TE OGH 1982/11/9 10Os83/82

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Veröffentlicht am 09.11.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1982

durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter untez Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Müller-Dachler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Georg A und einen anderen wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Ernst B gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht (in Jugendstrafsachen) vom 11.März 1982, GZ. 2 b Vr 1771/81-30, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lindenthaler sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek - zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Punkt II des Urteilssatzes) unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten Ernst B sowie gemäß § 290 Abs 1 StPO auch hinsichtlich des Verurteilten Georg A im Schuldspruch wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (Punkt I) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Georg A und Ernst B werden von der Anklage, sie haben am 23.März 1981 in Wien in Gesellschaft des Ferika C als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Harald D die persönliche Freiheit entzogen, indem sie ihn auf eine Parkbank zerrten und ihn dort 15 Minuten lang niederdrückten, gemäß § 259 Z. 3 StPO - Ernst B sohin zur Gänze - freigesprochen.

Gemäß § 13 Abs 1 JGG. 1961 wird der Ausspruch und die Vollstreckung der über Georg A wegen des ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Urteils (Punkt II) weiterhin zur Last liegenden Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren vorläufig aufgeschoben. Mit seiner Berufung wird Ernst B auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 30.April 1964 geborene Schüler Georg A und der am 11.Oktober 1963 geborene Schüler Ernst B (ersterer außer einer anderen strafbaren Handlung) des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB

schuldig erkannt, weil sie am 23.März 1981 in Wien in Gesellschaft des deswegen später gesondert rechtskräftig abgeurteilten) Ferika C als Beteiligte dem Harald D die persönliche Freiheit entzogen, 'indem sie ihn auf einer Parkbank einige Minuten niederdrückten'. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen beschloß Georg A dem Mitschüler Harald D wegen früherer ihn beleidigender Äußerungen die Haare zu schneiden. Die weiteren Mitschüler Ernst B und Ferika C waren damit einverstanden, nachdem sie der Erstgenannte ersucht hatte, dafür zu sorgen, daß sich D dabei nicht verletze. Nach Unterrichtsschluß 'geleiteten' A und C Harald D zu einer in der Nähe des Schuldgebäudes befindlichen Bank, wo sich letzterer niedersetzte. A legte D sodann die linke Hand um den Hals und begann, ihm mit einer Schere im Bereich des Hinterkopfes Haare abzuschneiden. Ein Versuch D, aufzustehen und sich zu wehren, wurde von B und C vereitelt, indem C D an einer Hand und B ihn an einem Fuß festhielten, sodaß D weder um sich schlagen noch aufstehen konnte.

Den Angeklagten kam es dabei darauf an, D so lange festzuhalten, bis A mit dem Haareschneiden aufhören würde. Mit der zwar nicht in ihre Absicht aufgenommenen Freiheitsentziehung fanden sie sich nach den Urteilsannahmen dolo eventuali ab. Infolge der übermacht verzichtete D auf jede Gegenwehr und ließ es geschehen, daß ihm A am Hinterkopf die Haare (kreisförmig) in einem Durchmesser von ca. 10 cm wegschnitt.

Dabei war er ca. fünf bis zehn Minuten in seiner freien Bewegungsfähigkeit gehindert.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte B mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a (sachlich auch 9 lit b und 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Bereits der auf Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO

gestützten Rechtsrüge kommt Berechtigung zu, mit welcher der Beschwerdeführer (im Ergebnis) geltend macht, daß die ihm zur Last gelegte Tat (als Offizialdelikt) gerichtlich nicht strafbar sei, weil das vom Erstgericht konstatierte Festhalten eines Jugendlichen auf einer Parkbank durch drei weitere Jugendliche während eines Zeitraumes von 5 bis 10 Minuten über das bei Auseinandersetzungen dieser Art (Balgereien) normalerweise übliche Maß nicht hinausgehe und das Abschneiden von Haaren, wie schon das Jugendschöffengericht zutreffend erkannt habe (S. 159), straflos sei.

Nach den Konstatierungen des Erstgerichts (S. 157) wurde Harald D 'ca. 5 bis 10 Minuten' an seiner Bewegungsfreiheit gehindert. Die Anführung einer Mindestund Höchstdauer für den Zeitraum, während dessen die Bewegungsfreiheit D ausgeschaltet war, durch das Erstgericht kann jedoch nur dahin verstanden werden, daß es nicht (im Sinn des § 258 Abs 2 StPO) die überzeugung gewonnen hat, der bezeichnete Zustand - Abschneiden einiger Haarbüschel bei kaum nennenswertem Widerstand des Opfers - habe wirklich 10 Minuten gedauert, sondern es dies vielmehr bloß für möglich hielt und daher lediglich von der Mindestdauer von 5 Minuten (entsprechend der vorzitierten Gesetzesstelle - restlos) überzeugt war. Solcherart ging aber die mit dem Haareschneiden verbunden gewesene Ausschaltung der Bewegungsfreiheit - die zur Tatbestandsverwirklichung dem Gefangenhalten nach Art, Schwere und Dauer i.S. einer vollständigen Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit qualitativ gleichwertig sein muß (vgl. EvBl 1976/172; ÖJZ-LSK 1977/193) -

bei D jedenfalls nicht über jenes Maß hinaus, das bei nicht strafgesetzwidrigen Balgereien zwischen Jugendlichen (Heranwachsenden) immer wieder vorkommt (vgl. RZ. 1979/48 u.a.).

Das Verhalten des Angeklagten kann aber auch nicht als Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB qualifiziert werden.

Dieser Vergehenstatbestand ist zwar angesichts der außer Frage stehenden Willensbeugung des Harald D zur Duldung des Haareschneidens in objektiver Beziehung verwirklicht worden, nicht aber (auch) auf der subjektiven Tatseite. Denn beabsichtigt war den erstgerichtlichen Konstatierungen (s. insb. S. 159 f.) zufolge nicht diese Willensbeugung, sondern ein gewaltsames Haareschneiden (gegen den Widerstand des Opfers). Damit erschöpft sich der Unrechtsgehalt auf der subjektiven Tatseite in einer Beteiligung des Angeklagten an einer tätlichen Beleidigung nach §§ 12, 115 StGB, aus der nicht deshalb, weil das Opfer schließlich den Widerstand aufgibt, eine Nötigung (§ 105 StGB) werden kann (vgl. abermals RZ. 1979/48). Es war daher bereits aus diesem Grund - Erörterungen in Richtung des Privatanklagedelikts nach § 115 StGB

erübrigen sich schon zufolge Ablaufs der im § 46 Abs 1 StPO (§ 43 Abs 1 letzter Satz JGG. 1961) normierten sechswöchigen Frist für die Anklageerhebung - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde (Z. 9 lit a) des Angeklagten B mit einem Freispruch vorzugehen, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen bedurfte. Dieser Nichtigkeitsgrund kommt auch dem (mit demselben Urteil) bereits rechtskräftig abgeurteilten Georg A zustatten, weshalb auch bei ihm in Ansehung des Schuldspruchfaktums I gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen (mit einem Freispruch) vorzugehen war.

Bei der hiedurch hinsichtlich Georg A in Ansehung des ihm weiterhin zur Last fallenden Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (begangen dadurch, daß er am 23.März 1981 Harald D nach dem zuvor erwähnten Haareschneiden vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihm Schläge gegen den Kopf und den Körper versetzte, wodurch D ein Hämatom am Hinterkopf, verbunden mit Kopfschmerzen, sowie Prellungen des dritten und fünften Fingers der rechten Hand und des Brustkorbes erlitt) notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe waren kein Umstand erschwerend, hingegen der bisher unbescholtene Lebenswandel und das Geständnis mildernd. Die aufgezeigten Milderungsgründe, denen kein Erschwerungsumstand gegenübersteht, rechtfertigen die Anwendung des § 13 JGG., zumal nach Lage des Falles anzunehmen ist, daß der Schuldspruch allein genügen werde, um den (in geordneten Familienverhältnissen lebenden) Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Dem stehen auch generalpräventive Erwägungen nicht entgegen. Der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe konnte daher für eine mit drei Jahren bestimmte Probezeit vorläufig aufgeschoben werden.

Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E04024

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00083.82.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19821109_OGH0002_0100OS00083_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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