TE OGH 1982/10/28 12Os166/82

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Veröffentlicht am 28.10.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafvollzugssache gegen Rudolf Hermann A wegen weiterer Anhaltung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 24 Abs. 2 StGB, AZ 11 a Ns 8/82 des Kreisgerichtes Steyr, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 4. August 1982, GZ 11 Bs 91/82

erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafvollzugssache Rudolf Hermann A, AZ 11 a Ns 8/82 des Kreisgerichtes Steyr, verletzte der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 4. August 1982, AZ 11 Bs 91/82, womit der Beschwerde des Strafgefangenen Folge gegeben und der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 16. Juli 1982, 11 a Ns 8/82-11, ersatzlos aufgehoben wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 162 Abs. 2 Z 1 StVG.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz die meritorische Entscheidung über die Beschwerde des Strafgefangenen Rudolf Hermann A unter Abstandnahme von dem in Anspruch genommenen Aufhebungsgrund aufgetragen.

Text

Gründe:

Aus den Akten 11 a Ns 8/82 des Kreisgerichtes Steyr und der Ablichtung der Akten 11 Bs 91/82 des Oberlandesgerichtes Linz ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28. September 1976, GZ 22 Vr 705/76-23, wurde ua gemäß § 23 Abs. 1 StGB die Unterbringung des am 10. Mai 1946 geborenen Rudolf Hermann A in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet. Nach Vollzug der über ihn mit gleichem Urteil verhängten Freiheitsstrafe wurde er in die Sonderanstalt Sonnberg überstellt. Mit Beschluß vom 23. Jänner 1981, AZ 14 Ns 3/81, wies das Kreisgericht Korneuburg als Vollzugsgericht nach § 162 StVG den auf bedingte Entlassung gerichteten Antrag des Untergebrachten ab. Der gegen diesen Beschluß von ihm erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 17. Februar 1981, AZ 23 Bs 48/81, nicht Folge.

Am 30. Juni 1981 floh Rudolf Hermann A aus der Sonderanstalt Sonnberg; er wurde am 2. Juli 1981 in Linz ergriffen und sodann wegen eines auf der Flucht am 1. Juli 1981 verübten Einbruchsdiebstahls mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 19. November 1981, GZ 11 a Vr 523/

81-17, zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, welche er derzeit in der Strafvollzugsanstalt Garsten verbüßt. Das urteilsmäßige Strafende ist der 2. Jänner 1983.

Mit Beschluß vom 16. Juli 1982 stellte das Kreisgericht Steyr zu AZ 11 a Ns 8/82-11 fest, daß die vom Landesgericht Linz seinerzeit angeordnete Unterbringung As in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter noch notwendig sei (§ 24 Abs. 2 StGB) und wies den auf bedingte Entlassung gerichteten Antrag des Strafgefangenen aus der Anstalt ab. Diese Beschlußfassung hielt das Kreisgericht Steyr in sinngemäßer Auslegung des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz vom 11. April 1975, JABl 1975/39, gemäß § 24 Abs. 2 StGB deshalb für notwendig, weil seit der letzten Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Anstaltsunterbringung (23. Jänner 1981) mehr als ein Jahr verstrichen ist.

Das Oberlandesgericht Linz hob über Beschwerde des Strafgefangenen den vorzitierten Beschluß des Kreisgerichtes Steyr mit Entscheidung vom 4. August 1982, 11 Bs 91/82, ersatzlos auf, weil eine Zuständigkeit des Kreisgerichtes Steyr nach § 162 Abs. 1 StVG nicht gegeben sei. Bei der Unterbrechung eines Maßnahmenvollzuges sei eine Prüfung der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung nur dann erforderlich, wenn seit der letzten derartigen Prüfung mindestens die im § 25 Abs. 3

StGB festgelegte Jahresfrist verstrichen ist. Für diese Prüfung sei das Kreisgericht Korneuburg gemäß § 162 Abs. 1 StVG zuständig, weil die Anstalt Sonnberg im Sprengel dieses Gerichtshofes liege. Hingegen sei die Prüfung der Notwendigkeit weiterer Unterbringung nach § 24 Abs. 2 StGB in derartigen Fällen nicht mehr erforderlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 4. August 1982, 11 Bs 91/82, steht mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Das Strafgesetzbuch normiert im Zusammenhang mit der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher zwei Prüfungspflichten:

Gemäß § 24 Abs. 2 StGB, wonach zunächst die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach der Freiheitsstrafe zu vollziehen ist, ist vor der überstellung des Rechtsbrechers in die genannte Anstalt von Amts wegen zu prüfen, ob die Unterbringung noch notwendig ist. Gemäß § 25 Abs. 3 StGB hat das Gericht ferner von Amts wegen mindestens alljährlich zu prüfen, ob die Unterbringung ua in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter noch notwendig ist. Beiden Bestimmungen liegt der Wille des Gesetzgebers zugrunde, die Anstaltsunterbringung eines Täters durch deren Notwendigkeit, also das weitere Vorliegen der Grundlage für die Einweisung bildenden Gefährlichkeit (§ 23 Abs. 1 Z 3 StGB), zu begrenzen. Es versteht sich von selbst, daß der in § 25 Abs. 3 StGB vorgesehene mindestens alljährliche Prüfungstermin auf die entsprechende Dauer der Anhaltung in der Rückfallstäteranstalt abgestellt ist und nicht etwa von dem Zeitpunkt des die Anhaltung anordnenden Urteils an zu berechnen ist. Wird somit die Vollziehung der Unterbringung in der Rückfallstäteranstalt - wie im vorliegenden Fall - durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe unterbrochen, so entfällt für dessen Dauer die Notwendigkeit einer Prüfung nach § 25 Abs. 3 StGB Bei der in § 24 Abs. 2 StGB vorgeschriebenen Prüfung hat der Gesetzgeber andererseits gewiß in erster Linie an den Zeitpunkt nach Ablauf der Vollstreckung der in dem die Unterbringung nach § 23 StGB anordnenden Urteil ausgesprochenen Freiheitsstrafe gedacht. Die Vorschrift gilt jedoch in gleicher Weise für jene Fälle, in denen nach Unterbrechung der Anhaltung in der Rückfallstäteranstalt die neuerliche überstellung dorthin in Betracht kommt. Es entspricht der oben aufgezeigten ratio der beiden gesetzlichen Bestimmungen, daß in den Fällen des § 23 StGB, in denen der Strafvollzug nicht wie in den Fällen der § 21 Abs. 2 und 22 StGB vikariierend durch die Anstaltsunterbringung, sondern vor dieser oder während deren Unterbrechung erfolgt, die anschließende überstellung des Strafgefangenen in die Rückfallstäteranstalt nur vorgenommen wird, wo sie (weiterhin) unbedingt erforderlich ist. Diese Entscheidung kann durch den Zeitablauf während des Strafvollzugs, der wesentliche Änderungen in der persönlichen Beschaffenheit und insbesondere der Gefährlichkeit des Verurteilten mit sich bringen kann, beeinflußt werden. Schließlich können wegen einer während der Unterbringung oder auch - wie im vorliegenden Fall -

während einer Flucht aus der Unterbringung begangener Straftaten unter Umständen sehr lange Freiheitsstrafen verhängt werden, nach deren Vollzug sich für die Entscheidung über die weitere Gefährlichkeit des Täters völlig neue Gesichtspunkte ergeben. Die in diesen Fällen zu treffende Entscheidung entspricht dem Gesetzesauftrag des § 24 Abs. 2 StGB;

erforderlich wird sie allerdings, wie sich aus der Zusammenschau der § 24 Abs. 2 und 25 Abs. 3 StGB ergibt, nicht in jedem Fall der Unterbrechung des Vollzugs in der Rückfallstäteranstalt durch eine Freiheitsstrafe sein, sondern nur dann, wenn hiedurch der Zeitraum von einem Jahr seit der letzten Prüfung der Notwendigkeit der Unterbringung überschritten wird, weil erst nach Ablauf dieser Zeitspanne die Möglichkeit einer relevanten Änderung der Persönlichkeit des Gefangenen in greifbare Nähe gerückt ist. Auch nach dem Justizministerialerlaß vom 11. April 1975, JABl 1975/39, ist nicht zweifelhaft, daß die überprüfungsfrist nach § 25 Abs. 3 StGB auch während der Anhaltung des Rückfallstäters in Strafhaft zu beachten ist. Die nach diesem Erlaß unter Umständen erforderliche Prüfung der Notwendigkeit der Rücküberstellung des Täters aus der Freiheitsstrafe in die Rückfallstäteranstalt ist jedoch, was vom Oberlandesgericht Linz in der bekämpften Entscheidung verkannt wird, keine Prüfung nach § 25 Abs. 3 StGB, sondern eine solche nach § 24 Abs. 2 StGB Dafür sprechen nicht nur die oben aufgeführten überlegungen, sondern auch die der Verteilung der Zuständigkeiten auf die Strafvollzugsgerichte nach den § 162 und 16 StVG zugrundeliegende ratio, daß immer jener Gerichtshof erster Instanz die in den genannten Gesetzesstellen bezeichneten Aufgaben zu erfüllen hat, der dem Vollzugsort nächstgelegen ist und daher die besten Voraussetzungen zur Gewinnung der jeweils erforderlichen Entscheidungsgrundlage besitzt.

Dazu ist für den vorliegenden Fall besonders darauf zu verweisen, daß gemäß § 47 Abs. 4 StGB die Verneinung der Notwendigkeit weiterer Unterbringung in der Rückfallstäteranstalt einer bedingten Entlassung aus dieser gleichkommt, sodaß für die Entscheidung dieser Frage die Verfahrensvorschrift des § 152 StVG zu beachten ist. Es liegt auf der Hand, daß für diese Entscheidung nicht etwa das dem Vollzug der Freiheitsstrafe ferngelegene Vollzugsgericht gemäß § 162 Abs. 1 StVG berufen ist, sondern das auch im § 162 Abs. 2 Z 1 leg cit unter anderem auch für die Entscheidung nach § 24 Abs. 2 dieses Gesetzes angeführte Gericht, in dessen Sprengel die Freiheitsstrafe vollzogen wird und das somit gemäß § 16 StVG zuständig ist.

Im vorliegenden Fall war dies das Kreisgericht Steyr, das auch seine Zuständigkeit anerkannt hat und dem Gesetze gemäß fristgerecht die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des Strafgefangenen geprüft hat.

Das Oberlandesgericht Linz hat daher durch die Verneinung der Zuständigkeit dieses Kreisgerichtes und die ersatzlose Aufhebung dessen Beschlusses das Gesetz in der Bestimmung des § 162 Abs. 2 Z 1 StVG verletzt. Da es mit seinem Beschluß die meritorische Erledigung der Beschwerde des Strafgefangenen ablehnte, der es nur dem Wortlaut der Entscheidung nach Folge gab, wirkte sich sein Beschluß auch zu dessen Nachteil aus. Der bezeichnete Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz war daher aufzuheben und dem Gerichtshof die (meritorische) Entscheidung über die Beschwerde des Strafgefangenen Rudolf Hermann A gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr aufzutragen.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Folge zu geben und wie im Spruche zu entscheiden.

Anmerkung

E03944

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00166.82.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19821028_OGH0002_0120OS00166_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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