TE OGH 1982/12/1 11Os159/82

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Veröffentlicht am 01.12.1982
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Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 1982

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mangi als Schriftführer in der Strafsache gegen Arnold A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den § 15, 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 16. Juli 1982, GZ. 20 Vr 2.927/81-74, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hanslik und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Erster Generalanwalt Dr. Nurscher zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. April 1956 geborene Arnold A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen wie folgt schuldig erkannt und (je) zu einer Freiheits-, Geld- und Wertersatzstrafe verurteilt:

Der Verbrechen des versuchten Mordes nach den § 15, 75 StGB (Urteilsfaktum I), des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs 1, zweiter Fall, StGB (II), des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs 1, Abs 2 Z. 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1 StGB (III) und wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (IV) sowie der Vergehen nach dem § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG (V), der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs 1 lit a FinStrG (VI) und nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffenG (VII), weil er - nach dem Wahrspruch der Geschwornen, welche die an sie gerichteten Hauptfragen insoweit bejaht hatten - zu I am 7. August 1981 in Innsbruck dadurch den Kriminalbeamten Hubert B vorsätzlich zu töten versuchte, daß er eine durchgeladene und entsicherte Pistole in einem Abstand von ca. 2 m gegen dessen Brust richtete, repetierte und abzufeuern versuchte;

zu II am 7. August 1981 in Innsbruck versuchte, die  Kriminalbeamten

Hubert B und Helmut C,  die im Begriff waren, seine Identität zu

überprüfen,  ihn festzunehmen und abzuführen, mit Gewalt und  durch

gefährliche Drohung mit dem Tod an dieser Amts-

handlung zu hindern, indem er 1. die Wohnungstür  zuschlug und sich

dagegenstemmte, 2. eine Pistole  gegen Hubert B abzufeuern versuchte

(siehe  Punkt I) und 3. die Pistole sodann auch gegen Helmut  C

richtete und mehrfach äußerte, er  werde die Kriminalbeamten

erschießen, wenn sie sich  ihm nähern sollten;

zu III in der Zeit zwischen 18. und 23. Juli 1981 in Aldrans in Gesellschaft zweier unbekannter Täter als Beteiligte fremde bewegliche Sachen in einem 100.000 S übersteigenden Wert dem Michael D und der Doris E nach Eindringen in deren versperrte Wohnung mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel mit dem Vorsatz wegnahm, sich oder andere durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar einen Fotokoffer mit mindestens 300 Gramm Heroin im Wert von (mindestens) 900.000 S, Skulpturen, Messer, Waagen, Puppen, Petschaften, antike Gegenstände und Sounevirs im Wert von mindestens 31.600 S, Schmuckgegenstände im Wert von ca. 50.000 S, ein Winchester-Gewehr im Wert von 6.500 S, eine Apothekerwaage im Wert von 2.800 S und eine Biedermeier-Taschenuhr im Wert von 10.000 S;

zu IV in der Zeit vom 18. Juli bis zum 7. August 1981

in Innsbruck vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen, daß daraus eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung entstehen kann, in Verkehr setzte, indem er 300 Gramm Heroin mehreren Personen, darunter dem Walter F und den Mittätern an der zu Punkt III beschriebenen Tat überließ;

zu V in der Zeit zwischen 21. März und 7. August 1981

in Innsbruck unberechtigt Suchtgifte erwarb und besaß, und zwar mindestens 40 Gramm Heroin, unbekannte Mengen LSD, 5 Gramm Haschisch und geringe Megen Kokains; zu VI durch die unter den Punkten IV und V beschriebenen Taten vorsätzlich eingangsabgabenpflichtige Sachen, hinsichtlich derer teilweise von unbekannten Tätern, teilweise von den abgesondert verfolgten Michael D und Peter G das Finanzvergehen des Schmuggels nach dem § 35 Abs 1 FinStrG begangen worden war, an sich brachte und verhandelte, nämlich 300 Gramm Heroin ausländischer Herkunft, auf den Eingangsabgaben von 50.069 S lasteten, sowie 40 Gramm Heroin und 5 Gramm Haschisch mit einer Eingangsabgabenbelastung von 26.803 S; und zu VII in der Zeit von 1979 bis zum 7. September 1981

in Innsbruck, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Faustfeuerwaffe (Pistole der Marke 'Astra', Kaliber 6,35 mm) besaß. Der Angeklagte bekämpft das Schuldspruchfaktum I (Verbrechen des versuchten Mordes) mit einer auf den § 345 Abs 1 Z. 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher er die Unterlassung der Stellung von Zusatzfragen, gerichtet auf (absolute) Untauglichkeit des Versuches (wegen Funktionsuntauglichkeit, Ungefährlichkeit und Unbrauchbarkeit der Waffe) auf Notwehr, Putativnotwehr und Notwehrexzeß sowie auf Zurechnungsunfähigkeit rügt. Insoweit der Beschwerdeführer den zuletzt angeführten Schuldausschließungsgrund geltend macht, bezieht sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Sache nach auch auf das gleichzeitig, teils ideal, teils real konkurrierend begangene Verbrechen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt (Schuldspruchfaktum II). Die verhängte (Zusatz-)Freiheitsstrafe ficht der Angeklagte mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt in keinem Punkt Berechtigung zu:

Eine Zusatzfrage nach (absoluter) Untauglichkeit eines Versuches ist, anders als in Richtung des Strafaufhebungsgrundes des freiwilligen Rücktrittes vom Versuch, niemals zu stellen. Ein absolut untauglicher Versuch kann sich nämlich nur auf eine Tathandlung beziehen, die schon ihrer Anlage nach nicht zur Verwirklichung eines Sachverhaltes führen kann, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Ihm ist daher - gegebenenfalls - durch Verneinung der Hauptfrage Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall waren die Geschwornen durch die Rechtsbelehrung über die Voraussetzungen zur Annahme eines absolut untauglichen Versuches hinreichend aufgeklärt. Sie haben durch die uneingeschränkte Bejahung der ersten Hauptfrage unzweifelhaft kundgetan, daß sie - übrigens in übereinstimmung mit dem Gutachten des Schießsachverständigen Erich H und dem Bericht des kriminaltechnischen Dienstes der Bundespolizeidirektion Innsbruck (S. 302-306/II Bd; 257-263/I. Bd) -

die Waffe für an sich funktionstüchtig hielten und ihr Versagen auf ein zufälliges Geschehen zurückführten (s. hiezu auch die Niederschrift der Geschwornen zu Frage 1).

Der behauptete Mangel in der Fragestellung aus dem Gesichtspunkt des § 15 Abs 3 StGB liegt somit nicht vor.

Aber auch die (weitere) Rüge der Unterlassung einer Fragestellung nach Notwehr, Putativnotwehr und Notwehrexzeß versagt, weil in der Hauptverhandlung keine Tatsachen vorgebracht wurden, welche solche Fragen indiziert hätten.

Der Beschwerdeführer selbst vermag konkrete Hinweise auf ein derartiges Vorbringen in der Hauptverhandlung nicht zu geben. Schließlich war auch eine Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) nicht geboten, weil sich weder aus der Verantwortung des Angeklagten, noch aus dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen (ON 45; S. 300

bis 302/II. Band) oder aus sonstigen Ergebnissen des Beweisverfahrens ein Substrat für die Annahme mangelnder Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit ergibt. Der Angeklagte wies - nebenbei bemerkt - auch eine für das Vorliegen von Zurechnungsunfähigkeit charakteristische Erinnerungslücke (S. 121, 123/II. Band) nicht auf (S. 266 bis 276/II. Band), sondern gab eine detaillierte Beschreibung des Tatgeschehens. Die durch kurz vor den Taten (laut Schuldspruchfakten I und II) vorgenommenes Injizieren von Rauschgift bewirkte 'erheblich beeinträchtigte Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat' (S. 123/II. Band), die der Sachverständige aus dem Fachgebiet der Psychiatrie dem Beschwerdeführer zubilligt, indizierte keinen Schuldausschließungsgrund, sondern war nur als Hinweis auf das Vorliegen eines besonders angeführten Strafmilderungsgrundes nach dem § 34 Z. 1 StGB aufzufassen, der ohnehin berücksichtigt wurde (S. 333/II. Band).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und unter Bedachtnahme gemäß den § 31 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 1981 (rechtskräftig seit 11. Februar 1982), GZ. 36 Vr 2550/81-12, (drei Monate Freiheitsstrafe wegen des Vergehens nach dem § 83 Abs 1 StGB) eine zusätzliche Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren und neun Monaten. Nach dem Finanzstrafgesetz sprach es (je) eine gesonderte Geld- und Wertersatzstrafe aus.

Bei der Strafbemessung erachtete das Geschwornengericht das Zusammentreffen von vier Verbrechen mit drei Vergehen, die beträchtliche Suchtgiftmenge, die der Angeklagte erbeutete und nicht preiszugeben gewillt ist, den raschen Rückfall in das Verbrechen des Diebstahls und den hohen Wert der Diebsbeute als erschwerend, hingegen den Umstand, daß es bei den Verbrechen des Mordes und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt beim Versuch blieb, das teilweise Geständnis, eine erhebliche Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit bei Begehung des Mordversuches (und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt) sowie eine schwere Milieuschädigung von Kindheit an als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte unter Hinweis auf das Gewicht der vom Erstgericht festgestellten Milderungsumstände die Herabsetzung der (Zusatz-) Freiheitsstrafe an.

Auch die Berufung ist nicht berechtigt.

Auf der Basis der vom Geschwornengericht festgestellten Strafzumessungsgründe, wobei jedoch der Erschwerungsgrund des § 33 Z. 1 StGB wegen der im § 22 Abs 1

FinStrG normierten gesonderten Ahndung der Finanzdelikte (nur) in dem Zusammentreffen von vier Verbrechen mit zwei Vergehen zu erblicken ist, und der allgemeinen Strafbemessungsvorschriften (§ 32 StGB) erachtet der Oberste Gerichtshof die zuerkannte Freiheitsstrafe für angemessen und auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen für erforderlich.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03948

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00159.82.1201.000

Dokumentnummer

JJT_19821201_OGH0002_0110OS00159_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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