Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführer in der Strafsache gegen Erwin A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB über die vom Angeklagten sowie von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 3. November 1982, GZ 11 a Vr 4/82-26, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Richter und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil (zur Gänze) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 51jährige Erwin A des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt, weil er von 1975
bis September 1981 als Leiter der B der Stadt C mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten die genannte Sparkasse unrechtmäßig zu bereichern, bei Bürges-Krediten, Gewerbestrukturverbesserungskrediten, Betriebsmittelkrediten für Dürreschäden und Merkantil-Darlehen zahlreiche Kreditnehmer durch Täuschung über die Tatsache, daß die Sparkasse bei ihren Konten Abbuchungen für verdeckte Provisionen vornimmt, zur Anerkennung der Richtigkeit der jeweiligen Kontoauszüge, mithin zu Handlungen verleitete, welche die (jeweiligen) Kreditnehmer an ihrem Vermögen insgesamt um 1,528.960,28 S schädigten.
Von der weiteren Anklage, den Tatbestand des Betruges auch dadurch verwirklicht zu haben, daß er die Mitglieder des Vorstandes der B der Stadt C durch Unterschieben eines minderwertigen gebrauchten Diktiergerätes für ein höherwertiges Gerät zur Annahme des ersteren verleitet habe, wodurch die Sparkasse an ihrem Vermögen um einen Betrag von 2.190 S geschädigt worden sei, wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte, den (Teil-) Freispruch die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Angeklagten auf die Z 4, 5 und 9 lit a und von der Staatsanwaltschaft auf die beiden letztgenannten Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Angeklagte in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages (S 214/II) auf zeugenschaftliche Vernehmung der Geschädigten zum Beweis dafür, daß ihnen bei Abschluß der Kreditverträge auch die Gesamtkosten der Kredite bekanntgegeben worden seien. Die Beweisaufnahmen wurden vom Erstgericht mit der Begründung abgelehnt (S 214 f./II), daß der Angeklagte nach seiner eigenen Darstellung mit den Kreditnehmern über eine Provision nicht gesprochen, sondern ihnen bloß eine ungefähre Summe mitgeteilt habe, aus der sie nicht entnehmen konnten, daß zu den Zinsen noch weitere Kosten, insbesondere eine Provision, hinzukommen werden (vgl S 214/II).
Der Verfahrensrüge kommt Berechtigung zu: Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung im wesentlichen damit verantwortet, die Kreditwerber zwar nicht darauf hingewiesen zu haben, daß von der Sparkasse außer den vereinbarten Zinsen - entgegen den für Sonderkredite allgemein festgelegten Bestimmungen und entgegen dem Vertragstext, wonach der betreffende Kredit provisionsfrei sein sollte - in Wahrheit auch noch eine Provision verlangt werde, doch habe er ihnen gegenüber immerhin von einer 'Zuspeis' gesprochen und die daraus resultierende ungefähre Gesamtbelastung aus dem Kredit genannt. Dieses Vorbringen betrifft insofern entscheidungswesentliche Umstände, als Betrug eine auf Irreführung abzielende Einwirkung des Täters durch ausdrückliches Behaupten falscher Tatsachen, durch Entstellen wahrer Tatsachen oder durch ein zur Irreführung eines anderen bestimmtes konkludentes Verhalten auf die Vorstellung des anderen voraussetzt (vgl Kienapfel, BT II, RN 39 zu § 146 StGB). Von einer (tätergewollten) Täuschung über Tatsachen kann daher im vorliegenden Fall nur dann die Rede sein, wenn durch das Gesamtverhalten des Angeklagten bei den Kreditnehmern die Vorstellung hervorgerufen werden sollte, daß für die gewährten Kredite ausschließlich die im Kreditvertrag festgelegten Zinsen (zuzüglich allfälliger 'Geldbeschaffungskosten' für eine bücherliche Sicherstellung) zu entrichten wären.
Selbst wenn der Angeklagte bei den Kreditanbahnungsgesprächen die Darlehenswerber nicht ausdrücklich über die von der Sparkasse beanspruchten Provisionen aufgeklärt hat, würde dies nicht ausschließen, daß er den Kreditnehmern oder zumindest einzelnen von ihnen mit den oben erwähnten Worten zumindest dem Sinne nach mitteilen wollte, daß ihnen außer Zinsen noch zusätzliche, die Gesamtkosten ihrer Kredite erhöhende andere Nebenkosten verrechnet werden und solcherart diesen Personen gegenüber Erklärungen abgab, die für die Beurteilung der (in Abrede gestellten) subjektiven Tatseite bedeutsam sein können. Die begehrten Beweisaufnahmen betrafen sohin für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer vorsätzlich ein zur Täuschung der Kreditnehmer über den Inhalt der mit ihnen getroffenen Vereinbarungen geeignetes und bestimmtes Verhalten gesetzt hat, erhebliche Beweisumstände. Die Verantwortung des Angeklagten, die Kreditwerber mit hinreichender Deutlichkeit auf solche zusätzliche Kreditbelastungen hingewiesen zu haben, erachtete das Erstgericht allerdings für unglaubwürdig, weil der als Zeuge vernommene Sparkassenangestellte Franz D, der bei derartigen Anbahnungsgesprächen anwesend war, nie etwas von dem Wort 'Zuspeis' gehört haben will (vgl S 232 f, 235 f/II).
Nichtsdestoweniger durfte das Schöffengericht die vom Angeklagten angebotenen Entlastungsbeweise nicht nur deshalb ablehnen, weil es die bereits vorliegenden Beweise für ausreichend hielt, und im Hinblick auf die ihm nach den §§ 3
und 258 StPO obliegenden Pflichten sich nicht von einer schon vor Aufnahme sämtlicher beantragten Beweise, soweit diese zu einer (weiteren) Aufklärung entscheidungswesentlicher Umstände führen konnten, vorgefaßten überzeugung von der Schuld des Angeklagten leiten lassen. Eine solche Vorwegnahme der Beweiswürdigung war hier schon deshalb unstatthaft, weil die Geschädigten weder (selbst) Strafanzeigen erstattet hatten noch im Zuge der Vorerhebungen durch die Gendarmerie oder das Gericht jemals befragt worden waren und mithin jedenfalls nicht unzweifelhaft erkennbar ist, daß diese Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben kann (§ 281 Abs. 3 StPO).
Schon darum war der Verfahrensrüge Berechtigung zuzuerkennen und demzufolge in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das angefochtene Urteil in seinem schuldig sprechenden Teil aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedarf.
Im erneuerten Verfahren wird in rechtlicher Hinsicht zu beachten sein, daß dem Angeklagten - seinen Beschwerdeausführungen zur Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO zuwider -
keineswegs bloß Unterlassung der gebotenen Aufklärung der Kreditwerber über den Inhalt der getroffenen Kreditvereinbarungen, sondern auch Täuschung (bei Erstellung der keine Provisionen ausweisenden Kontoauszüge), mithin auch ein positives Tun zum Vorwurf gemacht wird, ein Verhalten demnach, dem nach der Verkehrsauffassung (§ 863 ABGB) insgesamt ein irreführender Erklärungswert zukommt (vgl Kienapfel, BT II, RN 43, 67 und 68 zu § 146 StGB; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 12, 15 zu § 146).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Nach den zum Teilfreispruch getroffenen Urteilsfeststellungen hatte Werner A, der Sohn des Angeklagten, im Jahre 1979 ein Tonbandgerät zum Preis von 3.990 S gekauft, welches der Angeklagte in sein Büro nahm und für die B der Stadt C verwendete. Als im Herbst 1980 der Sohn des Angeklagten dieses Gerät wieder zurückverlangte, sollte für die Sparkasse ein neues Tonbandgerät angeschafft werden. Da aber der Angeklagte das seinem Sohn gehörige Tonbandgerät wegen der für ihn günstigen Bedienungsmöglichkeit weiterhin für die Sparkasse verwenden wollte, kaufte Werner A über Auftrag seines Vaters ein Tonbandgerät zum gleichen Preis und ließ sich den hiefür aufgewendeten Betrag von 3.990 S von der Sparkasse ausbezahlen. Während der Sohn das neu angeschaffte Tonbandgerät behielt, ging sein ursprüngliches Tonbandgerät in das Eigentum der Sparkasse über. Ein Handeln des Angeklagten mit Schädigungsund Bereicherungsvorsatz wurde vom Erstgericht mit der Begründung verneint, daß auch das erste vom Sohn des Angeklagten neu und zum gleichen Preis wie das später von der Sparkasse bezahlte Tonbandgerät gekaufte Gerät von allem Anfang an nur für die Sparkasse verwendet worden sei. Berechtigt ist die Mängelrüge (Z 5) der Staatsanwaltschaft schon, soweit sie gegen die bezüglichen Urteilsannahmen ins Treffen führt, daß einerseits das (in der Hauptverhandlung verlesene) Gutachten des Sachverständigen Ing. Karl E, wonach im Zeitpunkt der Neuanschaffung durch die B der Stadt C zwischen den beiden Tonbandgeräten eine Wertdifferenz von 2.190 S bestanden hat (vgl Band I, S 89 f d.A), unerörtert blieb, und andererseits für die Annahme, der Sparkasse sei von Anfang an ein gleichwertiges Gerät zur Verfügung gestanden, das nur für ihre Zwecke Verwendung gefunden habe, eine ausreichende Aktengrundlage fehlt; denn nach der Aussage des Zeugen Werner A wurde das erste Gerät bereits 1978 angeschafft und - mit gelegentlichen Ausnahmen - erst ab ca September 1979 dem Angeklagten, wie dieser selbst einräumt, für die Sparkasse überlassen (vgl S 12 f, 16 f, 189/II). Eine Berücksichtigung dieser Beweisergebnisse hätte jedoch bei der Entscheidung der Frage, ob der Angeklagte durch sein Verhalten sich oder Dritte zum Schaden der B der Stadt C bereichern wollte, allenfalls zu anderen Schlußfolgerungen, als sie vom Erstgericht gezogen worden sind, führen können. Der Eintritt eines Vermögensschadens bei der Sparkasse könnte nämlich nur dann (vorweg) ausgeschlossen werden, wenn Ursache der Wertminderung des aus dem Vermögen des Werner A stammenden Gerätes ausschließlich dessen durch Gebrauch für die Sparkasse bewirkte Abnützung gewesen sein sollte.
Schon die von der Staatsanwaltschaft zutreffend aufgezeigten Begründungsmängel über entscheidungswesentliche Tatsachen machen daher eine Aufhebung des Urteils auch in seinem freisprechenden Teil erforderlich.
Im zweiten Rechtsgang wird nach Maßgabe der Beweisergebnisse auch noch zu beurteilen sein, ob das Verhalten des Angeklagten nicht allenfalls als Mißbrauch einer ihm rechtsgeschäftlich eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, zum Schaden seines Machtgebers zu werten und demgemäß nicht dem Tatbestand des Betruges, sondern jenem der Untreue zu unterstellen ist. Es war daher in Stattgebung beider Nichtigkeitsbeschwerden, ohne daß noch auf deren sonstige Einwände eingegangen zu werden brauchte, (über diese Rechtsmittel sowie über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft) spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E04162European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00030.83.0412.000Dokumentnummer
JJT_19830412_OGH0002_0100OS00030_8300000_000