TE OGH 1983/1/20 12Os154/82

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Veröffentlicht am 20.01.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hankiewicz als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. April 1982, GZ 7 b Vr 6076/81-29, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Wennig und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (Punkte 1. a und b des Urteilssatzes) und demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Oktober 1954 geborene Drehergeselle Karl A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1

StGB (Punkt 1. des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (Punkt 2.), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkt 3.) und nach § 36 Abs 1 lit b WaffG (Punkt 4.) schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 9. November 1980 in Wien zu 1.): durch Versetzen von Stichen mit einem Springmesser nachgenannten Personen absichtlich eine schwere Körperverletzung zufügte, und zwar a) der Gerlinde B eine tiefe Stichwunde am linken Rücken mit Eröffnung der Bauchhöhle links und Beschädigung des Bauchfellüberzuges des Dickdarms, verbunden mit einer länger als 24-tägigen Berufsunfähigkeit;

b) dem Alfred C einen Bauchstich mit teilweiser Durchtrennung des Dünndarms und mehrfacher Verletzung des Gekröses;

zu 2.): Gerlinde B durch die Äußerung: 'Wennst anrufst, bring ich Dich um', sohin durch gefährliche Drohung, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung (wegen des unter Punkt 1. b angeführten Vorfalles) zu nötigen versuchte;

zu 3.): durch Zertrümmerung des im Lokal der Gerlinde B aufgestellten 'Flippers' eine fremde Sache zerstört und hiedurch einen 5.000 S nicht übersteigenden Schaden (an der Sache) herbeiführte und zu 4.): ein Springmesser, sohin eine verbotene Waffe (§ 11 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besaß.

Die auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich der Sache nach gegen die unter den Punkten 1.) a und b, 2.) und 3.) angeführten Schuldsprüche; der Schuldspruch wegen Vergehens nach § 36 Abs 1 lit b WaffG (Punkt 4.) blieb unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erweist sich teilweise, und zwar insoweit damit der Schuldspruch wegen Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung (Punkt 1. a und b) bekämpft wird, als berechtigt:

Nach den diesem Schuldspruch zugrundeliegenden Urteilsfeststellungen geriet die Lebensgefährtin des Angeklagten, Elfriede D, in den früheren Morgenstunden des 9.November 1980 im Lokal 'X' in Wien 6, Corneliusgasse 8, mit der Lokalinhaberin Gerlinde B in eine tätliche Auseinandersetzung. Als der Angeklagte eingreifen wollte, wurde er von Karl E, dem Lebensgefährten der Lokalinhaberin, und von dem im Lokal als Gast anwesenden Alfred C zurückgehalten, worauf es zu einem Handgemenge (ersichtlich gemeint: zwischen diesen Personen) kam, bei dem jedoch niemand verletzt wurde (S 289). Die im Urteilssatz unter Punkt 1.) a) und b) bezeichneten Messerstiche gegen Alfred C und Gerlinde B führte der nach überzeugung des Erstgerichtes hiebei von der Absicht auf Zufügung einer jeweils schweren Körperverletzung geleitete und zu diesem Zeitpunkt keineswegs zur Abwehr eines gegen ihn gerichteten oder unmittelbar bevorstehenden Angriffes gegen seine körperliche Integrität genötigte Angeklagte erst, nachdem das vorerwähnte Handgemenge bereits beendet war und der Angeklagte inzwischen (vorübergehend) an seinem Tisch wieder Platz genommen hatte (S 289 - 292). Die sich auf den Rechtfertigungsgrund der Notwehr berufende Verantwortung des Angeklagten (vgl S 235 und 241) hielt das Erstgericht auf Grund der Aussagen der beiden Verletzten Alfred C und Gerlinde B sowie der Zeugin Dorit F für widerlegt (S 293/294).

Der Angeklagte hatte sich in seiner Verantwortung darauf berufen, bei seinem Versuch, in die tätliche Auseinandersetzung zwischen seiner Lebensgefährtin Elfriede D und Gerlinde B einzugreifen, von 2 Männern festgehalten, von diesen mit Faustschlägen mißhandelt, überdies von einem weiteren Mann mit einem Säbel bedroht und auch noch von einem Hund attackiert worden zu sein, weshalb er, zumal er durch die ihm von seinen Widersachern über den Kopf gezogene Jacke in seiner Sicht stark behindert gewesen sei (S 237 und 261), das damals mit sich geführte Springmesser gezogen und damit (zu seiner Verteidigung) wahllos Stichbewegungen ausgeführt habe (S 42, 96, 262/263 und 265).

Im Zuge dieser gegen ihn gerichteten Mißhandlungen sei er auch verletzt worden (S 44 und 237). Der Polizeiamtsarzt (Dr. Reinhard G) stellte bei einer am 9. November 1980

gegen 12,55 Uhr vorgenommenen Untersuchung des Angeklagten, der unmittelbar nach den verfahrensgegenständlichen Vorfällen (auf der Flucht) festgenommen worden war, umfangreiche Verletzungen, und zwar zwei größere Abschürfungen am Rücken, verbunden mit Blutunterlaufungen, eine weitere (Abschürfung) an der Außenseite des linken Oberschenkels sowie mehrere längsverlaufende Kratzspuren am rechten Unterschenkel fest (S 53 und 238).

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO bewirkenden Unvollständigkeit die Urteilsannahme, es sei bei dem den Messerstichen vorangegangenen Handgemenge niemand, also auch nicht der Beschwerdeführer, verletzt worden (S 289); übergeht doch das Erstgericht hiebei die vom Polizeiamtsarzt bei Karl A kurz nach der Tat festgestellten mehrfachen Verletzungsspuren (S 53), auf die sich der Beschwerdeführer ua zur Untermauerung seiner Behauptung berufen hat, er habe sich damals in einer Notwehrsituation befunden und die Messerstiche nur in Ausübung des Notwehrrechts zugefügt (S 235 ff). Solcherart betrifft aber der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach der Tat (vom Polizeiamtsarzt festgestellte) Verletzungsspuren aufwies, in Verbindung mit seiner Behauptung, diese seien ihm anläßlich der von ihm behaupteten Notwehrsituation zugefügt worden, eine entscheidungswesentliche und demnach jedenfalls erörterungsbedürftige Tatsache (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), die mit der Urteilsfeststellung, daß bei dem den Messerstichen vorangegangenen Handgemenge niemand verletzt worden sei, nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist, zumal das Ersturteil nicht darüber abspricht, bei welchem (sonstigen) Anlaß die (objektivierten) Verletzungen des Angeklagten entstanden sein könnten; daß der Angeklagte diese Verletzungen bereits bei diesem (ersten) Handgemenge erlitten haben könnte, ist im übrigen bei der vom Erstgericht vorgenommenen Würdigung der Verfahrensergebnisse keineswegs ausgeschlossen.

Wegen dieses Begründungsmangels (Z 5) war der Nichtigkeitsbeschwerde in Ansehung der Punkte 1.) a) und b) des Urteilssatzes, ohne daß es einer Erörterung des bezüglichen weiteren Beschwerdevorbringens bedarf, Folge zu geben, das angefochtene Urteil in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen.

Verfehlt ist die Beschwerde jedoch, soweit sie die Schuldsprüche wegen der Vergehen der versuchten Nötigung (Punkt 2.) und der Sachbeschädigung (Punkt 3.) bekämpft.

Den letztgenannten Vergehenstatbestand hat der Angeklagte nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen dadurch verwirklicht, daß er beim Verlassen des Lokals 'X' einen Barhocker gegen einen dort aufgestellten Flipperautomaten warf und diesen dadurch beschädigte, wobei das Erstgericht als erwiesen annahm, daß der Vorsatz des damals aus Zorn handelnden Angeklagten auf das Zerstören dieses Automaten gerichtet war (S 291).

Angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der im § 125 StGB angeführten (vier) Begehungsformen (einer Sachbeschädigung) kommt dem Umstand, daß dem Beschwerdeführer laut Urteilssatz (vgl Punkt 3.) ein Zerstören des Flipperautomaten durch Zertrümmern (vgl hiezu auch den Erhebungsbericht der Polizei, S 37) angelastet wird, während in den Urteilsgründen (bloß) von einem Beschädigen desselben die Rede ist (S 291), keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl Kienapfel, Grundriß, BT II, RN 22 zu § 125 StGB), sodaß der darauf Bezug nehmende, formell auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte (der Sache nach jedoch den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 10 der zitierten Verfahrensvorschrift relevierende) Beschwerdeeinwand nicht durchschlägt; stellt doch ein Beschädigen gegenüber dem (rechtlich gleichwertigen) Zerstören einer Sache (als der intensivsten Form einer mit der gänzlichen Aufhebung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit der Sache verbundenen Beschädigung) ein bloß graduell unterschiedliches, im übrigen jedoch mit denselben Rechtsfolgen bedrohtes Einwirken auf die Sachsubstanz dar (vgl Kienapfel, aaO, RN 29 und 33 zu § 125 StGB).

Den Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Nötigung (Punkt 2. des Urteilssatzes) hinwieder konnte das Erstgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen mängelfrei auf die Aussage der Zeugin Gerlinde B stützen (S 296/297), die stets gleichlautend bekundete (vgl die auch in der Hauptverhandlung verlesenen - S 280 d.A - Angaben vor der Polizei, S 86; vor dem Untersuchungsrichter, S 104; vor dem gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. Oskar H, S 109, sowie ihre Darstellung in der Hauptverhandlung, S 273), daß sie der Angeklagte durch die Drohung mit dem Umbringen (bzw Abstechen) am Telefonieren zu hindern versucht hatte. Ein - vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vermißtes - näheres Eingehen auf die Aussage der Zeugin Dorit F war deshalb entbehrlich, weil diese Zeugin eine solche Drohung durch den Angeklagten gegenüber Gerlinde B keineswegs ausschließen konnte, vielmehr die Möglichkeit offenließ, eine solche Drohung infolge der damaligen turbulenten Ereignisse überhört zu haben (S 275/ 276). Daß Gerlinde B die Polizei telefonisch zur Hilfe herbeirufen wollte, nachdem der Angeklagte unmittelbar vorher vor ihren Augen dem Alfred C einen Bauchstich zugefügt hatte, ergibt sich aus ihren (in der Hauptverhandlung verlesenen - S 280) Angaben vor der Polizei (S 86) und vor dem Untersuchungsrichter (S 104). Im übrigen ist es dem Beschwerdevorbringen zuwider für den in Rede stehenden Schuldspruch ohne Belang, ob der Angeklagte die Drohung mit dem Umbringen (bzw Abstechen) gegenüber Gerlinde B - so wie dies im Ersturteil unter Hinweis auf deren Aussage als erwiesen angenommen wird - deshalb ausgestoßen hat, um sie an einer telefonischen Kontaktaufnahme mit der Polizei zu hindern; genug daran, daß er sie mit dem Mittel der gefährlichen Drohung zur Unterlassung des Telefonates (mit wem auch immer) zu nötigen versucht hatte. Insoweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit dem Hinweis, das Opfer habe sich gar nicht bedroht gefühlt, die objektive Eignung seiner - als Mittel zu der von ihm angestrebten Nötigung eingesetzten -

Äußerung (mit dem Umbringen bzw Abstechen), dadurch der Gerlinde B begründete Besorgnisse einzuflößen, in Frage zu stellen versucht, verkennt er, daß es bei der Prüfung der (objektiven) Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB), nicht darauf ankommt, ob bei der bedrohten Person wirklich Besorgnisse erweckt wurden, sondern darauf, ob sie bei unbefangener Betrachtung der Situation, in der die zu beurteilende Äußerung fällt, eine Verwirklichung des angedrohten übels erwarten und den Eindruck gewinnen konnte, der Angeklagte sei willens und in der Lage, die von ihm mit seiner Drohung in Aussicht gestellten nachteiligen Folgen (hier: Umbringen bzw Abstechen) auch tatsächlich herbeizuführen (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar2 § 74 RN 18 und die dort zitierte Judikatur). Daß dies aber auf den vorliegenden Fall zutrifft, kann angesichts der Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte unmittelbar vor der gegenüber Gerlinde B geäußerten Drohung (mit dem Umbringen bzw Abstechen) dem Alfred C mit einem Springmesser einen Bauchstich zugefügt hatte, nicht in Zweifel gezogen werden. Mit dem weiteren Bescwherdeeinwand, es seien damals von ihm nur Beschimpfungen 'ohne konkreten Hintergrund' gefallen, weicht er von den Urteilsfeststellungen ab, wonach er Gerlinde B damals mit dem Umbringen bedrohte, sodaß die Rechtsrüge, deren prozeßordnungsgemäße Darstellung stets einen Vergleich des festgestellten Sachverhaltes mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert, insoweit einer gesetzmäßigen Ausführung entbehrt.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird die (bisher unberücksichtigt gebliebene) verwaltungsbehördliche Verwahrungshaft (vom 9. November 1980, 4,15 Uhr, bis 16,45 Uhr dieses Tages -

vgl S 9) gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf die zu verhängende Strafe anzurechnen sein (vgl ÖJZ-LSK 1982/37).

Anmerkung

E04010

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0120OS00154.82.0120.000

Dokumentnummer

JJT_19830120_OGH0002_0120OS00154_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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