 PatG 1970 (in der bis zur Patentgesetznovelle 1977 geltenden Fassung), überdies aber auch auf §§ 1295, 1305 ABGB. Der Mangel der Erfindungshöhe und der Neuheit ihres Verfahrens und damit die Nichtigkeit ihres Patentes sei der Beklagten schon im Zeitpunkt der Strafanzeige beim Landesgericht Linz und der dort vorgenommenen sicherstellungsweisen Vorkehrungen aus anderen, in der Bundesrepublik Deutschland und in Schweden durchgeführten Verfahren bekannt gewesen; die Inanspruchnahme der ihr als Patentinhaberin zustehenden Rechte sei unter diesen Umständen ein grober Rechtsmißbrauch gewesen. Durch die Beschlagnahme von Teilen ihrer Produktionseinrichtung und die jahrelange Aufrechterhaltung dieser Maßnahme sei die Klägerin gezwungen gewesen, die Herstellung von Kunststoffrohren auf den beiden Riffelrohranlagen einzustellen und sodann kurzfristig ihre gesamte Produktion auf eine andersartige Technologie (Vakuumtechnik) umzustellen. Die angeführten gerichtlichen Sicherungsmaßnahmen hätten sich letztlich durch die Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenates vom 11. 10. 1978 als nicht gerechtfertigt herausgestellt, sodaß die Beklagte gemäß § 164 Abs. 1 PatG (aF) verpflichtet sei, der Klägerin die damit verbundenen (in der Klage einzeln angeführten) vermögenswerten Nachteile im Betrag von insgesamt 4 062 810 S samt Anhang zu ersetzen. Da die Möglichkeit weiterer Schäden nicht ausgeschlossen werden könne, habe die Klägerin auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden.

Die Beklagte hat das Klagebegehren dem Gründe und ("vorsorglich" auch) der Höhe nach bestritten. § 164 PatG (af) sei durch die Patentgesetznovelle 1977 aufgehoben worden und könne schon deshalb nicht Grundlage der hier geltend gemachten Ersatzansprüche sein. Davon abgesehen käme eine Anwendung dieser Gesetzesstelle auch deshalb nicht in Betracht, weil im Verfahren 17 Vr 628/72 des Landesgerichtes Linz nicht etwa "sicherstellungsweise Vorkehrungen" iS des § 156 PatG (aF), sondern nur die in §§ 139, 143 StPO allgemein vorgesehenen beweissichernden Maßnahmen beantragt und durchgeführt worden seien. Auch von einem "groben Rechtsmißbrauch" der Beklagten sei keine Rede. Das österreichische Patent Nr. 257 145 sei der Beklagten gegen drei Einsprüche und nach Durchführung eines Beschwerdeverfahrens erteilt worden. Die später festgestellte Nichtigkeit dieses Schutzrechtes sei der Beklagten im März 1972 nicht bekannt gewesen; vielmehr habe der in einem Parallelverfahren (26 Cg 71/70 des Handelsgerichtes Wien) vom Gericht bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. Otto B in einem Gutachten vom 11. 2. 1971 die Rechtsbeständigkeit des Patentes der Beklagten bestätigt. Da die Klägerin im übrigen auch ihre Pflicht zur Schadensminderung in mehrfacher Hinsicht verletzt habe, habe sie sich den "angeblichen Millionenschaden" selbst zuzuschreiben. Ergänzend hat die Beklagte auch die Einrede der Verjährung erhoben, weil "die nunmehr geltend gemachten Schäden schon vor rund sieben bis acht Jahren entstanden sein müßten".

Das Erstgericht wies die Klage ohne Aufnahme weiterer Beweise ab. Ob die von der Beklagten im Strafverfahren des Landesgerichtes Linz beantragten Sicherungsmaßnahmen einer "sicherstellungsweisen Vorkehrung" nach dem Patentgesetz gleichkämen, brauche nicht geprüft zu werden, weil § 164 Abs. 1 PatG (aF) durch die Patentgesetznovelle 1977 ersatzlos aufgehoben worden sei; auf den vorliegenden Fall könne diese Bestimmung selbst unter Bedachtnahme auf § 5 ABGB schon deshalb nicht mehr angewendet werden, weil die Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenates im Nichtigkeitsverfahren, durch welche das Patent der Beklagten rechtskräftig "als ungerechtfertigt erkannt" wurde, erst nach dem Inkrafttreten der Patentgesetznovelle 1977 (1. 8. 1977) ergangen sei. Soweit aber die Ersatzansprüche der Klägerin auch auf die Bestimmungen des ABGB gestützt würden, seien sie verjährt. Die von der Klägerin jetzt behaupteten Schäden seien "zumindest dem Grund nach" schon 1972 entstanden und hätten daher schon damals mit einer - auf Leistung und Feststellung gerichteten - Klage geltend gemacht werden können. Eine solche Prozeßführung wäre der Klägerin schon vor der rechtskräftigen Nichtigerklärung des Patentes der Beklagten zumutbar gewesen, auch wenn sie gegebenenfalls mit einer Unterbrechung des Rechtsstreites bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren hätte rechnen müssen. Davon abgesehen sei in den von der Beklagten auf Grund ihres aufrechten Patentes getroffenen Maßnahmen ein Rechtsmißbrauch "nicht ohne weiteres zu erkennen", dürfte doch die Verpflichtung des Patentinhabers, sein Patent laufend auf seine Rechtsbeständigkeit zu überprüfen, keinesfalls überspannt werden. Daß der Beklagten in anderen Ländern die Gewährung von Schutzrechten verweigert wurde, lasse noch keinen verläßlichen Schluß auf die Nichtigkeit des entsprechenden österreichischen Patentes zu. Auch die japanische Patentschrift Nr. 240 893 habe das Patent der Beklagten nicht so eindeutig vorweggenommen, daß dessen Nichtigkeit "geradezu augenscheinlich" gewesen wäre.

Infolge Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht dieses Urteil der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; gleichzeitig sprach es aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Auf § 164 Abs. 1 PatG (aF) könne die Klägerin ihren Ersatzanspruch schon deshalb nicht stützen, weil diese Bestimmung einen - sei es im Zivilverfahren, sei es im Strafverfahren ergangenen - "Ausspruch" über die mangelnde Berechtigung der sicherstellungsweisen Vorkehrungen verlangt habe; ein solcher gerichtlicher Ausspruch, mit dem bestimmte Sicherungsmaßnahmen der Beklagten "als ungerechtfertigt erkannt" worden wären, sei jedoch während der Geltungsdauer des § 164 Abs. 1 PatG (aF) nie ergangen. Mit Recht wende sich aber die Klägerin gegen die Annahme des Erstgerichtes, daß ihre auf das ABGB gestützten Schadenersatzansprüche gemäß § 1489 ABGB verjährt seien. Die dort vorgesehene dreijährige Verjährungsfrist beginne erst dann, wenn dem Beschädigten der Eintritt des Schadens und die Person des Schädigers so weit bekannt geworden sind, daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Dazu gehöre auch die Kenntnis der "Zurechnungsgrunde des Schadens", vor allem auch der Rechtswidrigkeit des Vorgehens des Schädigers; diese sei aber für die Klägerin trotz Kenntnis der tatsächlichen Umstände (fehlende Erfindungshöhe, Vorhandensein von Vorveröffentlichungen) nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Da sich die Beklagte immerhin auf ein aufrechtes Patent berufen habe, sei ein Erfolg des Nichtigkeitseinwandes der Klägerin keineswegs mit Sicherheit vorherzusehen gewesen. Erst mit der Kenntnis von der Versagung des Patentes seien der Klägerin alle Voraussetzungen des jetzt erhobenen Schadenersatzanspruches bekannt geworden. Von seiner abweichenden Rechtsansicht über den Eintritt der Verjährung ausgehend habe das Erstgericht keine Feststellungen über das Verschulden der Beklagten bei der Verfolgung ihrer (vermeintlichen) Patentrechte im Strafverfahren vor dem Landesgericht Linz getroffen. Ob der Beklagten damals die Nichtigkeit ihres Schutzrechtes bekannt war, sei dem Ersturteil nicht zu entnehmen; ebenso fehle es an Feststellungen darüber, ob sich die Beklagte auf Grund der ihr von der Klägerin entgegengehaltenen oder anderer, von dritter Seite bekanntgegebener Tatsachen bei gehöriger Prüfung dieser Umstände auf die Rechtsbeständigkeit ihres Patentrechtes verlassen durfte. Werde diese Frage verneint, dann hätte die Beklagte bei der Durchsetzung ihrer (vermeintlichen) Patentansprüche zumindest leicht fahrlässig gehandelt. In diesem Zusammenhang wäre insbesondere auch zu klären, ob die Beklagte ihrer Prüfungspflicht nachgekommen war. Schließlich werde das Erstgericht auch auf den Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin einzugehen haben.

Infolge von Rekursen beider Parteien hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß der zweiten Instanz auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 164 PatG 1970 (aF) hatte die Erwirkung gerichtlicher sicherstellungsweiser Vorkehrungen, die nachträglich als ungerechtfertigt erkannt wurden, den Antragsteller zur Ausgleichung aller durch solche Vorkehrungen dritten Personen ohne ihr Verschulden verursachten Nachteile verpflichtet (Abs. 1); der Zivilrichter hatte über diese Entschädigungsansprüche, sofern sie vor Abschluß des Verfahrens über den Eingriff geltend gemacht wurden, zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache zu erkennen und bei der Bestimmung des Entschädigungsbetrages auf § 273 ZPO Bedacht zu nehmen (Abs. 2). Selbst wenn man nun mit der Klägerin davon ausgeht, daß diese Bestimmung ungeachtet ihrer ersatzlosen Aufhebung durch die Patentgesetznovelle 1977, BGBl. 349, auch weiterhin auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, die vor dem 1. 8. 1977 (Inkrafttreten dieser Novelle) verwirklicht worden sind, ist damit für die Rechtsmittelwerberin nichts gewonnen. Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf SZ 19/208 zutreffend ausführt, hatte gemäß § 164 Abs. 1 PatG 1970 (vor der Wiederverlautbarung 1970: § 112 Abs. 1 PatG 1950) das Ablaufen der Wirksamkeitsdauer einer "sicherstellungsweisen Vorkehrung" für sich allein ebensowenig einen Ersatzanspruch nach dieser Gesetzesstelle begrundet wie das Wegfallen des Gründes der Bewilligung einer solchen Maßnahme. Das bloße Eintreten von Tatsachen, "die gedankenmäßig ergeben, daß die Vorkehrungen ungerechtfertigt sind", war als nicht ausreichend angesehen worden; der OGH hatte vielmehr "einen in dem Verfahren, in dem die sicherstellungsweise Vorkehrung erwirkt wurde, ergangenen Ausspruch, daß sie ungerechtfertigt war" verlangt. Entgegen der Meinung der Klägerin genügt es daher nicht, daß die Beklagte "alle ihre Handlungen, welche sich als sicherstellungsweise Vorkehrungen iS des § 164 Abs. 1 PatG (aF) darstellen, während der Geltungsdauer dieser Bestimmung gesetzt" hat; iS der zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses hätte es vielmehr überdies noch eines gerichtlichen Ausspruches bedurft, mit dem diese Sicherungsmaßnahmen "nachträglich als ungerechtfertigt erkannt" wurden. Ein solcher Ausspruch - welcher durch eine "im Rahmen des Ausspruches über die Entschädigungsansprüche ..... im Sinne einer Vorfrage zu treffende Feststellung" nicht ersetzt werden konnte - ist aber hier vor dem 1. 8. 1977 nicht ergangen. Die Klägerin hat die Patenteingriffsklage 17 Cg 67/72 des Handelsgerichtes Wien am 22. 7. 1980 unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen und auch ihren Antrag auf Strafverfolgung unbekannter Täter (17 Vr 628/72 des Landesgerichtes Linz) am 6. 10. 1980 zurückgenommen; bis zu diesem Zeitpunkt war weder im Zivilprozeß noch im Strafverfahren eine Entscheidung über die Aufhebung der hier in Rede stehenden Sicherungsmaßnahmen getroffen worden. Auch die Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenates, mit welcher der Berufung der Patentinhaberin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 13. 6. 1975 nicht Folge gegeben und damit das österreichische Patent Nr. 257 145 rechtskräftig für nichtig erklärt wurde, ist erst am 11. 10. 1979 und damit gleichfalls nach dem Inkrafttreten der Patentgesetznovelle 1977 ergangen. Daß es hier nur auf die rechtskräftige Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren ankommen kann, folgt schon aus der Erwägung, daß Ersatzansprüche, die aus der Nichtigkeit eines Patents abgeleitet werden, naturgemäß erst dann entstehen können, wenn diese Nichtigkeit endgültig und unanfechtbar feststeht (s. dazu Munk, Komm. zum PatG 406 f., wo gleichfalls von einer "rechtskräftigen Entscheidung" über die Gültigkeit oder Wirksamkeit des Patentes gesprochen wird; im gleichen Sinne auch JBl. 1937, 454 = PBl. 1939, 66). In diesem Zusammenhang ist auch auf die fast gleichzeitig mit § 112 Abs. 1 PatG 1897 geschaffene Parallelbestimmung des § 394 Abs. 1 EO zu verweisen (vgl. dazu die EB zur RV des § 112 PatG 1897, 1420 BlgAH 11. Sess.; ferner Munk aaO), welche für den verschuldensunabhängigen Anspruch des Gegners der gefährdeten Partei auf Ersatz der ihm durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile gleichfalls die "rechtskräftige Aberkennung" des zu sichernden Anspruches fordert.

Ist damit aber ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des Ersatzanspruches nach § 164 Abs. 1 PatG (aF) - nämlich ein (gerichtlicher) "Ausspruch", mit dem bestimmte sicherstellungsweise Vorkehrungen "nachträglich als ungerechtfertigt erkannt" wurden -, wenn überhaupt, dann jedenfalls erst nach dem Inkrafttreten der Patentgesetznovelle 1977 und damit nach der ersatzlosen Aufhebung des § 164 Abs. 1 PatG (aF) verwirklicht worden, dann muß ein aus dieser Bestimmung abgeleitetes Schadenersatzbegehren der Klägerin schon aus diesem Gründe erfolglos bleiben. Die Frage, ob die von der Beklagten im Strafverfahren des Landesgerichtes Linz "zum Zweck der Beweisführung gemäß §§ 143 ff. in Verbindung mit § 24 StPO" erwirkten Sicherungsmaßnahmen den in § 164 Abs. 1 PatG (aF) genannten "sicherstellungsweisen Vorkehrungen" (iS des § 156 PatG 1970 beziehungsweise des § 105 PatG 1950) zumindest gleichzuhalten sind, kann bei dieser Sachlage auf sich beruhen.

Die Beklagte hält die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung deshalb für entbehrlich, weil die Rechtssache auch insoweit - und zwar iS einer Abweisung des Klagebegehrens - spruchreif sei, als die Klägerin ihre Ersatzansprüche aus den allgemeinen Schadenersatzbestimmungen der §§ 1295 ff. ABGB ableitet. Dieser Auffassung ist zu folgen. Wie der OGH schon in seiner Entscheidung vom 27. 1. 1914 GlUNF 6786 = PBl. 1914, 173 ausgeführt hat, haftet der Patentinhaber für den einem Dritten durch Androhung oder Einleitung strafgerichtlicher Verfolgung wegen angeblichen Patenteingriffes zugefügten Schaden auch außerhalb des Rahmens des § 112 PatG, sofern ihn nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts eine Ersatzpflicht trifft, ihm also inbesondere auch ein Verschulden zur Last fällt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß ein rechtswirksam erteiltes Patent bis zu seiner (rechtskräftigen) Nichtigerklärung den Schutz des Gesetzes genießt (vgl. § 48 PatG). Dem Patentinhaber, der sich auf den Rechtsbestand seines - auf Grund eines behördlichen Prüfungsverfahrens erteilten - Schutzrechtes verläßt, kann daher grundsätzlich nicht verwehrt werden, die zur Abwehr von Eingriffen in dieses (vermeintliche) Recht notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (so auch JBl. 1937, 454 = PBl. 1939, 66). Ein gegebenenfalls zum Schadenersatz nach §§ 1295 ff. ABGB verpflichtender Schuldvorwurf kann deshalb gegen den Patentinhaber erst dann erhoben werden, wenn er in vorwerfbarer Weise den seinem Schutzrecht entgegenstehenden Stand der Technik nur unvollständig berücksichtigt oder zwar gesehen, aber rechtlich unrichtig gewürdigt hat oder wenn er - ebenso vorwerfbar - die Patenterfordernisse des technischen Fortschritts oder der Erfindungshöhe falsch eingeschätzt oder das Verhalten eines Dritten zu Unrecht als Eingriff in sein Schutzrecht angesehen hat (so auch der dBGH in GRUR 1963, 255). Ob es dabei einer positiven Kenntnis vom Nichtbestehen des Schutzrechtes bedarf (so offenbar JBl. 1937, 454 = PBl. 1939, 66; ähnlich auch John, Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung im deutschen und österreichischen Recht, GRURInt 1979, 236 ff., 240 f.) oder die Ersatzpflicht des Patentinhabers im Einzelfall auch schon durch - sei es auch nur leichte - Fahrlässigkeit ausgelöst werden kann - in diesem Sinne nicht nur die herrschende Lehre und Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland zur Haftung aus unberechtigter Schutzrechtsverwarnung oder -ausübung (s. dazu etwa Benkard, PatG und GebrauchsmusterG[6], 587 ff. § 6 dPatG RN 182 ff.), sondern offenbar auch GlUNF 6786 = PBl. 1914, 173; ebenso wohl auch Sonn - Benn - Ibler, Haftung für ungerechtfertigte Eingriffsklagen und Verwarnungen aus Patentrechten, FS 75 Jahre Österreichisches Patentamt 1974, 232 ff., 235 f. -, braucht hier nicht geprüft zu werden. Selbst auf der Grundlage der letzterwähnten Rechtsauffassung könnte der Beklagten ein schuldhaftes - also zumindest fahrlässiges - Verhalten jedenfalls nur dann mit Grund vorgeworfen werden, wenn sie ungeachtet der ihr von der Klägerin entgegengehaltenen Vorveröffentlichungen die fehlende Erfindungshöhe und damit die Nichtigkeit ihres Patentes schuldhaft verkannt hätte. Davon kann aber nach Ansicht des OGH hier keine Rede sein. Es trifft zwar zu, daß die Klägerin schon vor der Einleitung des Strafverfahrens 17 Vr 628/72 des Landesgerichtes Linz, in welchem die hier beanstandeten Beschlagnahmemaßnahmen durchgeführt worden sind, die Beklagte auf die - ihrer Meinung nach dem österreichischen Patent Nr. 257 145 neuheitsschädlich entgegenstehende, jedoch im Patenterteilungsverfahren unberücksichtigt gebliebene - japanische Patentschrift Nr. 240 893 (= Offenlegungsschrift 32-10589) hingewiesen hatte; richtig ist ferner, daß die Nichtigkeitsabteilung und der Oberste Patent- und Markensenat die mangelnde Erfindungshöhe und damit die Nichtigkeit des Patents der Beklagten gerade mit dieser Vorveröffentlichung begrundet haben. Andererseits hatte aber im Verfahren 26 Cg 71/70 des Handelsgerichtes Wien - einem Patenteingriffsprozeß der nunmehrigen Beklagten gegen die Kunststoffwerke Herbert S in L - der dort vom Gericht bestellte Sachverständige Patentanwalt Dipl.-Ing. Otto B in seinem schriftlichen Gutachten vom 11. 2. 1971 ausführlich begrundet, daß die Rechtsauffassung der damaligen beklagten Partei, die angeblich patentverletzende Apparatur sei in Wahrheit Stand der Technik, wodurch dem österreichischen Patent Nr. 257 145 die Rechtsgrundlage entzogen werde, auch durch die mehrfach erwähnte japanische Patentschrift nicht gerechtfertigt werde; das für die erfindungsgemäße Kombination wesentliche und bei der angegriffenen Vorrichtung verwirklichte Merkmal, "daß die Preßdüse bis in die Hohlform hineinreicht", sei der japanischen Patentschrift ebensowenig zu entnehmen wie das weitere Erfordernis, "daß die Verdickung einen Querschnitt aufweist, der annähernd mit dem lichten Querschnitt des durch Druck aufgeweiteten Kunststoffrohres übereinstimmt". Bei dieser Sachlage kam aber den abweichenden Rechtsauffassungen des deutschen Bundespatentgerichtes (in seinem Beschluß vom 11. 7. 1963, 5 W 410/62) und der Beschwerdeabteilung des schwedischen Patentamtes (Beschluß vom 28. 2. 1972) nicht mehr jenes Gewicht zu, das ihnen die Klägerin beilegt. Daß die Beklagte in einer so sehr von der Praxis der jeweiligen nationalen Patentbehörden abhängigen Frage, wie es die Beurteilung der "Erfindungshöhe" eines Patentes ist, das Gutachten eines österreichischen Gerichtssachverständigen als verläßlicher angesehen hat als die Rechtsansicht ausländischer Patentbehörden, kann ihr gewiß nicht zum Vorwurf gemacht werden. Hält man sich überdies vor Augen, daß nach Lehre und Praxis der Bundesrepublik Deutschland ein Irrtum des Patentinhabers über das Erfordernis der Erfindungshöhe regelmäßig weniger streng zu beurteilen ist als eine sonstige Fehlbeurteilung seines Schutzrechtes (s. dazu Benkard aaO 594 RdZ. 189), dann kann es der Beklagten umso weniger zum Nachteil gereichen, daß sie sich bei der Beurteilung dieses schwierigen Rechtsbegriffes an das Gutachten des vom Handelsgericht Wien bestellten Gerichtssachverständigen Dipl.-Ing. Otto B gehalten und den Hinweisen der Klägerin auf ausländische Entscheidungen demgegenüber keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

Geht man aber von dieser Rechtsansicht aus, dann erweist sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens als entbehrlich. Daß die mehrfach genannte japanische Patentschrift, welche in der Folge zur Nichtigerklärung des österreichischen Patentes Nr. 257 145 geführt hat, der Beklagten bekannt war, ist unbestritten. Ob jedoch der Beklagten deshalb ein Verschulden anzulasten ist, weil sie ohne Rücksicht auf diese Vorveröffentlichung im Vertrauen auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Otto B von der weiteren Rechtsbeständigkeit ihres Patentes ausgegangen und die zur Verteidigung dieses Schutzrechtes erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, ist eine Rechtsfrage, welche iS der obigen Darlegungen verneint werden muß. Fehlt es damit aber an einer schuldhaften Verkennung der Rechtslage durch die Beklagte, dann ist auch dem auf §§ 1295 ff. ABGB gestützten Ersatzbegehren der Boden entzogen. Auf die von den Vorinstanzen verschieden beantwortete Frage einer allfälligen Verjährung solcher Ersatzansprüche braucht unter diesen Umständen nicht weiter eingegangen zu werden; die Rechtssache ist vielmehr auch in diesem Punkt iS einer Bestätigung des abweisenden Ersturteils spruchreif.

Anmerkung

Z55131

Schlagworte

Patenteingriff, Haftung für Androhung oder Einteilung, strafgerichtlicher Verfolgung wegen angeblichen -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0040OB00396.81.0921.000

Dokumentnummer

JJT_19820921_OGH0002_0040OB00396_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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