Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 1982
durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Mekis als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A und einen anderen wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 2. Oktober 1981, GZ 20 x Vr 3956/80-39, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers DDr. Peter Stern sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser - zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben: das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch laut Punkt I. des Urteilssatzes sowie im Strafausspruch aufgehoben; im Umfang der Aufhebung wird (unter Ausschaltung dieses Schuldspruches) gemäß § 351
StPO in der Sache selbst erkannt:
Josef A wird für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Schuldspruch (laut Punkt II. des Urteilssatzes) - weiterhin - zur Last fallende Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB gemäß § 41, 143 erster Strafsatz StGB unter Rücksichtnahme nach § 31, 40 StGB auf die Urteile des Kreisgerichtes Korneuburg vom 28. August 1980, AZ 12 c E Vr 552/80, und des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 3. November 1981, AZ U 568/82, zu zwei Jahren, drei Monaten und zehn Tagen (zusätzlicher) Freiheitsstrafe verurteilt.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden (II.) Josef A und Leonhard B des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB sowie (I.) A überdies des Verbrechens des versuchten (im Urteil unrichtig: 'des Vergehens des versuchten Verbrechens des') verbrecherischen Komplotts nach § 15, 277 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß in Wien (zu II.) A und B am 15. Februar 1980 in Gesellschaft als Beteiligte dem Tankwart Gerhard C mit Gewalt (gegen seine Person) oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, und zwar die Tageslosung im Betrag von ca 100.000 S, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen oder abzunötigen versuchten, indem sie maskiert und mit einer geladenen Luftdruckpistole bewaffnet dem Genannten zunächst an der Rückseite einer Tankstelle in Wien 22. auflauerten und, als er wider Erwarten nicht erschien, in jenen Raum eindrangen, wo er für gewähnlich die Abrechnung der Tageslosung vornahm, ihn jedoch auch dort nicht antrafen, nachdem (zu I.) A bereits gegen Ende November oder Anfang Dezember 1979 versucht hatte, mit einem anderem, und zwar mit Karl-Heinz D, die gemeinsame Ausführung des zuvor (unter I.) beschriebenen Raubes zu verabreden.
Der auf § 345 Abs. 1 Z 1, 4, 8 und 11 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Verfehlt ist der Standpunkt des Beschwerdeführers, die am 1. Oktober 1981 um 10.00 Uhr begonnene Hauptverhandlung sei ungeachtet eines um 10.30 Uhr desselben Tages gefaßten dahingehenden Beschlusses (§ 276 a StPO) 'de facto' nicht neu durchgeführt worden:
der Umstand, daß nach dieser Beschlußfassung lediglich die Verlesung der Anklageschrift wiederholt wurde und nicht auch die Vornahme der übrigen in § 304 bis 306 StPO vorgeschriebenen Prozeßhandlungen (S 126), ändert nichts daran, daß mit dem damit relevierten Verfahrensabschnitt eine (den zitierten Bestimmungen zwar nicht vollauf entsprechende, aber doch jedenfalls) neue Hauptverhandlung eingeleitet wurde. Davon, daß der infolge einer notwendig gewordenen Änderung in der Zusammensetzung des Schwurgerichtshofs neu beigezogene Richter nicht der ganzen dem Urteil zugrunde gelegenen - nämlich eben der wiederholten (§ 276 a StPO) - Hauptverhandlung beigewohnt hätte (Z 1), kann demnach keine Rede sein, weil sich seine mit der Beschwerde bemängelte Abwesenheit bloß auf die (trotz der zeitlich knappen Aufeinanderfolge davon zu unterscheidende) frühere Verhandlung erstreckte.
Gleichermaßen betrifft auch die weitere Verfahrensrüge (Z 4) durchwegs solche prozessuale Vorgänge, die schon in der ersten Hauptverhandlung stattfanden, sodaß sie ebenfalls bereits deshalb versagt. Daß zu Beginn der neu durchgeführten Hauptverhandlung alle Geschwornen schon beeidet waren, ist - wie nur der Vollständigkeit halber angemerkt sei - dem Hauptverhandlungsprotokoll (S 124) völlig zweifelsfrei zu entnehmen und wird auch vom Angeklagten gar nicht bestritten; eine Urteilsnichtigkeit wegen eines Verstoßes gegen § 305 Abs. 1 StPO, die ausschließlich aus dem Unterbleiben einer Beeidigung vom im selben Jahr noch nicht beeideten Geschwornen beruhen könnte, kommt demzufolge keinesfalls in Betracht. Mit Recht jedoch remonstriert der Beschwerdeführer dagegen (Z 11 lit a, der Sache nach indessen Z 12), daß er auf Grund des Wahrspruchs auch wegen versuchten Komplotts verurteilt wurde (Faktum I.). Mit dem Versuch (§ 15 Abs. 1 und 2 StGB) eines der in § 277 Abs. 1 StGB angeführten Delikte erlischt nämlich für den betreffenden Täter die selbständige Strafbarkeit einer vorausgegangenen, auf die gemeinsame Ausführung jener Tat mit einem anderen gerichtet gewesenen (tatsächlich getroffenen oder bloß versuchten) Verabredung als Komplott (vgl RZ 1978/ 54 uva), vorausgesetzt, daß die auszuführen versuchte und die verabredete (oder zu verabreden versuchte) Tat ident sind (vgl Leukauf-Steininger, StGB2, RN 7 zu § 277). Eben das aber haben die Geschwornen durch die dem bekämpften Schuldspruch wegen versuchten Komplotts zugrunde liegende Bejahung der Eventualfrage 1 darnach, ob der Angeklagte die gemeinsame Ausführung 'der in der Hauptfrage 2 angeführten' strafbaren Handlung, nämlich des ihm (als später wirklich begangen) zur Last fallenden Raubversuchs (Faktum II.) zu verabreden getrachtet habe, mit ihrem Verdikt angenommen.
In rechtlicher Hinsicht bestehen gegen diese Annahme, die zu der eingangs dargelegten Zusammenfassung von Verabredungsund Ausführungsversuch zu einer (dogmatischen) 'Handlungseinheit' (vgl Leukauf-Steininger, aaO, RN 61 zu § 28; Jescheck3, S 579, 581) führt, im Hinblick darauf, daß aus dem Wahrspruch eine weitgehende Identität von Tatplan, Angriffsobjekt und Geschädigtem sowie ein enger zeitlicher Zusammenhang des Geschehens hervorgehen, keine Bedenken.
Durch die Unterstellung des solcherart einheitlichen Tatgeschehens nicht nur unter den Tatbestand des versuchten schweren Raubes (§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB), sondern auch unter jenen des (demgegenüber subsidiären) versuchten Komplotts (§ 15, 277 Abs. 1 StGB) wurde daher die der Entscheidung zugrunde liegende Tat infolge unrichtiger Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen, welches darauf nicht anzuwenden ist (Z 12).
Dementsprechend war der zuletzt angeführte verfehlte Schuldspruch in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde (wie im Tenor ersichtlich) aus dem angefochtenen Urteil auszuschalten (vgl RZ 1956, 72), ohne daß es einer Erörterung der weiteren darauf bezogenen Rechtsrüge (Z 8) bedarf; im übrigen dagegen war dieses Rechtsmittel zu verwerfen.
Bei der durch die teilweise Urteilsaufhebung erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe waren die beiden Vorstrafen des Angeklagten wegen (in jeweils verschiedener Hinsicht) auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Jugendstraftaten - Urteile des Kreisgerichtes Korneuburg vom 10. November 1976, AZ 11 d Vr 616/76 (§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB: 14 Tage Freiheitsstrafe), und des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 8. März 1978, AZ U 24/78 (§ 83 Abs. 1 StGB: 1 Woche Freiheitsstrafe), wobei die Strafen zunächst bedingt nachgesehen wurden, jedoch in beiden Fällen trotz der Bestellung eines Bewährungshelfers die bedingte Nachsicht widerrufen werden mußte - sowie die zweifache Deliktsqualifikation nach § 143 StGB erschwerend, mildernd hingegen sein Alter von weniger als 21 Jahren zur Tatzeit, ein gewisser Erziehungsmangel bei ihm und seine weitgehend geständige Verantwortung, mit der er wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, sowie der Umstand, daß der Raub beim Versuch geblieben ist.
Von einer führenden Rolle des Angeklagten A bei der Tat kann indessen (entgegen der Ansicht des Erstgerichtes) nicht gesprochen werden: zwar stammte der Tatplan von ihm, doch hat sich der Mitangeklagte B, der einmal im selben Verfahren wie er, AZ 12 c E Vr 552/80 des Kreisgerichtes Korneuburg, Eigentumsdelikte zu verantworten hatte) nach dessen eigener Verantwortung (S 19 in ON 2, S 128) bereits nach kurzer überlegung bereit erklärt, bei dem geplanten Tankstellenüberfall mitzumachen, und auch beim Ausführungsversuch war dessen Tatbeitrag dem seinen durchaus gleichwertig; haben sie doch (wieder auch nach dessen eigener Verantwortung - S 20 in ON 2, S 128-130) beide maskiert gemeinsam den Tankstellenraum betreten, in dem sodann B von ihm die Schußwaffe übernahm, während er dem Raum nach Geld durchsuchte. Darnach waren - wie schon in erster Instanz angenommen - die Voraussetzungen des § 42 (Abs. 1 Z 3) StGB gegeben. Gemäß § 31, 40 StGB waren die im Spruch bezeichneten Urteile des Kreisgerichtes Korneuburg (§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und § 15; § 164 Abs. 1 Z 2 StGB: 8 Monate Freiheitsstrafe) und des Bezirksgerichtes Gänserndorf (§ 83 Abs. 1 StGB: Geldstrafe mit einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen) entsprechend zu berücksichtigen: bei gemeinsamer Aburteilung sämtlicher Straftaten wäre nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes über den Angeklagten A nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) eine (Gesamt-) Strafe von drei Jahren zu verhängen gewesen. Demgemäß wurde die Zusatz-Freiheitsstrafe mit 2 Jahren, 3 Monaten und 10 Tagen bemessen.
Dieses Strafmaß erscheint sowohl absolut als auch in Relation zur Dauer der über den Mitangeklagten B verhängten Freiheitsstrafe als angemessen, die unter Bedacht auf 2 Verurteilungen zu je 6 Monaten Freiheitsstrafe (§ 31, 40 StGB) mit 2 1/2 Jahren als Zusatzstrafe ausgemessen wurde, wobei aber jener (bei annähernd gleicher Tatbeteiligung im vorliegenden Verfahren) demzufolge im Verhältnis zu A wesentlich mehr Delikte zu verantworten hat, vom Vorleben her schwerwiegender belastet und immerhin um ein halbes Jahr älter ist. Mit seiner Berufung war der Angeklagte A auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E03913European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00163.82.1116.000Dokumentnummer
JJT_19821116_OGH0002_0100OS00163_8200000_000