Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich A wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. November 1982, GZ 5a Vr 9711/83-35, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Peisteiner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. Juni 1949 geborene beschäftigungslose Erich A des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (Punkt 1.), des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB (Punkt 2.), des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 StGB (Punkt 3.), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (Punkt 4.) und des Vergehens der Kärperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Punkt 5.) schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte in Wien im April 1981 Birgit B dadurch der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt, daß er sie aufforderte 'auf den Strich zu gehen' und das so verdiente Geld später als Startkapital für ein gemeinsames Leben zu verwenden, wobei er sie selbst zum Sicherheitsbüro brachte, um die Kontrollkarte zu beantragen (2.), und von April bis Juli 1981 seinen Unterhalt zur Gänze aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Birgit B durch deren Ausbeutung zu gewinnen gesucht, indem er ihr fast den gesamten Schandlohn abnahm (3.). Als Birgit B Ende Juni 1981 die Kontrollkarte zurücklegte und nicht mehr die Prostitution ausüben wollte, nätigte er sie durch die Äußerung 'Kumm ausse, sonst tritt i da die Tür ein', wobei er auch ein Messer in der Hand hielt, mithin durch gefährliche Drohung, zum Verlassen der Wohnung und zur Gewährung einer Unterredung (4.). Am 18. Juli 1981
verletzte er Birgit B vorsätzlich am Kärper durch Versetzen von Schlägen, wobei er ihr eine Beule im Bereich der Schädelhähe zufügte (5.). Nachdem sich Birgit B endgültig von ihm getrennt hatte, versuchte er am 5. August 1981 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genätigten unrechtmäßig zu bereichern, Birgit B durch die Äußerung, sie müsse bis 11. August 1981 10.000 S an ihn übergeben, sonst bringe er sie um bzw sterbe sie, mithin durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe von 10.000 S zu nötigen, die Birgit B an ihrem Vermägen schädigen sollte (1.).
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte in sämtlichen Punkten mit Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher er die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend macht.
Das Erstgericht stützte sich bei seinen Feststellungen im wesentlichen auf die Tatschilderung der Birgit B vor der Polizei am 18. Juli 1981 und am 6. August 1981 sowie auf ihre Zeugenaussage vor dem Untersuchungsrichter vom 24. August 1981, in der sie die früheren Angaben bekräftigt hatte. Hingegen erachtete es den späteren Widerruf dieser belastenden Angaben laut Schreiben vom 9. Oktober 1982 (erliegend in ON 27) und ihre - mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten und der Zeugenaussage ihrer Schwester Herta B im wesentlichen konforme - Darstellung in der Hauptverhandlung als unglaubwürdig.
Rechtliche Beurteilung
Der Einwand, das Erstgericht habe diesen Ausspruch in mehrfacher Richtung unvollständig und offenbar nur unzureichend begründet, versagt.
In den Urteilsgründen wird zwar die Zeugenaussage der Birgit B in der Hauptverhandlung nicht im Detail wiedergegeben, doch werden ausführlich und in durchaus einleuchtender Weise jene Erwägungen dargelegt, auf Grund deren das Schöffengericht die Überzeugung gewonnen hat, daß die von der Genannten bei der Polizei gegebene und vor dem Untersuchungsrichter bekräftigte Version des Tatgeschehens der Wahrheit entspricht und ihrer davon abweichenden Darstellung in der Hauptverhandlung der Glauben zu versagen ist.
Hiebei ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ohnehin auch erärtert worden, daß Birgit B am 5. August 1981
infolge übermäßigen Konsums von Beruhungsmitteln keine Aussage zu machen vermochte (vgl S 150 in Verbindung mit S 9 d. A), und welche Motive für den Widerruf im Schreiben vom 9. Oktober 1982 angeführt worden sind (vgl S 149 in Verbindung mit S 97 f d.A). Ebenso hat das Gericht sich mit der Zeugenaussage der Herta B befaßt (vgl S 151 f d.A).
Daß die bei Birgit B objektivierten Verletzungsfolgen leichten Grades gewesen sind (Urteilsfaktum 5.) findet im Ersturteil gleichfalls Berücksichtigung. Damit hat das Erstgericht jedoch seiner im § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Begründungspflicht entsprochen; es war nicht verpflichtet, zu der Zeugenaussage der Birgit B in der Hauptverhandlung auch noch in allen Einzelheiten Stellung zu nehmen, wenn es dieser schon insgesamt jede Beweiskraft abgesprochen hat.
Soweit der Beschwerdeführer aber dartun will, daß bei der gegebenen Beweislage seiner Darstellung und den ihn entlastenden Angaben der Birgit B in der Hauptverhandlung gegenüber deren belastenden Angaben im Vorverfahren der Vorzug hätte gegeben werden müssen und Birgit B vor dem Untersuchungsrichter eine falsche Zeugenaussage abgelegt habe, zieht er in Wahrheit nur in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen ein schäffengerichtliches Urteil unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise die zureichend und denkrichtig begründete Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes in Zweifel.
Im übrigen ist zur Mängelrüge noch folgendes zu bemerkken: Die Schlußfolgerung, daß die bei Birgit B festgestellte Beule an der Stirn nicht durch eine Ohrfeige verursacht worden ist, sondern auf einen Faustschlag des Angeklagten zurückzuführen war (Urteilsfaktum 5.), steht mit der allgemeinen Lebenserfahrung im Einklang. Daß Birgit B zwei einander diametral entgegengesetzte Versionen gegeben hat, von denen eine falsch sein muß, hindert das Gericht nicht, sich - mit entsprechender Begründung - für eine der beiden Tatvarianten zu entscheiden und seinen Konstatierungen sohin die seiner Überzeugung nach richtigen Angaben der Zeugin zugrundezulegen. Daß der Widerruf einer Aussage, mit welcher eine Prostituierte ihren Zuhälter (der zudem mit ihrer eigenen Schwester eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist) belastet hatte, auf eine Einflußnahme von außen zurückzuführen sein kann, liegt auf der Hand. In den Gründen des angefochtenen Urteils wird aber auch schlüssig dargelegt, warum das Erstgericht eine solche Einflußnahme im vorliegenden Fall als erwiesen angesehen hat.
Das Vorbringen zur Mängelrüge zeigt sohin nach keiner Richtung hin einen formellen Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf.
Mit den Beschwerdeausführungen, das Erstgericht sei auf Beweisergebnisse nicht eingegangen, denen zufolge der Angeklagte und Birgit B in Lebensgemeinschaft zusammengelebt hätten, und habe aus irriger Rechtsmeinung Konstatierungen über das Bestehen einer solchen Lebensgemeinschaft unterlassen, obwohl diese für die Beurteilung der Frage einer Ausbeutung im Sinne des § 216 StGB entscheidungswesentlich gewesen wären, macht der Angeklagte (der Sache nach nur) Feststellungsmängel im Sinne der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend.
Er übersieht jedoch, daß für den Tatbestand der Zuhälterei (Urteilsfaktum 3.) nicht entscheidend ist, ob eine Prostituierte ihrem Zuhälter den Schandlohn im Hinblick auf eine bestehende Lebensgemeinschaft abliefert (vgl §JZ-LSK 1979/265 = EvBl 1979/245; 13 Os 187/82 ua). Um Ausbeutung annehmen zu kännen, reicht es zwar nicht aus, wenn eine Prostituierte im Rahmen einer Lebensgemeinschaft freiwillig allein für den gemeinsamen Lebensunterhalt aufkommt; vielmehr erfordert Ausbeutung ein rücksichtsloses, das heißt, gegen vitale Interessen der Prostituierten gerichtetes Ausnützen gewerbsmäßiger Unzucht. Diesen Voraussetzungen ist aber jedenfalls dann entsprochen, wenn eine Prostituierte die bei Ausübung ihres unzüchtigen Gewerbes erzielten Einkünfte ganz oder doch überwiegend dem Zuhälter abliefern muß (vgl SSt 48/7 = §JZ-LSK 1977/117; SSt 50/59), wie dies bezüglich Birgit B festgestellt worden ist (vgl S 146, 154 d.A). Im übrigen hat das Schäffengericht auch als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte Birgit B zur Ausübung bzw Fortsetzung der Prostitution gezwungen hat, indem er ihr Ohrfeigen versetzte, wenn sie keine entsprechenden Einnahmen erzielte, und sie bedroht hat, als sie ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben wollte (vgl S 146 d.A). Auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen konnte das Verhalten des Angeklagten daher durchaus folgerichtig und frei von Rechtsirrtum auch dem Tatbestand der Zuhälterei nach § 216 StGB unterstellt werden.
530Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Das Schäffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 144 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen von fünf strafbaren Handlungen, als mildernd hingegen, daß die Erpressung beim Versuch geblieben ist.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe sowie deren bedingte Nachsicht an.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Ausgehend von den vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten (und im übrigen vom Berufungswerber nicht bekämpften) Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erweist sich das vom Schäffengericht gefundene Strafmaß als durchaus tatschuldangemessen und tätergerecht, zumal dem Berufungswerber mehrere strafbare Handlungen zur Last liegen und sein Vorleben durch einschlägige Abstrafungen belastet ist, die offensichtlich wirkungslos geblieben sind, weshalb es einer entsprechend strengen Strafe bedarf, um den Berufungswerber von der Begehung weiterer Aggressionsdelikte abzuhalten.
Eine Reduzierung der Strafe kam somit nicht in Betracht. Was die begehrte bedingte Strafnachsicht betrifft, die vorliegend nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 43 Abs 2 StGB gewährt werden kännte, so scheidet eine solche schon im Hinblick auf das kriminelle Vorleben des Berufungswerbers aus.
Auch der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04146European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0120OS00024.83.0407.000Dokumentnummer
JJT_19830407_OGH0002_0120OS00024_8300000_000