Norm
BAG §14 Abs2 litcKopf
SZ 56/35
Spruch
Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz des Mutterschutzgesetzes gilt nicht für Probearbeitsverhältnisse
Auch in der Zeit zwischen dem Abschluß des Lehrvertrages und dessen Eintragung durch die Lehrlingsstelle bzw der Verweigerung einer solchen Eintragung während welcher die Wirksamkeit des Lehrverhältnisses in Schwebe ist, gelten die Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes
OGH 8. 3. 1983, 4 Ob 18/83 (KG Steyr 5 Cg 5/82; ArbG Steyr Cr 22/82)
Text
Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß das zwischen ihnen begrundete Beschäftigungsverhältnis nach wie vor aufrecht besteht. Sie sei ab 12. 1. 1982 zur Beklagten in ein Beschäftigungsverhältnis zum Zweck des Erlernens des Lehrberufes "Friseur und Perückenmacher" getreten; vorher habe sie bereits am 2., 4. und 11. 1. 1982 Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht. In der Zeit vom 1. 8. 1980 bis 31. 12. 1981 habe sie in einem anderen Betrieb einen Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Lehrzeit absolviert gehabt. Die Beklagte habe der Klägerin zugesichert, daß ihr im Betrieb der Beklagten die Erlernung des vorgenannten Lehrberufes iS des Berufsausbildungsgesetzes möglich sei. Am 16. 2. 1982 habe die Klägerin von ihrem Arzt erfahren, daß sie in der 13. Woche schwanger sei. Nachdem die Klägerin die Beklagte von dieser Schwangerschaft am 17. 2. 1982 verständigt habe, habe die Beklagte unter Berufung auf die offene Probezeit das Lehrverhältnis am 18. 2. 1982 aufgelöst. Am 19. 2. 1982 habe die Klägerin erfahren, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, ein Lehrverhältnis zu begrunden. Die Klägerin sei auch an einem den Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes nicht unterliegenden Ausbildungsverhältnis interessiert, weil ihr dieses die Möglichkeit biete, nach Vollendung des 21. Lebensjahres die Lehrabschlußprüfung abzulegen. Im Hinblick auf die Kündigungsschutzbestimmungen des Mutterschutzgesetzes sei eine Kündigung der schwangeren Klägerin nicht zulässig gewesen.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung; sie habe das Lehrverhältnis während der zweimonatigen Probezeit aufgelöst.
Außer Streit steht, daß die Lehrlingsstelle der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich mit rechtskräftigem Bescheid vom 9. 3. 1982 die Eintragung des zwischen den Prozeßparteien abgeschlossenen Lehrvertrages gemäß § 20 Abs. 3 lit. f BAG verweigert hat.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß das Lehrverhältnis gemäß § 14 Abs. 2 lit. c BAG infolge Verweigerung der Eintragung des Lehrverträges mit Wirkung ex tunc aufgelöst worden sei. Da an Stelle dieses Lehrverhältnisses kein Beschäftigungsverhältnis vereinbart worden sei, fehle dem Klagebegehren die Berechtigung.
Im Berufungsverfahren stellten die Parteien außer Streit, daß die Klägerin nach dem 18. 2. 1982 keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat. Die Klägerin begehrte im Berufungsverfahren erstmals die Zahlung eines Facharbeiterlohnes für die Zeit vom 19. 2. bis 14. 5. 1982 in der Höhe von 4047.80 S.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil, wies das Zahlungsbegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 30 000 S übersteige. Es billigte im wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und vertrat zusätzlich die Meinung, die Beklagte sei berechtigt gewesen, das Lehrverhältnis während der gemäß § 15 Abs. 2 BAG bestehenden zweimonatigen Probezeit aufzulösen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin vertritt in ihren Rechtsmittelausführungen die Auffassung, die Verweigerung der Eintragung des Lehrvertrages habe nur zu einer Teilnichtigkeit in dem Sinn geführt, daß zwar der Lehrvertrag nichtig sei, ein Beschäftigungsverhältnis jedoch von der Nichtigkeit unberührt und daher "mit modifiziertem Inhalt" aufrecht geblieben sei. Dieses Beschäftigungsverhältnis biete ihr die Möglichkeit einer Zulassung zur Lehrabschlußprüfung iS des § 23 Abs. 5 lit. a BAG. Da die Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes infolge der Nichtigkeit des Lehrvertrages unanwendbar seien, komme auch eine Auflösung des Lehrverhältnisses während der zweimonatigen Probezeit des § 15 Abs. 2 BAG nicht in Betracht.
Die von der Klägerin in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellte Frage der Teilnichtigkeit (oder vielmehr der Konversion) kann auf sich beruhen, weil beiden nur auf die Zeit nach dem 18. 2. 1982 gerichteten Klagebegehren schon im Hinblick auf die an diesem Tag von der Beklagten vorgenommene Auflösung des Lehrverhältnisses die Berechtigung fehlt. Hiebei ist davon auszugehen, daß die Parteien einen Lehrvertrag für die Zeit vom 12. 1. 1982 bis 11. 8. 1983 (Restlehrzeit) abgeschlossen haben, der - neben den Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes - die Rechtsgrundlage für das Lehrverhältnis bilden sollte. Gemäß § 20 Abs. 1 BAG hat der Lehrberechtigte den Lehrvertrag ohne unnötigen Aufschub bei der zuständigen Lehrlingsstelle der Kammer der gewerblichen Wirtschaft zur Eintragung anzumelden; die Lehrlingsstelle hat ihrerseits ohne unnötigen Aufschub die Eintragung des Lehrvertrages vorzunehmen oder eine Behebung allfälliger Mängel zu veranlassen oder einen Bescheid iS des § 20 Abs. 3 BAG über die Verweigerung der Eintragung zu erlassen. Wird die Eintragung des Lehrvertrages aus einem der in Abs. 3 angeführten Gründe rechtskräftig verweigert oder wird die Löschung einer bereits erfolgten Eintragung des Lehrvertrages rechtskräftig verfügt, dann endet das Lehrverhältnis gemäß § 14 Abs. 2 lit. c BAG rückwirkend vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit, ohne daß es dazu der Abgabe einer auf die Beendigung des Lehrverhältnisses gerichteten Willenserklärung bedarf (Kinscher, Berufsausbildung[2] 77 f.; Berger - Rohringer, Berufsausbildungsgesetz 120 f., 215). In der Zeit vom Abschluß des Lehrvertrages bis zu dessen Eintragung oder bis zur Verweigerung der Eintragung liegt hinsichtlich der Wirksamkeit des Lehrverhältnisses ein Schwebezustand vor; erst mit der Eintragung des Lehrvertrages ist klargestellt, daß das Lehrverhältnis von Beginn an rechtsgültig ist (Berger - Rohringer aaO 215). Dieser Schwebezustand hat aber nicht etwa zur Folge, daß die Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes während dieser Zeit auf das Lehrverhältnis nicht anzuwenden wären. Dies gilt insbesondere auch für die Bestimmung des § 15 Abs. 2 BAG, wonach (grundsätzlich) während der ersten zwei Monate sowohl der Lehrberechtigte als auch der Lehrling das Lehrverhältnis jederzeit einseitig auflösen kann. Wollte man der von der Klägerin vertretenen - im übrigen nicht näher begrundeten - gegenteiligen Auffassung beistimmen, bestunde während des Schwebezustandes ein rechtlich ungeregelter Zustand; den Parteien wäre es verwehrt, das Lehrverhältnis - aus welchen Gründen und auf welche Weise immer - aufzulösen.
Geht man aber auf Grund dieser Überlegungen davon aus, daß das Lehrverhältnis von der Beklagten am 18. 2. 1982 gemäß § 15 Abs. 2 BAG unbeschadet der späteren Verweigerung der Eintragung des Lehrvertrages ohne Angabe eines Gründes und mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden konnte, dann muß geprüft werden, ob diese rechtliche Möglichkeit trotz der Schwangerschaft der Klägerin bestanden hat. Da die Vorschrift des § 15 Abs. 2 BAG eine Probezeit festlegt (Berger - Rohringer aaO 126), ist zu untersuchen, ob die Bestimmungen über den Kündigungs- und Entlassungsschutz des Mutterschutzgesetzes auch für Probearbeitsverhältnisse gelten. Eine solche Geltung wurde in der Literatur (Weißenberg - Martinek, Mutterschutzgesetz[6] 74; Kanler - Pigler, Das Mutterschutzgesetz 49; Oetzelt - Scheuch - Nirtl, ABC des Arbeitsrechts 239; Tutschka, Handbuch des österreichischen Arbeitsrechts 533; wohl auch Martinek - Schwarz, Angestelltengesetz[5] 326 f., und Floretta, Arbeitsrecht I 194) und in der Rechtsprechung einzelner Untergerichte (Arb. 6998, 5526; SozM III B 32) verneint, der OGH hat zu dieser Frage bisher noch nicht Stellung genommen. Soweit den in der Literatur und in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen eine Begründung entnommen werden kann, beschränkt sie sich auf den Umstand, daß die Auflösung des Probearbeitsverhältnisses keine Kündigung, sondern eine Auflösung eigener Art sei. Gerade diese Frage des rechtlichen Charakters einer solchen Auflösungserklärung ist aber umstritten. So vertreten Floretta (Arbeitsrecht I 164) und Martinek - Schwarz (AngG[5] 326) die Auffassung, das Probearbeitsverhältnis könne jederzeit sowohl durch Kündigung als auch aus einem wichtigen Grund beendet werden.
Für die Beantwortung der Frage, ob der Kündigungs- und Entlassungsschutz des Mutterschutzgesetzes auf Probearbeitsverhältnisse anwendbar ist, kommt es aber auf den rechtlichen Charakter der Auflösungserklärung nicht entscheidend an. Auch wenn eine Auflösung eigener Art (außerordentliche Kündigung) vorläge, könnte vor allem eine am Normzweck orientierte Auslegung des § 10 MuttSchG möglicherweise zu dem Ergebnis führen, der Kündigungsschutz sei auch auf Probearbeitsverhältnisse anzuwenden; hingegen könnte eine solche Auslegung zu einer Verneinung dieser Anwendung allenfalls auch dann führen, wenn man die Auflösung als eine Kündigung ansieht. Entscheidend für die Beantwortung der gestellten Frage ist vielmehr der Zweck der Rechtseinrichtung des Probearbeitsverhältnisses. Dieser ist vor allem darauf gerichtet, den Parteien des Arbeitsvertrages die Möglichkeit zu geben, während der Probezeit die Eignung des Arbeitnehmers für die betreffende Arbeit festzustellen und (für den Arbeitnehmer) die Verhältnisse im Betrieb kennenzulernen. Diese Zwecksetzung läßt es geboten erscheinen, daß während dieser kurzen Zeit jede der beiden Parteien das Probearbeitsverhältnis ohne Angabe eines Gründes mit sofortiger Wirkung auflösen kann. Eine Einschränkung dieser Auflösungsmöglichkeit durch den besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz des Mutterschutzgesetzes wäre mit dieser Zwecksetzung nicht zu vereinbaren und stunde zu den Notwendigkeiten des Arbeitslebens, die zur Herausbildung der Rechtsinstitution des Probearbeitsverhältnisses geführt haben, in schroffem Gegensatz. Daraus folgt, daß der besondere Kündigungs- und Entlassungssschutz des Mutterschutzgesetzes für das Probearbeitsverhältnis keine Geltung besitzt. Im Hinblick auf die (zwingende) Kürze des Probearbeitsverhältnisses wird der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz dadurch zumindest nicht wesentlich beeinträchtigt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das gegenständliche Lehrverhältnis durch die am 18. 2. 1982 während der zweimonatigen Probezeit des § 15 Abs. 2 BAG von der Beklagten vorgenommene Auflösung unbeschadet der durch die spätere Verweigerung der Eintragung des Lehrvertrages rückwirkend eingetretenen Rechtsfolge der Rechtsungültigkeit des Lehrvertrages wirksam beendet wurde. Da das Feststellungsbegehren auf das aufrechte Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses über den 18. 2. 1982 hinaus gerichtet ist, dem Zahlungsbegehren eine Entgeltforderung für einen dem 18. 2. 1982 ebenfalls folgenden Zeitraum zugrunde liegt und das von den Parteien ausschließlich vereinbarte Lehrverhältnis von der Beklagten an diesem Tag aufgelöst wurde, fehlt beiden Klagebegehren die Berechtigung.
Anmerkung
Z56035Schlagworte
Lehrling, s. a. Lehrvertrag, Lehrvertrag, Anwendung des BAG vor Eintragung bzw. deren Verweigerung, durch Lehrlingsstelle, Mutterschutz, kein Kündigungs- und Entlassungsschutz bei, Probearbeitsverhältnis, Probearbeitsverhältnis, kein Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem, MuttSchGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0040OB00018.83.0308.000Dokumentnummer
JJT_19830308_OGH0002_0040OB00018_8300000_000