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L34001 Abgabenordnung Burgenland;Norm
BAO §281 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/17/0180 2004/17/0181Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, in den Beschwerdesachen der RS in F, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde Jois wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten betreffend die Kanalbenützungsgebühr für die Jahre 1991, 1992 und 1993, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerden werden als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung
Mit den vorliegenden Säumnisbeschwerden macht die Beschwerdeführerin die Säumnis des Gemeinderates der Marktgemeinde Jois mit der Entscheidung über ihre Berufungen gegen die Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren für die Jahre 1991 (hg. Zl. 2004/17/0179), 1992 (hg. Zl. 2004/17/0118) und 1993 (hg. Zl. 2004/17/0181) geltend.
Der Bürgermeister der Marktgemeinde Jois hat mit Schreiben vom 24. Februar 2005 mitgeteilt, dass der Gemeinderat der Marktgemeinde Jois in seiner Sitzung am 7. August 1997 den Beschluss gefasst habe, die Entscheidungen über die eingebrachten Berufungen auszusetzen, bis das Verfahren über die Inanspruchnahme der Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung rechtskräftig beendet sei.
Er legte hiezu das diesbezügliche Schreiben vom 12. August 1997 an die Beschwerdeführerin vor.
Dieses an die rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin gerichtete Schreiben lautet wie folgt:
"Sehr geehrter Herren!
Der Gemeinderat von Jois als Abgabenbehörde zweiter Instanz hat in der Sitzung am 07.08.1997 den Beschluß gefaßt, gem. § 211 der Landesabgabenordnung die Entscheidungen über die Berufung der RS, A-Straße 8, F, gegen die Bescheide des Bürgermeisters, mit elchen ihrer Mandantin eine Kanalbenützungsgebühr für die Jahre 1991, 1992 und 1993 vorgeschrieben wurde, auszusetzen, bis das Verfahren über die Inanspruchnahme der Ausnahme von der Kanalanschlußverpflichtung, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufungen ist, rechtskräftig beendet ist.
Für den Gemeinderat:
Der Vizebürgermeister:
XY eh."
Mit hg. Beschluss vom 9. März 2005, Zlen. 2004/17/0179 bis 0181-4, wurden die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ersucht, mitzuteilen, um welches Verfahren es sich bei dem im Schreiben vom 12. August 1997 erwähnten Verfahren gehandelt habe und ob dieses mittlerweile abgeschlossen sei.
Mit Schreiben vom 20. April 2005 teilte der Bürgermeister der Marktgemeinde Jois mit, dass die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 3. Mai 1990 der Marktgemeinde Jois gegenüber "die Inanspruchnahme der Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung im Sinne des § 13 Abs. 3 Bgld Kanalanschlussgesetz 1989, LGBl. Nr. 27/1990, hinsichtlich mehrerer Gebäude (insgesamt: 4) auf ihrem Grundstück Nr. 2381 in der KG Jois" angezeigt habe.
Nach Darstellung der weiteren Verfahrenschritte (Bescheide, Vorstellungen, Aufhebungen der gemeindebehördlichen Bescheide durch die Vorstellungsbehörde) wird auf den schließlich ergangenen weiteren Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 20. Oktober 1999, Zl. 02/04-70/6-1998, verwiesen, mit welchem der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Jois in der Frage der Anschlusspflicht neuerlich aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen worden sei.
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Jois habe am 6. Oktober 2000 ein neuerliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, jedoch über die vorliegende Berufung bis zum heutigen Tage nicht entschieden.
Die Beschwerdeführerin legte mit Schriftsatz vom 19. April 2005 eine Reihe von Kopien betreffend Bescheide im Kanalanschlusspflichtverfahren und Rechtsmittel ihrerseits in diesem Verfahren vor, welche die Angaben des Bürgermeisters der Marktgemeinde Jois bestätigen. Auch die Beschwerdeführerin vertritt nicht die Auffassung, dass das Verfahren betreffend die Ausnahme von der Anschlusspflicht bereits abgeschlossen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über die drei Säumnisbeschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die Zulässigkeit der Beschwerden erwogen:
Gemäß § 211 Abs. 1 der Burgenländischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 2/1963 (im Folgenden: Bgld LAO), zuletzt geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 32/2001, kann die Entscheidung über eine Berufung "unter Mitteilung der hiefür maßgebebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen", wenn "vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist", schwebt.
Wie sich aus dem hg. Erkenntnis vom 20. September 1997, Zl. 97/17/0193, ergibt, ist eine Aussetzung gemäß § 211 Abs. 1 Bgld LAO bescheidmäßig zu verfügen.
Unabhängig von der Frage, ob eine Aussetzung gemäß § 211 Abs. 1 Bgld LAO zulässigerweise erfolgte, ist hinsichtlich der Frage der Wirkung der Aussetzung allein entscheidend, ob eine derartige bescheidmäßige Aussetzung des Verfahrens erfolgte. Solange ein entsprechender Aussetzungsbescheid wirksam ist und der Grund für die Aussetzung nicht weggefallen ist (im Beschwerdefall:
das Verfahren betreffend die Ausnahme von der Anschlusspflicht noch nicht abgeschlossen ist), besteht keine Entscheidungspflicht der zuständigen Behörde im ausgesetzten Verfahren.
Entscheidungswesentlich ist somit, ob das vom Bürgermeister der Marktgemeinde Jois vorgelegte Schreiben vom 12. August 1997 betreffend die Aussetzung des Verfahrens über die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr für die Jahre 1991, 1992 und 1993 als Bescheid zu werten ist.
§ 73 Bgld LAO lautet:
"§ 73. (1) Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht den Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, daß die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist."
Gemäß § 70 Abs. 2 Bgld LAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person zu nennen, an die er ergeht. Gemäß § 70 Abs. 3 hat der Bescheid ferner eine Begründung zu enthalten, wenn ihm ein Anbringen zu Grunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird, sowie eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner dass das Rechtsmittel begründet werden muss und dass ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt.
§ 70 Abs. 4 Bgld LAO lautet:
"(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu vergleichbaren Regelungen in Landesabgabenordnungen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2000, Zl. 95/17/0480, zur Tir LAO) die Auffassung vertreten, dass der Bescheidbezeichnung dann ausschlaggebende Bedeutung für das Entstehen eines Bescheides zukommt, wenn Zweifel hinsichtlich des Bescheidwillens der Behörde (des Willens, eine Verwaltungssache normativ zu erledigen) bestehen.
Wenngleich derartige Zweifel durch Formulierungen (der an die rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin adressierten Erledigung) wie "Sehr geehrte Herren!" und das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung entstehen könnten, ist im vorliegenden Fall auf Grund der Bezugnahme auf den Beschluss des Gemeinderates von Jois im Hinblick auf dessen Inhalt und die Fertigungsklausel klargestellt, dass eine normative Erledigung intendiert war und auch objektiv zum Ausdruck kommt.
Da die genannte Erledigung ausdrücklich unter Hinweis auf den in der Sitzung vom 7. August 1997 gefassten Beschluss des Gemeinderates von Jois "als Abgabenbehörde zweiter Instanz" erfolgte und für den Gemeinderat (vom Vizebürgermeister) gezeichnet ist, ist der normative Charakter der Erledigung unzweifelhaft ersichtlich und somit der Bescheidcharakter der Erledigung und ihre Zurechnung an den Gemeinderat zu bejahen (vgl. zu den Erfordernissen eines Bescheides nach den Landesabgabenordnungen etwa das ebenfalls zur Bgld LAO ergangene hg. Erkenntnis vom 28. November 2001, Zl. 98/17/0311, in dem es ebenfalls um eine nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnete Erledigung ging, deren normativer Charakter aber zweifelsfrei erschließbar war).
Wie auch der zitierte § 70 Abs. 4 Bgld LAO zeigt, ist die Rechtsmittelbelehrung kein essentielles Bescheidmerkmal, dessen Fehlen das Zustandekommen eines Bescheides im Rechtssinn hindern würde.
Da somit durch die Zustellung des als Bescheid zu wertenden Schreibens vom 12. August 1997 die gegenständlichen Berufungsverfahren wirksam gemäß § 211 Bgld LAO ausgesetzt wurden und dieser Bescheid nach wie vor dem Rechtsbestand angehört, bestand für den Gemeinderat der Marktgemeinde Jois für die Dauer der Aussetzung keine Entscheidungspflicht.
Die Säumnisbeschwerden erweisen sich als unzulässig, weil den Gemeinderat keine Entscheidungspflicht traf.
Die Säumnisbeschwerden waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 25. Mai 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004170179.X00Im RIS seit
25.08.2005