Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Juli 1982, GZ. 4 d Vr 9917/82-24, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.März 1940 geborene Beamte der Gemeinde Wien, Josef A, des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB schuldig erkannt, weil er in Wien als Werkmeister der Magistratsabteilung 24 der Gemeinde Wien, sohin als Beamter, für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften von Margarete B Vermögenswerte angenommen hat, und zwar 1. am 8.Mai 1978 3.000 S, 2. am 11.Dezember 1978 2.000 S, 3. am 17.Dezember 1979 2.000 S.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und Z. 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.
Rechtliche Beurteilung
Zwar kann den Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO (hilfsweise und unzutreffend auch Z. 10) nicht gefolgt werden, daß ein Beamter, der im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung, wie im vorliegenden Fall der Angeklagte, tätig wird, nur dann nach § 304 StGB strafbar werden könnte, wenn er eine Verwaltungstätigkeit ausübt, die den spezifischen Aufgabenbereich der Gemeindeverwaltung zuzordnen ist, wozu das Bauen von Häusern nicht gehöre. Denn § 304 StGB stellt nicht auf die Vollziehung der Gesetze ab; daher sind - im Gegensatz zu § 302 StGB - sowohl Tätigkeiten im Rahmen der Hoheitsverwaltung als auch solche im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfaßt. Privatwirtschaftsverwaltung liegt vor, wenn der Träger staatlicher Gewalt 'wie ein Privater handelt', er also den Bürgern gleichberechtigt gegenübertritt. Der Neubau von Wohnhäusern etc. durch die Gemeinde Wien fällt in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung, wobei keineswegs erforderlich ist, daß die Tätigkeit zum spezifischen Aufgabenbereich der Gemeinde gehört. Die Tätigkeit der Auftragserteilung, Kontrolle der Bauführung und Abnahme der fertiggestellten Werke durch Beamte der Gemeinde sind Amtsgeschäfte im Sinne des § 304 Abs. 1 und 2 StGB (vgl. Leukauf-Steininger2, RN. 12 bis 14 zu § 302 und RN. 10 zu § 304 StGB, LSK. 1982/160).
Im Recht ist jedoch der Beschwerdeführer, wenn er im Rahmen der Rechtsrüge vermeint, daß die Hingabe von Geschenken, um sich ganz allgemein das Wohlwollen des Beamten zu sichern, zur Erfüllung der Tatbilder nach § 304 Abs. 1 und 2 StGB nicht hinreicht. Strafbar macht sich nur ein Beamter, der für die pflichtwidrige (§ 304 Abs. 1 StGB) oder für die pflichtgemäße (§ 304 Abs. 2 StGB) Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vermögensvorteil fordert, annimmt oder sich versprechen läßt.
Der Vermögensvorteil muß somit für die Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes gefordert etc. werden; es muß somit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen ihm und dem Amtsgeschäft bestehen. Unter der Voraussetzung der Identität des Geschenkgebers mit einer Partei, deren Angelegenheiten vom geschenknehmenden Beamten zur selben Zeit dienstlich zu bearbeiten sind, sowie des Fehlens von Anhaltspunkten für eine andere Motivierung dieser Vorgänge, indiziert schon das Geben und das Annehmen von (keineswegs unterhalb der Schwelle der Rechtserheblichkeit bleibenden) Geschenken den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem gewährten Vermögensvorteil und der konkreten Amtsführung (SSt. 41/3). Der ursächliche Zusammenhang wird in der Regel dann nicht gegeben sein, wenn der Vermögensvorteil nur bei der Amtsführung, nicht aber für diese gewährt wird, um sich lediglich das allgemeine Wohlwollen des Beamten zu sichern (RZ. 1981/11, Leukauf-Steininger2, RN. 6 zu § 304 StGB).
Dafür, daß auch das Erstgericht von dieser Rechtsansicht ausging, spricht die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angestellte Erwägung, daß die Geschenkgabe im Rahmen einer Geschäftsverbindung erfolgte, daher den ursächlichen Zusammenhang zur dienstlichen Tätigkeit des Angeklagten indiziere (S. 119, 120). Eine Feststellung, daß der Angeklagte die Vermögensvorteile für die (pflichtgemäße) Vornahme von Amtsgeschäften angenommen hat, fehlt jedoch im angefochtenen Urteil. Die bloße Aufzählung der Tätigkeit des Angeklagten im Zusammenhang mit von der Firma Margarete B geleisteten Terrazzoarbeiten (S. 101), kann eine solche Feststellung nicht ersetzen. Gegen die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs sprechen sogar die Urteilsannahmen, B habe, um sich das Wohlwollen der Beamten zu sichern, zahlreichen Beamten ansehnliche Geldbeträge, darunter auch die im Spruche genannten Beträge, übergeben (S. 103) und auch die im Rahmen der Beweiswürdigung vom Erstgericht angestellte überlegung, daß es auffallend sei, wenn zwei Zahlungen kurz vor Weihnachten erfolgten, was ein weiteres Indiz dafür darstelle, daß man sich des Wohlwollens des Angeklagten versichern wollte, ohne auf bestimmte Bauvorhaben Bezug zu nehmen (S. 111). Das angefochtene Urteil leidet somit an einem Feststellungsmangel, der einen für die Beurteilung der Frage, ob sich der Angeklagte gerichtlich strafbar gemacht hat (§ 304 Abs. 2 StGB) entscheidenden Umstand betrifft, sodaß der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützten Beschwerde bereits in einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO Folge zu geben und das angefochtene Urteil aufzuheben war, ohne daß es eines Eingehens auf die noch weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe bedarf. Der Feststellungsmangel verhindert eine Entscheidung des Obersten Gerichtshof in der Sache selbst, sodaß die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen war.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E03929European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00158.82.1104.000Dokumentnummer
JJT_19821104_OGH0002_0120OS00158_8200000_000