Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Oktober 1982
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Horak und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 16. Juni 1982, GZ. 29 Vr 1059/82-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Noverka, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.August 1959 geborene Kfz-Mechaniker Manfred A des Verbrechens des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 9.März 1981 in Celle, BRD., dadurch, daß er Brigitte B die Arme um den Hals legte, zudrückte und sie aufforderte, Bargeld herauszugeben, versucht hatte, der Genannten mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte Manfred A, der sich nach einer erfolglosen Arbeitssuche in der BRD. zuletzt in Celle aufgehalten und kaum noch über Bargeld verfügt hatte, dort am späten Vormittag des 9.März 1981 das Büchergeschäft der Brigitte B in der Bahnhofstraße betreten, von ihr mit den Worten 'Geld her' die Herausgabe des Kassengeldes gefordert, sie zugleich mit den Armen am Hals umschlungen und durch kräftiges Zudrücken des Halses an weiteren Hilferufen gehindert. Die Tatvollendung unterblieb nur deshalb, weil in diesem Augenblick eine Kundin das Geschäft betrat, worauf der Angeklagte die Flucht ergriff. Er wurde kurz darauf von der Polizei in Celle festgenommen und wegen dieser versuchten Raubtat am 10.Juni 1981 mit Urteil des Schöffengerichtes bei dem Amtsgericht in Celle, GZ. 18 LS 42 JS 219/81-112/81, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt, deren Vollstreckung aber zur Bewährung (unter Bestimmung einer Bewährungszeit von 3 Jahren) ausgesetzt wurde. Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9
lit. b und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde vertritt der Angeklagte Manfred A im wesentlichen die Auffassung, seine neuerliche strafgerichtliche Verfolgung und Aburteilung durch ein inländisches Strafgericht wegen der vorerwähnten, von ihm in der BRD. verübten (und beim Versuch gebliebenen) Raubtat sei im Hinblick auf seine wegen dieser Tat bereits in der BRD. rechtskräftig ausgesprochene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unzulässig und zwar unbeschadet des Umstandes, daß die Vollstreckung dieser im Ausland über ihn verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung (für eine Bewährungszeit von 3 Jahren) ausgesetzt wurde und die - erst am 9.Juni 1984 endende (S. 77 d.A.) - dreijährige Bewährungsfrist noch nicht abgelaufen sei, zumal er einen Teil dieser Freiheitsstrafe bereits im Ausland (durch Anrechnung der von ihm im Zusammenhang mit diesem Raubversuch in der BRD. verbrachten Vorhaft von rund 3 Monaten auf diese Freiheitsstrafe) verbüßt habe. Eine überschreitung der Strafbefugnis durch das erkennende inländische Gericht und damit der Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer ersichtlich darin, daß im inländischen Strafverfahren wegen des hier in Rede stehenden, von ihm im Ausland verübten (versuchten) Raubes eine höhere Freiheitsstrafe verhängt wurde, als sie in den bereits in der BRD. wegen derselben Tat abgeführten Strafverfahren über ihn ausgesprochen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Diese Beschwerdeeinwände schlagen nicht durch.
Der Angeklagte hat den (versuchten) Raub in der BRD., sohin im Ausland, verübt. Die Tat fällt nicht unter die Vorschriften der § 63 und 64 StGB Nach § 65 Abs. 1
StGB gelten unter der hier zutreffenden Voraussetzung, daß sie auch durch die Gesetze des Tatortes, also nach dem deutschen Strafgesetzbuch mit Strafe bedroht ist, die österreichischen Strafgesetze. Zutreffend wird im angefochtenen Urteil darauf verwiesen, daß die Ausnahmebestimmung des § 65 Abs. 4 Z. 3 StGB hier nicht zum Tragen kommt, entfällt doch darnach die Strafbarkeit (der Auslandstat im Inland) nur dann, wenn der Täter von einem ausländischen Gericht rechtskräftig verurteilt und die Strafe ganz vollstreckt oder, soweit sie nicht vollstreckt wurde, erlassen worden (oder ihre Vollstreckbarkeit nach dem ausländischen Recht verjährt) ist. Abgesehen davon, daß nach der vorerwähnten Gesetzesstelle entgegen der vom Beschwerdeführer ersichtlich vertretenen Auffassung eine bloß teilweise Strafverbüßung (durch Anrechnung der in der BRD. wegen dieser Tat zugebrachten Vorhaft von knapp über 3 Monaten) dem - nach dem sogenannten 'Erledigungsprinzip' - für den Entfall der inländischen Gerichtsbarkeit postulierten Erfordernis einer gänzlichen Vollstreckung der vorliegend in der BRD. mit rechtskräftigem Urteil des Schöffengerichtes bei dem Amtsgericht Celle am 10.Juni 1981 wegen der verfahrensgegenständlichen (versuchten) Raubtat über ihn verhängten Freiheitsstrafe (in der Dauer eines Jahres) nicht entspricht, liegen die Voraussetzungen zur Anwendung der Bestimmung des § 65 Abs. 4 Z. 3 StGB auch deshalb nicht vor, weil die Vollstreckung der vom ausländischen Gericht ausgesprochenen Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde und die mit 3 Jahren bestimmte Bewährungsfrist erst am 9.Juni 1984 endet (vgl. S. 77 d.A.); demgemäß könnte hier nicht einmal eine teilweise Strafvollstreckung angenommen werden, weil die Anrechnung der Vorhaft erst bei einem Widerruf der Strafaussetzung zum Tragen käme und erst dann eine teilweise Strafverbüßung durch Anrechnung der Vorhaft vorläge. Daraus ergibt sich die weitere Konsequenz, daß die Anrechnung der vom Angeklagten in der BRD. zugebrachten Vorhaftzeit auf die im Inlandsverfahren über ihn verhängte Freiheitsstrafe nicht, wie dies im angefochtenen Urteil ausgesprochen wird, auf § 66 StGB ('Anrechnung im Ausland erlittener Strafen') sondern auf § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB zu stützen ist (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 2 zu § 66 StGB, SSt. 47/80). Eine von einem ausländischen Gericht bedingt erlassene bzw. zur Bewährung ausgesetzte Strafe hindert also, solange die Probezeit läuft und kein endgültiger Straferlaß (nach Ablauf der Probezeit oder etwa zufolge einer Amnestie oder eines individuellen Gnadenerweises) vorliegt, dem Beschwerdevorbringen zuwider die inländische Strafverfolgung nicht (EvBl. 1977/222;
ÖJZ-LSK. 1978/245).
Mit seinen Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO versucht der Angeklagte ersichtlich, eine Verletzung der Bestimmung des § 65 Abs. 2 StGB darzutun. Darnach ist in den dem ersten Absatz dieser Gesetzesstelle unterliegenden Fällen, zu denen auch die vorliegende Straftat zählt, in dem im Inland durchgeführten Strafverfahren, in welchem sowohl bei der rechtlichen Beurteilung (Subsumtion) der Auslandstat als auch bei der Strafbemessung stets österreichisches Recht anzuwenden ist, die (für die Auslandstat verwirkte) Strafe so zu bestimmen, daß der Täter in der Gesamtauswirkung nicht ungünstiger gestellt ist als nach dem Gesetz des Tatortes. Durch diese 'Günstigkeitsklausel' wird aber der vom Gericht in konkreto anzuwendende Strafsatz des österreichischen Rechts - mit dem die entsprechende ausländische Strafnorm zwecks Vermeidung einer Benachteiligung des Täters zu vergleichen ist (EvBl.
1977/222; SSt. 48/51) - nicht im Sinne einer der ausländischen Strafnorm angepaßten Verkürzung der Obergrenze oder/und Herabsetzung der Untergrenze verändert, sondern lediglich die Strafbefugnis des inländischen Gerichtes insoweit eingeschränkt, als es zugunsten des Täters den allenfalls zur Verfügung stehenden höheren Strafrahmen des inländischen Rechts höchstens bis zur Obergrenze der ausländischen Strafdrohung ausschöpfen darf und insbesondere für den Fall, daß diese Obergrenze unter der Mindestgrenze der inländischen Strafdrohung liegt, auch berechtigt ist, die Untergrenze der Strafdrohung nach österreichischem Recht auch ohne die sonst hiefür erforderlichen Voraussetzungen bis zu der für das abgeurteilte Delikt geltenden Strafdrohung des Rechtes des Tatortes zu unterschreiten (EvBl. 1982/133; Leukauf-Steininger2, RN. 21 zu § 65 StGB, Liebscher, WK., RN. 18 zu § 65 StGB).
Ein Vergleich der nach österreichischem Recht auf die verfahrensgegenständliche (versuchte) Raubtat anzuwendenden Strafdrohung des § 142 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren) mit dem in der BRD. für diese Tat im § 249 deutsches StGB (in Verbindung mit § 38 Abs. 2 deutsches StGB) vorgesehenen Strafrahmen von einem bis 15 Jahren Freiheitsstrafe - eine Tatbeurteilung als minder schwerer Fall mit einer damit verbundenen Strafdrohung von (nur) 6 Monaten bis 5 Jahren Freiheitsstrafe wurde in dem bereits zitierten Urteil des Schöffengerichtes bei dem Amtsgericht Celle vom 10.Juni 1981 abgelehnt (S. 15 d.A.) - zeigt, daß die im angefochtenen (inländischen) Urteil über den Angeklagten verhängte 15-monatige Freiheitsstrafe in dem nach deutschem Recht für Raub vorgesehenen Strafrahmen durchaus Deckung findet. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung wurde sohin im angefochtenen Urteil die durch § 65 Abs. 2 StGB gezogene Schranke der Strafbefugnis nicht überschritten, sodaß der darin enthaltene, über die gemäß § 65 StGB der österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegende (versuchte) Raubtat des Angeklagten ergangene Strafausspruch nicht mit Nichtigkeit im Sinne der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist (ÖJZ-LSK. 1982/55). Im übrigen läßt sich der Bestimmung des § 65 Abs. 2 StGB nicht entnehmen, daß in einem gemäß § 65 StGB im Inland durchgeführten Strafverfahren wegen einer Auslandstat, über die - so wie vorliegend - bereits von einem ausländischen Gericht rechtskräftig durch Schuldspruch erkannt wurde, auf die jedoch die Bestimmung des § 65 Abs. 4 Z. 3 StGB nicht anwendbar ist, keine höhere Strafe verhängt werden darf, als hiefür im Ausland konkret ausgesprochen wurde. Entscheidend ist vielmehr, daß die im inländischen Verfahren verhängte Freiheitsstrafe auch nach dem Strafgesetz des Tatortes zulässigerweise ausgesprochen werden durfte; der im § 65 Abs. 2 StGB statuierte Günstigkeitsvergleich hat sich sohin auf die für die betreffende Auslandstat im Inland und nach dem Gesetz des Tatortes vorgesehenen Strafdrohungen zu beschränken und ist nicht - wie der Beschwerdeführer meint - anhand der jeweils vom ausländischen und inländischen Gericht tatsächlich verhängten Strafe zutreffen.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred A war sohin zu verwerfen.
Manfred A wurde nach § 142 Abs. 1 StGB unter Berücksichtigung des § 65 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verurteilt.
Bei der Strafbemessung waren erschwerend die zwei Vorstrafen und daß der Angeklagte mit besonderer Brutalität gegen Brigitte B vorgegangen ist, mildernd sein umfassendes und reumütiges Geständnis und daß es beim Versuch geblieben ist.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe (auf ein Jahr) und bedingte Strafnachsicht an. Die Berufung ist nur teilweise berechtigt.
Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe richtig erfaßt und gewertet. Auch wenn man berücksichtigt, daß der Angeklagte in einer schwierigen finanziellen Situation war, hat das Erstgericht eine dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat des Angeklagten entsprechende Strafe verhängt. Der Berufung, soweit sie eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, war somit nicht Folge zu geben.
Der Angeklagte war zur Tatzeit erst 21 Jahre alt. Die beiden Vorstrafen sind geringfügiger Natur. Der Entschluß zur Tat entsprang einer Ausnahmssituation, denn der Angeklagte fand keine Beschäftigung und stand arbeits- und mittellos im Ausland da. Er versuchte Geld für die Heimfahrt, allerdings auf kriminelle Weise, zu erwerben. Seine verbrecherische Intensität war nicht besonders hoch, weil er schon beim Auftauchen einer älteren Frau von seinem Opfer abließ und flüchtete. Diese Umstände, die auch das Schöffengericht bei dem Amtsgericht in Celle, dem allerdings die Vorstrafen des Angeklagten nicht bekannt waren, bewogen, die Vollstreckung der Strafe auf Bewährung auszusetzen und die Tatsache, daß der Angeklagte, der das Strafübel durch dreimonatige Anhaltung in Haft verspürt hat, nunmehr wieder in geordneten Umständen lebt und einer Beschäftigung nachgeht, bieten hinreichende Gewähr dafür, daß er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Auch generalpräventive Erwägungen sprechen unter diesen besonderen Umständen des Falles nicht gegen die Anwendung des § 43 Abs. 2 StGB Der Berufung war somit teilweise Folge zu geben und die Strafe unter Festsetzung einer angemessenen Probezeit bedingt nachzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03898European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00145.82.1021.000Dokumentnummer
JJT_19821021_OGH0002_0120OS00145_8200000_000