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L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Bgld 1997 §12 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der Katharina Frech in Oberpullendorf, vertreten durch Dr. Christian Supper, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 3. Oktober 2002, Zl. 02/04-26/02, betreffend eine Grundabtretung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Bad Tatzmannsdorf in 7431 Bad Tatzmannsdorf, Josef Haydn-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde wurde in der Sitzung vom 23. November 2001 das Strassen-, Kanal- und Wasserleitungsprojekt für den Bereich Parkstrasse, welches vom Zivilingenieur DDI D. gemeinsam mit der Gemeinde und der K AG ausgearbeitet worden sei, erörtert. Einstimmig wurde folgender Beschluss gefasst:
"Beschluss: Ausbau der Regen- und Schmutzwasserkanalisation im Bereich Parkstraße - BA-01 (Nymphenbrunnen bis Hotel K) laut Projekt DDI D. Dieses Projekt hat auch die Abwasserlösung des Thermenhanges zu beinhalten. Ausbau und Gestaltung der Parkstraße im Bereich Quellenhof/Dr.J bis zum Hotel K (BA-01) laut Projekt DDI D mit den vorzit. Änderungen. Die entsprechenden Grundabtretungen (kostenlos) der Parz. 300/1, 300/4, 300/7, 300/8 sowie die der K-AG sind zu erwirken.
Das Wasserleitungs- und Kanalprojekt ist dem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren und den Förderstellen zuzuleiten und soll mit dem Straßenprojekt im Jahre 2002 realisiert werden. Im Voranschlag 2002 sind die entsprechenden Mittel für diese Vorhaben vorzusehen. Die vorzit. Projekte sind integrierender Bestandteil des gegenständlichen Beschlusses (Anlage 8)."
Mit Bescheid vom 26. März 2002 verpflichtete der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des im Bauland gelegenen Grundstückes Nr. 293 jene Grundfläche, die zum Zwecke der Verbreiterung der genannten öffentlichen Verkehrsfläche benötigt werde, das seien ca. 20 m2, unentgeltlich an die Gemeinde abzutreten. In der Begründung verwies die Behörde auf den Beschluss zur Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche Parkstraße vom 23. November 2001; da die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 bis 3 Bgld. Baugesetz vorlägen, gebühre für die Abtretung dieser Grundfläche keine Entschädigung.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, die Grundfläche werde nicht nachvollziehbar mit "cirka" angegeben, sodass der Bescheid nicht vollstreckbar sei. Nach dem Inhalt des Bescheides solle die Enteignung zur Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche Parkstraße erfolgen; es sei nicht ersichtlich, ob es sich bei der Parkstraße um eine Durchzugsstraße, um eine Gemeindestraße oder um eine Landesstraße handle. Eine uneingeschränkte Grundabtretung zur Verbreiterung sei verfassungsrechtlich bedenklich, weil die Bezugnahme auf den Aufschließungszweck fehle. Bezweifelt wurde auch die Zuständigkeit der Gemeindebehörde, da es sich um eine Enteignung ohne baubehördlichen Verwaltungsakt handle.
Auf Grund dieser Berufung änderte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 6. Juni 2002 den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet werde, eine Grundfläche der Parzelle 293 laut Detailprojektplan DDI D vom 12. März 2002 für Zwecke der Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche Parkstraße unentgeltlich an die Gemeinde abzutreten. Dieses Detailprojekt sei ein Bestandteil des gegenständlichen Bescheides.
In seiner Begründung führte der Gemeinderat aus, bei dem Straßenausbau handle es sich um die Verbreiterung der Parkstraße, welche öffentliches Gut und als Gemeindestraße gewidmet sei. Die Abtretungspflicht entstehe gemäß § 8 Abs. 3 Bgld. Baugesetz mit der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Errichtung oder Verbreiterung öffentlicher Verkehrsflächen und sei mit der Baubewilligung oder mit gesondertem Bescheid auszusprechen. Die abzutretende Fläche werde durch den Verweis auf den Projektplan konkretisiert.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung rügte die Beschwerdeführerin, dass der Berufungsbescheid nicht begründet sei. Es sei ihr nicht Gelegenheit geboten worden, zum nunmehr gegenständlichen Projektplan vom 12. März 2002 Stellung zu nehmen.
Die belangte Behörde führte am 27. August 2002 eine Verhandlung durch, zu der die Beschwerdeführerin geladen war. Nach dem Protokoll sei bei einem Ortsaugenschein festgestellt worden, dass die Verbreiterung der Parkstraße im gegenständlichen Bereich abgeschlossen sei. Jene Fläche, die abgetreten werden solle, sei als Gehsteig ausgeführt. Vorgelegt wurde bei der Verhandlung ein Auszug aus dem schon dem Berufungsbescheid angeschlossenen Projektplan, in welchem die zu enteignende Fläche schraffiert dargestellt wurde. Festgehalten wurde in der Verhandlung, dass diese Fläche schon seit 40 Jahren als Gehsteig genützt werde. Weiters wurde festgehalten, dass die Sulzriegler Straße (hier = Parkstraße) mit Vereinbarung vom 20. November 1998 bzw. 16. Februar 1999 vom Land der mitbeteiligten Gemeinde übertragen worden sei.
Aus dieser dem Protokoll angeschlossenen Vereinbarung ergibt sich auch, dass das Land Burgenland die Sulzriegler Straße als Landesstraße 3. Ordnung auflasse und in die Erhaltung und Straßenbaulast der Gemeinde übertrage.
In der Folge wurden diese Vereinbarung und der Projektplan sowie das Verhandlungsprotokoll der Beschwerdeführerin übermittelt; sie machte von der Aufforderung, sich dazu binnen zwei Wochen zu äußern, keinen Gebrauch.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge. Sie verwies auf die Ergebnisse der Verhandlung vom 27. August 2002 und führte aus, dass eine Abtretungsverpflichtung bereits mit der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche entstehe und mit einer Baubewilligung oder mit gesondertem Bescheid auszusprechen sei. Die gegenständliche Teilfläche diene der Verbreiterung der Parkstraße; dieser Zweck genüge, um eine Grundabtretungsverpflichtung auf § 8 Abs. 1 Bgld. BauG zu stützen. Der gegenständliche Abschnitt der Parkstraße sei eine öffentliche Verkehrsfläche der mitbeteiligten Gemeinde; die Straßenbaulast dieses Abschnittes sei der Gemeinde mit Vereinbarung vom 20. November 1998 vom Land Burgenland übertragen worden. Daher obliege der Gemeinde die Verwaltung dieser Straße. Bezüglich des Ausmaßes wurde auf die schraffierte Fläche im Projektsplan verwiesen; dadurch sei die Fläche hinreichend deutlich erkennbar. Die abzutretende Fläche sei weder 6 m breit noch reiche sie bis zur Mitte der Verkehrsfläche, sodass die Grundabtretung unentgeltlich zu erfolgen habe.
Mit der vorliegenden Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift; sie gab ergänzend zu den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides an, dass die öffentliche Verkehrsfläche Grundstück Nr. 22 der KG Bad Tatzmannsdorf, zu deren Verbreiterung die gegenständliche Grundfläche abgetreten werde, seit 1992 im Eigentum der mitbeteiligten Gemeinde stehe. Diesbezüglich findet sich im Akt ein entsprechender Grundbuchsauszug.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht geltend, bei der Parkstraße handle es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche, bei der die Straßenbaulast vom Land Burgenland der Gemeinde übertragen worden sei, die Gemeinde sei "daher" aber nicht Eigentümerin der öffentlichen Verkehrsfläche und zur Enteignung nicht legitimiert. Bei der Verbreiterung einer Straße fehle der Aufschließungsvorteil, die Parkstraße sei keine Aufschließungsstraße. Es sei nicht dargelegt worden, warum die Verbreiterung der Straße notwendig sein soll. Die Zuständigkeit der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich sei zweifelhaft, da eine Enteignung ohne baubehördlichen Verwaltungsakt und ohne Zusammenhang mit dem Baugeschehen erfolge.
Soweit die Beschwerdeführerin bezweifelt, ob der Ausspruch der konkreten Abtretungsverpflichtung mit gesondertem Bescheid der Zuständigkeit der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich unterliegt, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1991, VfSlg. 12.891, zu verweisen, wonach die in den Bestimmungen über die Grundabtretung zu Tage tretenden, mit der örtlichen Baupolizei in enger Verbindung stehenden Interesse der Gemeinde als Inhaberin von Verkehrsflächen, die sie selbst verwaltet, ihrem eigenen Wirkungsbereich zuzuordnen sind. Auch der Umstand, dass die Grundabtretung unter dem Blickwinkel des Eigentumsschutzes für die Zwecke der Kompetenzzuordnung als Enteignung zu qualifizieren ist, ändere daran nichts. Die gemäß Art. 118 Abs. 4 letzter Satz B-VG erforderliche ausdrückliche Bezeichnung erfolgt im § 31 BauG, wonach die Gemeinden ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben mit Ausnahme des § 8 Abs. 7 und 8 und des § 12 Abs. 4 im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen haben.
§ 8 Bgld. Baugesetz, LGBl. Nr. 10/1998 (BauG) regelt die Grundabtretung für öffentliche Verkehrsflächen. Die Abs. 1 bis 4 dieser Bestimmung lauten:
"(1) Die Eigentümer von Grundstücken im Bauland haben Grundflächen, die für die Aufschließung von Baugrundstücken oder zur Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen benötigt werden, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten.
(2) Die Grundabtretung hat bis zur Mitte der Verkehrsfläche, höchstens jedoch bis zu einer Breite von 6 m unentgeltlich zu erfolgen; für darüber hinausgehende Abtretungen ist von der Gemeinde eine Entschädigung zu leisten (Abs. 7).
(3) Die Abtretungsverpflichtung entsteht mit der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Errichtung oder Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche und ist mit der Baubewilligung oder mit gesondertem Bescheid auszusprechen.
(4) Die Grundflächen, zu deren Abtretung der Grundeigentümer verpflichtet wurde, sind spätestens 6 Monate nach Fertigstellung der öffentlichen Verkehrsfläche von der Gemeinde in das öffentliche Gut zu übernehmen. Mit der Erklärung zum öffentlichen Gut erlöschen die auf den abgetretenen Grundflächen allenfalls bestehenden dinglichen Rechte, wenn die Gemeinde bescheidmäßig feststellt, dass das dingliche Recht der Nutzung als Verkehrsfläche entgegensteht oder mit der Übertragung in das öffentliche Gut gegenstandslos wird. Die Kosten der Übertragung in das öffentliche Gut hat die Gemeinde zu tragen."
Nach den bei Hauer, Burgenländisches Baurecht, 102, wiedergegebenen Erläuterungen wird im Abs. 3 der Zeitpunkt des Entstehens der Abtretungsverpflichtung mit der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Aufschließungsmaßnahme festgelegt. Das Vorliegen einer Baubewilligung sei nicht erforderlich. Das Grundstück müsse als Bauland gewidmet sein. Nach dem dort weiters wiedergegebenen Durchführungserlass befänden sich die erforderlichen Grundflächen bei so genannten Landesstraßen dritter Ordnung im Eigentum der Gemeinde; deswegen sei eine Grundabtretungsverpflichtung auch bei diesen möglich, es müsse jedoch ein Gemeinderatsbeschluss über Errichtung oder Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche ergehen.
Bei der hier zu beurteilenden Verpflichtung handelt es sich, wie schon aus der Überschrift zum zweiten Abschnitt des BauG ersichtlich, um eine Anliegerleistung. Voraussetzung dieser Verpflichtung ist zunächst die Baulandeigenschaft der belasteten Grundfläche und (bezogen auf den Beschwerdefall), dass die in Anspruch genommene Fläche zur Verbreiterung einer öffentlichen Verkehrsfläche benötigt wird; bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist die Grundfläche in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten. Nach den Ergebnissen des durchgeführten Verwaltungsverfahrens kann es keinem Zweifel unterliegen, dass hier eine Abtretung in das öffentliche Gut der Gemeinde verfügt wurde.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 9. Oktober 1984, VfSlg. 10.204, betont, dass er keine Bedenken gegen die Vorgängerbestimmung des § 17 Abs. 1 Bgld. BauO (LGBl. 13/1970) hegte; nach dieser Bestimmung hatten die Eigentümer von Grundstücken im Bauland die Grundflächen, die zum Zwecke der Aufschließung von Bauplätzen für die Anlage neuer oder zur Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen benötigt wurden, in der erforderlichen Breite der Verkehrsfläche an die Gemeinde abzutreten. Zwar fehlt, wie Hauer a.a.O., Anmerkung 5 zu § 8 BauG aufzeigt, nunmehr bei der Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen die Bezugnahme auf den Ausschließungszweck; dies begegnet jedoch im Hinblick auf die Begrenzung im § 8 Abs. 2 BauG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; damit wird die Verpflichtung jedenfalls nicht unverhältnismäßig (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 2002, VfSlg. 16.455, ergangen zu § 17 BauO für Wien).
Ob Grundflächen zur Verbreiterung "benötigt" werden, hat der Gemeinderat nunmehr ausschließlich anlässlich seiner Beschlussfassung gemäß § 8 Abs. 3 BauG zu beurteilen, da die Abtretungsverpflichtung nach § 8 Abs. 3 BauG bereits mit der Beschlussfassung des Gemeinderates entsteht. Während nach § 17 Bgld. BauO LGBl. 13/1970 nur die Bauplatzerklärung Grundlage war, entstand nach der durch die Bauordnungsnovelle LGBl. 11/1994 geschaffenen Fassung die Abtretungsverpflichtung entweder mit Rechtskraft der Bauplatzerklärung oder mit Beschlussfassung des Gemeinderates. Nach der geltenden Fassung kommt es nur mehr auf die Beschlussfassung des Gemeinderates an.
Es kann dahingestellt bleiben, welche Rechtsqualität (Bescheid oder Verordnung) dem Beschluss zukommt, weil der eingangs zitierte Beschluss des Gemeinderates den erlassenen Bescheid jedenfalls nicht deckt. Im Beschluss sind nämlich jene Grundstücke, die Gegenstand der als erforderlich angesehenen Abtretung sind, ausdrücklich aufgezählt; das Grundstück der Beschwerdeführerin ist darin nicht enthalten. Damit ist für das gegenständliche Grundstück keine Abtretungsverpflichtung im Sinne des § 8 Abs. 3 BauG entstanden, sodass der ergangene Bescheid einer Rechtsgrundlage entbehrt.
Da die belangte Behörde dies nicht wahrgenommen hat, belastete sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 24. Mai 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002051437.X00Im RIS seit
23.06.2005Zuletzt aktualisiert am
29.06.2010