TE OGH 1982/12/16 12Os170/82

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Veröffentlicht am 16.12.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hankiewicz als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald A und andere wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1

StGB über die vom Angeklagten Clemens B gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Jugendschöffengericht vom 23. Juni 1982, GZ 3 a Vr 392/82-19, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Wille und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, der den Angeklagten Clemens B betreffende Strafausspruch sowie gemäß § 295 Abs. 1 zweiter Satz StPO auch der den Verurteilten Harald A betreffende Strafausspruch aufgehoben und sowohl bei Clemens B als auch bei Harald A gemäß § 13 Abs. 1 JGG der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafen für eine Probezeit von je 3 Jahren vorläufig aufgeschoben.

Mit seinem weiteren Berufungsbegehren wird der Angeklagte Clemens B auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem genannten Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Jugendlichen Harald A, geboren am 27. März 1967, und Clemens B, geboren am 27. August 1967, des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB, B auch in der Erscheinungsform des Versuchs nach § 15 StGB, schuldig erkannt und hiefür zu (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar A zu 4 (vier) Wochen und B zu 3 (drei) Wochen. Während das Urteil in Ansehung des Angeklagten Harald A in Rechtskraft erwachsen ist, bekämpft es der Angeklagte Clemens B mit Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO gestützt und strebt, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB behauptend, den Freispruch des Beschwerdeführers nach § 259 Z 4 StPO an; sie ist nicht berechtigt.

Gemäß § 42 Abs. 1 StGB ist eine von Amts wegen zu verfolgende, nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohte Handlung nicht strafbar, wenn die Schuld des Täters gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Nur wenn alle angeführten Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen, mangelt es an der Strafwürdigkeit der Tat; fehlt auch nur eine von ihnen, ist die Tat strafbar. Nach dem insoweit maßgebenden, durch das Geständnis des Angeklagten und die Angaben des Mitangeklagten Harald A gedeckten Urteilsannahmen stahlen die zur Tatzeit 14-jährigen Angeklagten Harald A und Clemens B in Gesellschaft als Beteiligte am 21. Oktober 1981 am Parkplatz des Stadionbades in Wien unbekannten Mopedbesitzern vier Mopedrückspiegel und 2 Schraubenschlüssel und am 4. November 1981 Verfügungsberechtigten des Kaufhauses C in Wien 3., Erdberger-Lände, mehrere Mundsprays. Am 5. November 1981 suchten sie neuerlich dieses Kaufhaus auf und stahlen - voneinander unabhängig - jeder für sich einige Mundsprays. Am 6. November 1981 wurde der Angeklagte Clemens B im selben Kaufhaus bei dem Versuch, zwei Sprays, eine Füllfeder und 2 Kreuzer-Stifte im Gesamtwerte von 176,10 S zu stehlen, betreten und an der Tatvollendung gehindert, wohingegen dem gleichfalls im Kaufhaus anwesenden, für sich allein agierenden Mitangeklagten Harald A mit der Diebsbeute (einigen Mundsprays) die Flucht gelang. Bei dieser Sachlage kann von geringer Schuld des Beschwerdeführers im Sinne des § 42 Abs. 1 Z 1 StGB nicht gesprochen werden. Deren Annahme verlangt nämlich ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt (ÖJZ-LSK 1976/379 ua), wogegen sich vorliegend aus dem planmäßigen und zielgerichteten Zusammenwirken der Angeklagten bei den Diebstählen vom 21. Oktober 1981 und 4. November 1981 und der (systematischen) Tatwiederholung am 5. und 6. November 1981 eine derart erhebliche Intensität vorwerfbaren deliktischen Täterwillens ergibt, daß nicht mehr gesagt werden kann, es handle sich um einen Fall, der tatschuldbezogen deutlich unter der Norm liegt (vgl ÖJZ-LSK 1976/346 = EvBl 1977/102 ua). Es fehlt daher im vorliegenden Fall schon am primären Erfordernis geringer Täterschuld.

Beizupflichten ist dem Beschwerdeführer lediglich darin, daß die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat (der der Fa C entstandene Schaden wurde überdies gutgemacht) und daß mit Rücksicht auf das reumütige Geständnis und die soziale Integration des Angeklagten eine Bestrafung aus spezialpräventiven Erwägungen nicht geboten ist.

Andererseits bedarf es aber aus generalpräventiven Gründen einer (schuldspruchmäßigen) Reaktion der Gesellschaft auf das inkriminierte Fehlverhalten, weil das vom Beschwerdeführer angestrebte Unterbleiben jeder Sanktion für die ihm zur Last fallenden mehreren Diebstahlstaten im konkreten Fall (siehe die Verfahrenseinstellung nach § 90 Abs. 1 StPO aus dem Grunde des § 12 Abs. 1 JGG in Ansehung des 'Begleiters' der Angeklagten Reinhard X) geeignet wäre, bei anderen potentiellen Tätern die Neigung zur Begehung ähnlicher Straftaten entsprechend zu verstärken, entstünde doch bei ihnen der Eindruck, man dürfe (insbes als Jugendlicher) derartige Delikte folgenlos begehen (vgl Steininger in RZ 1981 S 32 und Burgstaller, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung, S 65 ff /insbes S 68 oben/).

Da so gesehen zusätzlich auch generalpräventive Erwägungen gegen den Entfall eines Strafbedürfnisses beim Angeklagten Clemens B sprechen, war dessen Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte B die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 12 Abs. 2 JGG bzw die Anwendung des § 13 JGG an. Der Berufung kommt, soweit sie die Anwendung des § 13 (Abs. 1) JGG begehrt, Berechtigung zu. Denn im Hinblick darauf, daß der Berufungswerber zur Tatzeit erst knapp über 14 Jahre alt war, Schuldeinsicht gezeigt hat und nach den gepflogenen Erhebungen zur Zeit keine erzieherischen Schwierigkeiten bereitet, sondern nunmehr in geordneten Verhältnissen aufwächst (vgl ON 14 und 15), ist die Annahme gerechtfertigt, daß bei ihm der Schuldspruch genügt, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Dieser spezialpräventiv günstigen Prognose steht nicht entgegen, daß er die inkriminierten Straftaten an vier verschiedenen Tagen begangen, somit wiederholt hat. Den diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichtes vermag der Oberste Gerichtshof somit nicht beizutreten. Aber auch generalpräventive überlegungen sprechen nicht gegen die Anwendung des § 13 JGG, zumal nach Lage des Falles der Schuldspruch genügt, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entsprechend entgegenzuwirken.

In Stattgebung der Berufung war demnach der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe beim Berufungswerber für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufzuschieben; mit seinem weiteren Berufungsbegehren war der Angeklagte Clemens B auf diese Entscheidung zu verweisen.

Jene Gründe, die beim Angeklagten B die Anwendung des § 13 JGG rechtfertigen, kommen aber auch dem (Mit-)Angeklagten Harald A zustatten: Auch er war zur Tatzeit erst knapp über 14 Jahre alt, zeigte sich schuldeinsichtig und lebt in geordneten erzieherischen Verhältnissen (vgl ON 12 und 16), sodaß auch bei ihm die Annahme berechtigt ist, daß der Schuldspruch genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Gemäß § 295 Abs. 1 zweiter Satz StPO war deshalb von Amts wegen so vorzugehen, als hätte auch er Berufung ergriffen, wobei diese Vorschrift zu jeder Milderung des Strafübels, somit auch zur Gewährung einer echten bedingten Verurteilung berechtigt. Auch bei Harald A war somit der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufzuschieben.

Es war demnach insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00170.82.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19821216_OGH0002_0120OS00170_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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