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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in M, vertreten durch Dr. Josef Flaschberger, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Getreidegasse 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 27. Jänner 2005, Zl. 7-V-KFE- 608/6/2004, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot und Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der mit ihm ausgesprochenen Entziehung der Lenkberechtigung und des verhängten Lenkverbotes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, hinsichtlich der Anordnung einer Nachschulung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0272, verwiesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen (Ersatz)Bescheid vom 27. Jänner 2005 entzog der Landeshauptmann von Kärnten dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 1 und 3 sowie § 26 Abs. 2 des Führerscheingesetzes (FSG) die ihm von der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung auf die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab dem Tag der Zustellung des erstbehördlichen Bescheides (10. Juli 2003). Unter einem wurde gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG bis zum Ablauf der festgesetzten Entziehungsdauer, gerechnet ab dem Tag der Zustellung des Erstbescheides, das Lenken eines Motorfahrrades, eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges sowie eines Invalidenfahrzeuges ausdrücklich verboten. Unter einem wurde weiters gemäß § 24 Abs. 3 FSG angeordnet, dass sich der Beschwerdeführer einer begleitenden Maßnahme (Nachschulung für alkoholauffällige Lenker) während der oben genannten Entziehungszeit zu unterziehen habe.
Begründend führte der Landeshauptmann von Kärnten aus, auszugehen sei im Beschwerdefall von der Tatsache, dass der Beschwerdeführer am 10. Mai 2002 in alkoholisiertem Zustand (die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt habe einen Wert von 1,88 g/l bzw. 1,79 g/l) ergeben, ein nach dem Kennzeichen näher bestimmtes Kraftfahrzeug in Tarvis auf öffentlichen Straßen gelenkt habe. Der Beschwerdeführer sei wegen dieses Verhaltens mit Entscheidung des Ufficio del Giudice di Pace di Pontebba vom 27. Jänner 2003 zu einer Geldstrafe von insgesamt EUR 516,-- sowie einem "Führerscheinentzug" in der Dauer von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden. In der Folge sei dann der dem Beschwerdeführer in Italien abgenommene Führerschein der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt mit dem Bemerken übermittelt worden, dass der Beschwerdeführer in Tarvis die italienische Straßenverkehrsordnung dadurch übertreten habe, dass er im alkoholisierten Zustand ein Fahrzeug gelenkt habe (die weitere Begründung des Bescheides entspricht der Begründung des mit dem oben erwähnten hg. Erkenntnis vom 20. April 2004 aufgehobenen Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Kärnten).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Zur maßgeblichen Rechtslage und zu den Voraussetzungen für eine Entziehung der Lenkberechtigung (Verhängung eines Lenkverbotes) wegen eines im Ausland begangenen Alkoholdelikts wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. April 2004 verwiesen.
2.1. Die belangte Behörde stützt sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich darauf, dass der Beschwerdeführer wegen des Vorfalls am 10. Mai 2002 mit Bescheid des Ufficio del Giudice di Pace di Pontebba vom 27. Jänner 2003 zu einer Geldstrafe von insgesamt EUR 516,-- sowie einem "Führerscheinentzug" in der Dauer von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden sei. Dass dieser Bescheid vom 27. Jänner 2003 gegenüber dem Beschwerdeführer wirksam erlassen worden wäre, wird von der belangten Behörde hingegen nicht festgestellt. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten sind auch keinerlei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides darauf gerichtete Ermittlungsschritte erkennbar. Zwar ersuchte die belangte Behörde mit Schreiben vom 24. Juni 2004 (Aktenseite 20) die Präfektur der Provinz Udine, "auch den Strafbescheid zu übermitteln, mit welchem der Betroffene wegen alkoholisierten Lenkens am 10.5.2002 in Tarvis in Italien bestraft worden ist", die an das Amt der Kärntner Landesregierung gerichtete, mit 9. August 2004 datierte Antwort des Ufficio territoriale del Governo di Udine (Aktenseite 21) beschränkte sich jedoch auf die Übermittlung einer Kopie der Entscheidung vom 27. Jänner 2003. Angaben zur Erlassung dieser Entscheidung gegenüber dem Beschwerdeführer waren in der Antwort nicht enthalten.
Erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ersuchte der Landeshauptmann von Kärnten die Präfektur in Udine mit Schreiben vom 15. Februar 2005 (Aktenseite 31), bekannt zu geben, ob die Entscheidung vom 27. Jänner 2003 dem Beschwerdeführer auch zugekommen sei. Aus einer im Verwaltungsakt (Aktenseite 39) erliegenden Übersetzung der Antwort des Ufficio del Giudice di Pace di Pontebba vom 7. April 2005 ist zu entnehmen, dass der belangten Behörde mitgeteilt werde, dass die Entscheidung vom 27. Jänner 2003 der Rechtsanwältin R. in Tolmezzo zugestellt worden sei, bei welcher der Beschwerdeführer "ansässig" gewesen sei, überdies sei eine neuerliche Kopie mittels näher bezeichneten Einschreibbriefes direkt an den Beschwerdeführer zugestellt worden. Beigeschlossen war eine Kopie eines italienischen Rückscheins, der das Datum 1. Oktober 2003 trägt und eine Adresse des Beschwerdeführers in R. nennt (diese Adresse deckt sich jedenfalls nicht mit der im Verwaltungsverfahren angegebenen und von der belangten Behörde bei ihren Zustellungen herangezogenen Adresse des Beschwerdeführers). Der erst in der Gegenschrift enthaltene Hinweis, die Entscheidung vom 27. Jänner 2003 sei rechtswirksam ergangen, weil das Büro des Friedensrichters von Pontebba mitgeteilt habe, die Entscheidung sei der Rechtsanwältin R. in Tolmezzo zugestellt worden, die den Beschwerdeführer im Verfahren vertreten habe, ist - abgesehen davon, dass die Begründung eines Bescheides nicht wirksam in der Gegenschrift nachgeholt werden kann - auch inhaltlich nicht geeignet, die Erlassung der Entscheidung gegenüber dem Beschwerdeführer darzulegen, weil jegliche Feststellungen über die italienische Rechtslage und die näheren Umstände des behaupteten Einschreitens von R. für den Beschwerdeführer (gewillkürte Vertretung oder Vertretung in Abwesenheit) fehlen.
Angesichts des aufgezeigten Feststellungsmangels und des nicht dem Neuerungsverbot unterliegenden Beschwerdevorbringens, der Beschwerdeführer habe die Entscheidung vom 27. Jänner 2003 nie erhalten und eine wirksame Zustellung an ihn sei unterblieben, ist die auf die Annahme einer rechtskräftigen Bestrafung gegründete Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers ebenso mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet wie das unter einem verhängte Lenkverbot. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren wird die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass, sollte eine wirksame Erlassung der Entscheidung vom 27. Jänner 2003 gegenüber dem Beschwerdeführer nicht erweislich sein, eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers (und eine Verhängung eines Lenkverbotes) nicht mehr in Frage käme (siehe zur Voraussetzung der rechtskräftigen Bestrafung das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. April 2004).
2.2. Da mit der Aufhebung der Entziehung der Lenkberechtigung und des Lenkverbotes der Anordnung einer Nachschulung ex tunc die Grundlage entzogen ist, war der angefochtene Bescheid diesbezüglich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Ausspruch über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Wien, am 24. Mai 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005110066.X00Im RIS seit
24.06.2005