Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Feber 1983
unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jackwerth als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 131 StGB über die von den Angeklagten Franz A und Helene A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.Oktober 1982, GZ. 2 a Vr 4297/82-44, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.
Dr. Steininger, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Koziel und Dr. Mühl sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der nunmehr 36-jährige beschäftigungslose Vulkaniseur Franz A des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 131 StGB und seine 45-jährige Ehefrau Helene A des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1 StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar Franz A nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu 14 (vierzehn) Monaten und Helene A nach § 127 Abs 2 StGB zu 4 (vier) Monaten, wobei die über diese Angeklagte verhängte Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben die beiden Angeklagten am 18. März 1982 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Handtasche samt Inhalt, der Rosa B mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei Franz A, bei dem Diebstahl auf frischer Tat betreten, dadurch, daß er Maximilian B einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, Gewalt gegen eine Person angewendet hat, um sich und seine Mittäterin die weggenommene Sache zu erhalten.
Den Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagten mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden, wobei sie die Z. 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO, Franz A darüber hinaus auch die Z. 5 und 10 der zitierten Gesetzesstelle, geltend machen; gegen den Strafausspruch haben die Angeklagten Berufung ergriffen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz A:
Als Verfahrensmangel im Sinne der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO rügt dieser Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages auf Einvernahme der Zeugin Brigitte C, die er zum Beweis dafür beantragt hat, daß die Mitangeklagte Helene A der (in Gesellschaft der Brigitte C befindlichen) Christine D mitgeteilt habe, eine Tasche gefunden zu haben und damit zur Polizei zu gehen, um den Fund abzugeben. Die vom Erstgericht für die Abweisung dieses Beweisantrages gegebene Begründung, daß eine derartige Äußerung der Angeklagten Helene A ohnedies als erwiesen angenommen werde, reiche nicht hin, weil durch die Vernehmung der genannten Zeugin auch zu erweisen gewesen wäre, daß das ganze Verhalten der Angeklagten beim Verlassen des 'Tatorts' auf ihre Absicht hingedeutet habe, mit dem vermeintlichen Fund zur Polizei zu gehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt.
Nach dem Inhalt des Beweisantrages, wie er in erster Instanz formuliert wurde, sollte die Zeugin Brigitte C nur darüber vernommen werden, daß Helene A der Zeugin D mitgeteilt habe, eine Tasche gefunden zu haben und mit dieser zur Polizei zu gehen, um sie abzugeben (S. 193 d. A.); ein darüber hinaus gehendes Beweisthema wurde nicht angeführt (abermals S. 193 d.A.). Die solcherart durch die begehrte Beweisaufnahme allein nachzuweisende Äußerung der Helene A hat das Schöffengericht jedoch ohnedies auf Grund der Aussage der vernommenen Zeugin Christine D als erwiesen angenommen (S. 195, 211 d. A.), sodaß hiezu weitere Beweisaufnahmen ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben konnten (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO Nr. 77 zu § 281 Z. 4). Darauf aber, daß das Gericht diese (als erwiesen angenommene) Äußerung bei seiner Beweiswürdigung auf Grund des Gesamtverhaltens der beiden Angeklagten, wie es sich nach den bezüglichen Verfahrensergebnissen dargestellt hat, als nicht deren wahrem Vorhaben entsprechend beurteilt hat (S. 211, 212 d.A.), hätte die Vernehmung der Zeugin C, die nach dem für die Überprüfung der Verfahrensrüge allein maßgebenden Inhalt des erstinstanzlichen Beweisantrages (vgl. 9 Os 59/74 u. a.) nur über die Tatsache dieser Äußerung erfolgen hätte sollen, keinen Einfluß zu üben vermocht, weil daraus über die wahren Absichten der Angeklagten nichts zu entnehmen gewesen wäre. Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs 1
StPO wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht der Sache nach eine unvollständige und unzureichende Begründung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vor, die jedoch dem angefochtenen Urteil nicht anhaftet.
Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß das Gericht gemäß § 270 Abs 2 Z. 5 StPO nicht verhalten ist, in den Entscheidungsgründen sämtliche Verfahrensergebnisse im einzelnen darzustellen und zu erörtern; es hat vielmehr das Urteil in gedrängter Darstellung zu begründen (Mayerhofer/Rieder StPO Nr. 104, 105 zu § 270), mithin die entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen, die es als erwiesen annimmt, und die Gründe anzuführen, die zur überzeugung ihrer Richtigkeit geführt haben. Dieser Verpflichtung ist das Schöffengericht in hinreichendem Maße nachgekommen. Da es auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse, insbesondere des Verhaltens der beiden Angeklagten, zur überzeugung gelangt ist, daß die Erklärung der Angeklagten, die Tasche als Fund bei der Polizei abgeben zu wollen, lediglich eine Schutzbehauptung darstellte und nicht dem wahren Willen der Angeklagten entsprochen hat (vgl. S. 209 bis 212 d.A.), bedurfte es keiner gesonderten Erörterung der Aussage des Zeugen Maximilian B vor dem Untersuchungsrichter, wonach der Beschwerdeführer erwähnte, zur Polizei zu wollen (S. 54 d.A.). Ebensowenig bedurfte es einer Erörterung dahin, ob es möglich gewesen wäre, die Tasche der Rosa B in der Einkaufstasche der Helene A besser zu verbergen. Die Annahme, daß die Angeklagten den hinteren Gang benützt haben, um den Eheleuten B auszuweichen, und daß Helene A, in deren Begleitung sich der Beschwerdeführer befand, nach der Beanstandung durch Maximilian B, der die Tasche als Eigentum seiner Frau bezeichnete und deren Herausgabe verlangte, 'stur weitergegangen' ist, findet - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - in den Verfahrensergebnissen durchaus Deckung (S. 19, 54, 163 d.A.);
die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß die Angeklagten nach der Zueignung der Tasche rasch zu ihrem Fahrzeug kommen wollten, entspricht durchaus der Lebenserfahrung.
Daß der Beschwerdeführer auch die hintere Wagentüre seines (viertürigen) Autos geöffnet hat, um den Zeugen B einsteigen zu lassen und ihn zur Polizei mitzunehmen, hat das Schöffengericht ersichtlich auf Grund der von ihm für glaubwürdig erachteten und dies verneinenden Aussage des Zeugen B (S. 164 d.A.) nicht als erwiesen angenommen. Da das Schöffengericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf Grund des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers zur überzeugung gelangte, daß der Schlag gegen Maximilian B dem Zweck diente, dem Beschwerdeführer (und seiner Gattin) die Beute zu erhalten, welche Schlußfolgerung jedenfalls angesichts der Verfahrensergebnisse nicht denkgesetzwidrig ist, bedurfte es auch keiner gesonderten Erörterung dahin, welche Äußerungen der Beschwerdeführer machte, bevor er oder als er auf B einschlug. Schließlich bedurfte es aber auch nicht einer ausdrücklichen Auseinandersetzung mit den von der Beschwerde behaupteten Divergenzen zwischen den Aussagen der Zeugen B, die das Schöffengericht ersichtlich als nicht wesentlich und den Beweiswert der Aussagen nicht beeinträchtigend wertete.
Es versagt somit auch die Mängelrüge.
Mit seinen auf die Z. 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Ausführungen - mit welchen insgesamt eine unrichtige rechtliche Subsumtion und daher nur die Z. 10 der zitierten Gesetzesstelle geltend gemacht wird - strebt der Beschwerdeführer einerseits seine Verurteilung lediglich wegen (Fund-)Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB an, wobei er (insoweit schon bei Ausführung der Mängelrüge) das Fehlen von Feststellungen darüber moniert, daß er die Tasche als verlorene Sache betrachtet habe, und andererseits die Ausschaltung der Diebstahlsqualifikation nach § 131 StGB, weil seinem Angriff gegen den Zeugen B das Merkmal erheblicher Gewalt gefehlt habe, sodaß er nicht den Voraussetzungen eines räuberischen Diebstahls entsprochen habe.
Mit dem erstangeführten Einwand wird der Sache nach das Vorliegen eines Subsumstionsirrtums behauptet, der nach Ansicht des Beschwerdeführers dazu führen sollte, ihn, weil er die Tasche der Zeugin B als 'verlorene' und damit von ihm (und seiner Gattin) 'gefundene' Sache angesehen habe, lediglich wegen Unterschlagung haften zu lassen. Ein derartiger Subsumtionsirrtum (Irrtum über die rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens) ist jedoch unbeachtlich, sofern der Täter das Unrecht seines Verhaltens als solches erkannt hat (vgl. hiezu Leukauf/
Steininger, Kommentar2 § 9 RN. 23; s. auch Rittler I2 194). Daß die eigenmächtige Zueignung der Tasche der Zeugin B aber vom Beschwerdeführer als Unrecht erkannt wurde, bestreitet die Beschwerde nicht (und kann dies nach den Verfahrensergebnissen auch nicht bestreiten).
Auch wenn der Beschwerdeführer daher seine Tat (rechtsirrig) als bloße (Fund-)Unterschlagung (und nicht als Diebstahl) gewertet haben sollte, vermag ihn dies des Diebstahls nicht zu entschuldigen. Was aber die Gewaltanwendung des Beschwerdeführers gegen Maximilian B betrifft, so hat sie zu einer sichtbaren Verletzung des Genannten (nicht unbeträchtliche Kratzwunden im Gesicht, die sogar eine ambulante Spitalsbehandlung erforderlich machten; S. 49 bis 51 d.A.) geführt.
Es handelte sich somit um die Anwendung physischer Kraft von einiger Schwere, die dem Begriff der Gewalt im Sinne des § 131 StGB entspricht (vgl. Leukauf/Steininger, Kommentar2 § 131 RN. 6 in Verbindung mit § 142 RN. 6). Der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers als räuberischer Diebstahl haftet mithin der behauptete Rechtsirrtum nicht an.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz A war somit zu verwerfen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Helene A:
Soweit auch diese Angeklagte unter Anrufung der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO die Abweisung des Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugin Brigitte C als Verfahrensmangel rügt, so genügt es, die Beschwerde auf die bezüglichen Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz A zu verweisen, wonach die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme keine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten darstellte, und die gleichermaßen auch für diese Beschwerdeführerin gelten.
In ihrer auf die Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO
gestützten Rechtsrüge bezeichnet die Beschwerdeführerin ihren Schuldspruch deshalb als rechtsirrig, weil sie nicht mit Bereicherungs'absicht' (richtig: Bereicherungsvorsatz) gehandelt habe. Mit diesem Vorbringen führt sie jedoch die Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß aus, weil sie jene Urteilskonstatierung, wonach sie mit dem Vorsatz gehandelt hat, sich durch die Zueignung der Tasche unrechtmäßig zu bereichern (S. 206, 213 d.A.), negiert. Der Einwand hinwieder, daß die Art der Verwahrung der Tasche die Annahme eines Bereicherungsvorsatzes geradezu ausschließe, stellt eine unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist. Auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Helene A war demnach zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend beim Angeklagten Franz A, daß er schon mehrmals wegen eigentumsschädlicher Straftaten und wegen verschiedener Gewaltdelikte verurteilt worden ist, wobei die Voraussetzungen des § 39 StGB gegeben sind, daß er der Urheber des Diebstahls war und daß Maximilian B leicht verletzt wurde, bei der Angeklagten Helene A, daß sie schon einmal, allerdings nahezu vor vier Jahren, wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist, als mildernd hingegen bei beiden Angeklagten die Sicherstellung und Rückstellung der Diebsbeute, weiters bei der Angeklagten Helene A auch den Umstand, daß sie die Tat unter der Einwirkung ihres Gatten begangen hat.
Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten die Herabsetzung der
über sie verhängten Freiheitsstrafen an.
Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe bei beiden Berufungswerbern im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt. Daß die Tatausführung den beiden Berufungswerbern zunächst den Umständen nach leicht gemacht wurde, weil sich ersichtlich niemand um die stehengelassene Tasche kümmerte, vermag vorliegend keine mildere Beurteilung des Verhaltens der Täter zu rechtfertigen. Angesichts des stark getrübten Vorlebens des Angeklagten Franz A, der Wirkungslosigkeit vorangegangener Abstrafungen und der Schwere seiner Tatschuld bedarf es bei diesem Angeklagten einer entsprechend strengen Strafe, weshalb eine Reduzierung des Strafmaßes (bei einer zulässigen Höchststrafe von 7 1/2 Jahren) nicht in Erwägung gezogen werden konnte. Aber auch die über die Angeklagte Helene A verhängte (4- monatige) Freiheitsstrafe entspricht der Schuld dieser Angeklagten, wobei hinreichend berücksichtigt wurde, daß sie die Tat unter dem Einfluß ihres Ehegatten begangen hat. Daß sie nur in untergeordneter Weise am Diebstahl beteiligt gewesen wäre, entspricht nicht den aktenkundigten Verfahrensergebnisse, sodaß ihr dieser Milderungsgrund nicht zugute kommen kann.
Es war sohin beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen und insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04070European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00197.82.0215.000Dokumentnummer
JJT_19830215_OGH0002_0090OS00197_8200000_000