TE OGH 1982/9/22 6Ob681/82

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Veröffentlicht am 22.09.1982
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Norm

AO §47

Kopf

SZ 55/135

Spruch

Bei einem außergerichtlichen Ausgleich sind Sonderbegünstigungen von Gläubigern nicht schon deshalb ungültig, weil sie im Falle eines gerichtlichen Ausgleiches den Tatbestand des § 47 AO erfüllen

OGH 22. September 1982, 6 Ob 681/82 (OLG Innsbruck 5 R 83/82; LG Feldkirch 2 Cg 494/81)

Text

Die Beklagte schuldete der Klägerin im August 1979 einen Betrag von 317 077.27 S. Die Beklagte strebte einen außergerichtlichen Ausgleich an, nach dessen Inhalt ihre Gläubiger bei Erhalt einer Quote von 55% ihrer Forderungen jeweils auf ihre restliche Forderung verzichten sollten. In diesem Sinn richtete der anwaltliche Vertreter der Beklagten an die Klägerin das Schreiben vom 10. 8. 1979. Nach der Darlegung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten, dem Hinweis auf die Geschäftsbeziehungen der Streitteile und der Darstellung der Forderung der Klägerin heißt es in diesem Schreiben wörtlich:

"Um die bisherige einwandfreie Geschäftsbeziehung nicht allzu sehr zu belasten und um auch den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können, hat sich unsere Mandantin entschlossen, die offene Verbindlichkeit zu 55% zahlbar bis längstens 31. 1. 1980 in drei gleichen Raten, und zwar die erste Rate am 30. 9. 1979, die zweite Rate am 30. 11. 1979 und die dritte Rate am 31. 1. 1980 abzudecken.

Mit der Leistung dieses Vergleichsbetrages in den angebotenen Raten und zu den vereinbarten Terminen ist die gesamte Verbindlichkeit getilgt und sämtliche gegenseitigen Forderungen, die bis zum 1. 8. 1979 bestanden haben, verglichen.

Diese Vereinbarung soll nur dann ihre Gültigkeit behalten, wenn unsere Mandantin die eingegangene Verpflichtung einhält. Bei Zahlungsverzug lebt die gesamte Forderung wieder auf und wird durch Sie sofort fälliggestellt werden.

Zur Sicherstellung dieser vertraglichen Vereinbarung und des Vergleichsbetrages wird sich unsere Mandantin bemühen, eine auf die vereinbarte Vergleichssumme lautende Bankgarantie zu bekommen.

Wir weisen auch darauf hin, daß gleichlautende Vereinbarungen auch mit den anderen Gläubigern abgeschlossen werden."

Für die Rücksendung einer vorbereiteten Zustimmungserklärung sah die Beklagte eine Frist bis 31. 8. 1979 mit dem Hinweis vor, daß im Fall eines Scheiterns des angestrebten Ausgleiches am 1. 9. 1979 ein entsprechender Antrag bei Gericht gestellt werde. Die Klägerin gab am 27. 8. 1979 die entsprechende Zustimmungserklärung ab.

Die Forderung eines anderen Gläubigers, der bis dahin als einziger dem angestrebten Ausgleich nicht zugestimmt hatte, löste eine mit dem Geschäftsführer der Beklagten verschwägerte Person in voller Höhe ein und stimmte dann ihrerseits dem von der Beklagten angestrebten Ausgleich zu. Daraufhin richtete der Vertreter der Beklagten an die Klägerin das Schreiben vom 2. 10. 1979. Darin heißt es wörtlich:

"Wir bestätigen der guten Ordnung halber den Eingang ihrer Zustimmungserklärung. Wir können mitteilen, daß nunmehr alle Gläubiger dem von uns gestellten Ausgleichsantrag zugestimmt haben und daß nunmehr die Ausgleichsquote von 55% zur Ausschüttung gelangt. Auf Grund von Verhandlungen wurde insofern für Sie eine Verbesserung verlangt, als die 55%ige Quote auf einmal zu bezahlen ist."

Die Beklagte überwies an die Klägerin am 5. 10. 1979 die vereinbarte Quote.

Die Klägerin begehrte die Zahlung des der Höhe nach unbestrittenen Restbetrages ihrer ursprünglichen Forderung. Sie erachtete sich an den mit der Beklagten geschlossenen Erlaßvertrag nicht mehr gebunden. Dem teilweisen Schuldnachlaß habe sie nach ihrem Vorbringen nur unter der ausdrücklichen Abrede zugestimmt, daß alle Gläubiger der Regulierung unter gleichen Bedingungen zustimmten und auch gleich behandelt würden. Ein Gläubiger sei jedoch abredewidrig durch Vollzahlung befriedigt worden, die Mitteilung der Beklagten, daß alle Gläubiger dem Ausgleich zugestimmt hätten, stelle eine bewußte Irreführung dar, die Vorgangsweise der Beklagten sei als Gläubigerbegünstigung sittenwidrig.

Die Beklagte bestritt die behauptete ausdrückliche Abrede über eine Gleichbehandlung aller Gläubiger, unterstellte es aber als Selbstverständlichkeit eines außergerichtlichen Ausgleiches, daß ihm alle Gläubiger unter gleichen Bedingungen zustimmten. Die Beklagte stellte jedoch in Abrede, daß die Klägerin ihre Zustimmung gerade von einer gleichlautenden Erklärung des namentlich genannten, "letzten" Gläubigers abhängig gemacht habe. Dieser sei zwar von seinem Forderungsübernehmer voll befriedigt worden, der Zessionar habe aber als Neugläubiger der Beklagten von dieser nur die allen übrigen Gläubigern zugesagte Quote erhalten. Durch den Forderungskauf habe sich für die Klägerin nichts geändert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Der Geschäftsführer der Klägerin erklärte dem Geschäftsführer der Beklagten in einer vor der Unterfertigung der Zustimmungserklärung vom 27. 8. 1979 erfolgten Aussprache, dem Ausgleich werde nur unter der Bedingung zugestimmt, daß alle Gläubiger gleich behandelt würden; es müsse die gleiche Vereinbarung (mit allen Gläubigern) geschlossen werden. Der Geschäftsführer der Beklagten nahm diese Erklärung zustimmend zur Kenntnis. Die Klägerin war am Zustandekommen des außergerichtlichen Ausgleiches der Beklagten aus betriebswirtschaftlichen Gründen interessiert. Vor der Abgabe der Zustimmungserklärung war ihr nicht bekannt, daß der spätere Zedent daran dachte, seinerseits dem außergerichtlichen Ausgleich nicht zuzustimmen. Der Geschäftsführer der Beklagten teilte dem Geschäftsführer der Klägerin am 26. 9. 1979 fernmündlich mit, daß der namentlich genannte spätere Zedent als einziger dem Ausgleich noch nicht zugestimmt habe. Es stand zu befürchten, daß dieser Gläubiger dem Ausgleich nicht zustimmen werde. Ein Vertreter des auch die Interessen dieses Gläubigers wahrenden Gläubigerschutzverbandes bedeutete der Beklagten, man werde diese Forderung kaufen müssen. Der Geschäftsführer der Beklagten wandte sich, um den Ausgleich zu retten, an seine Schwiegermutter. Diese erwarb noch vor dem 1. 10. 1979 die Forderung des Zedenten gegen Vollzahlung, nahm als Neugläubiger den Ausgleichsvorschlag an und trug die Erlaßquote aus ihren eigenen Mitteln. Am 1. 10. 1979 gab der Geschäftsführer der Beklagten dem Geschäftsführer der Klägerin telefonisch bekannt, daß nun auch der namentlich genannte Zedent dem Ausgleich zugestimmt habe.

Das Erstgericht folgerte in rechtlicher Beurteilung: Die Gleichbehandlung aller Gläubiger sei zwar kein zwingendes Erfordernis eines außergerichtlichen Ausgleiches, die Klägerin habe aber ihre Zustimmung zu der von der Beklagten angestrebten Regulierung von diesem Grundsatz abhängig gemacht. Aus diesem Grund sei § 47 AO analog anzuwenden. Dabei sei nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, der der Erfüllung des außergerichtlichen Ausgleiches unmittelbar vorangegangen, sondern auf den Zeitpunkt, in dem der einzelne Gläubiger seine (bedingte) Zustimmungserklärung abgegeben habe. Durch Einlösung der Forderung des Zedenten sei dieser, wenn auch aus Mitteln einer dritten Person, gegenüber den anderen Gläubigern der Beklagten bevorzugt behandelt und die zwischen den Streitteilen vereinbarte Bedingung des Erlaßvertrages vereitelt worden. Bei der Annahme der Ausgleichsquote sei der Klägerin die Einlösung der Forderung des Zedenten nicht bekannt gewesen. Dieser Irrtum sei von der Beklagten veranlaßt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es teilte die Ansicht, daß im Fall eines außergerichtlichen Ausgleiches Sondervereinbarungen mit einzelnen Gläubigern nicht ohne weiteres in Analogie zu § 47 AO als ungültig anzusehen seien, die Klägerin aber ihre konkrete Vereinbarung mit der Beklagten unter der ausdrücklichen Bedingung der Gleichbehandlung aller Gläubiger geschlossen habe. Darunter seien die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen Gläubiger des Schuldners zu verstehen. Die Beklagte habe durch ihren Geschäftsführer die Vollbefriedigung eines Gläubigers veranlaßt und dadurch die Bedingung der mit der Klägerin geschlossenen Vereinbarung vereitelt. Daß die Superquote aus fremden Mitteln getragen worden sei, spiele dabei keine Rolle.

Der Oberste Gerichtshof wies über Revision der Beklagten das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Vereinbarung der Streitteile über einen durch Teilzahlung bedingten Erlaß der Restschuld ist ein Vergleich, der iS des § 914 ABGB auszulegen ist. Wenn auch in der von der Beklagten vorformulierten "Zustimmungserklärung" der Klägerin Anlaß und Zweck der getroffenen Regelung nicht ausdrücklich genannt wurden, ist die Vereinbarung schon nach dem Anbotschreiben der Beklagten als Teilregelung im Rahmen des von ihr angestrebten außergerichtlichen Ausgleiches zu verstehen. Das bedeutet zwar eine Junktimierung mit den von der Beklagten zu erzielenden Vereinbarungen mit denen der übrigen Gläubiger, beläßt aber dem Rechtsgeschäft grundsätzlich seinen zweiseitigen Charakter.

Der Inhalt des keiner gesetzlichen oder gewillkürten Form unterworfenen Vertrages zwischen den Streitteilen ist nicht bloß durch die schriftlichen Erklärungen, sondern auch durch die dazu zwischen den Geschäftsführern beider Streitteile mündlich gewechselten Erklärungen bestimmt. Nach dem der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt erklärte nun der Geschäftsführer der Klägerin dem Geschäftsführer der Beklagten noch vor Unterfertigung der Zustimmungserklärung vom 27. 9. 1979, daß die Zustimmung der Klägerin zu der von der Beklagten angestrebten Regulierung davon abhänge, daß alle Gläubiger gleich behandelt würden. Weitere Ausführungen zum Sinngehalt dieser vom Geschäftsführer der Beklagten zustimmend zur Kenntnis genommenen Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin sind von den Parteien nicht behauptet und auch vom Gericht nicht festgestellt worden. Dem Wortlaut dieser Wirksamkeitsvoraussetzung widerspräche beispielsweise auch die von einem Gläubiger der Beklagten - etwa einer dieser Handelsgesellschaft nahestehenden und an deren Weiterbestand interessierten Person - auf sich genommene Schlechterstellung gegenüber den sonstigen Gläubigern. Eine solche, den Interessen keiner der beiden Vertragsschließenden zuwiderlaufenden, das Vertragsziel fördernden "Ungleichbehandlung" hätte die Beklagte nicht aus einem vom Willen der Klägerin umfaßten Ausschlußgrund ihrer Zustimmungserklärung erkennen können, selbst wenn der Klägerin eine solche Ungleichbehandlung als Hinderungsgrund vorgeschwebt wäre.

Ebenso brauchte die Beklagte aber der Forderung nach Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht den Sinn beizulegen, daß auch eine die Regelung fördernde Intervention Dritter, soweit erkennbare Interessen der beiden Vertragsschließenden nicht beeinträchtigt erscheinen, nach der Absicht der Klägerin einer Wirksamkeit der betroffenen Abrede entgegenstehen sollte. Nach der sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebenden Interessenlage durfte die Beklagte die Forderung der Klägerin nach Gleichbehandlung aller Gläubiger darauf beschränken, daß die Beklagte selbst als Schuldnerin keinen anderen Gläubiger besser stelle als die Klägerin. In diesem Sinn blieb die von der Klägerin erklärte Voraussetzung zum vergleichsweisen Forderungsteilerlaß gewahrt. In der festgestellten Forderungseinlösung liegt daher keine Vereitelung einer vertraglich bedungenen Voraussetzung des vereinbarten bedingten Forderungsteilerlasses.

Die Beseitigung eines Hindernisses, das die Wirksamkeit der von den beiden Streitteilen angestrebten Regelung gefährdete, durch einen Dritten aus dessen Mitteln kann der Klägerin gegenüber auch dann nicht sittenwidrig sein, wenn der Dritte mit Wissen und Willen des Geschäftsführers der Beklagten, ja auf dessen Ersuchen, handelt.

Gesetzlich verpönt war aber die festgestellte Intervention der Schwiegermutter des Geschäftsführers der Beklagten nicht. Im Fall eines außergerichtlichen Ausgleiches - den die Ausgleichsordnung nicht schlechthin beseitigen wollte (Denkschrift 150) - sind Sonderbegünstigungen von Gläubigern nicht schon deshalb ungültig, weil sie im Falle eines gerichtlichen Ausgleiches den Tatbestand des § 47 AO erfüllten (vgl. Ehrenzweig. System[2] II/1, 176; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 200; JBl. 1927, 232; EvBl. 1951/443 ua.). Eine analoge Anwendung des § 47 AO ist nur dort gerechtfertigt, wo dies nach dem vom Gesetz verfolgten Schutzzweck geboten erscheint. Der Schutz nicht zustimmender Gläubiger, auf die sich die Wirkung eines gerichtlich bestätigten Ausgleiches erstreckte, ist im Fall eines außergerichtlichen Ausgleiches überflüssig, weil dessen Inhalt als Privatrechtsvereinbarung nur die Vertragsschließenden selbst zu binden vermag (vgl. SZ 14/102). Der Schutz des Schuldners oder seines Intervenienten vor erpresserischer Beeinflussung durch einen sogenannten "Ausgleichsstörer" ist zwar im Falle eines außergerichtlichen Ausgleiches grundsätzlich im selben Maß geboten wie im Falle eines gerichtlichen Ausgleiches, es ist aber nicht Sache eines Gläubigers, derartige Interessen seines Schuldners gegen einen anderen Gläubiger geltend zu machen oder gar einen - ungerechtfertigten - Vorteil für sich daraus zu ziehen (zur bloßen Teil- Anfechtbarkeit vgl. Wahle in seinen Bem. zu Rspr. 1934/270.)

Anmerkung

Z55135

Schlagworte

Ausgleich, außergerichtlicher, Sonderbegünstigungen, Gleichbehandlungsgrundsatz beim außergerichtlichen Ausgleich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0060OB00681.82.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19820922_OGH0002_0060OB00681_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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