Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.
Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführer in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 20. August 1981, GZ U 256/81-6 und des Kreis- als Berufungsgerichtes Wiener Neustadt vom 28. Oktober 1981, AZ 7 b Bl 166/81, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Schuster zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache gegen Leopold A, AZ U 256/81
des Bezirksgerichtes Gloggnitz, ist durch die Urteile dieses Gerichtes vom 20. August 1981, ON 6, sowie des Kreisgerichtes Wiener Neustadt (als Berufungsgericht) vom 28. Oktober 1981, AZ 7 b Bl 166/81, das Gesetz in der Bestimmung des § 168 Abs 1 StGB verletzt worden.
Beide Urteile sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben; gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:
Leopold A wird von der Anklage, er habe 1./ in der Zeit vom 27. Juni 1978 bis Mitte Dezember 1980 im Gasthausbetrieb der Ida B, 2840 Hütten, Wechselbundesstraße Nr 19, durch Aufstellung eines Automaten der Marke 'Multiplier', 2./ in der Zeit vom Mai 1980 bis Dezember 1980 im Gasthausbetrieb des Andreas C, 2640 Gloggnitz, Hauptstraße Nr 7, durch Aufstellung eines Automaten der Marke 'JPM. Casino Royal', 3./ in der Zeit vom 20. September 1978 bis 27. Jänner 1981 im Gasthausbetrieb der Elisabeth D, 2870 Mariensee Nr 118, durch Aufstellung eines Automaten unbekannter Marke, 4./ in der Zeit vom Sommer 1980 bis Mitte Dezember 1980 im Gasthausbetrieb der Aloisia E, 2813 Lichtenegg, Kienegg Nr 19, durch Aufstellung eines Automaten der Marke 'Casino Royal', 5./ in der Zeit von 1979 bis 12. Jänner 1981 im Gasthausbetrieb des Anton F, 2640 Gloggnitz, Heufeld Nr 1, durch Aufstellung eines Automaten der Marke 'Multiplier', 6./ in der Zeit von 1978 bis Dezember 1980 im Gasthausbetrieb des Peter G, 2870 Aspang-Berg, Langegg Nr 22, durch Aufstellung eines Automaten der Marke 'Top-Line', 7./ in der Zeit vom 9. August 1980 bis 20. Dezember 1980 im Gasthausbetrieb der Maria H, 2880 Kirchberg, Ofenbach Nr 20, durch Aufstellung eines Automaten der Marke 'Lucky Bonus', 8./ in der Zeit von Juli 1980 bis Jänner 1981 im Gasthausbetrieb des Alois I, 2662 Schwarzau im Gebirge Nr 29, durch Aufstellung eines Automaten unbekannter Marke, und 9./ in der Zeit von 1979 bis Dezember 1980 im Gasthausbetrieb der Cäcilia J, 2870 Aspang-Berg, St. Peter Nr 79, durch Aufstellung eines Automaten der Marke 'JPM AC Casino', Spiele veranstaltet, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen, um sich aus dieser Veranstaltung einen Vermögensvorteil zuzuwenden, und er habe hiedurch das Vergehen des Glücksspiels nach § 168 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 20. August 1981, GZ U 256/81-6, wurde der am 21. Oktober 1939 geborene Kaufmann Lepold A des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er Spiele veranstaltet, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen, um sich einen Vermögensvorteil zuzuwenden, indem er die im Spruch bezeichneten Automaten zu den dort angegebenen Zeiten an den jeweils angeführten Orten aufstellte, um jeweils auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gaststätteninhaber einen 50 %- bis 70 %-igen Anteil an den Nettoeinspielergebnissen zu erlangen.
Nach den Feststellungen des Bezirksgerichtes handelte es sich bei den von Leopold A an den erwähnten Standorten aufgestellten Apparaten um Glücksspielautomaten, die Spieleinsätze durch Münzeinwurf im Betrag von 1 S, 5 S oder 10 S zuließen; sie ermöglichten zufallsbedingte Gewinne in unterschiedlichem Ausmaß, wobei deren Höchstbetrag je nach Gerät zwischen 100 S und 3.500 S lag und der Gewinn im Einzelfall vom Gastwirt in Form von Naturalien ausbezahlt wurde.
Schon mit Bezug auf diesen Sachverhalt nahm das Gericht in rechtlicher Hinsicht an, daß der Betrieb der Automaten nicht bloß zum Zeitvertreib, sondern auch um des Verdienstes willen erfolgt sei; außerdem sei nicht nur um geringe Beträge gepielt worden, weil bei einem Einsatz von jeweils 10 S durch Spielwiederholung innerhalb eines kurzen Zeitraumes mehrere 100 S verspielt werden könnten. Die vom Angeklagten unter anderem wegen Nichtigkeit erhobene Berufung gegen den Schuldspruch wurde vom Kreisgericht Wiener Neustadt mit dem Urteil vom 28. Oktober 1981, AZ 7 b Bl 166/81, zurückgewiesen. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes beurteilte das Berufungsgericht den Sachverhalt rechtlich ebenfalls dahin, daß der Angeklagte durch die Aufstellung und den Betrieb der beschriebenen Automaten Spiele im Sinne des § 168 Abs 1 StGB veranstaltet habe, um sich einen Vermögensvorteil zuzuwenden, und daß eine Straflosigkeit dieses Verhaltens mangels bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge durchgeführter (Unterhaltungs-) Spiele nicht gegeben sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Urteile des Bezirksgerichtes Gloggnitz und des Kreisgerichtes Wiener Neustadt stehen, wie die Generalprokuratur in der von ihr erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Ergebnis zutreffend ausführt, in Ansehung der zuletzt relevierten Annahme mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Die Beantwortung der Frage, ob um 'geringe Beträge' gespielt wird, ist nämlich am Einzelspiel zu orientieren (9 Os 137, 138/82; ebenso Kummer, ÖJZ 1980, 347; a M Leukauf-Steininger, StGB2, RN 7 zu § 168, und Höpfel, ÖJZ 1978, 422). Würde doch sonst durch längeres Spielen allein jedes an sich (zum Zeitvertreib und mit geringem einzelnen Einsatz veranstaltete, sohin) straflose Glücksspiel infolge der Addition der sich wiederholenden Einzeleinsätze mit dem Ergebnis einer nicht mehr bloß geringfügigen Summe zwangsläufig irgendwann einmal zu einem verbotenen. Das kann aber, zumal unter Bedacht auf das regelmäßige Auf und Ab von Gewinn und Verlust während einer ganzen Spielveranstaltung, nicht der Sinn des Gesetzes sein: die Annahme, daß jemand, der 100 Mal 10 S gesetzt und abwechselnd jeweils einmal gewonnen und einmal verloren hat, deshalb nicht mehr um 'geringe Beträge' gespielt habe, weil die Summe der Einsätze 1.000 S betrug, obwohl er in concreto niemals mehr als den Verlust von höchstens 20 S riskiert hat, läuft der ratio des im § 168 StGB normierten Glücksspielverbotes augenscheinlich zuwider; ob das Spiel mangels 'geringer Beträge' strafbar war oder nicht, kann aber doch auch nicht in rückblickender Betrachtung ausschließlich davon abhängig sein, ob sich Gewinn und Verlust im konkreten Fall ausgeglichen haben oder ob der Spieler jedes Mal oder doch immerhin insgesamt gerade soviel verloren hat, daß der letztlich verbleibende Gesamtverlust die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen hat. Diese Auffassung entspricht auch vollauf dem Gesetzeswortlaut, weil der Plural '... um geringe Beträge gespielt ...' zwingend eine Mehrzahl von Spieleinsätzen voraussetzt, von denen sohin nur jeder einzelne geringfügig zu sein braucht, ohne daß sich aus diesem negativen Tatbildmerkmal (vergl Bericht des Justiz-Ausschusses, Beil 959 der XIII.
Gesetzgebungsperiode S 28, ebenso Liebscher im Wiener Kommentar, Rz 11 zu § 168 StGB; in diesem Sinne auch - neuerlich - 9 Os 137, 138/82; anscheinend a M Kienapfel, Bes Teil II, RN 13 zu § 168 StGB; Leukauf-Steininger, aaO, RN 17 zu § 168 StGB, unklar allerdings Liebscher aaO Rz 14) das zusätzliche Erfordernis ergäbe, daß auch die Summe aller Einsätze nur geringfügig sein dürfte. Das notwendige Korrektiv gegen eine nach dem bisher erörterten Ausschlußmerkmal allein zu weitgehende Aushöhlung des Straftatbestands bildet vielmehr nach dem Gesetz die weitere (in bezug auf das gesamte Tatbild negativ umschriebene) Tatbildvoraussetzung, daß 'bloß zum Zeitvertreib' gespielt wird. Diese Prämisse darf eben nicht, dem klaren Wortlaut des Gesetzes zuwider, im Weg der Auslegung dahin umfunktioniert werden, daß es bereits genügt, wenn auch zum Zeitvertreib gespielt wird, sodaß sie nur dann nicht vorliege, wenn umgekehrt die Motivation zum Spiel ausschließlich in einem Gewinnstreben bestünde. Nichtsdestoweniger folgt aber aus dem jedem Spiel wesensimmanten Gewinnstreben der Teilnehmer doch, daß sich dieses bei einem Spiel um Geld zwangsläufig (auch) auf einen Geldgewinn erstreckt, ohne daß deswegen allein schon der bloße Unterhaltungscharakter des Spiels verlorenginge; aus dem Vorliegen des (für den ersten Deliktsfall des § 168 Abs 1 StGB vorauszusetzenden) Tatbildmerkmals eines Spieles, bei dem es um einen (ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängigen) Gewinn oder Verlust geht, allein kann daher nicht auch schon auf das Fehlen eines bloßen Zeitvertreibs als ihm zugrunde liegendes Motiv geschlossen werden. Davon kann vielmehr sinnvollerweise erst dann die Rede sein, wenn das Gewinnstreben als Motivation - zwar nicht unbedingt ausschließlich wirksam ist, aber doch - so weit in den Vordergrund tritt, daß es dem Spieler geradezu darauf ankommt, Geld zu gewinnen, wenn er also in gewinnsüchtiger 'Absicht' (§ 5 Abs 2 StGB) spielt (vgl Höpfel, aaO, 422; Kummer aaO, 347; Liebscher aaO, Rz 12 zu § 168; Leukauf-Steininger aaO, RN 17 zu § 168).
Dabei handelt es sich aber in jedem konkreten Einzelfall um eine Tatfrage. Die von den Gerichten im vorliegenden Verfahren vertretene Rechtsansicht, daß schon aus der (bloß abstrakten) Möglichkeit, durch eine vielfache Wiederholung des (jeweils die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigenden) maximalen Einzeleinsatzes von 10 S - gemeint: bei jeweiligem Verlust - innerhalb eines langen Zeitraumes allenfalles mehrere 100 S zu verspielen, generell auch schon die Annahme eines nicht bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge durchgeführten Spielens abzuleiten sei, ist demnach verfehlt. Eine derartige rechtliche Beurteilung deckende Tatsachenfeststellungen aber sind im gegebenen Fall nicht getroffen worden und hätten nach der Aktenlage auch gar nicht getroffen werden können.
In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren daher die aufgezeigten Gesetzesverletzungen festzustellen und nach § 292 letzter Satz StPO wie im Spruch zu beheben.
Anmerkung
E04094European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00025.83.0315.000Dokumentnummer
JJT_19830315_OGH0002_0100OS00025_8300000_000