Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z 1, 129 Z 1, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 22. Dezember 1982, GZ 11 a Vr 648/82-13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hartung und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr.Nurscher zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. Juni 1955 geborene Hilfsarbeiter Werner A des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 129
Z 1, 15 StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Urteilsspruches hat er I./ am 7. Juli 1982 in Deutsch-Wagram in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Helmut B als Beteiligten (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen nachgenannten Eigentümern durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar 1./ der Doris und dem Josef C eine Flasche Bier, einen Liter Wein, eine Stehleiter und eine Wasserwaage im Gesamtwert von rund 500 S durch Einsteigen in deren Rohbau durch ein offenes Kellerfenster und 2./ dem Erwin D durch Herabreißen der Blechverschalung und der Außenlampe von dessen Würstelstand, wobei die Vollendung nur dadurch unterblieben ist, daß es den Tätern nicht gelang, in den Würstelstand einzudringen;
II./ am 3. August 1982 in Korneuburg durch seine Aussage vor dem Einzelrichter des Kreisgerichtes im Verfahren gegen Helmut B wegen §§ 127 ff StGB, GZ 12 c E Vr 457/82, Hv 285/82, in der er sinngemäß angab, bei den Diebstählen zu I./ des Spruches nicht beteiligt gewesen zu sein, vor Gericht als Zeuge falsch ausgesagt.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach Z 5 und 9 lit b (der Sache nach auch Z 9 lit a und 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung jedoch nicht zukommt.
Mit dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund bemängelt der Angeklagte, das Erstgericht habe sich mit der Frage seiner allfälligen vollen Berauschung zur Tatzeit trotz mehrerer darauf hinweisender Beweisergebnisse nicht auseinandergesetzt, vielmehr die seiner Meinung nach widersprüchliche Feststellung getroffen, er sei wohl alkoholisiert, sich aber auch der Tat voll bewußt gewesen. Ein derartiger Widerspruch liegt jedoch nicht vor, weil das Schöffengericht auf Grund der als glaubwürdig erachteten Aussagen des in diesem Verfahren als Zeuge vernommenen Mittäters Helmut B, der in einem abgesondert geführten Strafverfahren bereits rechtskräftig verurteilt wurde, eine Alkoholisierung beider Täter (die aber nicht mit Volltrunkenheit gleichzusetzen ist) konstatiert hat. Dieser Aussage sind keine konkreten Hinweise auf eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende volle Berauschung zu entnehmen. Der Zeuge erwähnt zwar Merkmale einer (nicht unbeträchtlichen) Alkoholisierung des Angeklagten (leichtes Torkeln, aber keine lallende Sprache - S 71), berichtet aber auch von einer zielgerechten und eine gewisse Körperbeherrschung erfordernden Tatausführung beim Einsteigen durch das relativ enge Kellerfenster im Hause des Ehepaares C (Faktum I/1) und dem sich logisch aus dem Wunsche nach Rauchwaren ergebenden Versuch, durch Aufbrechen des Würstelstandes in den Besitz von Zigaretten zu gelangen (Faktum I/2). Nicht einmal der Angeklagte selbst hat sich jemals auf Volltrunkenheit berufen. Er will sich wohl nicht an 'alles' erinnern (S 58 oben), gibt ansonsten aber von den Ereignissen der Nacht eine - vom Erstgericht zwar als unrichtig abgelehnte - Darstellung, die keine gravierenden Erinnerungslücken erkennen jn (läßt. Die allenfalls noch am Morgen (nach neuerlichem Alkoholkonsum) vorgelegene Alkoholisierung kann schon deshalb kein Indiz für mangelnde Zurechnungsfähigkeit bei Ausübung der Taten oder getrübte Erinnerung an die Ereignisse der Nacht sein, weil die beiden Täter gerade zu diesem Zeitpunkt dem Geschädigten Erwin D glauben machen wollten, sie hätten einen unbekannten Mann beim Würstelstand beobachtet und zu stellen versucht, um den Verdacht von sich abzulenken (S 81, 71, 33). Das Erstgericht hatte daher keine Veranlassung, über die getroffene und auf Grund der Beweisergebnisse unbedenkliche Feststellung hinaus weitere Erörterungen über den Grad der Alkoholisierung des Angeklagten anzustellen.
Ausgehend von dieser Feststellung scheidet eine Subsumtion der Diebstahlstaten unter den (milderen) Tatbestand nach § 287 Abs 1 StGB aus, sodaß die diesbezügliche, inhaltlich den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO relevierende Rechtsrüge nicht dem Gesetze gemäß zur Darstellung gelangt ist.
Aber auch der weitere Hinweis, aus der Alkoholisierung ergäbe sich, daß der Angeklagte sich subjektiv keiner falschen Beweisaussage schuldig gemacht habe (Faktum II), geht an der ausdrücklichen Feststellung vorbei, wonach der im Verfahren gegen Helmut B als Zeuge vernommene Angeklagte nach Belehrung, nicht aussagen zu müssen (S 73), im vollen Bewußtsein der Folgen einer falschen Beweisaussage seine Beteiligung an dem Diebstahl und dem nachfolgenden Diebstahlsversuch verneint hat (S 82). Es entbehrt daher auch dieser, als Rechtsrüge im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO zu wertende Beschwerdeeinwand einer gesetzmäßigen Ausführung. Im übrigen stellt sich die eine 'Scheinbegründung' behauptende Mängelrüge als eine unzulässige Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung dar, wenn sie aus einzelnen, vom Erstgericht ohnedies gewürdigten widersprüchlichen Angaben des Zeugen B zu nebensächlichen Umständen und unter Bestreitung der Richtigkeit des Hinweises in der Urteilsbegründung, beide Taten hätten innerhalb von 30
Minuten, während derer sich der Angeklagte zufolge übelkeit entfernt hatte, nicht verübt werden können (S 83), abzuleiten versucht, Helmut B habe während der Abwesenheit des Angeklagten allein die Taten ausgeführt und seine, den Angeklagten belastenden Aussagen seien daher nicht glaubwürdig. Das Schöffengericht hat jedoch aktengetreu und logisch begründet, weshalb es der seit der Ablegung des Geständnisses bei der Gendarmerie gleichbleibenden, zum eigenen Schuldspruch führenden Darstellung des Mittäters Helmut B Glauben geschenkt, die Verantwortung des Angeklagten aber als widerlegt erachtet hat. Darnach wurde der Einbruch in den Rohbau kurz nach 1,00 Uhr früh des 7. Juli 1982 begangen und der Versuch, den Würstelstand aufzubrechen, scheiterte um 2,30 Uhr, nachdem der Angeklagte vorübergehend weggegangen und wieder zurückgekehrt war (S 35
bis 37). Das Erstgericht ging somit nicht davon aus, daß beide Taten innerhalb von 30 Minuten verübt wurden, es zog diesen Teil der Verantwortung lediglich als (weiteres) Indiz dafür heran, daß die Angaben des Angeklagten, von den Diebstählen nichts zu wissen, unglaubwürdig sind, sodaß mit diesen Einwänden ein formeller Begründungsmangel im Range einer Nichtigkeit nicht aufgezeigt wird. Im Rahmen der Mängelrüge reklamiert der Beschwerdeführer hinsichtlich des versuchten Einbruchs in den Würstelstand (Faktum I/2) auch noch den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) und macht damit unter (unvollständiger) Zitierung der Verantwortung des Helmut B in der gegen ihn zu 12 E Vr 457/82 des Kreisgerichtes Korneuburg durchgeführten Hauptverhandlung den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO geltend, ist aber auch hiemit nicht im Recht.
Der Beschwerde ist nämlich entgegenzuhalten, daß inhalts des (unjournalisiert) im Akt erliegenden Hauptverhandlungsprotokolls vom 23. August 1982 die angezogene Aussage lautet: 'Da wir dachten, wir würden das Hindernis sowieso nicht überwinden und (zu ergänzen: da es) sowieso ein Blödsinn war, haben wir aufgegeben'. Das Erstgericht hat daher im Einklang mit dieser seinerzeitigen Einlassung und der in diesem Strafverfahren gleichlautend abgelegten Zeugenaussage des Helmut B (S 70) konstatiert, daß der Versuch, die Blechverkleidung des Würstelstandes aufzubrechen, nicht gelang (S 81). Damit mangelt es aber an der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch, da Straflosigkeit jedenfalls auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Täter sich zur Erreichung seines Zieles außerstande glaubt (vgl Leukauf-Steininger2 RN 2 bis 4 zu § 16 StGB).
Wenn schließlich unter ziffernmäßig richtiger Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behauptet wird, dem Angeklagten komme hinsichtlich des Diebstahls im Hause C (Faktum I/1) der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue zugute, weil die vom Rohbau weggebrachte Leiter und die Wasserwaage beim Würstelstand zurückgelassen wurden und die Leiter dem Geschädigten am Morgen auch tatsächlich zurückgestellt wurde, kann ihm hiebei nicht gefolgt werden. Zunächst erfordert dieser Strafaufhebungsgrund, daß der ganze Schaden gutgemacht wird. Der Angeklagte behauptet aber nicht einmal, daß die (bisher verschwundene) Wasserwaage und die (am Tatort sofort konsumierten) Getränke vor seiner Ausforschung durch die Gendarmerie zurückgegeben oder ersetzt worden wären. Darüber hinaus wäre erforderlich, daß die gestohlenen Gegenstände dem Bestohlenen selbst oder zumindest auf eine solche Art zurückgestellt werden, daß sie in die Verfügungsgewalt des Geschädigten gelangen (vgl EvBl 1966/291, 1969/418), ein Zurücklassen des Diebsgutes an einem öffentlichen Ort in der Hoffnung, man werde die Gegenstände finden und dem Eigentümer zurückgeben, reicht jedenfalls nicht aus. Dem Urteil haftet somit ein Nichtigkeitsgrund nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze zu verwerfen war.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28, 129 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten und wertete als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen. Mildernd war hingegen der geringe Wert der gestohlenen Sachen, die teilweise Schadensgutmachung durch Auffindung und Rückstellung der Leiter, die Alkoholisierung bei Begehung der Fakten I sowie der Umstand, daß es teilweise (Faktum I/2) beim Versuch geblieben ist.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe mit der Begründung, das Erstgericht habe wichtige Milderungsumstände nicht berücksichtigt.
Der Berufung kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Es kann entgegen den Behauptungen des Angeklagten nur dann davon gesprochen werden, daß eine Straftat aus Unbesonnenheit begangen wurde, wenn der Täter aus einem plötzlichen Willensimpuls heraus ohne nähere überlegung eine Tat setzt, die ihm wesensfremd ist und daher ansonsten von ihm unterdrückt worden wäre. Der Angeklagte hat aber in der Tatnacht zweimal bewußt einen Tatentschluß gefaßt, zunächst um sich Getränke zu beschaffen, wozu er auch noch in der Person des Helmut B einen Komplizen anwarb, und später, um Rauchwaren zu erlangen, sodaß von einer spontanen und unüberlegten Tatbegehung nicht die Rede sein kann. Die trotz der sich aus den Vorstrafakten ergebenden Neigung des Angeklagten, im alkoholisierten Zustand Straftaten zu begehen, ohnehin als mildernd (im Sinne des § 35 StGB) anerkannte Alkoholisierung kann nicht noch einmal als Milderungsumstand nach § 34 Z 11 StGB gewertet werden. Die Berufung vermag somit keinen zusätzlichen Milderungsumstand aufzuzeigen. Es ist jedoch zuzugestehen, daß trotz der infolge der einschlägigen Vorbelastung (im Verhältnis zum abgesondert abgeurteilten Mittäter) als schwerer einzustufenden persönlichen Schuld des Angeklagten im Hinblick auf den geringen Wert der beabsichtigten und tatsächlich erlangten Diebsbeute der Unwertgehalt der beiden, für die Strafzumessung wesentlichen (§ 28 Abs 1 StGB) Taten relativ gering ist, sodaß sich der Oberste Gerichtshof zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf ein Jahr veranlaßt sah.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04176European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00020.83.0412.000Dokumentnummer
JJT_19830412_OGH0002_0090OS00020_8300000_000