Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.November 1982
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof.
Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Arthur A und Erwin B wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Erwin B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 21. Juli 1982, GZ. 20 Vr 4034/81-55, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Adam, sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Zusatzstrafe auf fünf Jahre und zehn Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 10.Jänner 1956 geborene Arthur A und der am 20.Juli 1957
geborene Erwin B des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs 1, 143 StGB und der Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1
StGB sowie des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt. Es liegt ihnen zur Last, I./ am 30. Oktober 1981 in Stanz in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) und unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abnötigen versucht zu haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie das Haus der Geschwister Adelheid und Paula C betraten, Erwin B dem Arthur A beim Maskieren behilflich war und Arthur A einen Gasdruck-Trommelrevolver gegen Adelheid und Paula C gerichtet hielt und ihnen dabei durch Handzeichen zu verstehen gab, daß er von ihnen Geld haben wolle;
II./ am 20. (richtig: 29.) Oktober 1981 in Innsbruck in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich einen Gasdruck-Trommelrevolver im Werte von 1.798 S dem Leopold D mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
III./ am 29.Oktober 1981 in Innsbruck im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW. Marke Ford Taunus mit dem Kennzeichen X, ohne Einwilligung des Berechtigten Franz E für eine Fahrt nach Vorarlberg in Gebrauch genommen zu haben, wobei durch die Tat am Fahrzeug ein 5.000 S übersteigender Schaden, nämlich ein solcher in der Höhe von ca. 7.000 S, entstand.
Dieses Urteil erging auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen, welche die jeweils für die beiden Angeklagten getrennt gestellten Hauptfragen (1, 4; 5, 6; 7, 8 des Fragenschemas) auf versuchten schweren Raub (in Gesellschaft des Mitangeklagten), Diebstahl (in Gesellschaft des Mitangeklagten) und unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen stimmeneinhellig bejaht hatten.
Der Angeklagte Erwin B bekämpft den Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs 1, 143 StGB (Punkt I./ des Urteilssatzes) und Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1 StGB (Punkt II./ des Urteilssatzes) mit einer auf den Nichtigkeitsgründen der Z. 6 des § 345 Abs 1 StPO
gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, während er den Schuldspruch wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 3 StGB (Punkt III./ des Urteilssatzes) unangefochten läßt. In Ansehung der Verurteilung des Arthur A ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeführer erblickt eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung an die Geschwornen darin, daß in den Hauptfragen 1 (wegen versuchten Raubes) und 5 (wegen Diebstahls), die allerdings nicht ihn, sondern den Mitangeklagten Arthur A betroffen haben, bei der Tatumschreibung auf die Verübung 'in Gesellschaft des Erwin B' bezug genommen worden ist. Seiner Meinung nach mußte die Bejahung dieser auf den Mitangeklagten Arthur A bezogenen Schuldfragen damit auch zwangsläufig ('automatisch') eine Bejahung der Tatbeteiligung des Beschwerdeführers mit sich bringen, weshalb das Frageschema den Geschwornen keine Möglichkeit geboten habe, die Annahme einer Alleintäterschaft des Angeklagten Arthur A zum Ausdruck zu bringen. Der Einwand ist nicht begründet.
Nach § 317 Abs 2 StPO ist es allein der Beurteilung des Schwurgerichtshofes überlassen, welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegensatz besonderer Fragen zu machen sind; eine zusammenfassende Fragestellung ist grundsätzlich zulässig, soweit dadurch dem Ziel Rechnung getragen wird, den Geschwornen eine eindeutige und erschöpfende Antwort zu ermöglichen (RZ. 1973/26). Die gerügte Aufnahme des die Grundtatbestände des Raubes und Diebstahls qualifizierenden Erschwerungsumstandes der Begehung in Gesellschaft eines Beteiligten in die bezüglichen Hauptfragen statt der Stellung eigener Zusatzfragen nach diesem Erschwerungsumstand (§ 316 StPO) stellte keinen Verstoß im Sinne des angerufenen Nichtigkeitsgrundes dar (SSt. 28/83, EvBl 1970/287, 1972/83 und andere).
Für die vom Beschwerdeführer reklamierte Eventualfragestellung nach Alleintäterschaft des Arthur A bestand kein Anlaß, weil über das Vorliegen des bezeichneten strafsatzändernden Erschwerungsumstandes zu entscheiden war und nicht über die Beurteilung der Tat nach einem anderen Strafgesetz im Sinne eines nicht mit strengerer Strafe bedrohten Deliktstypus (sh. Foregger-Serini, StPO3, Erl. I zu § 314 und I zu § 316). Der vom Beschwerdeführer hervorgehobenen unterschiedlichen Beweislage gegen ihn und Arthur A wurde ohnehin durch die Stellung getrennter Hauptfragen, welche eine gesonderte Entscheidung über die Schuld der beiden Angeklagten erfordert und eine pauschale Beurteilung verhindert haben, Rechnung getragen. Derartige (komplexe) Schuldfragen, die strafsatzändernde Umstände enthalten, sind regelmäßig geeignet, einen der Beweiswürdigung der Geschwornen entsprechenden brauchbaren Wahrspruch herbeizuführen, weil den Geschwornen gemäß § 330 Abs 2 StPO auch die teilweise Bejahung der betreffenden Fragen offensteht. Auf diese Möglichkeit wurden sie vorliegend nicht nur durch den oberhalb der Antwortspalte aufscheinenden Hinweis in dem ihnen unter Heranziehung des Formulars StPOForm. Prot. 15 vorgelegten Frageschema, sondern insbesondere in der Rechtsbelehrung - sogar unter zweimaliger beispielhafter Anführung einer einschränkenden Bejahung, die sich nicht auf die Tatverübung in Gesellschaft eines weiteren Angeklagten bezieht - aufmerksam gemacht (S. 1 und 15 der Rechtsbelehrung). Demgemäß wurden dem Standpunkt des Beschwerdeführers zuwider die Geschwornen mit dem angefochtenen Frageschema durchaus in die Lage versetzt, durch einen einschränkenden Zusatz im Sinne des § 330 Abs 2 StPO bei Bejahung der Hauptfragen 1 und 5 sowie durch Verneinung der den Beschwerdeführer betreffenden Hauptfragen 4 und 6 einer allfälligen überzeugung Ausdruck zu verleihen, daß Arthur A den Raubversuch und den Diebstahl alleine begangen habe und die eine Tatbeteiligung leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers nicht widerlegt worden sei. Daraus folgt, daß der geltend gemachte Verstoß gegen die Vorschriften über die Fragestellung an die Geschwornen nicht unterlaufen ist.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin B war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Erwin B nach § 28, 143 StGB, 1. Strafsatz, und gemäß § 31 und 40 StGB zu dem Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 28.April 1982, AZ. 3 Bs 12/82, (GZ. 35 Vr 1977/81-36 des Landesgerichtes Innsbruck; mit diesem Urteil wurde er wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB zu 2 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt) zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Jahren und 10 Monaten.
Bei der Strafzumessung wertete es beim Angeklagten B als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die mehrfache Qualifikation des Raubes (Diebsgenossenschaft, richtig jedoch Gesellschaftsraub und Verwendung einer Waffe) sowie neun einschlägige Vorstrafen und den Umstand, daß der Angeklagte bei allen Delikten die treibende Kraft war, als mildernd hingegen eine objektiv gegebene Schadensgutmachung hinsichtlich des Diebstahlsfaktums infolge Sicherstellung eines Gasdruck-Trommelrevolvers sowie den Umstand, daß der Raub beim Versuch geblieben ist und das Geständnis des Angeklagten hinsichtlich des unbefugten Fahrzeuggebrauches.
Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, kommt Berechtigung zu.
Zwar hat das Erstgericht zutreffend gewürdigt, daß der Angeklagte bei sämtlichen Delikten die treibende Kraft gewesen ist, sodaß es verfehlt wäre, ihm den Umstand, daß A der unmittelbare Täter war, als mildernd zuzubilligen. Ebenso unberechtigt ist das Vorbringen des Angeklagten, die Vorstrafen wegen Körperverletzung seien nicht einschlägig. Vorsätzliche Körperverletzung und Raub beruhen vielmehr auf der gleichen schädlichen Neigung, dem Hang des Angeklagten zu Gewalttätigkeiten (§ 71 StGB).
Auch die vom Angeklagten weiters ins Treffen geführte alkoholbedingte Wesensveränderung kann nicht als mildernd gewertet werden, weil der Angeklagte nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr. Heinz F geistesgesund und zurechnungsfähig ist (siehe Sachverständigengutachten ON. 11).
Dennoch hat das Gericht den Unrechtsgehalt der Tat zu hoch bewertet. Es hat außer acht gelassen, daß es sich bei dem Gasdruck-Trommelrevolver um keine gefährliche Waffe handelte, und die verbrecherische Intensität gering war, weil die Täter schon, als sich die bedrohten Frauen nicht beeindruckt zeigten, und zufällig gerade im laufenden Fernsehprogramm ein Schuß fiel, ihr Vorhaben aufgaben. Mit Recht wurden zwar die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend berücksichtigt, doch handelt es sich um Straftaten, die ohne Ausnahme der Klein- und Mittelkriminalität zuzuordnen sind. Die strengste Strafe, die der Angeklagte bisher erhalten hat, war 6 Monate Freiheitsstrafe.
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen und bei den vom Erstgericht im übrigen zutreffend angenommenen Strafbemessungsgründen erscheint eine Zusatzstrafe in der Dauer von 5 Jahren und 8 Monaten ausreichend und angemessen.
Es war daher der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03947European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00138.82.1104.000Dokumentnummer
JJT_19821104_OGH0002_0120OS00138_8200000_000