TE OGH 1983/3/24 8Ob527/82

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Veröffentlicht am 24.03.1983
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Norm

GüterbeförderungsG §10
GüterbeförderungsG §11
HGB §346

Kopf

SZ 56/53

Spruch

Der Österreichische Straßen-Gütertarif ist keine Rechtsverordnung. Er gelangt auf das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Kunden nur zur Anwendung, wenn sich die Parteien seinen Bestimmungen ausdrücklich oder schlüssig unterwerfen

OGH 24. 3. 1983, 8 Ob 527/82 (OLG Wien 4 R 43/82; HG Wien 10 Cg 197/80)

Text

Die Beklagte sollte über Auftrag der U-GesmbH Waren (Schokolade, Kakao und Benco-Instant) mit einem LKW-Zug von Wien nach Innsbruck befördern. Anläßlich der Auftragsdurchführung kam es gegen Mitternacht des 24. 9. 1979 auf der Westautobahn in der Gegend von Mondsee beim Überwechseln des LKW-Zuges von einer Gegenverkehrsstrecke auf die Richtungsfahrbahn Salzburg zu einem Unfall, wobei der LKW-Zug umstürzte.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 19. 12. 1980 beim Erstgericht eingebrachten Klage als Legalzessionar iS des § 67 VVG von der Beklagten den Ersatz des bei diesem Unfall beschädigten Beförderungsgutes. Sie sei der Transportversicherer der Auftraggeberin der Beklagten gewesen und habe dieser bzw. deren Konzerngesellschaft B den verrechneten Schaden in der Höhe von 370 228 S liquidiert. Unfallursache sei ein schuldhaftes Verhalten des Lenkers des LKW-Zuges der Beklagten gewesen; er sei entgegen einer vorgeschriebenen Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h an der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von rund 74 km/h gefahren. Auf den Transport hätten die Bestimmungen des Österreichischen Straßen-Gütertarifes (ÖStGT) Anwendung zu finden. Dies einerseits deshalb, weil es sich dabei um einen Tarif mit Rechtsnormqualität handle, der auf Grund des § 10 Güterbeförderungsgesetz (GBefG) erlassen worden sei; andererseits sei die Anwendung dieses Tarifes bei Auftragserteilung dadurch vereinbart worden, daß die Beklagte als Frachtführer aufgetreten sei und sich in ihrem schriftlichen Vertragsanbot auf den ÖStGT berufen habe. Auch habe die U-GesmbH immer nur Transportaufträge nach diesem ÖStGT erteilt. Die Klägerin habe die Beklagte mit Regreßforderungsschreiben vom 30. 4. 1980 nach dem ÖStGT für einen Teilschadensbetrag von 305 028 S haftbar gemacht, und diese habe mit Schreiben vom 20. 5. 1980 bekanntgegeben, daß sie das Schreiben der Klägerin samt Anlagen ihrem CMR-Versicherer weitergeleitet habe. In der Folge habe dieser Versicherer mit einem am 29. 5. 1980 bei der Klägerin eingelangten Schreiben um Übermittlung des Tachographenblattes zur Auswertung ersucht. Diesem Ersuchen sei die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag nachgekommen. Danach sei eine weitere meritorische Stellungnahme nicht mehr erfolgt.

Die Beklagte erhob den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation, weil diese Firma B nicht Auftraggeberin der Beklagten gewesen sei. Der gleichfalls erhobene Einwand der mangelnden Passivlegitimation wurde hingegen nicht näher ausgeführt. Die Beklagte bestritt auch, daß an dem beförderten Gut überhaupt ein Schaden eingetreten sei. Sollte dies der Fall gewesen sein, sei sie nicht ersatzpflichtig, weil der Schaden durch ein unabwendbares Ereignis (Steinschlag gegen die Windschutzscheibe des LKW) verursacht worden sei. Der ÖStGT, dem keine Rechtsnormqualität zukomme, sei auf das Auftragsverhältnis nicht anwendbar. Es seien vielmehr schlüssig die AÖSp zugrunde gelegt worden, weil das Anbot der Beklagten vom 26. 2. 1979 einen entsprechenden Vermerk getragen habe, dem seitens der U-GesmbH nicht widersprochen worden sei. Der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch sei daher gemäß § 64 AÖSp und überdies jedenfalls nach § 439 (§ 414) HGB verjährt.

Dem von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwand hielt die Klägerin die Bestimmung des Punkt 31 Abs. 2 der im Abschn. VI des ÖStGT enthaltenen Beförderungsbedingungen entgegen. Danach sei durch ihr Reklamationsschreiben vom 30.4. 1980 die einjährige Verjährungsfrist (Punkt 31 Abs. 1) gehemmt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte - ausschließlich auf Grund der ihm vorliegenden Urkunden - im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest: Die Beklagte richtete am 26. 2. 1979 an die U-GesmbH ein Schreiben, in dem sie Transportleistungen mit eigenem, in Wien stationiertem Fuhrpark und palettengerechten Zügen anbot. Hinsichtlich des Preises für die zu erbringenden Leistungen bezog sich die Beklagte auf den ÖStGT, Tarifklasse I, II und III, wobei jedoch gewisse Abzüge gemacht werden sollten. Ferner stellte die Beklagte im vorgedruckten Text auf dem von ihr verwendeten Briefbogen fest, daß sie ausschließlich auf Grund der AÖSp arbeite. Am 24. 9. 1979 erteilte die U-GesmbH der Beklagten schriftlich den Auftrag zur Durchführung von Transportleistungen. Transportversicherer der U-GesmbH war die Klägerin. Am 24. 9. 1979 transportierte die Beklagte in Erfüllung dieses Auftrages Schokolade, Kakao und Benco-Instant von Wien nach Innsbruck. Das Fahrzeug der Beklagten erlitt am 25. 9. 1979 um 0 Uhr auf der Westautobahn in der Gegend von Mondsee einen Unfall. Beim Überwechseln von der Richtungsfahrbahn Wien (Gegenverkehrsstrecke) auf die Richtungsfahrbahn Salzburg leitete der Lenker des LKW-Zuges der Beklagten eine Vollbremsung wegen angeblicher Sichtbehinderung ein. Der Kraftwagenzug kam ins Schleudern, wodurch der Zugwagen nach rechts umstürzte, während sich der Anhänger überschlug und auf der angrenzenden Böschung auf dem Dach liegen blieb. Dieser Unfall wäre bei Einhaltung der an der Unfallstelle vorgeschriebenen Geschwindigkeit von 30 km/h vermeidbar gewesen. Der LKW-Zug fuhr im Gegenverkehrsbereich mit einer Geschwindigkeit von 73.8 km/h. Durch diesen Unfall wurde das Transportgut erheblich beschädigt. Am 29. 11. 1979 legte die B-GesmbH der Klägerin eine Schadensrechnung über 337 858.30 S vor. Mit Schreiben vom 19. 12. 1979 erklärten die Firmen B-GesmbH und U-GesmbH, für den Transportschaden den Betrag von 337 858 S als ersten Teilbetrag anzunehmen. Am 31. 1. 1980 gab die U-GesmbH eine gleichartige Abfindungserklärung hinsichtlich eines zweiten Teilbetrages von 32 370 S ab. Der Schaden wurde in der Folge von der Klägerin in der Höhe von insgesamt 370 228 S liquidiert.

Mit Schreiben vom 30. 4. 1980 machte die Klägerin die Beklagte nach dem ÖStGT für einen Teilbetrag von 305 028 S haftbar und vermerkte auf dem Schreiben, daß sich dieser Betrag aus 337 858 S (Schaden an den Kakaoprodukten) plus 32 370 S (Schaden an Margarine) abzüglich 65 200 S (Verkaufserlös Kakao) zusammensetze. Die Beklagte bestätigte den Erhalt dieses Schreibens mit Brief vom 20. 5. 1980 und gab bekannt, daß sie den die Regreßforderung der Klägerin betreffenden Brief samt Anlagen an ihren CMR-Versicherer (L Transportassekuranz) weitergeleitet habe und auf die Sache zurückkommen werde, sobald sie eine Entscheidung des CMR-Versicherers habe. Am 29. 5. 1980 richtete die L Transportassekuranz ein Schreiben an die Klägerin, in dem sie um Überlassung des Tachographenblattes des verunglückten LKW zur Auswertung ersuchte. Diesem Ersuchen kam die Klägerin mit Schreiben vom 29. 5. 1980 nach. Hierauf folgte keine meritorische Stellungnahme mehr.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die geltendgemachten Ersatzansprüche jedenfalls bereits nach § 439 (§ 414) HGB verjährt seien, weil die spätestens am 27. 9. 1979 begonnene einjährige Verjährungsfrist zur Zeit der Klagseinbringung längst abgelaufen gewesen sei. Auf eine Hemmung der Verjährung gemäß Abschn. VI Punkt 31 Abs. 2 des ÖStGT könne sich die Klägerin schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil der Abs. 3 dieser Bestimmung wieder auf das HGB verweise. Im übrigen gelte der ÖStGT nicht als vereinbarte Vertragsbestimmung, weil im Anbot der Klägerin vom 26. 2. 1979 der Hinweis auf die maßgeblichen Tarifklassen des ÖStGT nur als Hinweis auf die Methode der Frachtberechnung zu verstehen sei. Dies ergebe sich auch aus dem gleichzeitig enthaltenen Vermerk über die Anwendung der AÖSp.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sei zunächst zu beurteilen, ob dem ÖStGT Rechtsnormqualität zukomme oder ob es sich dabei nur um allgemeine Geschäftsbedingungen handle, die von den Parteien eines bestimmten Rechtsgeschäftes jeweils im Einzelfall durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zur Vertragsbestimmung erhoben werden müßten. Billige man dem ÖStGT normativen Charakter zu, dann wäre er ohne weiteres auf das vorliegende innerösterreichische Frachtgeschäft anzuwenden. Punkt 31 Abs. 2 des Abschn. VI des ÖStGT normiere eine selbständige Verjährungshemmung, die entgegen der Meinung des Erstgerichtes durch Abs. 3 dieser Bestimmung nicht wieder zurückgenommen oder eingeschränkt werde. Im vorliegenden Fall wäre dann sehr wohl durch das Schreiben der Klägerin vom 30. 4. 1980 eine Hemmung der Verjährung eingetreten, vorausgesetzt, die Klägerin könne ihre Anspruchslegitimation zumindest teilweise von der Auftraggeberin der Beklagten und nicht von einem Dritten ableiten. Da sowohl die Frage der Aktivlegitimation als auch jene des Gründes und der Höhe des geltendgemachten Ersatzanspruches ungeprüft geblieben seien, lägen in diesem Fall Feststellungsmängel vor. Allerdings müßten dann auch die Einwände der Beklagten gegen die Gültigkeit und die Gesetzmäßigkeit des ÖStGT einer näheren Prüfung unterzogen werden, wobei in dieser Richtung erhebliche Bedenken bestunden. Diese könnten aber dahingestellt bleiben, weil nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes dem ÖStGT kein normativer Charakter zukomme. Das GBefG regle nämlich ausschließlich gewerberechtliche, nicht aber handelsrechtliche oder sonstige zivilrechtliche Belange. Soweit es daher im § 10 Abs. 1 den vom Fachverband für das Lastfuhrwerksgewerbe "im übertragenen Wirkungsbereich" festzulegenden Tarifen "Verbindlichkeit" zuspreche, könne sich die Bedeutung der Verbindlicherklärung nur darin erschöpfen, daß die Mitglieder des Fachverbandes für das Lastfuhrwerksgewerbe gehalten seien, ihren Frachtverträgen diesen Tarif zugrunde zu legen. Auf die Auftraggeber vermöge sich diese Verbindlicherklärung nicht unmittelbar zu erstrecken. Sie seien daher in bezug auf diesen Tarif nicht Normunterworfene, sondern unterlägen seinen Bestimmungen nur insoweit, als deren Geltung für den Frachtvertrag im Einzelfall - ausdrücklich oder stillschweigend - vereinbart worden sei. Auf das Frachtgeschäft selbst fänden daher weiterhin die Bestimmungen der §§ 425 bis 451 HGB Anwendung. Daneben hätten die vom Fachverband für das Lastfuhrwerksgewerbe festgelegten allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auch sonstige Geschäftsbedingungen nur zu gelten, wenn deren Anwendbarkeit mit dem jeweiligen Kontrahenten ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden sei. Daraus folge die rechtliche Beachtlichkeit der Frage, ob auf das vorliegende Frachtgeschäft auf Grund der Vereinbarung der Vertragsparteien (U-GesmbH und die Beklagte) der ÖStGT oder die AÖSp anzuwenden seien. Dies könne an Hand des Inhaltes der Vertragsurkunden noch nicht abschließend beurteilt werden. Im Vertragsanbot der Beklagten werde nämlich sowohl auf den ÖStGT als auch auf die AÖSp Bezug genommen. Soweit die Beklagte vorgebracht habe, daß der Hinweis auf den ÖStGT lediglich die Preisbemessungsbasis betroffen habe und danach niedrigere Sätze als die tarifmäßigen angenommen worden seien, könne ihr nicht ohne weiteres gefolgt werden. Sie übersehe nämlich, daß der ÖStGT nur Tarifbänder in der Form von Ausgangssätzen festlege, von denen gewisse Prozentzuschläge oder -abzüge zu den Höchst- oder Mindesttarifen führten. Da im übrigen der ÖStGT nicht nur die eigentlichen Tarife (Abschn. 1 bis V), sondern auch Bestimmungen über die Beförderungsbedingungen (Abschn. VI), Provisionen (Abschn. VII), Versicherungspflicht (Abschn. VIII) sowie Befristung und Umsatzsteuer (Abschn. IX und X) umfasse, sei eine Beschränkung bloß auf die Tarifsätze nicht ohne weiteres einsichtig. Es werde daher zu prüfen sein, ob die Vertragsparteien in dieser Richtung etwas gesprochen hätten, zumal das Vertragsanbot der Beklagten auf solche vorangehende Gespräche ausdrücklich Bezug nehme. Die Klägerin habe schließlich auch vorgebracht, daß die U-GesmbH immer nur Aufträge nach dem ÖStGT erteilt habe und habe hiefür auch Zeugenbeweise angeboten. Dieses Vorbringen sei im Zusammenhang nur dahin zu verstehen, daß vorhergehende Frachtaufträge an die Beklagte stets auf Grund des ÖStGT erteilt und abgewickelt worden seien. Auch dies könne ein Indiz dafür sein, daß die Parteien im vorliegenden Fall die Bezugnahme auf diesen Tarif nur in dem Sinn verstanden haben konnten, daß auch auf ihn der ÖStGT Anwendung finden solle. Sollten die entsprechenden Beweisaufnahmen das Ergebnis zeigen, daß zur Frage der Anwendbarkeit der AÖSp oder des ÖStGT zwischen den Vertragsparteien keinerlei sonstige ausdrückliche oder schlüssige Erklärungen abgegeben worden seien, dann wären tatsächlich die schriftlichen Vertragsurkunden ausschließliche Beurteilungsgrundlage. Danach lägen aber miteinander nicht in Einklang zu bringende Hinweise sowohl auf die AÖSp als auch auf den ÖStGT vor. Dieser Widerspruch bewirke dann aber, daß weder die einen noch die anderen Geschäftsbedingungen als durch schlüssiges Verhalten vereinbart gelten könnten.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin versucht, in ihrem Rekurs darzutun, daß dem ÖStGT auch im Verhältnis zwischen Frachtführer und Kunden normative Kraft zukomme und im übrigen im Hinblick auf ein grobes Verschulden des Lenkers des LKW-Zuges der Beklagten die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zur Anwendung zu kommen habe. Beidem kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 10 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz (BGBl. 1952/63 idF BGBl. 1963/36 und BGBl. 1963/54) kann der Fachverband für das Lastfuhrwerksgewerbe im übertragenen Wirkungsbereich durch Beschluß für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen über die Grenze oder über Entfernungen von mehr als 65 km verbindliche Tarife - in der Regel Mindest- und Höchsttarife (Tarifbänder) - festlegen. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle haben die Tarife alle zur Bestimmung des Beförderungsentgeltes notwendigen Angaben und alle anderen für den Beförderungsvertrag maßgebenden Beförderungsbedingungen zu enthalten sowie einen angemessenen Gewinn zu berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs. 1 GBefG bedarf die Festsetzung oder Aufhebung der Tarife der Genehmigung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und Elekrizitätswirtschaft. Dieses Einvernehmen entfällt in Angelegenheiten von Güterbeförderungen in Entfernungen von 65 km oder weniger. Die Tarife sind zu genehmigen, wenn sie den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen und volkswirtschaftliche Rücksichten nicht entgegenstehen. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die Tarife im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen und treten frühestens vier Wochen nach dem Tage ihrer Kundmachung in Kraft. Gemäß § 12 GBefG obliegt dem Fachverband für das Lastfuhrwerksgewerbe nach Erteilung der Genehmigung der Tarife gemäß § 11 Abs. 1 ihre Kundmachung. Er hat die Erfüllung der sich aus diesem Gesetz für tarifgebundene Beförderungen ergebenden Pflichten der Güterbeförderungsunternehmer zu überwachen und Verstöße anzuzeigen.

Der Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe beschloß den ÖStGT, der mehrfach abgeändert wurde; es erfolgte jeweils die Genehmigung durch das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie bzw. durch das Bundesministerium für Verkehr. Diesbezüglich erfolgten Kundmachungen im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 1. 12. 1967, 21. 3. 1972, 1. 12. 1972, 2. 6. 1974 und 12. 12. 1976. Der jeweilige Wortlaut der ÖStGT wurde dabei allerdings niemals verlautbart.

Der ÖStGT enthält in seinen Abschn. I bis V Tarifbestimmungen, in seinem Abschn. VI Beförderungsbedingungen, im Abschn. VII Bestimmungen über Provisionen, im Abschn. VIII Bestimmungen über Versicherungspflicht, im Abschn. IX und X Bestimmungen über Befristung und Umsatzsteuer.

Punkt 31 des Abschn. VI (Beförderungsbedingungen) hat folgenden Wortlaut:

"(1) Ansprüche aus einer diesen Beförderungsbedingungen unterliegenden Beförderung verjähren in einem Jahr. Bei Vorsatz beträgt die Verjährungsfrist jedoch 3 Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt:

a) bei teilweisem Verlust oder Beschädigung des Gutes oder Überschreitung der Lieferfrist mit dem Tage der Ablieferung des Gutes;

b) bei gänzlichem Verlust mit dem 30. Tag nach Ablauf der vereinbarten Lieferfrist oder, wenn eine Lieferfrist nicht vereinbart worden ist, mit dem 40. Tag nach der Übernahme des Gutes durch den Frachtführer;

c) in allen anderen Fällen mit dem Ablauf einer Frist von drei Monaten nach dem Abschluß des Beförderungsvertrages. Der Tag, an dem die Verjährung beginnt, wird bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet.

(2) Die Verjährung wird durch eine schriftliche Reklamation bis zu dem Tage gehemmt, an dem der Frachtführer die Reklamation schriftlich zurückweist und die der Reklamation beigefügten Belege zurücksendet. Wird die Reklamation teilweise anerkannt, so läuft die Verjährung nur für den noch strittigen Teil der Reklamation weiter. Der Beweis für den Empfang der Reklamation oder der Antwort sowie für die Rückgabe der Belege obliegt demjenigen, der sich darauf beruft. Weitere Reklamationen, die denselben Anspruch zum Gegenstand haben, hemmen die Verjährung nicht.

(3) Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 2 gelten für die Hemmung der Verjährung die einschlägigen Bestimmungen des HGB und des ABGB. Diese Bestimmungen gelten auch für die Unterbrechung der Verjährung.

(4) Verjährte Ansprüche können auch nicht im Wege der Widerklage oder der Einrede geltend gemacht werden."

Es ist hier nicht zu untersuchen, wie weit die Bestimmungen des ÖStGT für die Mitglieder des Fachverbandes für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs verbindlich sind; entscheidend ist, ob diese Bestimmungen auch gegenüber dem Geschäftspartner des Frachtführers normativen Charakter haben, ob sie also als Inhalt einer allgemein verbindlichen Rechtsverordnung auf das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Kunden anzuwenden sind, oder nur dann, wenn sich die Geschäftspartner diesen Bestimmungen ausdrücklich oder stillschweigend unterwerfen.

Das Berufungsgericht hat mit Recht den normativen Charakter des ÖStGT für das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Kunden verneint.

Das Güterbeförderungsgesetz regelt gewerberechtliche, nicht aber zivilrechtliche Fragen. Wenn daher die §§ 10 und 11 dieses Gesetzes iS einer Verordnungsermächtigung interpretiert würden, könnten sie bei verfassungskonformer Auslegung nicht dahin gedeutet werden, daß der Gesetzgeber die Regelung einer Materie, die im Gesetz gar nicht behandelt wird, dem Verordnungsweg vorbehalten hätte, weil das Gesetz unter diesen Umständen für die im Verordnungsweg zu regelnden Fragen gar keine Grundsätze enthielte. Die Materialien (26 BlgNR 10. GP, weitgehend abgedruckt in Benes, Das Personen- und Güterbeförderungsrecht im Straßenverkehr, in den Anmerkungen zu §§ 10 und 11 GBefG) behandeln die Frage, ob der vom Fachverband für das Lastfuhrwerksgewerbe zu beschließende Tarif auch ohne Unterwerfung der Vertragspartner das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Kunden regeln sollte, nicht; sie lassen aber immerhin erkennen, daß an eine ähnliche Regelung wie im Eisenbahnrecht gedacht war. Nun ist gemäß § 2 Abs. 1 EVO die Eisenbahn berechtigt, mit Genehmigung des Bundesministeriums für Verkehr Beförderungsbedingungen im Rahmen dieses Bundesgesetzes und der zu seiner Durchführung erlassenen Verordnungen festzusetzen, wobei die Genehmigung zu erteilen ist, wenn öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen. Hier ist aber den Materialien (278 BlgNR 7. GP) eindeutig zu entnehmen, daß diese Beförderungsbedingungen nach den Intentionen des Gesetzgebers nicht etwa hoheitlichen Charakter tragen sollten, sondern daß es sich dabei um privatrechtliche Willensäußerungen handeln sollte. Sie stellen "gleichsam das Offert dar, auf dessen Grundlage die Eisenbahn ihre Beförderungsleistungen anbietet", gelangen also auf das Verhältnis zwischen Eisenbahn und Kunden nicht deswegen zur Anwendung, weil dies in einer allgemein gültigen Rechtsnorm (Rechtsverordnung) so normiert worden wäre, sondern nur auf Grund einer Unterwerfung des Kunden unter diese (allerdings vom Geschäftspartner einseitig festgesetzte) Vertragsschablone.

Die gleichen Überlegungen gelten auch für die Anwendung des ÖStGT auf das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Kunden. Soweit der ÖStGT Bestimmungen enthält, die das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Kunden regeln, gelangt er auf dieses Rechtsverhältnis nicht deswegen zur Anwendung, weil er als Rechtsverordnung mit verbindlicher Wirkung gegenüber der Allgemeinheit anzusehen wäre, sondern nur dann, wenn sich die Parteien des Vertragsverhältnisses seinen Bestimmungen (ausdrücklich oder schlüssig) unterwerfen (so auch die einheitliche Rechtsprechung bezüglich der AÖSp; SZ 24/108; SZ 26/180; EvBl. 1982/62 ua.).

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß selbst dann, wenn es sich bei den Bestimmungen des Abschn. VI (Beförderungsbedingungen) des ÖStGT entgegen den obigen Ausführungen um eine Rechtsverordnung mit allgemeiner Wirkung handeln sollte, diese Verordnung iS des § 89 Abs. 1 B-VG durch das Gericht nicht anzuwenden wäre, weil sie nie iS der im § 11 Abs. 2 GBefG enthaltenen Kundmachungsanordnung (Kundmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung; darunter kann aber wohl nur die Verlautbarung des Verordnungstextes verstanden werden, die, wie oben ausgeführt, niemals erfolgte) kundgemacht wurde (s. dazu Walter - Mayer, Grundriß[4] 171).

Soweit die Klägerin schließlich meint, daß im vorliegenden Fall die dreijährige Verjährungsfrist zu gelten habe, weil der Lenker des LKW-Zuges der Beklagten den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, ist ihr zu entgegnen, daß die von ihr in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung völlig andere Fragen betrifft. Abgesehen davon, daß die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht ausdrücklich behauptet hat, daß der Lenker des LKW-Zuges der Beklagten den Unfall grob fahrlässig verschuldet habe und sich derartiges auch nicht aus ihrem Tatsachenvorbringen ergibt, schließt grobe Fahrlässigkeit die kurze Verjährungsfrist der §§ 439, 414 HGB bzw. des § 64 AÖSp nicht aus (EvBl. 1973/77).

Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel sinngemäß aus, daß die im Punkt 31 Abs. 2 der im Abschn. VI des ÖStGT enthaltenen Beförderungsbedingungen normierte Verjährungshemmung selbst dann, wenn sich die Parteien des Frachtvertrages diesen Beförderungsbedingungen unterworfen hätten, ungültig sei, weil sie der Bestimmung des § 1502 ABGB widerspreche. Dem ist zu entgegnen, daß dort, wo das Gesetz (§ 1502 ABGB) eine Verlängerung der Verjährungsfrist verbietet, auch andere als die im Gesetz genannten Hemmungs- und Unterbrechungsgrunde durch Parteienvereinbarung nicht wirksam festgesetzt werden können (Klang in Klang[2] VI 670). § 414 Abs. 1 HGB (und auf diese Vorschrift nimmt sowohl § 439 HGB als auch § 64 AÖSp Bezug) ordnet aber an, daß die Verjährungsfrist durch Vertrag verlängert werden kann. Im Anwendungsbereich dieser Gesetzesbestimmung besteht daher auch gegen die Gültigkeit einer vertraglichen Regelung, mit der ein im Gesetz nicht genannter Hemmungsgrund vereinbart wurde, kein Bedenken.

Es erweisen sich somit die in beiden Rechtsmitteln enthaltenen Rechtsausführungen als unberechtigt. Wenn das Berufungsgericht, insoweit ausgehend von seiner zutreffenden Rechtsansicht, weitere Erhebungen in tatsächlicher Richtung als erforderlich erachtete, kann dem der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (EFSlg. 34 510 uva.).

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes allerdings, daß dann, wenn die Frage der Anwendbarkeit der AÖSp oder des ÖStGT zwischen den Vertragsparteien nur auf Grund der vorliegenden schriftlichen Vertragsurkunden zu beurteilen wäre, weder die einen noch die anderen Geschäftsbedingungen als durch schlüssiges Verhalten vereinbart gelten könnten, vermag der OGH, der infolge der vorliegenden Rechtsmittel die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes in jeder Richtung zu prüfen hat, nicht beizutreten. In diesem Fall wäre vielmehr iS des § 914 ABGB, nach dessen Grundsätzen undeutliche Vertragsbestimmungen so ausgelegt werden müssen, daß sie keinen Widerspruch enthalten und nach Möglichkeit als wirksam aufrechterhalten werden können (JBl. 1966, 618; JBl. 1967, 375 ua.), nach Meinung des erkennenden Senates der Inhalt des Transportanbotes im Zusammenhang mit dem Transportauftrag dahin auszulegen daß sich die Parteien den AÖSp unterwarfen und dem im Transportanbot enthaltenen Hinweis auf Tarifbestimmungen des ÖStGT nur die Bedeutung zukommt, daß nach diesen Grundsätzen das der Beklagten zustehende Entgelt geregelt werden sollte.

Anmerkung

Z56053

Schlagworte

Frachtführer, Anwendung des österreichischen Straßen-Gütertarifes, Österreichischer Straßen-Gütertarif, Anwendbarkeit auf Rechtsverhältnis, zwischen Frachtführer und Kunden, Straßen- Gütertarif, Österreichischer, s. Österreichischer, Straßen- Gütertarif

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0080OB00527.82.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19830324_OGH0002_0080OB00527_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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