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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §273 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/09/0020Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des A in Z, vertreten durch Dr. Christian Obrist, Rechtsanwalt in 5700 Zell am See, Brucker Bundesstraße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 16. Jänner 2003, Zlen. UVS-14/10195/6-2003 und UVS- 24/10055/6-2003, betreffend Zurückweisung des Einspruchs gegen eine Strafverfügung wegen Übertretung des Salzburger Landespolizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 16. Jänner 2003 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Zurückweisungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20. November 2002 - mit dem der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung vom 6. Juni 2002 als verspätet zurückgewiesen worden war - gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Zurückweisungsbescheid bestätigt.
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 6. Juni 2002 war der Beschwerdeführer der Begehung von Verwaltungsübertretungen am 2. Juni 2002 um 9.55 Uhr (an einem näher umschriebenen Ort) in Z für schuldig befunden worden und zwar
1. gemäß § 1 des Salzburger Landespolizeistrafgesetzes dahingehend, er habe den öffentlichen Anstand dadurch verletzt, indem er die einschreitenden Beamten auf das Gröblichste mit den Worten "Wos wülst, du Oarschloch, glaubst, doas beeindruckt mi, schleich di, du depperter Kieberer; Scheiß Kieberer leckts mich am Oarsch oder no besser fickts mi, ihr Trottel, ihr Oarschlöcher; Jetzt bist glücklich, du Oarschloch, Ha, wos wülst jetzt du Trottel, goar nix konnst tuan, die Wixer" beschimpft habe und
2. gemäß § 2 Abs. 1 des Salzburger Landespolizeistrafgesetzes dahingehend, er habe ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, indem er Obszönitäten derart laut geschrieen habe, dass es weithin hörbar gewesen sei; über ihn wurden hiefür (zu 1.) eine Geldstrafe in Höhe von EUR 218,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) und (zu 2.) eine Geldstrafe in Höhe von EUR 72,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.
Gegen diese (am 11. Juni 2002 durch postamtliche Hinterlegung zugestellte) Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer am 18. November 2002 einen schriftlichen Einspruch, den die Bezirkshauptmannschaft mit Bescheid vom 20. November 2002 als verspätet zurückwies.
Gegen diesen (am 26. November 2002 durch postamtliche Hinterlegung zugestellten) Zurückweisungsbescheid erhob der Beschwerdeführer am 27. November 2002 "Einspruch", den die belangte Behörde als Berufung behandelte und mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen hat.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
In der Beschwerde wird (unter Vorlage gerichtlicher Entscheidungen aus dem Verfahren über die Sachwalterbestellung) geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei dem Personenkreis des § 273 Abs. 1 ABGB zuzurechnen; er sei prozessunfähig. Die Behörde hätte den angefochtenen Bescheid nicht gegen ihn erlassen dürfen. Schon die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z sei gegen einen Unzurechnungsfähigen ergangen. Sowohl der Bezirkshauptmannschaft als auch der belangten Behörde hätte aufgrund des Inhaltes der handschriftlichen Rechtsmittel des Beschwerdeführers und seiner darin gewählten Ausdrucksweise seine Erkrankung erkennen können.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsstrafakten wurde am 2. Juni 2002 wegen an diesem Tag behauptetermaßen begangener Tathandlungen Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet. Die Strafverfügung vom 6. Juni 2002 wurde sodann am 11. Juni 2002 (durch postamtliche Hinterlegung) an den Beschwerdeführer zugestellt. Der erstinstanzliche Zurückweisungsbescheid vom 20. November 2002 wurde an den Beschwerdeführer am 26. November 2002 zugestellt.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die verspätete Erhebung seines Einspruchs vorgehalten und ihm die Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme eingeräumt; der Beschwerdeführer hat davon mit Eingabe vom 20. Dezember 2002 Gebrauch gemacht.
Der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Berufungsbescheid vom 16. Jänner 2003 wurde an den Beschwerdeführer am 24. Jänner 2003 zugestellt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1996, Zl. 95/11/0365, und vom 20. Februar 2002, Zl. 2001/08/0192) wirkt die Sachwalterbestellung insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist. Für die Zeit davor ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer schon damals nicht mehr prozessfähig gewesen ist und somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2000, Zl. 2000/05/0012).
Im Beschwerdefall ist daher ab Rechtskraft der erfolgten Sachwalterbestellung die Prozess- und Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers im dort umschriebenen Ausmaß - also insbesondere hinsichtlich der Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Gerichten - keinesfalls mehr gegeben. Mit Rücksicht auf die schon mit Beschluss des Bezirksgerichtes Z vom 8. Oktober 2002 erfolgte Bestellung eines - auf den Aufgabenkreis der Vertretung in einer dringenden Angelegenheit eines näher bezeichneten Verfahrens beschränkten - einstweiligen Sachwalters erscheinen Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers aber schon jedenfalls ab Einleitung des Strafverfahrens wegen der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen (2. Juni 2002) gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang kann dem mit der Beschwerde vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 6. Februar 2003 (betreffend die Bestellung des Sachwalters) entnommen werden, dass der Beschwerdeführer nicht prozessfähig und auf Grund seiner psychischen Krankheit nicht in der Lage erschien, alle seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Der Rekursentscheidung des Landesgerichtes Salzburg vom 21. Mai 2003, Zlen. 21 R 89/03 i und 21 R 197/03 x, (über Rekurse des Beschwerdeführers gegen die Sachwalterbestellungen) ist zu entnehmen, dass der Verdacht seiner psychischen Erkrankung sich schon bei der richterlichen Erstanhörung am 20. September 2002 zeigte und danach durch ein fachärztliches Gutachten bestätigt worden sei; der Beschwerdeführer sei - wie für das Rekursgericht aus seinen Rechtsmitteln zu erkennen sei - nicht fähig, seine Interessenlage in nachvollziehbarer Weise darzulegen und seine allfälligen Rechtsansprüche in einer zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung geeigneten Form geltend zu machen. Das genannte Rekursgericht hielt eine generelle Betrauung des Sachwalters mit der Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Gerichten insbesondere deshalb für angezeigt, weil die Gefahr bestünde, der Beschwerdeführer könne seine Anliegen der Behörde nicht verständlich machen und "etwa durch Fristversäumung ein Rechtsverlust eintreten könnte". Dass der Beschwerdeführer nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten auch im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren derartige Eingaben an die Behörde erstattete und damit die vom Rekursgericht angesprochene Gefahr für ihn bestand, ist nicht zweifelhaft. Die belangte Behörde räumt in der Gegenschrift ein, dass den Eingaben des Beschwerdeführers "eine gewisse Eigenartigkeit nicht abzusprechen ist".
Es sind daher geeignete Ermittlungen darüber notwendig, ob die gegenüber dem Beschwerdeführer vor dem Zeitpunkt der Sachwalterbestellung gesetzten Verfahrenshandlungen (Zustellungen) im Hinblick auf die gegen seine Prozessfähigkeit bestehenden Bedenken ohne die Beiziehung eines Sachwalters wirksam vorgenommen werden durften (konnten).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Ersatz des Schriftsatzaufwandes beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren (betreffend Kosten für die Herstellung von Kopien) war abzuweisen, weil der gemäß § 49 Abs. 1 VwGG festgesetzte Pauschbetrag auch diesen Aufwand deckt.
Wien, am 25. Mai 2005
Schlagworte
Sachwalter Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche PersonEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003090019.X00Im RIS seit
30.06.2005Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008