TE OGH 1982/10/20 11Os169/82

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.1982
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Krausam als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerald A wegen des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2, erster Deliktsfall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 30. April 1981, GZ 9 E Vr 1.053/79-45, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 30. April 1981, GZ 9 E Vr 1.053/79-45, mit welchem die mit Urteil desselben Gerichtes vom 7. August 1979 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 53 Abs. 3 StGB Dieser Beschluß und alle darauf beruhenden Verfügungen und Beschlüsse (insbesondere die Strafvollzugsanordnung ON 59) werden aufgehoben und es wird gemäß dem § 292 StPO erkannt:

Der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Graz vom 18. November 1980 (2 St 3.756/79-8) wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Der am 19. November 1956 geborene Gerald A wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7. August 1979, GZ 9 E Vr 1.053/79-25, der Vergehen der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2, erster Deliktsfall, StGB sowie des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und (unter Anrechnung der Vorhaft vom 19. Juni 1979, 9,25 Uhr, bis 7. August 1979, 9,00 Uhr) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wurde die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gleichzeitig wurden Gerald A die Weisungen erteilt 1. einer geregelten Arbeit nachzugehen bzw seine 'ständige Arbeitssuche durch das Arbeitsamt' nachzuweisen, 2. den Schaden 'innerhalb einer bestimmten Zeit' durch Ratenzahlung gutzumachen und 3. jeden Wohnsitzwechsel sofort dem Gericht zu melden (S 83 und 91 d.A).

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde der Punkt 2. der erteilten Weisungen mit Beschluß vom 6. November 1979 dahin geändert ('berichtigt'), daß der Schaden 'binnen eines Jahres nach Rechtskraft des Urteiles, das ist bis zum 10. August 1980 durch Ratenzahlung gutzumachen ist' (ON 32).

Dieser Beschluß wurde dem Verurteilten am 12. November 1979 (durch Hinterlegung) zugestellt (von ihm jedoch nicht behoben - ON 34). Die im Sinn dieses Beschlusses 'berichtigte' Urkunde über den bedingten Strafnachlaß vom 10. Dezember 1979 wurde Gerald A am 4. Jänner 1980 (gleichfalls durch Hinterlegung) zugestellt und von ihm am selben Tag übernommen (S 111 und Rückschein bei ON 32). In einem Schreiben vom 10. Jänner 1980 (ON 38) ersuchte der Verurteilte unter Hinweis auf seine Arbeitslosigkeit und die sich aus der geänderten Weisung ergebende monatliche Belastung von ca 7.000 S um 'Rücknahme' dieser Weisung. Das Gericht entschied über diesen Antrag des Verurteilten nicht, sondern wies Gerald A nur auf die bis 10. August 1980 laufende Frist zur Schadensgutmachung hin (S 111 unten). Nach Ablauf der Zahlungsfrist scheiterte im Oktober 1980 der Versuch des Gerichtes, A zur Schadensgutmachung zu vernehmen, weil der Verurteilte mit unbekanntem Aufenthalt verzogen war (S 112 und ON 39). Auf Anfrage teilte das vom Verurteilten geschädigte Geldinstitut am 11. November 1980 mit, daß Gerald A bislang keine Schadensgutmachung geleistet habe (ON 41). Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft Graz am 18. November 1980 den Widerruf der bedingten Strafnachsicht, 'weil Gerald A keiner der erteilten Weisungen nachgekommen ist' (ON 42). Auch der Versuch, Gerald A zu diesem Antrag zu hören, blieb wegen unbekannten Aufenthalts erfolglos. Daher verfügte das Gericht am 10. Dezember 1980 die Ausschreibung des Verurteilten zur Aufenthaltsermittlung 'zwecks förmlicher Mahnung gemäß § 53 Abs. 3 StPO' (S 20 unten; ON 43). Gerald A konnte jedoch auch in der Folge nicht ausgeforscht werden. Am 30. April 1981 faßte dann das Gericht den Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht der verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe, wobei es in der Begründung ausführte, daß Gerald A keiner der Weisungen Folge geleistet habe. Von seiner Vernehmung sei abgesehen worden, weil er zur Zeit in Wien nicht polizeilich gemeldet, in die Bundesrepublik Deutschland verzogen und unbekannten Aufenthaltes sei (ON 45). Unter einem schrieb ihn das Gericht in den Fahndungsbehelfen 'zur Verhaftung oder Vorführung' aus (ON 48). Die Mitteilung der Bundespolizeidirektion Graz vom 17. Februar 1982, wonach A unter der Adresse 1000 Berlin-44, Braunschweigerstraße 52, gemeldet sei, war für das Erstgericht kein Anlaß für eine Maßnahme (ON 52), insbesondere unterblieb die nunmehr aussichtsreich erscheinende Zustellung des Widerrufsbeschlusses im Rechtshilfeweg. Am 18. August 1982 wurde Gerald A bei seiner Einreise nach Österreich in Passau festgenommen und zum Vollzug einer 14-tägigen finanzstrafbehördlichen (Ersatz-)freiheitsstrafe (sh S 169, 171) in das Gefangenenhaus Ried/Innkreis eingeliefert. Dort wurde ihm am 23. August 1982 der Widerrufsbeschluß vom 30. April 1981 zugestellt. Nach Rechtsmittelbelehrung verzichtete er auf die Einbringung einer Beschwerde, ersuchte, die Freiheitsstrafe im Anschluß an die (14tägige) Finanzstrafe im Gefangenenhaus Ried/Innkreis verbüßen zu dürfen (S 166); am 18. August 1982 (mit Strafende 30. Dezember 1982) wurde er in Strafhaft genommen (ON 59).

Eine Beschwerde des Gerald A vom 30. August 1982 gegen den Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht vom 30. April 1981 wurde vom Oberlandesgericht Graz unter Hinweis auf die Unwiderruflichkeit seines Rechtmittelverzichtes als unzulässig zurückgewiesen (ON 63).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 30. April 1981, GZ 9 E Vr 1.053/79-45, womit die mit Urteil desselben Gerichtes vom 7. August 1979 gewährte bedingte Strafnachsicht der über Gerald A verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen wurde, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß dem § 53 Abs. 3 StGB hat das Gericht ua die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen und die Strafe vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während der Probezeit eine Weisung des Gerichtes trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht befolgt. Der Widerruf nach dem § 53 Abs. 3, erster Fall, StGB setzt sohin die Erteilung einer förmlichen Mahnung und die nachfolgende Nichtbefolgung der durch die Mahnung noch einmal nachdrücklich in Erinnerung gebrachten Weisung aus bösem Willen voraus (Kunst, WK, RN 15 ff zu § 53

StGB, Mayerhofer-Rieder I2, § 53 StGB; Nr 20 und 22). Da vorliegend eine förmliche Mahnung unterblieb, diese Mahnung jedoch schon in formeller Hinsicht conditio sine qua non des Widerrufsgrundes der (böswilligen) Nichtbefolgung einer Weisung ist (vgl Kunst, aaO, RN 16 zu § 53 StGB; ÖJZ-LSK 1982/53), verletzt der bezeichnete Beschluß das Gesetz in der Bestimmung des § 53 Abs. 3 StGB Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt dem weiteren materiellrechtlich relevanten Umstand, daß das Gericht, das den Widerrufsbeschluß auf die Tatsache der Nichtbefolgung der Weisungen stützte, die durchaus gebotene Prüfung unterließ, ob der Verurteilte den Weisungen des Gerichtes 'aus bösem Willen' nicht nachkam, im gegebenen Fall keine entscheidende Bedeutung (mehr) zu.

Die Probezeit lief am 10. August 1982 ab, ein Widerruf ist darum nicht mehr zulässig (§ 56 StGB).

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung wirkt sich zum Nachteil des Verurteilten aus, weil sich Gerald A auf Grund des Widerrufsbeschlusses (errechnetes Strafende: 30. Dezember 1982) im Gefangenenhaus Ried/Innkreis in Strafhaft befindet.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß dem § 292 StPO spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E03965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00169.82.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19821020_OGH0002_0110OS00169_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten