Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Dezember 1982
unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Hon.Prof.
Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mekis als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.Oktober 1981, GZ. 10 Vr 9858/79-123, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, nach Verlesung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und der Gegenausführung des Angeklagten A, sowie nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers des Angeklagten B, Dr. Schnabl, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden u.a. der am 25.November 1940 geborene Offiziersstellvertreter Peter A von der Anklage des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, begangen als Beteiligter nach § 12 StGB, und der am 19.September 1945
geborene Stabswachtmeister Helmut B von der Anklage, die Vergehen der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt als Beteiligter nach §§ 12, 311 StGB
und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Diesen Freisprüchen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Bundesministerium für Landesverteidigung gewährt den im Aktivstand befindlichen Offizieren und Unteroffizieren des Österreichischen Bundesheeres zur Instandhaltung und laufenden Erneuerung der ihnen als Erstausstattung zugewiesenen Uniformen und Bekleidung eine sogenannte 'Forterhaltungsgebühr'. Danach sind sie auch berechtigt, bestimmte, zu ihrer Erstausstattung gehörige Bekleidungsstücke durch Ankauf im freien Handel alljährlich zu erneuern. So dürfen nach den bestehenden Richtlinien u.a. pro Jahr ein Paar (schwarze, zur Uniform passende) Schuhe und zwei weiße Hemden neu angeschafft werden. Beim Ankauf solcher Bekleidungsstücke im freien Handel besteht ein Anspruch auf Rückersatz der hiefür ausgelegten Geldbeträge aus dem Titel dieser 'Forterhaltungsgebühr'. Den durch Vorlage einer Rechnung nachzuweisenden Anspruch hat der jeweils anspruchsbrechtigte Offizier oder Unteroffizier bei der zuständigen Wirtschaftsstelle der Heeresverwaltung geltend zu machen, die nach Überprüfung der Rechnung auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit den Rechnungsbetrag in bar refundiert. Werden aus dem Titel der 'Forterhaltungsgebühr' Beträge nicht 'verbraucht', werden sie als Guthaben in das Folgejahr übertragen.
Nach den weiteren Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte Peter A am 9.März 1978 bei der Firma C in Wien eine (schwarze) Hose zum Preis von 750 S gekauft und die auf '1 Hose schwarz' lautende Rechnung, die den Kaufpreis von 750 S auswies, dem zur Rückverrechnung zuständigen Beamten der Wirtschaftsstelle der Luftschutztruppenschule, Vizeleutnant Horst D, vorgelegt, der jedoch die Refundierung des Rechnungsbetrages von 750 S mit dem Hinweis verweigerte, daß eine schwarze Hose nicht Uniformbestandteil sei und daher die Anschaffung eines solchen zivilen Kleidungsstückes nicht aus dem Titel 'Forterhaltungsgebühr' vergütet werden könnte. Daraufhin änderte der Angeklagte A diese Rechnung der Firma C vom 9. März 1978, indem er mit einem anderen Kugelschreiber das Wort 'Hose' (mit zwei Schrägstrichen) durchstrich und durch die eigenhändig beigefügten Worte 'Schuhe (hohe)' ersetzte (vgl. Band I/S. 85 d.A.). Diese von ihm (auf ein Paar hohe schwarze Schuhe) verfälschte Rechnung der Firma C legte er am 14.März 1978 erneut dem Beamten der Wirtschaftsstelle der Luftschutztruppenschule Horst D vor, der nunmehr diese Rechnung (durch Anbringung des Vermerkes 'rechnerisch richtig') anerkannte und dem Angeklagten A zu Lasten der 'Forterhaltungsgebühr' den Rechnungsbetrag von 750 S ausfolgte. Daß hiebei der Angeklagte A mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat, wurde im Ersturteil verneint, weil ihm aus einem bereits vorher getätigten Ankauf eines Paares schwarzer Schuhe ein - von ihm bisher nicht geltend gemachter - Anspruch auf Rückersatz des dafür ausgelegten Betrages zu Lasten der 'Forterhaltungsgebühr' zustand. Nach den den Angeklagten Helmut B betreffenden Urteilsfeststellungen legte dieser dem Beamten der Wirtschaftsstelle der Luftschutztruppenschule Horst D im Februar 1978 zunächst eine mit 28. Jänner 1978
datierte Rechnung der Kleiderfabrik F. E vor, die auf '3 Hemden weiß' zum Gesamtpreis von 495 S lautete und auf der auch der Einzelpreis pro Hemd ausgewiesen war.
Sein Begehren auf Refundierung des Rechnungsbetrages von 495 S im Rahmen der 'Forterhaltungsgebühr' lehnte Horst D mit dem Bemerken ab, daß nach den bestehenden Richtlinien nur die Auslagen für zwei Hemden pro Jahr rückvergütet werden könnten. Daraufhin machte der Angeklagte B den auf der Rechnung der Kleiderfabrik F. E ausgewiesenen Einzelpreis pro Hemd mit einem schwarzen Kugelschreiber vollständig unleserlich und änderte außerdem die ursprünglich auf der Rechnung vermerkte Anzahl (der gekauften Hemden) von 3 auf 2. Nach neuerlicher Vorlage dieser solcherart von ihm auf '2 Hemden weiß' (bei einem unverändert gebliebenen Gesamtkaufpreis von 495 S) abgeänderten Rechnung der Firma F. E vom 28.Jänner 1978 (vgl. Band I/S. 89 d.A.) am 21.Februar 1978 wurde dieser (verfälschte) Rechnungsbeleg vom Beamten der Wirtschaftsstelle der Luftschutztruppenschule Horst D 'als rechnerisch richtig' anerkannt und der Rechnungsbetrag von 495 S dem Angeklagten B zur Gänze aus dem Titel der 'Forterhaltungsgebühr' refundiert.
Nach den weiteren Urteilsfeststelungen waren die vorgelegten Rechnungen überdies noch vom jeweiligen Wirtschaftsoffizier - mehrmals wechselnden Vorgesetzten des Vizeleutnants D - zu prüfen, doch war es die Praxis, daß D entsprechende Beträge bereits vor dieser weiteren Prüfung auszahlte.
Das Erstgericht, das im angefochtenen Urteil bei den Angeklagten A und B auch eine Tatbeurteilung nach § 223 Abs 2 StGB, begangen durch den Gebrauch der erwähnten, von ihnen verfälschten Rechnungen im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, erwog, verneinte u.a. auch ein strafbares Verhalten der beiden Angeklagten in Richtung des bezeichneten Vergehens mit der Begründung, daß in beiden Fällen die jeweils verfälschte Rechnung auf Grund der Primitivität der Verfälschung zur Täuschung 'absolut untauglich' und generell ungeeignet gewesen sei, im Rechtsverkehr den Anschein der Echtheit und Unverfälschtheit zu erwecken; dies schon deshalb, weil die mit einem anderen Kugelschreiber bewirkten Veränderungen auf der Rechnung der Firma C vom 9.März 1978 ein anderes Schriftbild aufweisen und auf der in blauer Kugelschreiberschrift verfaßten Rechnung der Firma F. E vom 28. Jänner 1978 mit einem Kugelschreiber mit schwarzer Schrift manipuliert worden sei (Bd. II, S. 168/169 d.A.).
Die Freisprüche der Angeklagten Peter A und Helmut B bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie sich lediglich gegen die vom Erstgericht angenommene absolute Täuschungsuntauglichkeit der verfälschten Rechnungen wendet und einen Schuldspruch der beiden Angeklagten wegen Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu:
Das Verfälschen einer Urkunde im Sinn des § 223 StGB erschöpft sich (objektiv) in einer nachträglichen Veränderung ihres gedanklichen Inhalts, wobei der Anschein erweckt wird, als stamme der geänderte Inhalt vom Aussteller der Urkunde oder die Urkunde von einem anderen Aussteller (SSt. 50/6; ÖJZ-LSK 1976/255, 1979/122, 1975/8). Ersteres trifft in den beiden hier in Rede stehenden Fällen auf die von den Angeklagten A und B jeweils vorgenommenen Veränderungen des Inhalts der Rechnungen zu; ist doch weder in der Rechnung der Firma C vom 9.März 1978 noch in jener der Firma F. E vom 28.Jänner 1978 durch irgendeinen ausdrücklichen Hinweis erkennbar, daß die Abweichungen von dem ursprünglichen Inhalt nicht vom jeweiligen Aussteller (nämlich von einem Angestellten der Firma C bzw. der Firma F. E) stammen, sondern erst nachträglich von den Angeklagten A und B unbefugt beigefügt wurden.
In subjektiver Beziehung erfordert die Verwirklichung des Delikts der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2
StGB nur einen den Gebrauch der (falschen oder) verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken umfassenden Tätervorsatz. Es genügt daher zur Tatbestandsverwirklichung der mit dem Gebrauch einer (falschen oder) verfälschten Urkunde verbundene Vorsatz des Täters, daß sie im Rechtsverkehr spezifisch (ÖJZ-LSK 1981/70) zum Beweise eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, ein Vorhaben, von dem nach den Urteilsannahmen auch die Angeklagten A und B beim Gebrauch der in Rede stehenden (von ihnen verfälschten) Rechnungen geleitet waren, sollte doch damit ihr Anspruch auf Refundierung des Rechnungsbetrages aus dem Titel der 'Forterhaltungsgebühr' dargetan werden. Der zur Deliktsverwirklichung erforderliche, auf den Gebrauch des Falsifikates zu Beweiszwecken abzielende Tätervorsatz impliziert zwar regelmäßig auch ein auf Täuschung gerichtetes Vorhaben, das sich in einer im Gebrauch der (falschen oder) verfälschten Urkunde gelegenen Irreführung erschöpfen wird; eines über die schon in der Gebrauchnahme gelegene Irreführung hinausgehenden Täuschungsvorsatzes bedarf es hingegen nicht (ÖJZ-LSK 1978/387; JBl 1982, 215).
Eine falsche oder verfälschte Urkunde wäre nur dann absolut zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache untauglich, wenn sie generell ungeeignet ist, Zwecken einer Beweiserhebung zu dienen (vgl. hiezu auch EvBl 1978/200 = ÖJZ-LSK 1978/174; EvBl
1982/148 = ÖJZ-LSK 1982/91; ÖJZ-LSK 1981/23). Davon kann jedoch in den beiden hier zu beurteilenden Fällen schon deshalb keine Rede sein, weil nach den Urteilsfeststellungen sowohl dem Angeklagten A als auch dem Angeklagten B die Erreichung des mit der Vorlage der jeweils verfälschten Rechnung angestrebten Zweckes (nämlich die Auszahlung des jeweiligen Rechnungsbetrages durch den Beamten der Wirtschaftsstelle der Luftschutztruppenschule Horst D) gelang; dies unbeschadet der dem Horst D nach dem Ersturteil bei Prüfung dieser Rechnungen auf ihre Echtheit und Unbedenklichkeit unterlaufenen Fahrlässigkeit (vgl. Band II/S. 165 d.A.). Waren aber die verfälschten Rechnungen bei ihrem Gebrauch zur Erbringung des von den Angeklagten A und B mit deren Vorlage angestrebten Nachweises ihres Anspruches auf Refundierung des Rechnungsbetrages aus dem Titel der 'Forterhaltungsgebühr' hiefür sogar in concreto geeignet, so kann sich die Frage nach deren genereller (abstrakter) Tauglichkeit zu Beweiszwecken gar nicht stellen, weil unter diesen Umständen keinesfalls gesagt werden kann, daß die Erreichung dieses Zweckes unter keinen Umständen möglich und mit den verfälschten Rechnungen niemals eine Irreführung zu erzielen gewesen wäre. Soweit vom Angeklagten A zur Frage der Täuschungstauglichkeit darauf hingewiesen wird, daß sich das Erstgericht nicht mit jenem Teil seiner Verantwortung auseinandergesetzt hätte, wonach er die Änderung der Rechnung der Fa. C vor Horst D vorgenommen habe (Band
II/
S. 141 d.A.) und solcherart dem erstgerichtlichen Urteil Mangelhaftigkeit vorwirft, die von ihm - wegen seines Freispruchs - nicht habe bekämpft werden können, ist ihm zu entgegnen, daß nach den - insoweit auch von ihm nicht in Zweifel gezogenen - weiteren Feststellungen des Erstgerichtes die vorgelegten Rechnungen nicht nur von Horst D, sondern überdies von einem Wirtschaftsoffizier zu prüfen waren (Band II/S. 159 f.d.A.), dem - auch nach der Verantwortung dieses Angeklagten - jedenfalls nicht bekanntgegeben wurde, daß die inhaltliche Veränderung der Rechnung nicht vom Aussteller der Rechnung stammt. Der behauptete Mangel wäre daher unerheblich.
Dem Erstgericht unterlief somit, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge an sich zutreffend aufzeigt, ein Rechtsirrtum, wenn es, von einer absoluten Täuschungsuntauglichkeit der von den Angeklagten A und B verfälschten Rechnungen ausgehend, diese beiden Angeklagten freisprach.
Der Beschwerde kann jedoch im Ergebnis dennoch kein Erfolg beschieden sein, weil bei den Angeklagten A und B die Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat nach § 42 StGB gegeben sind.
Die Schuld der beiden bisher unbescholtenen Angeklagten ist gering. Ihnen kam nämlich eine nicht erst anläßlich ihrer Tatbegehung aufgetretene, sondern seit längerem übliche erlaßwidrige Praxis einer Prüfung 'in äußerst rudimentärer Form' zugute (Band II/S. 160 d. A.), die die vorzunehmende Prüfung geradezu zu einem Formalakt bar jeder inhaltlichen Kontrolle herabminderte, ein Vorgang, der - nach den erstgerichtlichen Feststellungen - von Wirtschaftsoffizieren, also höherrangigen Soldaten als den Angeklagten, in die Wege geleitet worden war. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem jüngst zum AZ. 12 Os 145/81 des Obersten Gerichtshofes entschiedenen Straffall eines hohen Offiziers im Range eines Brigadiers, der durch die Vorlage einer verfälschten Rechnung einen im Range weit unter ihm stehenden Wirtschaftsunteroffizier zu einer Falschbeurkundung veranlaßte.
Die Tat beider Angeklagter hatte auch in den Gesamtauswirkungen keine oder nur unbedeutende Folgen, die die Beweiszwecke betroffen hätten. Darüber hinaus könnte auch von nennenswerten vermögensrechtlichen Auswirkungen der Taten nicht gesprochen werden, denn dem Angeklagten A wäre - nach den erstgerichtlichen Feststellungen - der ihm gutgeschriebene Betrag wegen tatsächlicher der 'Forterhaltungsgebühr' unterfallender Anschaffungen zugestanden und beim Angeklagten B konnte es sich nur um einen Betrag von 165 S (Differenzbetrag für ein Hemd) handeln;
außerdem leisteten beide Angeklagte volle Schadensgutmachung (Urteilsfeststellung Band II/S. 163).
Eine Bestrafung ist auch nicht geboten, um die bisher unbescholtenen Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die breite Streuung der Erhebungen nach den durch den Rechnungshof aufgedeckten Unzukömmlichkeiten in der Wirtschaftsstelle der Luftschutztruppenschule und der schon damit verbundene Abschreckungseffekt läßt auch eine Bestrafung aus generalpräventiven Erwägungen nicht als geboten erscheinen.
Allein wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 42 StGB war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ein Erfolg zu versagen (vgl. hiezu EvBl 1978/178).
Anmerkung
E04006European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00088.82.1214.000Dokumentnummer
JJT_19821214_OGH0002_0090OS00088_8200000_000