Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hßrburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter Z*** wegen des Verbrechens des versuchten Raubs nach ÖÖ 15, 142 Abs.1, 143 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10. Februar 1982, GZ 20 v Vr 9993/81-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach ßffentlicher Verhandlung, nach Anhßrung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hßrburger, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß Ö 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 25. Juli 1963 geborene, zuletzt beschäftigungs- und unterstandslos gewesene Peter Z*** wurde des Verbrechens des versuchten schweren Raubs nach ÖÖ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB und des Vergehens des schweren Diebstahls nach ÖÖ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Wien zu 1: am 16. September 1981 die Leopoldine B*** mit einer Waffe, nämlich einem Regenschirm (Herrenknirps mit Knauf), auf den Kopf geschlagen zu haben, worauf er ihr eine Schachtel, in der er Bargeld vermutete, wegnahm und damit flüchtete; Leopoldine B*** erlitt an der Außenseite der linken Augenbraue eine Hautabschürfung und im Bereich des linken Jochbeins einen Bluterguß und eine Schwellung, verbunden mit Kopfschmerzen;
zu 2 und 3: der Eva W*** am 9. Juni 1981 eine Barschaft von 3.360 S und in der Nacht zum 2. Juli 1981 eine solche von 16.530 S gestohlen zu haben.
Die Geschwornen hatten die an sie gerichteten Hauptfragen, und zwar die nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubs (ÖÖ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB) stimmenmehrheitlich (mit 6:2 Stimmen) und jene nach dem Vergehen des schweren Diebstahls (ÖÖ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB) stimmeneinhellig bejaht und die ihnen für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I (Raub) vorgelegten Eventualfrage in der Richtung des Vergehens nach Ö 287 Abs. 1 StGB (im Grund der ÖÖ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB) folgerichtig unbeantwortet gelassen. Gegen den Schuldspruch im Raubfaktum macht der Angeklagte die Nichtigkeitsgründe der Z. 6, 8 und 12 des Ö 345 Abs. 1 StPO geltend. Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß dem von ihm behaupteten Zustand einer vollen Berauschung (infolge Alkoholgenusses und der Einnahme von Medikamenten) beim versuchten Raub nicht durch das sogenannte Dreifragenschema, also durch Einschiebung einer Zusatzfrage zwischen Haupt- und Eventualfrage nach Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit (Ö 11 StGB), Rechnung getragen worden sei. Entgegen diesem Einwand waren die Geschwornen aber auch durch die Aufnahme der Eventualfrage nach Ö 287 Abs. 1 StGB verhalten, die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten beim Raub in den Kreis ihrer Erwägungen einzubeziehen. In der Rechtsbelehrung wurde unmißverständlich klargelegt (S.10), daß der Angeklagte im Fall der Verneinung der Hauptfrage I (nach versuchtem schwerem Raub) und der Bejahung der Eventualfrage II des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand der vollen Berauschung nach Ö 287 StGB schuldig gesprochen würde.
Im übrigen ist das Dreifragenschema nur dort geboten, wo durch eine zwischen Haupt- und Eventualfrage eingeschobene Zusatzfrage den Geschwornen die Mßglichkeit erßffnet werden soll, eine schuldausschließende volle Berauschung des Angeklagten anzunehmen. Besteht aber nach der Lage des Falls kein Anhaltspunkt dafür, daß der Angeklagte die Tat im Zustand unverschuldeter Volltrunkenheit begangen haben kßnnte, ist das hier benützte Zweifragenschema - Hauptfrage zur Anklagetat und Eventualfrage wegen Verübung der Tat in verschuldeter Berauschung (Ö 287 StGB) - ausreichend. In einem solchen Fall haben nämlich die Geschwornen schon auf Grund dieser zwei Fragen die Gelegenheit, die auf Volltrunkenheit hinweisenden Verfahrensergebnisse zu würdigen und gegebenenfalls durch Bejahung der Eventualfrage die verschuldete volle Berauschung im Wahrspruch anzunehmen (LSK 1982/116 = EvBl 1982 Nr. 181 mwN).
Der Verantwortung des Beschwerdeführers lassen sich indes nicht die geringsten Hinweise entnehmen, der angeblich bei ihm zur Tatzeit vorgelegene und seine Zurechnungsfähigkeit ausschließende Zustand der vollen Berauschung sei von ihm unverschuldet herbeigeführt worden; im Gegenteil: Er hat in der Hauptverhandlung (S. 136, 163) ausdrücklich erklärt, das Medikament äRohypnolä in Kenntnis seiner negativen Auswirkungen auf die schon vorhandene Alkoholisierung bewußt (S. 163) eingenommen zu haben, um sich zu berauschen (S. 129). Der Angeklagte hat nach seiner Darstellung in der Hauptverhandlung dieses Medikament damals aber auch keineswegs zum ersten Mal genommen (S. 136), sodaß sich die gegenteilige Behauptung in der Beschwerde als aktenwidrig erweist. Von einer unverschuldeten Herbeiführung der Alkoholisierung kann darnach keine Rede sein. Aber auch die sonstigen Ergebnisse der Hauptverhandlung erbrachten hiefür nicht die geringsten Hinweise. Das Unterbleiben einer Zusatzfrage nach Ö 11 StGB (Ö 313 StPO) ist darum frei von einer Nichtigkeit gemäß Ö 345 Abs. 1 Z 6 StPO.
Der Beschwerdeführer vermißt weiters eine Frage nach versuchtem äminder schwerem Raubä gemäß Ö 142 Abs. 2 (Ö 15) StGB. Dem ist zunächst zu erwidern, daß sich die vom Angeklagten gegen Leopoldine B*** (durch den Schlag mit dem Regenschirm auf deren Kopf) angewendete Gewalt bereits als erheblich darstellt und die Verletzungsfolgen nicht mehr als unbedeutend einzustufen sind. Zudem schließt die - wie in der Folge noch dargelegt werden wird - zutreffend angenommene Qualifikation des Ö 143 StGB wegen Verwendung einer Waffe die Beurteilung nach Ö 142 Abs. 2 StGB aus. Den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des Ö 345 Abs. 1 StPO leitet der Beschwerdeführer zunächst aus der Rechtsbelehrung zu dem seiner Meinung nach zu weit gefaßten Waffenbegriff des Ö 143 StGB und überdies auch daraus ab, daß in der Rechtsbelehrung bei der Anführung des Mittels zur Herbeiführung einer vollen Berauschung (Ö 287 Abs. 1 StGB) nur auf den Alkoholgenuß, nicht aber auch auf die Einnahme von Drogen Bezug genommen werde und darin jeder Hinweis auf den durch den Gebrauch des Medikamentes äRohypnolä bewirkten Verstärkungseffekt fehle.
Auch diese Einwände sind nicht stichhältig.
In der Rechtsbelehrung wird als Waffe jeder Gegenstand bezeichnet, der als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und (oder) Leben geeignetes Instrument gebraucht wird. Damit folgt der Schwurgerichtshof einer bereits gefestigten Judikatur des Obersten Gerichtshofs (LSK 1976/285, 13 Os 124/80, zuletzt EvBl 1982/156), die - entgegen der in einem Teil des Schrifttums vertretenen einschränkenden Auslegung des Waffenbegriffs des Ö 143 StGB (Leukauf-Steininger RN 9 zu Ö 143 StGB) - an einem dem Ö 143 StGB funktional integrierten Waffenbegriff festhält und darunter nicht nur Waffen im technischen Sinn versteht, sondern jeden Gegenstand, der als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ad hoc geeignetes Werkzeug gebraucht wird. Derart hat die Praxis nicht zuletzt der Tatsache Rechnung getragen, daß der Gesetzgeber den seinerzeit qualifizierenden Umstand der Verwendung einer ämßrderischenä Waffe (Ö 192 StG 1945) fallengelassen und sich im Ö 143 StGB mit dem schlichten Ausdruck äWaffeä begnügt hat. Darnach wurden von der Rechtsprechung als Waffen angesehen: ein eingewickelter Hammer (RiZ 1977/122), eine kantige Zaunlatte (10 Os 177/76), ein allenfalls geschlossenes Taschenmesser (10 Os 150/79), eine Rohrzange und ein Spatenstiel (13 Os 124/80), eine Holzlatte (13 Os 29/81), ein Schraubenzieher (9 Os 45/81) und ein vierkantiger Gummistab (11 Os 5/82). Mißt man die gegenständliche Gewaltanwendung, nämlich einen nicht unerhebliche Verletzungen bewirkenden Schlag mit einem zusammenlegbaren Schirm (sog. Knirps) mit Knopfgriff (S. 138) auf den Kopf, an der soeben aufgegliederten Judikatur, so ist es nicht zweifelhaft, daß der Raubversuch mittels Verwendung einer Waffe in der Bedeutung des Ö 143 StGB unternommen wurde.
In der weiters gerügten Rechtsbelehrung zur Eventualfrage nach Begehung des versuchten Raubs in Volltrunkenheit (Ö 287 Abs. 1 StGB) fehlt zwar der Hinweis, daß ein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand nicht nur durch den Genuß von Alkohol, sondern auch durch den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels herbeigeführt werden kann. Dieser Unterlassung kommt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Bedeutung einer Nichtigkeit im Sinn der Z 8 des Ö 345 Abs. 1 StPO zu.
Ö 287 Abs. 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung eine zur Tatzeit vorgelegene hochgradige Bewußtseinsstßrung voraus, hervorgerufen durch einen (sei es auf übermäßigem Alkoholgenuß, sei es auf dem Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels beruhenden) Rauschzustand, in welchem die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Täters fehlt. Auf das Vorliegen dieser für die Annahme einer vollen Berauschung gemäß Ö 287 StGB essentiellen Voraussetzung wird in der Rechtsbelehrung ausdrücklich verwiesen. Das Schwergewicht der von den Geschwornen zu prüfenden Frage des Ö 287 Abs. 1 StGB lag auf dem Alkoholkonsum des Angeklagten vor der Tat, hatte er doch geständigermaßen das Medikament äRohypnolä sodann nur genommen, um sich zu berauschen (S. 129), also um den Rauschzustand zu verstärken. Dem gerichtsärztlichen Sachverständigen zufolge ist Rohypnol ein sehr wirksames Schlafmittel (S. 163), das im Zusammenwirken mit Alkohol zu schweren Vergiftungserscheinungen und zugleich zu einer Aufhebung der Einsichtsfähigkeit und des Steuerungsvermßgens im Sinn einer vollen Berauschung führen kann (S. 162 und 164). Ob aber durch die Einnahme des Rohypnol die beim Angeklagten infolge des Alkoholkonsums bereits vorhandene Beeinträchtigung seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit so verstärkt wurde, daß bei ihm ein Zustand der vollen Berauschung eintrat, ist eine Tatfrage, für deren Erßrterung in der Rechtsbelehrung kein Raum war (siehe Ö 321 Abs. 2 StPO). Außerdem wurden die Geschwornen über einen mßglichen Verstärkungseffekt von Alkohol und Rohypnol durch das in der Hauptverhandlung erstattete ärztliche Gutachten zureichend informiert.
In Erwiderung der Beschwerdeausführungen zur Z 12 des Ö 345 Abs. 1 StPO, womit die Waffeneigenschaft des Schirms bestritten wird, genügt es, zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach ÖÖ 28, 143, erster Strafsatz, StGB unter Anwendung des Ö 41 StGB eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren, in deren Bemessung es als erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen, die Wiederholung der Diebstähle und das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen, hingegen als mildernd das reumütige Geständnis und die weitgehende Schadensgutmachung zu den beiden Diebstahlsfakten, den Umstand, daß der Raub beim Versuch geblieben ist, sowie das Alter des Angeklagten zur Tatzeit von nur knapp über achtzehn Jahren erachtete. Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte eine Herabsetzung, die Anklagebehßrde hingegen eine Erhßhung der Freiheitsstrafe unter Ausschaltung des Ö 41 Abs. 1 StGB an, indes beide Parteien vergebens.
Entscheidend für die Belassung dieser für ein schweres Gewaltverbrechen in Konkurrenz mit zwei Diebstahlsfakten außergewßhnlich milden Strafe war, daß der Rechtsbrecher zur Zeit des Raubüberfalls soeben erst sein achtzehntes Lebensjahr vollendet und daß er das übel des Freiheitsentzugs bis dahin erst im Ausmaß von zwei Monaten verspürt hatte. In Anbetracht seines Alters weist der Angeklagte noch keine abgeschlossene Persßnlichkeitsstruktur auf und ist grundsätzlich noch resozialisierungsfähig. Es ist daher auch seine Zukunftsprognose günstig (Ö 41 Abs. 1 StGB, zweite Voraussetzung). Bei sachgemäßer Abwägung konnte aber auch das für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung geforderte beträchtliche überwiegen der Milderungsgründe noch bejaht werden.
Der Angeklagte zeigt keine weiteren mildernden Umstände auf: Daß er in einem ihm nach der Lage des Falls nicht vorwerfbaren (Ö 35 StGB), die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand gehandelt hat, wird durch die Art der Begehung der Tat - überfall auf eine 37-jährige Blumenverkäuferin mit Verletzung derselben - aufgewogen. Auch trifft nicht zu, daß der Berufungswerber die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen hat (Ö 39 Z 9 StGB). Eine verlockende Gelegenheit allein - hier nach der Behauptung der Berufung darin gelegen, daß das spätere Opfer vor dem Angeklagten Geld zählte - genügt zur Annahme dieses Milderungsgrunds nicht; die Gelegenheit muß vielmehr im besonderen Maß nahelegen, daß ihr auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch unterliegen kßnnte (13 Os 156/82 u.a.). Davon kann hier nicht die Rede sein, eine Strafermäßigung war daher nicht am Platz.
Oberster Gerichtshof Wien, am 16. Dezember 1982.
Anmerkung
E04012European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00158.82.1216.000Dokumentnummer
JJT_19821216_OGH0002_0130OS00158_8200000_000