TE OGH 1982/11/9 4Ob160/82

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Veröffentlicht am 09.11.1982
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Norm

ABGB §26
ABGB §863
HochschülerschaftsG §21 Abs4

Kopf

SZ 55/168

Spruch

Auch juristische Personen des öffentlichen Rechtes können ihren Willen durch schlüssiges Verhalten (§ 863 ABGB) erklären, wenn dieses Verhalten gerade von jenem Organ gesetzt wird, das nach der Verfassung der juristischen Person zur Erklärung des ausdrücklichen Geschäftswillens berufen wäre. Ein gemäß § 21 Abs. 4 Hochschülerschaftsgesetz 1973 der Unterzeichnung durch den Finanzreferenten der Hochschülerschaft bedürftiges Rechtsgeschäft ist auch ohne diese (Mit-)Fertigung wirksam, wenn ihm der Finanzreferent - gegebenenfalls auch nur schlüssig - zugestimmt hat

OGH 9. November 1982, 4 Ob 160/82 (LGZ Graz 2 Cg 27/82; ArbG Graz 1 Cr 307/81)

Text

Die Klägerin wurde mit schriftlichem Dienstvertrag vom 1. 3. 1977 als Sekretärin der beklagten Hochschülerschaft an der Universität Graz angestellt, die gemäß § 3 Abs. 1 Hochschülerschaftsgesetz 1973 (HSchG 1973) eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist. Auf das Dienstverhältnis der Klägerin finden die Bestimmungen des Angestelltengesetzes Anwendung.

Am 15. 6. 1981 schlossen die Klägerin und der damalige Vorsitzende des Hauptausschusses der beklagten Partei Wolfgang S, nachstehenden Zusatzvertrag zum Dienstvertrag ab: "Um Frau G (Klägerin), die den Wunsch hat, noch viele Jahre zu arbeiten, ein Gefühl der Sicherheit zu geben und um der Hochschülerschaft an der Universität Graz diese gute, eingearbeitete Kraft zu erhalten, wird ausdrücklich erklärt, daß die Hochschülerschaft an der Universität Graz von ihrem Kündigungsrecht nur dann Gebrauch macht, wenn Frau G sich grober Pflichtverletzung oder der Vernachlässigung ihrer Obliegenheiten schuldig macht oder wenn sonst ein Grund zur fristlosen Kündigung vorliegt. Frau G ist berechtigt, aus gesundheitlichen oder familiären Gründen diesen Vertrag unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende jedes Semesters zu kundigen."

Dieser Zusatzvertrag wurde - ebenso wie der ursprüngliche Dienstvertrag - nur von der Klägerin und dem jeweiligen Vorsitzenden des Hauptausschusses der beklagten Partei unterschrieben. Am 29. 10. 1981 kundigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis der Klägerin zum 31. 12. 1981 auf und berichtigte in der Folge den Kündigungstermin auf 31. 3. 1982.

Die Klägerin begehrt unter Berufung auf den vertraglichen Ausschluß der freien Kundbarkeit ihres Dienstverhältnisses zur beklagten Partei die Feststellung, daß dieses über den 31. 3. 1981 hinaus fortbestehe.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Zusatzvereinbarung nicht rechtswirksam zustande gekommen sei. Es fehle an der gemäß § 21 Abs. 4 HSchG 1973 erforderlichen Unterzeichnung des Rechtsgeschäftes durch den Referenten für Finanz-, Wirtschafts- und Vermögensangelegenheiten (im folgenden kurz: Finanzreferent). Nach dieser Gesetzesstelle bedürfe nämlich jedes Rechtsgeschäft, das mit einer Ausgabe verbunden sei, der Unterzeichnung durch den Finanzreferenten zusammen mit dem Vorsitzenden oder einem seiner Stellvertreter.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es war der Ansicht, daß die Zusatzvereinbarung vom 15. 6. 1981 keiner Unterzeichnung durch den Finanzreferenten bedurft habe, da dieses Rechtsgeschäft bei Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch die beklagte Partei für diese mit keiner Ausgabe verbunden sei.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGerG von neuem, bestätigte das Ersturteil und sprach in Stattgebung des von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellten Zwischenantrages auf Feststellung außerdem aus, daß die zwischen den Streitteilen am 15. 6. 1981 abgeschlossene Vereinbarung rechtswirksam sei. Ferner sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 30 000 S übersteigt. Die beklagte Partei brachte im Berufungsverfahren noch vor, daß sie Schulden in der Höhe von 380 000 S habe und zur Umänderung ihrer Organisation gezwungen sei, sodaß sie zur Kündigung der Klägerin berechtigt gewesen sei.

Es traf folgende weitere Feststellungen:

Die getroffene Zusatzvereinbarung entsprach einer Zusage, welche die Klägerin schon von dem bis 30. 6. 1977 im Amt befindlichen Vorsitzenden des Hauptausschusses, Karl-Heinz F erhalten hatte. Der Vorsitzende des Hauptausschusses Wolfgang S sah bei Abschluß der Zusatzvereinbarung von einer Beiziehung der Finanzreferentin der beklagten Partei ab, da er der Meinung war, daß auf dieses Rechtsgeschäft § 18 Abs. 3 HSchG 1973 Anwendung zu finden habe, wonach den Referenten im Hinblick auf den Umfang ihrer Aufgaben vom Vorsitzenden Angestellte zur Unterstützung beigegeben werden können. Seit dem Inkrafttreten des Hochschülerschaftsgesetzes 1973 waren die Vorsitzenden der Meinung, sie hätten allein Dienstverträge zu unterfertigen. Die in § 21 Abs. 4 HSchG 1973 enthaltene Vorschrift wurde nur vereinzelt gehandhabt. Auch der Klägerin war bei Abschluß der Zusatzvereinbarung nicht bekannt, daß hiefür allenfalls die Unterzeichnung durch den Finanzreferenten der

eklagten Partei notwendig sein könne. Trotz dieser Ansicht machte aber Wolfgang S nach Abschluß der Vereinbarung vom 15. 6. 1981 der damaligen Finanzreferentin der beklagten Partei, Elisabeth H davon Mitteilung, welche dazu nichts sagte. Wolfgang S teilte auch der Klägerin mit, daß sich Elisabeth H nicht geäußert habe. Die Klägerin verrichtete auch nach dem 31. 3. 1981 noch die ihrem Dienstvertrag entsprechenden Arbeiten. Der Vorsitzende des Hauptausschusses war der Meinung, daß die Klägerin zur Verrichtung solcher Arbeiten noch berechtigt sei, da sie den Rechtsstreit in erster Instanz gewonnen habe.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Berufungsgericht rechtlich wie folgt: § 14 Abs. 3 HSchG 1973, wonach die Vorsitzenden der Hauptausschüsse die Hochschülerschaft an der jeweiligen Hochschule nach außen vertreten, enthalte zunächst keine Einschränkungen. Die Bestimmung, wonach jedes Rechtsgeschäft, das mit einer Ausgabe verbunden sei, der Unterzeichnung durch den Finanzreferenten gemeinsam mit dem Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter bedürfe, finde sich erst in § 21 HSchG 1973, der unter der Überschrift "Haushaltsführung" nähere Anordnungen über die Erstellung und den Beschluß des Jahresvoranschlages und Grundsätze der Finanzgebarung enthalte. Diese Gesetzeslage lasse den Schluß zu, daß die Verbindlichkeit von Rechtsgeschäften nach außen hin nicht dadurch beeinträchtigt werden sollte, daß sie nicht vom Finanzreferenten gegengezeichnet seien. Es gehe in § 21 HSchG 1973 um die Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und ordnungsgemäße Abwicklung der Finanzgebarung, aber offensichtlich nicht darum, die Rechtswirksamkeit von Willenserklärungen des Vorsitzenden nach außen hin einzuschränken. Tatsächlich sei die Vorschrift auch jahrelang von den Funktionären der Hochschülerschaft an der Universität Graz im wesentlichen so verstanden und gehandhabt worden. Das gebiete die Annahme der Rechtsverbindlichkeit der Zusatzvereinbarung, da der Klägerin derVertrauensschutz nach § 1029 ABGB zugute kommen müsse. Dazu komme noch, daß die Finanzreferentin der beklagten Partei die Zusatzvereinbarung widerspruchslos zur Kenntnis genommen habe. Ob die finanzielle Situation der beklagten Partei die Weiterbeschäftigung ermögliche oder nicht, sei irrelevant.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin hält der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Verbindlichkeit von Rechtsgeschäften werde durch das Fehlen der Gegenzeichnung nach § 21 Abs. 4 HSchG 1973 nach außen hin nicht beeinträchtigt, entgegen, daß damit der offensichtliche Gesetzeszweck, eine zusätzliche Kontrolle der Finanzgebarung der Hochschülerschaft einzurichten, unmöglich gemacht werde. Die Kontrollbestimmung könne die beabsichtigte Wirkung nur dann entfalten, wenn der Dritte das Fehlen der Gegenzeichnung gegen sich gelten lassen müsse. Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine Anscheinsvollmacht berufen. Auf diese Fragen ist diesmal aus folgenden Gründen nicht einzugehen: Die - nicht gerade glücklich - formulierte Bestimmung des § 21 Abs. 4 HSchG 1973 stellt nach ihrem Wortlaut nur auf schriftlich abgeschlossene Rechtsgeschäfte ab, weil bei mündlich abgeschlossenen Verträgen eine "Unterzeichnung" durch den Finanzreferenten begrifflich nicht in Frage kommt. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß der Vorsitzende der Hochschülerschaft mündliche Rechtsgeschäfte, die mit einer Ausgabe verbunden sind, ohne Zustimmung des Finanzreferenten abschließen dürfte. Andererseits enthält das Hochschülerschaftsgesetz 1973 aber auch keine Norm, durch die angeordnet würde, daß die Hochschülerschaft bei sonstiger Unwirksamkeit nur schriftliche Rechtsgeschäfte abschließen dürfte. Die Form des Geschäftes war daher offensichtlich kein legislatorisches Motiv (vgl. Wilhelm in JBl. 1982, 202, 205). Der Zweck der Bestimmung des § 21 Abs. 4 Satz 1 HSchG 1973 besteht vielmehr darin, den Vorsitzenden der jeweiligen Hochschülerschaft bei der Eingehung finanzieller Verpflichtungen zu Lasten der von ihm vertretenen Körperschaft aus Gründen der Kontrolle - wenn auch vielleicht nur im Innenverhältnis - an die Zustimmung eines zweiten Organs zu binden. Es kommt daher entscheidend nicht auf die - nur bei schriftlichen Verträgen mögliche - Mitunterzeichnung durch den Finanzreferenten, die nur der Beweis seiner Zustimmung ist, sondern auf die Zustimmung als solche an. Ein unter § 21 Abs. 4 HSchG 1973 fallendes Rechtsgeschäft ist daher jedenfalls dann wirksam, wenn ihm der Finanzreferent zugestimmt hat, mag auch die Mitunterfertigung der hierüber errichteten Urkunde unterblieben sein.

Kommt es aber auf die Zustimmung und nicht auf den Formalakt der Unterfertigung an, dann ist auch eine schlüssige Zustimmung möglich. Grundsätzlich können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts iS des § 863 ABGB ihren Willen durch schlüssiges Verhalten erklären (SZ 44/146 ua.); Voraussetzung ist allerdings, daß das iS des § 863 ABGB zurechenbare Verhalten gerade von jenem Organ gesetzt wurde, das nach der Verfassung der juristischen Person zur Erklärung des ausdrücklichen Geschäftswillens berufen wäre (in diesem Sinn SZ 49/142; JBl. 1981, 148; JBl. 1982, 179 ua.). Eine solche schlüssige Zustimmung liegt hier vor. Der Vorsitzende der beklagten Partei machte der zur Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung vom 15. 6. 1981 berufenen Finanzreferentin der beklagten Partei Elisabeth H vom Vertragsabschluß Mitteilung. Elisabeth H äußerte sich dazu nicht, wovon der Vorsitzende des Hauptausschusses wiederum der Klägerin Mitteilung machte. Nun gilt wohl Stillschweigen nicht schlechthin als Zustimmung. Anders ist es aber dann, wenn der Stillschweigende nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder, was hier in Frage kommt, nach dem Gesetze hätte reden müssen (SZ 37/119, SZ 44/90; JBl. 1977, 593; EvBl. 1982/104 uva.). Es war gesetzliche Aufgabe der Finanzreferentin Elisabeth H, an der ordnungsgemäßen Haushaltsführung durch Zustimmung oder Ablehnung von Rechtsgeschäften, die mit einer Ausgabe verbunden waren, mitzuwirken. Sie mußte auch, als sie vom Vorsitzenden der Hochschülerschaft über das abgeschlossene Rechtsgeschäft informiert wurde, annehmen, daß er sie in ihrer Funktion als Finanzreferentin davon in Kenntnis setze. Sie hätte daher in Wahrnehmung ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches eine Ablehnung dieses Rechtsgeschäftes unmißverständlich zum Ausdruck bringen müssen. Ihr Stillschweigen konnte vom Vorsitzenden des Hauptausschusses (und von der Klägerin) nur so gedeutet werden, daß sie als Finanzreferentin gegen den Abschluß des Geschäftes, aus welchen Gründen immer, keinen Einwand hatte. Damit sind aber die Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 HSchG 1973 als erfüllt anzusehen. Die Zusatzvereinbarung vom 15. 8. 1981 ist rechtswirksam. Der Prüfung der Frage, ob das Fehlen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 HSchG 1973 überhaupt Wirkungen im Außenverhältnis hätte, bedarf es bei dieser Rechtslage nicht.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bringt die Revisionswerberin vor, die zweite Instanz habe zu ihrem Vorbringen in der Berufung, daß sie wegen erheblicher Schulden eine Umstrukturierung ihrer Organisation durchführen müsse, keine Feststellungen getroffen. Dies sei aber entscheidungswesentlich, da sie befugt sei, die mit der Klägerin geschlossene Zusatzvereinbarung wegen geänderter Verhältnisse (vorzeitig) aufzulösen. Der damit der Sache nach behauptete, im Rahmen der Rechtsrüge zu behandelnde Feststellungsmangel liegt nicht vor. Die beklagte Partei verpflichtete sich vertraglich, von ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht nur dann Gebrauch zu machen, wenn sich die Klägerin "grober Pflichtverletzung" oder der "Vernachlässigung ihrer Obliegenheiten" schuldig machen oder "sonst ein Grund zur fristlosen Kündigung" - also ein Entlassungsgrund - vorliegen sollte. Abgesehen davon, daß die beklagte Partei mit Schreiben vom 29. 10. 1981 ohne Angabe von Gründen kundigte und keine vorzeitige Entlassung aus wichtigen Gründen aussprach (vgl. JBl. 1975, 457), liegen Entlassungsgrunde iS des § 27 AngG auch nicht vor. Eine ungünstige wirtschaftliche Lage des Dienstgebers, Betriebsnotstand, wirtschaftliche Krise, schlechte Konjunkturlage oder die Einstellung des Betriebes bilden grundsätzlich keinen Grund zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses, weil das Unternehmerrisiko nicht auf den Dienstnehmer überwälzt werden darf (Kuderna, Entlassungsrecht 37).

Anmerkung

Z55168

Schlagworte

Hochschülerschaft, Rechtsgeschäfte: (Mit-)Fertigung durch, Finanzreferenten, Person, juristische des öffentlichen Rechts, Willenserklärung durch, schlüssiges Verhalten, Willenserklärung, schlüssige, einer Person öffentlichen Rechts

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0040OB00160.82.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19821109_OGH0002_0040OB00160_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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