Norm
ABGB §1012Kopf
SZ 55/147
Spruch
Der zum Inkasso bevollmächtigte Angestellte kann seine Forderungen an den Dienstgeber gegen die inkassierten Beträge jedenfalls dann nicht aufrechnen, wenn der zum Inkasso notwendige Aufwand auf Grund gesetzlicher Bestimmungen oder einer vertraglichen Vereinbarung zu anderen Terminen oder auf andere Weise abzurechnen ist als die einkassierten Beträge
OGH 12. Oktober 1982, 4 Ob 16/82 (ZAS 1983 223 (Iro)) (LG Salzburg 31 Cg 41/81; ArbG Salzburg Cr 384/81)
Text
Der Beklagte war ab 1. 7. 1979 bei der Klägerin als Fahrverkäufer angestellt und wurde zum 15. 5. 1981 gekundigt. Als Entlohnung war ein monatliches Fixum von 7000 S brutto, eine Garantieprovision von 4000 S monatlich und eine Umsatzprämie im Außmaß von 1.5 bzw. 2.2% des Umsatzes, je nachdem, ob Kaffee oder Tee verkauft wurde, vereinbart.
Der Beklagte hat zwischen 6. 4. 1981 und 14. 4. 1981 aus Verkäufen von Tee und Kaffee für die Klägerin insgesamt 48 980 S von Kunden kassiert, den Betrag jedoch nicht an die Klägerin abgeführt.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin die Zahlung von 22 810 S samt Anhang; dieser Betrag setzt sich aus den nicht abgeführten inkassierten Beträgen abzüglich der dem Beklagten nach der Endabrechnung an Lohn, Sonderzahlungen und Spesen zustehenden Beträge sowie zweier vom Beklagten geleisteter Teilzahlungen zusammen.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Klageanspruch sei durch außergerichtliche Aufrechnung mit Gegenforderungen, welche ihm zustunden, erloschen. Die Gegenforderungen setzten sich aus dem Gehalt für April 1981 und für die Zeit vom 1. 5. bis 15. 5. 1981 sowie aliquotem Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration von zusammen 18 627.74 S, restlicher Provision von 2095.28 S, Miete für die Einlagerung vom Kaffee im Haus des Beklagten für die Zeit vom 1. 7. 1979 bis 16. 4. 1981 im Betrag von 21 500 S und Werbekosten von 3550.80 S zusammen.
Die Klägerin bestritt die behaupteten Gegenforderungen und berief sich auch auf das Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB.
Das Erstgericht sprach aus, daß das Klagebegehren mit 22 810 S zu Recht bestehe, die Aufrechnung mit den Gegenforderungen von 18
627.74 S, 20 722.05 S, 21 500 S und 3550.80 S unzulässig und daher der Beklagte schuldig sei, der Klägerin den Betrag von 22 810 S zu zahlen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Zwischen den Streitteilen wurde keine gegenseitige Verrechnung der Inkassi des Beklagten gegen Lohnforderungen oder Spesenforderungen vereinbart. Das Fixum und die Provisionszahlungen erhielt der Beklagte (jeweils) überwiesen. Für Spesen gab es einen Vorschuß von 11 000 S, der auf Grund der Spesenabrechnungen wieder aufgefüllt wurde. Während der Beklagte die früher kassierten Kaufpreise für den von ihm verkauften Kaffee und Tee abgeliefert hatte, behielt er vom
6. bis 10. April 1981 die als Kaufpreis für Kaffee und Tee kassierten Beträge ein und lieferte sie nicht ab, weil er der Ansicht war, er sei in seinen Provisionsansprüchen verkürzt worden. Mit Schreiben vom 30. 4. 1981 teilte er der Klägerin durch seinen Anwalt seine Provisionsforderungen von 20 722.05 S, Stromkosten und Lagermiete vom 1. 7. 1979 bis 16. 4. 1981 von 20 000 S, Werbedameneinsatz und Verköstigungsmaterial von 3550.80 S mit und erklärte, daß er die Differenz von 3997.97 S auf den inkassierten Betrag von 48 269.82 S überwiesen und mit Schreiben vom 13. 4. 1981 außergerichtlich aufgerechnet habe. Die Klägerin berief sich im Schreiben vom 17. 4. 1981 an den Beklagtenvertreter darauf, daß der Beklagte nicht berechtigt sei, kassierte Beträge für sich zu behalten und gegenseitig zu verrechnen, sondern als treuhändige Fremdgelder unverzüglich nach Inkasso abgeben müsse.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Aufrechnung der eingewendeten Gegenforderungen sei gemäß § 1440 ABGB unzulässig, weil der Beklagte als Verwahrer der einkassierten Gelder anzusehen sei. Keine der eingewendeten Gegenforderungen stelle auch einen Aufwand dar, den die einkassierten Beträge verursacht hätten. Der Umstand, daß die Klägerin selbst eine Gegenverrechnung mit Lohnforderungen vorgenommen habe, ändere nichts an der Unzulässigkeit der Aufrechnung. Die Klageforderung finde dagegen im außer Streit gestellten Inkassobetrag Deckung und bestehe somit zu Recht.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht.
Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, es sei zwar richtig, daß in der Entscheidung SZ 9/75 dem Dienstnehmer verwehrt worden sei, das Inkasso mit Hinweis auf eigene Lohnansprüche zu behalten. Aber schon die Entscheidung SZ 18/156 habe erwähnt, daß der Inkassant in solchen Fällen kompensieren dürfe. Auch die Entscheidung SZ 34/13 halte die in SZ 9/75 angeführte Ansicht nicht mehr voll aufrecht und begrunde dies mit § 1012 ABGB, wonach der Vollmachtsträger abrechnungspflichtig sei und daher auch seine Gegenansprüche in Abzug bringen dürfe. Daß im Rahmen des Mandatsverhältnisses § 1440 ABGB nicht anwendbar sei, sei auch ständige Judikatur geworden (SZ 36/151; EvBl. 1971/249). Gemäß § 1151 ABGB gelten die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag dann auch für einen Dienstvertrag, wenn damit eine Geschäftsbesorgung verbunden sei. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte die Vollmacht und den Auftrag gehabt, im Namen der Klägerin Verkäufe zu tätigen und dafür das Entgelt zu kassieren. Dieses Mandatsverhältnis sei im Rahmen des Dienstverhältnisses ausgeübt worden; es seien daher die Ansprüche aus dem Dienstverhältnis nicht aus dem Mandatsverhältnis auszuklammern. Die Provisionsansprüche des Beklagten, sein Baraufwand für Werbung und das Entgelt für sein Warenlager gehörten demnach in die Abrechnung des gesamten vertraglichen Verhältnisses zwischen den Parteien. Damit sei aber auch eine Ausnahme vom Kompensationsverbot des § 1440 ABGB verbunden. Die Nebenverpflichtung einer Verwahrung der kassierten Beträge sei ebenfalls nicht geeignet, die Kompensation zu vereiteln, weil diese Nebenpflicht einem Mandat innewohne und dennoch der Gesetzgeber in § 1012 ABGB die Abrechnung und damit auch den kompensatorischen Ausgleich vorgesehen habe. Die Entscheidung hänge daher vom Bestehen der behaupteten Gegenforderungen ab.
Der Oberste Gerichtshof hob den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem Gericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entscheidend für den Rechtsstreit ist die Frage, ob der Beklagte berechtigt war, die ihm allenfalls gegen seinen Dienstgeber noch zustehenden Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis sowie die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehenden Forderungen gegen den Anspruch des Dienstgebers auf Ablieferung der einkassierten Kaufpreise aufzurechnen. Dies ist zu verneinen:
Gemäß § 1440 ABGB sind ua. in Verwahrung genommene Stücke kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation. Es ist zwar richtig, daß in der Lehre die Ansicht vertreten wird, das Aufrechnungsverbot gelte zufolge § 1012 ABGB nicht für reine Bevollmächtigungsverträge (Gschnitzer in Klang[2] VI 510 f.; Bettelheim in Klang[1] IV 523). Auch die Rechtsprechung hat diese Ansicht vielfach in dieser allgemeinen Form unter Bezugnahme auf die Lehre übernommen, sie aber mit Rücksicht auf den jeweiligen Sachverhalt im konkreten Fall wegen besonderer Verhältnisse nicht für anwendbar erklärt (SZ 36/151 mit weiteren Nachweisen). So wurde etwa die Aufrechnung auch beim Mandatsverhältnis für nicht zulässig erachtet, wenn die betreffenden Beträge vom Machthaber zu einem ganz bestimmten Zweck übernommen wurden (MietSlg. 24 207/9). Auch wurde ausgesprochen, aus § 1012 ABGB könne nur abgeleitet werden, daß die Ausnahme vom Kompensationsverbot nur so weit reiche, als sich die Abrechnung erstrecke, also auf das betreffende Geschäft. Forderungen aus sonstigen Rechtsbeziehungen dürften nicht aufgerechnet werden (SZ 36/151).
Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, daß der Beklagte die Kaufpreise im Rahmen seiner Tätigkeit als Dienstnehmer der Klägerin kassiert hat und auf diese Tätigkeit in erster Linie die Bestimmung des Angestelltengesetzes und der Inhalt des Dienstvertrages anzuwenden sind. Der Hinweis auf die Abrechnungspflicht gemäß § 1012 ABGB, auf welche die Ausnahme vom Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB gestützt wird, muß dann versagen, wenn sogar der zur Erzielung der abzurechnenden Beträge erforderliche Aufwand auf Grund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarung zu anderen Terminen oder auf andere Weise abzurechnen ist als die kassierten Kaufpreisforderungen; dann zielt eben die Rechnungslegung nach § 1012 ABGB nicht geradezu auf eine Aufrechnung ab, wie dies Gschnitzer (aaO) meint. Gerade dies ist jedoch hier der Fall. Gemäß § 10 Abs. 4 AngG findet die Abrechnung über die zu zahlenden Provisionen mangels Vereinbarung mit dem Ende jedes Kalendervierteljahres, wenn aber das Dienstverhältnis vor Ablauf eines Kalendervierteljahres gelöst wird, mit dem Dienstaustritt statt. Im vorliegenden Dienstvertrag wiederum wurde vereinbart (§ 4 Z 4), daß das Fixum und die Garantieprovision jeweils zum Letzten eines jeden Monats zur Auszahlung kommen, die Einführungsprämie (in der Klage "Umsatzprämie" genannt) aber jeweils mit dem Gehalt des Folgemonats abgerechnet wird. Nach den getroffenen Feststellungen wurde auch keine gegenseitige Verrechnung der inkassierten Beträge gegen Lohn- oder Spesenforderungen des Beklagten vereinbart; vielmehr erhielt der Beklagte das Fixum und die Provisionszahlungen von der Klägerin überwiesen, während er für auflaufende Spesen einen Spesenvorschuß von 11 000 S erhielt, der nach den Abrechnungen immer wieder aufgefüllt wurde. Die inkassierten Beträge führte er dagegen - mit Ausnahme der eingeklagten - immer zur Gänze und ohne Abzug an die Klägerin ab. Weder nach den gesetzlichen Bestimmungen noch auf Grund der Parteienvereinbarung und der tatsächlichen Übung kann daher davon ausgegangen werden, daß im Rahmen der Abrechnung über die kassierten Beträge auch die Provisionen, Spesen oder gar das Fixum von den kassierten Beträgen abzuziehen war. Aus § 1012 ABGB kann daher im gegenständlichen Fall eine Ausnahme vom Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB gegen die vom Beklagten für die Klägerin kassierten und daher bis zur Ablieferung für sie in Verwahrung genommenen Beträge nicht abgeleitet werden.
Es bedarf daher keiner Feststellungen über das Bestehen der eingewendeten Gegenforderungen, da eine Aufrechnung mit ihnen gegen die kassierten Beträge nicht zulässig ist.
Anmerkung
Z55147Schlagworte
Angestellter, Aufrechnung der inkassierten Beträge mit eigenen, Forderungen, Aufrechnung, durch Angestellten mit Inkassovollmacht gegen Dienstgeber, Dienstgeber, Aufrechnung der inkassierten Beträge durch, bevollmächtigten Angestellten, Inkasso, Aufrechnung der inkassierten Beträge durch bevollmächtigten, Angestellten mit eigener ForderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0040OB00016.82.1012.000Dokumentnummer
JJT_19821012_OGH0002_0040OB00016_8200000_000