TE OGH 1982/11/10 1Ob38/82

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Veröffentlicht am 10.11.1982
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Norm

AHG §1
NÖ FLG §3 Abs2
NÖ FLG §7
NÖ FLG §13
NÖ FLG §14
NÖ FLG §27 Abs1
NÖ FLG §28

Kopf

SZ 55/173

Spruch

Das von der Agrarbezirksbehörde von Amts wegen einzuleitende und erst nach vollständigem Vollzug des Zusammenlegungsplanes abzuschließende Zusammenlegungsverfahren nach dem niederösterreichischen Flurverfassungslandesgesetz fällt bis zu seinem Abschluß in den Bereich der Hoheitsverwaltung; auch die Zusammenlegungsgemeinschaft wird, soweit sie die ihr zugewiesenen Aufgaben im Auftrag und unter Aufsicht der Agrarbezirksbehörde durchzuführen hat, in Vollziehung der Gesetze des Rechtsträgers Land tätig

OGH 10. November 1982, 1 Ob 38/82 (OLG Wien 14 R 77/82; LGZ Wien 40 c Cg 529/80)

Text

Mit Verordnung der Nö. Agrarbezirksbehörde vom 22. 2. 1973, Zl. 266/19-1973, wurde gemäß § 3 Nö. Flurverfassungslandesgesetz, LGBl. 208/1934 in der (damals geltenden) Fassung des Gesetzes LGBl. 221/1971, von Amts wegen das Verfahren zur Zusammenlegung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke in A eingeleitet. Anläßlich von Drainagierungsarbeiten, die die kulturtechnische Fachabteilung der Nö. Agrarbezirksbehörde im Zuge dieses Zusammenlegungsverfahrens durchführen ließ, beschädigte ein Bagger der von dieser Behörde herangezogenen Firma Johann B am 15. 12. 1976 ein Fernmeldekabel der klagenden Partei, der Republik Österreich.

Mit der ausdrücklich als Klage nach dem Amtshaftungsgesetz bezeichneten und ausschließlich auf diesen Rechtsgrund gestützten Klage nimmt die klagende Partei das Land Niederösterreich als zuständigen Rechtsträger in Anspruch und begehrt Ersatz des der Höhe nach außer Streit stehenden Reparaturkostenaufwandes von 46 665.20 S und des Gebührenausfalles von 181 464.30 S, zusammen 228 129.50 S samt Anhang, mit der Behauptung, daß der Schaden von Organen der Nö. Agrarbezirksbehörde in Vollziehung der Gesetze verschuldet worden sei.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß ihre Organe nicht in Vollziehung der Gesetze, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig geworden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende wesentliche Feststellungen: Projektsleiter des Zusammenlegungsverfahrens sei Ing. Heinz F und Operationsleiter Dipl.-Ing. Alfred E, beide Bedienstete der kulturtechnischen Abteilung der Nö. Agrarbezirksbehörde, gewesen. Bei einer Vorbesprechung am 27. 8. 1973 habe Dipl.-Ing. Alfred E Ing. Franz R vom Kabelbauamt Wien 3 gefragt, ob im Zusammenlegungsgebiet Fernkabel verlegt seien. Als Ing. Franz R dies bejaht habe, sei der ungefähre Verlauf der verlegten Fernmeldekabel in den sogenannten Wegenetzplan eingezeichnet und vereinbart worden, daß das Einvernehmen mit dem Kabelbautrupp hergestellt werde, wenn bei den Zusammenlegungsarbeiten eine Kabelverlegung notwendig werden sollte. Bei einer weiteren Besprechung vom 14. 3. 1974, zu der von der Nö. Agrarbezirksbehörde wiederum das Kabelbauamt geladen worden sei, hätten die für das Kabelbauamt und das Telegrafenbauamt erschienenen Vertreter eine schriftliche Stellungnahme überreicht, in der wiederum auf die Lage der im Operationsgebiet verlegten Fernkabel hingewiesen und im Falle der Notwendigkeit der Verlegung von Fernkabeln neuerlich um die Herstellung des Einvernehmens mit der Abteilung 3 des Kabelbauamtes Wien und des Telegrafenbauamtes 5 ersucht worden sei. Dipl.-Ing. Alfred E, dem die Planung der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen (einschließlich der Drainagierungsarbeiten) oblegen sei, habe im Plan auch die bekanntgegebene Kabeltrasse eingetragen. Die Überwachung der Drainagierungsarbeiten in gesetzlicher, fachlicher und wirtschaftlicher Hinsicht sei Aufgabe der kulturtechnischen Fachabteilung der Nö. Agrarbezirksbehörde gewesen. Sie sei in der Weise erfolgt, daß ein Organ dieser Fachabteilung an Ort und Stelle die Arbeiten angeordnet und beaufsichtigt habe. Vom Operationsleiter Dipl.-Ing. Alfred E sei das Organ der kulturtechnischen Fachabteilung auf den Kabelverlauf im Bereich der Drainagierungsarbeiten aufmerksam gemacht worden. Dieses Organ habe von notwendigen Kabelverlegungen das Kabelbauamt oder die Postverwaltung verständigt. Es sei auch vorgekommen, daß der Obmann der Zusammenlegungsgemeinschaft, der ebenfalls einen Plan gehabt habe, diese Verständigung vorgenommen habe.

Auch Ing. Heinz F habe den Verlauf des gegenständlichen Fernmeldekabels nach Angaben des Dipl.-Ing. Alfred E in einen Plan eingezeichnet und diesen an den bei der Agrarbezirksbehörde beschäftigten Polier Viktor G weitergegeben. Viktor G habe das Kabelbauamt einige Male von den jeweils notwendigen Verlegungsarbeiten verständigt. Einige Monate vor dem Schadenseintritt sei er gestorben. Dadurch sei - mit den übrigen Unterlagen - auch der Plan, der die Lage des Fernmeldekabels enthielt, vorübergehend in Verstoß geraten, sodaß er dem Nachfolger des Viktor G, dem ebenfalls bei der Agrarbezirksbehörde beschäftigten Polier Anton P nicht zur Verfügung gestanden sei. Dadurch, daß Anton P von der Lage des Kabels keine Kenntnis gehabt habe, sei eine Verständigung der Post- und Telegrafenverwaltung unterblieben. Als bei Grabungsarbeiten Ziegelbrocken und Schutt hervorgekommen seien, habe Anton P den Gründeigentümer gefragt, ob in diesem Bereich vielleicht etwas verlegt sei. Er habe die Antwort erhalten, daß es sich um einen alten Weg handle. Daraufhin sei weitergearbeitet worden, worauf es zur Beschädigung des sachgemäß verlegten Fernkabels gekommen sei. Durch diese Beschädigung habe die klagende Partei einen Gebührenausfall in der Höhe von 181 464.30 S erlitten.

Die Organe der beklagten Partei hätten den Schaden in Vollziehung der Gesetze zugefügt, weil die Agrarbezirksbehörde nach den Bestimmungen des Nö. Flurverfassungslandesgesetzes (FLG 1975) im Zusammenlegungsgebiet die erforderlichen bodenverbessernden und landschaftsgestaltenden Maßnahmen, so auch Erdarbeiten, durchzuführen, Entwässerungsanlagen zu errichten und die zur zweckmäßigen Erschließung der Bewirtschaftung der Abfindungsgrundstücke notwendigen Veränderungen an bestehenden Anlagen vorzunehmen gehabt habe. Da auch alle weiteren Voraussetzungen einer Schadenersatzhaftung, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Schuld, gegeben seien, habe die beklagte Partei für den Schaden nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes aufzukommen. Der Schaden sei der beklagten Partei anzulasten, da sie verpflichtet gewesen wäre, die mit den Drainagierungsarbeiten beauftragte Firma so zu überwachen, daß jede nicht unbedingt notwendige Schädigung fremder Interessen vermieden worden wäre. Die beklagte Partei hafte insbesondere für die Unterlassung einer entsprechenden Information des neuen Poliers Anton P. Die klagende Partei habe auch Anspruch auf Ersatz des während der Dauer der Unterbrechung des Kabels entstandenen Gebührenausfalles.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Gemäß § 14 Abs. 5 Nö. FLG 1975 (= 1971) obliege die Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen sowie die Errichtung der gemeinsamen Anlagen (§ 13 Abs. 1 FLG 1975), also insbesondere auch die Durchführung von Entwässerungsanlagen und deren Erhaltung, bis zur Übergabe an die Erhaltungspflichtigen der Zusammenlegungsgemeinschaft. Die Zusammenlegungsgemeinschaft habe jedoch die ihr zugewiesenen Aufgaben und Maßnahmen im Auftrag und unter Aufsicht der Behörde durchzuführen. Die Tätigkeit der Behörde erschöpfe sich nicht in der Erstellung eines Entwurfes über die gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen (§ 14 Abs. 1 Nö. FLG 1975) und in der Erlassung eines Bescheides (Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen; § 14 Abs. 2 Nö. FLG); vielmehr seien die Einzelheiten der technischen Gestaltung, Ausführung und Finanzierung der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen, soweit sie nicht im Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen festgestellt worden seien, nach Anhörung der im § 14 Abs. 1 Nö. FLG 1975 genannten Personen in gesonderten Bescheiden zu regeln. Die Behörde habe die Verpflichtung, dies zu tun. Die Aufsichtspflicht der Behörde finde auch in der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 97 Abs. 1 Nö. FLG 1975 ihren Niederschlag, derzufolge sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde mit Ausnahme der hier nicht in Betracht kommenden Angelegenheiten des Abs. 4 vom Zeitpunkt der Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens (oder der anderen dort genannten Verfahren) bis zum Zeitpunkt des Abschlusses eines solchen Verfahrens auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen, erstreckt. Während dieses Zeitraumes sei in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit jener Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich die Angelegenheiten sonst gehörten. Zu den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müßten, gehörten auch die im Zusammenlegungsgebiet erforderlichen Maßnahmen sowie die zur zweckmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung der Abfindungsgrundstücke notwendigen oder zweckmäßigen Anlagen iS der §§ 13 Abs. 1 Nö. FLG 1975. Das Aufsichtsrecht der Behörde sei nicht auf den Fall der gröblichen Vernachlässigung der Aufgaben der Zusammenlegungsgemeinschaft beschränkt. Die für diesen besonderen Fall vorgesehenen Sanktionen setzten vielmehr eine laufende Aufsicht und Kontrolle der Behörde voraus. Verfehlt sei auch die Ansicht der Berufung, daß die beispielsweise Aufzählung der erforderlichen Arbeiten im § 113 Abs. 4 Nö. FLG 1975 insofern signifikant sei, als es sich durchwegs um Arbeiten handle, die sich von den im § 13 Abs. 1 Nö. FLG 1975 aufgezählten Maßnahmen sehr erheblich unterschieden. Die im § 13 Abs. 4 Nö. FLG 1975 aufgezählten Arbeiten pflegten gerade auch bei der Durchführung gemeinsamer Maßnahmen und Anlagen anzufallen. Das niederösterreichische Flurverfassungslandesgesetz sehe nicht vor, daß die Behörde irgendwelche privatwirtschaftlichen Maßnahmen vornehme oder im Auftrag einer Partei tätig werde. Die Organe der Nö. Agrarbezirksbehörde hätten somit bei der Anordnung und Beaufsichtigung der zum Schadensfall führenden Drainagearbeiten ausschließlich im Rahmen der Hoheitsverwaltung, also "in Vollziehung der Gesetze", gehandelt. Eine Prüfung der Frage, welche Funktionen hiebei im einzelnen der Projektleiter und welche der Operationsleiter zu erfüllen gehabt habe, sei nicht erforderlich, weil beide ihre Aufgaben als Organe der Nö. Agrarbezirksbehörde erfüllt hätten. Auch faktische Verrichtungen könnten den Begriff des Handelns "in Vollziehung der Gesetze" erfüllen. Der gegenständliche Schaden sei nicht auf einen Arbeitsfehler des Baggerführers, sondern darauf zurückzuführen, daß die Organe der Nö. Agrarbezirksbehörde ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen seien; dadurch habe es geschehen können, daß der Polier die zum Schaden führenden Arbeiten ohne jede Unterlage in Angriff genommen habe und infolgedessen ein Kabel beschädigt worden sei. Die beklagte Partei hätte, so wie dies auch früher geschehen sei, mit den Beamten des Kabelbauamtes das Einvernehmen herstellen müssen. Auch das Verhalten des Poliers der Nö. Agrarbezirksbehörde komme als schuldhaftes Organverhalten in Betracht. Der Gebührenausfall, den die klagende Partei durch die Unterbrechung des Kabels habe, sei positiver Schaden und nicht entgangener Gewinn, weil die Post- und Telegraphenverwaltung bereits eine rechtlich gesicherte Position gehabt habe, diesen Gewinn zu erzielen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 1 AHG haften ua die Länder nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für schuldhaftes Handeln derjenigen Organe, die jemandem durch ihr rechtswidriges Verhalten "in Vollziehung der Gesetze" Schaden zugefügt haben. Es ist ständige, mit der Rechtslehre (Walter - Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechts[4] 339; Novak in ÖJZ 1979, 1 ff., insbesonders 6; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht 819; Loebenstein - Kaniak, Komm. z. AHG 44 f.) übereinstimmende Rechtsprechung (SZ 53/12; SZ 51/186; SZ 51/2; SZ 45/134 uva.), daß ein Organ eines Rechtsträgers nur dann in Vollziehung der Gesetze iS des § 1 AHG handelt, wenn es im Bereich der Hoheitsverwaltung des Rechtsträgers tätig ist. Ein Rechtsträger wird auf dem Gebiete der Hoheitsverwaltung tätig, wenn er zur Erreichung der Verwaltungsziele Hoheitsakte setzt, auf dem Gebiete der Privatwirtschaftsverwaltung hingegen dann, wenn er sich zur Erreichung dieser Ziele der gleichen Mittel bedient, die die Rechtsordnung jedermann, also auch Privaten, zur Verfügung stellt (SZ 45/134). Hoheitsverwaltung ist insbesondere anzunehmen, wenn ein Rechtsträger dem Staatsbürger mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet gegenübertritt. Entscheidend ist somit, welche rechtstechnischen Mittel der Gesetzgeber zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereit hält (VfGH Slg. 3262/1957; OGH SZ 51/184; SZ 45/134). Beim schadenstiftenden Verhalten in Vollziehung der Gesetze muß es sich nicht unmittelbar um Setzen oder Unterlassen von Befehls- oder Zwangsmaßregeln handeln. Erforderlich ist nur, daß das in Betracht kommende Organverhalten in einen Tätigkeitsbereich fällt, der an sich mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet ist (SZ 51/184; SZ 45/134; SZ 43/167). Unter diesen Voraussetzungen können auch rein tatsächliche Verrichtungen unter den Begriff "in Vollziehung der Gesetze" fallen (SZ 48/17; SZ 43/10 ua.).

Die im Flurverfassungsgrundsatzgesetz 1951 (FGG) und in den einzelnen Ausführungsgesetzen der Länder (für den gegenständlichen Fall das Nö. Flurverfassungslandesgesetz 1975, LGBl. 6650) geregelte Grundstückszusammenlegung verfolgt das Ziel, durch Neueinteilung und Erschließung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes, sowie Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der Betriebe die Besitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse im ländlichen Raum zu verbessern oder neu zu gestalten (§ 1 Abs. 1 FGG; sinngemäß § 1 Abs. 1 Nö. FLG 1975). Dieses Ziel soll vor allem durch Beseitigung der Mängel der Agrarstruktur (zersplitterter Grundbesitz) und Maßnahmen im allgemeinen öffentlichen Interesse erreicht werden (§ 1 Abs. 2 FGG; § 1 Abs. 2 Nö. FLG 1975). Das Verfahren ist von Amts wegen mit Verordnung einzuleiten (§ 10 Abs. 1 FGG; § 3 Abs. 2 Nö. FLG 1975), was der Motivbericht zum Entwurf der Nö. Flurverfassungsnovelle 1971 damit begrundete, daß die Zusammenlegung überwiegend im öffentlichen Interesse durchgeführt wird. Ein Antragsrecht der Gründeigentümer besteht in Niederösterreich nicht mehr (Ahammer, Das Verfahren der Grundstückszusammenlegung[3] 17). Die Agrarbehörden haben während eines Zusammenlegungsverfahrens eine umfassende Zuständigkeit. Sie erstreckt sich gemäß § 97 Abs. 1 Nö. FLG 1975 - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - vom Zeitpunkt der Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens bis zum Zeitpunkt seines Anschlusses auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen (ebenso § 34 Abs. 3 FGG). Die Agrarbehörde hat nicht nur nach Feststellung des Besitzstandes und der Abfindungswünsche und der Bewertung der Grundstücke die der Beseitigung der Mängel der Agrarstruktur dienende neue Flureinteilung zu bestimmen und hiefür Abfindungen bescheidmäßig festzusetzen (sogenannter Zusammenlegungsplan; § 21 Nö. FLG 1975), sondern auch über die gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen im Zusammenlegungsgebiet einen Plan zu erstellen und über die Ergebnisse der Planung einen Bescheid, allenfalls auch über Teilergebnisse Teilbescheide, zu erlassen (§ 14 Abs. 1 und 2 Nö. FLG 1975). Gemäß § 13 Abs. 1 Nö. FLG 1975 sind im Zusammenlegungsgebiet die erforderlichen bodenverbessernden gelände- oder landschaftsgestaltenden Maßnahmen (wie Kultivierungen, Erdarbeitungen, Aufforstungen udgl.) durchzuführen sowie jene Anlagen (wie Wege, Brücken, Gräben, Entwässerungs-, Bewässerungs- und Bodenschutzanlagen) zu errichten und jene Veränderungen an bestehenden Anlagen vorzunehmen, die zur zweckmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung der Abfindungsgrundstücke notwendig sind oder sonst den Zweck der Zusammenlegung fördern und einer Mehrheit von Parteien dienen. Auch die Einzelheiten der technischen Gestaltung, Ausführung und Finanzierung der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen sind, soweit sie nicht im Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen festgelegt wurden, in gesonderten Bescheiden zu regeln.

Die Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen sowie die Errichtung der gemeinsamen Anlagen (§ 13 Abs. 1 Nö. FLG 1975) obliegt der Zusammenlegungsgemeinschaft (§ 14 Abs. 5 Nö. FLG 1975), die die Eigentümer der Grundstücke, die der Zusammenlegung unterzogen werden, bilden. Die Zusammenlegungsgemeinschaft ist eine mit Verordnung zu begrundende Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 7 Abs. 1 Nö. FLG 1975; vgl. § 8 Abs. 1 und 3 FGG). Die Zusammenlegungsgemeinschaft ist Partei des Zusammenlegungsverfahrens (§ 6 lit. d Nö. FLG 1975). Sie hat die gemeinschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen, die Behörde bei der Neuordnung des Zusammenlegungsgebietes und in wirtschaftlichen Fragen zu beraten sowie im Auftrag und unter Aufsicht der Behörde die ihr zur Besorgung zugewiesenen Aufgaben durchzuführen, die sich aus der Zusammenlegung ergeben (§ 7 Abs. 2 Nö. FLG 1975). Schließlich ist sie auch Kostenträger, weil sie die erforderlichen Sach-, Arbeits- und Geldaufwendungen für die ihr zugewiesenen Aufgaben und Maßnahmen zu leisten und auf ihre Mitglieder umzulegen hat (§§ 7 Abs. 2, 115 Nö. FLG 1975). Gemäß § 27 Abs. 1 Nö. FLG 1975 hat die Behörde nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes, soweit dies nicht schon nach Sonderbestimmungen geschehen ist, die Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen und die Errichtung der gemeinsamen Anlagen, die Übernahme der Grundabfindungen, die Auszahlung der Geldabfindungen sowie die Durchführung der Geldausgleiche anzuordnen, alle Arbeiten einschließlich der Kennzeichnung der Grenzen der Grundabfindungen zu vollenden und die Richtigstellung des Grundbuches sowie des Grundsteuerkatasters oder Grenzkatasters zu veranlassen. Der Behörde sind zu diesem Vollzug auch Zwangsmittel an die Hand gegeben, mag davon auch wegen des Interesses der beteiligten Gründeigentümer an der Durchführung der Zusammenlegung nur selten Gebrauch gemacht werden. Wenn die Zusammenlegungsgemeinschaft ihre Aufgaben gröblich vernachlässigt, hat die Behörde nach vorheriger Androhung die versäumten Handlungen auf Gefahr und Kosten der Zusammenlegungsgemeinschaft nachzuholen (§ 9 Abs. 2 Nö. FLG 1975). Erst nach vollständigem Vollzug des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes einschließlich der Richtigstellung und der Neuanlegung des Grundbuches ist das Zusammenlegungsverfahren mit Verordnung abzuschließen (§ 28 Nö. FLG 1975).

Aus den dargestellten Regelungen ergibt sich, daß sich die hoheitlichen Aufgaben der Nö. Agrarbezirksbehörde nicht auf die zwischen der amtswegigen Einleitung des Verfahrens und der Erlassung der einschlägigen Bescheide (insbesondere des Zusammenlegungsplanes und des Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen) liegenden Verfahrensschritte beschränken. Die Behörde hat vielmehr nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes dessen Vollzug zu veranlassen und die dazu erforderlichen Arbeiten teils selbst durchzuführen, soweit es aber die gemeinsamen Maßnahmen und die Errichtung der gemeinsamen Anlagen betrifft, die Durchführung durch die Zusammenlegungsgemeinschaft anzuordnen. Die Aufgabe der Zusammenlegungsgemeinschaft im Zusammenlegungsverfahren ist eine zweifache. In Wahrung der gemeinschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder und bei der Beratung der Behörde steht sie dieser als Partei gegenüber. Soweit sie aber die ihr zur Besorgung zugewiesenen Aufgaben und Maßnahmen, die sich aus der Zusammenlegung ergeben, durchführt (§§ 7 Abs. 2, 14 Abs. 5 Nö. FLG 1975), hat sie keinen eigenen Wirkungskreis und nur eine nominelle Selbstverwaltung. Tatsächlich hat die Zusammenlegungsgemeinschaft die ihr insoweit zugewiesenen Aufgaben nur nach den Aufträgen (dh. Weisungen) der Agrarbehörde durchzuführen (Ahammer aaO 20). Sie ist damit selbst ein Teil der Erfüllung der öffentlichen Interessen, die die Flurverfassungsgesetze verfolgen. Auch die Zusammenlegungsgemeinschaft wird also, wenn sie im Auftrag und unter der Aufsicht der Nö. Agrarbezirksbehörde gemäß § 14 Abs. 5 und 27 Abs. 1 Nö. FLG 1975 gemeinsame Maßnahmen durchführt und gemeinsame Anlagen errichtet, in Vollziehung der Bescheide der Nö. Agrarbezirksbehörde und damit in Vollziehung der Gesetze des Rechtsträgers Land tätig. Allfällige von ihr bei Erfüllung dieser Aufgabe herangezogenen Privatunternehmer sind Organe iS des § 1 Abs. 2 AHG (vgl. JBl. 1981, 650).

Das gesamte Zusammenlegungsverfahren ist somit von seiner amtswegigen Einleitung bis zu seinem erst mit dem vollständigen Vollzug des Zusammenlegungsplanes im Verordnungswege festzusetzenden Abschluß ein mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattetes Verfahren, in dem für ein Tätigwerden im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung kein Raum bleibt. Auch die agrartechnischen (kulturtechnischen) Abteilungen der Nö. Agrarbezirksbehörde (vgl. § 2 Abs. 3 AgrBehG 1950) werden daher bei Ausführung eines Zusammenlegungsplanes "in Vollziehung der Gesetze" iS des § 1 Abs. 1 AHG tätig. An dieser Zuordnung der Tätigkeit ändert nichts, daß sich die kulturtechnische Abteilung der Nö. Agrarbezirksbehorde zur Durchführung der zum Unfall führenden Arbeiten eines privaten Unternehmers bediente (vgl. SZ 51/126). Der Ansicht der Revision, der hoheitliche Aufgaben besorgenden Agrarbehörde stunden, dem Verhältnis zwischen Straßenbehörde und Straßenverwaltung vergleichbar (SZ 45/134), kulturtechnische Fachabteilungen als "reine Technikerabteilungen ohne hoheitliche Funktion" gegenüber, kann auf Grund der dargestellten Gesetzeslage nicht gefolgt werden. Die Straßenverwaltung tritt der Straßenbehörde mit Bewilligungsanträgen gegenüber, handelt aber im Rahmen der erteilten Bewilligung ähnlich wie jeder private Bauwerber, nach eigenem Ermessen. Das gesamte Zusammenlegungsverfahren ist hingegen von seiner Einleitung bis zu seinem Abschluß auf die Erreichung der gesetzlichen Ziele ausgerichtet und nicht nur von Amts wegen einzuleiten, sondern auch teilweise unter Heranziehung der Zusammenlegungsgemeinschaft und mit auf Kosten ihrer Mitglieder, von Amts wegen durchzuführen.

Ist aber das gesamte Zusammenlegungsverfahren bis zu seinem Abschluß ein hoheitliches, so ist es für die Beantwortung der Frage, ob der klagsgegenständliche Schaden "in Vollziehung der Gesetze" zugefügt wurde, gleichgültig, ob die kulturtechnische Fachabteilung der Nö. Agrarbezirksbehörde - wie offenbar im gegenständlichen Fall - unmittelbar die Ausführung der Arbeiten durch einen Privatunternehmer anordnete oder ob die Zusammenlegungsgemeinschaft über Anordnung der Nö. Agrarbezirksbehörde den Auftrag an einen Privatunternehmer erteilte. Auch für die Frage der Passivlegitimation bleibt dies bedeutungslos, weil die Zusammenlegungsgemeinschaft bei der Errichtung gemeinsamer Anlagen, wie oben ausgeführt, nur in Vollziehung der Gesetze des Rechtsträgers Land tätig werden konnte, so daß auch das Verhalten ihrer Organe der beklagten Partei zuzurechnen wäre. Fragen der Verletzung von Aufsichtspflichten im Verhältnis zwischen Agrarbezirksbehörde und Zusammenlegungsgemeinschaft stellen sich bei dieser Rechtslage nicht.

Zur Frage der schuldhaften Verursachung des Schadens nimmt die Revisionswerberin nicht mehr Stellung. Es genügt daher, dazu auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen, wonach es Pflicht der Organe der beklagten Partei gewesen wäre, so wie bei den vorausgegangenen Anlässen dafür vorzusorgen, daß die Beamten des Kabelbauamtes entsprechend den getroffenen Absprachen von den Grabungsarbeiten verständigt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Ausfall an Gebühren, den die Post- und Telegraphenverwaltung durch die infolge Beschädigung eines Fernkabels eingetretene Unbenützbarkeit erlitten hat, wirklicher Schaden und nicht entgangener Gewinn ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des OGH (2 Ob 507/80; 5 Ob 258/75; EvBl. 1971/307; SZ 40/2).

Anmerkung

Z55173

Schlagworte

Agrarbezirksbehörde, Zusammenlegungsverfahren: Hoheitsverwaltung, Amtshaftung, Zusammenlegungsgemeinschaft: Vollziehung der Gesetze des, Rechtsträgers Land, Amtshaftung, Zusammenlegungsverfahren: Hoheitsverwaltung, Zusammenlegungsverfahren, Hoheitsverwaltung, Zusammenlegungsverfahren, Zusammenlegungsgemeinschaft: Vollziehung der, Gesetze des Rechtsträgers Land

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0010OB00038.82.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19821110_OGH0002_0010OB00038_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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