TE OGH 1983/4/13 11Os33/83

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Veröffentlicht am 13.04.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.April 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Wanke-Czerwenka als Schriftführers in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15 und 75 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 19. Jänner 1983, GZ. 10 Vr 512/82-46, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Jahre herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Strafverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde Leopold A des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75

StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 15.Juni 1982 im Gemeindegebiet von Hanfthal die Katharina B durch einen wuchtigen, mit einem spitzen Messer mit einer Klingenlänge von 11,5 cm geführten Stich in den Rücken zwischen der Dornfortsatzreihe der Wirbelsäule und dem inneren Schulterblattrand rechts, wobei das Messer bis zum Heft in den Körper eindrang und die Lunge verletzte, vorsätzlich zu töten versucht zu haben.

Die Geschwornen hatten die anklagekonform an sie gerichtete Hauptfrage nach dem vorerwähnten Verbrechen stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfrage nach einer Tatbegehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB.) gleichfalls stimmeneinhellig verneint. Die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage nach dem Verbrechen des versuchten Mordes zu beantwortende Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. blieb folgerichtig unbeantwortet.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer allein auf die Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er die Verletzung der Vorschrift des § 314 Abs. 1 StPO. über die Fragestellung an die Geschwornen infolge Unterlassung der Aufnahme einer weiteren Eventualfrage nach dem Verbrechen des versuchten Totschlages nach den §§ 15, 76 StGB. behauptet. Nach Meinung des Beschwerdeführers sei diese Eventualfrage geboten gewesen, weil er sich zur Tatzeit dadurch, daß er damals von seinen Eltern aus dem Haus gewiesen worden sei, in einer Holzkiste übernachten mußte und weder über Geld noch über ausreichende Nahrung verfügte, in einer existenzbedrohenden Extremsituation befand, die zu einem plötzlichen, einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung entsprechenden Aggressionsausbruch geführt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor.

Nach den Verfahrensergebnissen der Hauptverhandlung hatte sich der Angeklagte Leopold A, der Ende Mai 1982 aus der elterlichen Wohnung gewiesen worden war, weil er keiner Beschäftigung nachging, am 15. Juni 1982

gegen 16,20 Uhr der ihm bis dahin unbekannten 52-jährigen Katharina B, die damals auf einem Acker bei Hanfthal arbeitete, unbemerkt von hinten genähert und ihr sogleich ohne ersichtlichen Anlaß ein Fahrtenmesser mit einer Klingenlänge von 11,5 cm bis zum Heft in den Rücken gestoßen, ohne vorher ein Wort gesprochen zu haben. Der Angeklagte hatte die Tat vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter noch geleugnet (vgl. S. 26, 27 und 28 sowie ON. 7 des Aktes), sie aber in der Hauptverhandlung zugegeben und erklärt, hiefür kein Motiv nennen zu können (S. 373, 374, 376, 377 und 379 d.A.).

Gemäß dem § 314 Abs. 1 StPO. ist eine Eventualfrage dahin, ob die dem Angeklagten laut Anklageschrift (hier: als Verbrechen des versuchten Mordes) zur Last gelegte Straftat unter ein anderes, gegenüber dem angeklagten Delikt nicht strengeres Strafgesetz fällt, nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die - falls sie als erwiesen angenommen werden - eine Tatbeurteilung nach dem milderen Strafgesetz (hier, entsprechend dem Beschwerdevorbringen: Verbrechen des versuchten Totschlages nach den §§ 15, 76 StGB.) zur Folge hätten. Nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung bestand aber im vorliegenden Fall zur Aufnahme einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des versuchten Totschlages kein Anlaß. Das gegenüber dem Verbrechen des Mordes privilegierte Delikt des Totschlages unterscheidet sich von dem erstgenannten Delikt darin, daß es die besondere Gemütsbeschaffenheit des Täters zur Tatzeit berücksichtigt und für den - aber ebenso wie beim Mord mit Tötungsvorsatz handelnden -

Täter unter der Voraussetzung, daß er sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tötung eines anderen hinreißen läßt, eine mildere Strafdrohung vorsieht. Die in der Hauptverhandlung zur Sprache gekommenen Verfahrensergebnisse, insbesondere die eigene Verantwortung des Angeklagten, boten jedoch - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt - keine Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte die ihm hier (als Mordversuch) zur Last gelegte Tat im Zustand einer damals bei ihm vorgelegenen heftigen und überdies auch allgemein begreiflichen Gemütsbewegung, also in einem tiefgreifenden, heftigen Affekt begangen haben könnte, dessen Ursache überdies in einem äußeren Umstand lag und nicht etwa auf einem psychisch abnormen Persönlichkeitsbild des Täters beruhte (ÖJZ-LSK. 1975/200; 1978/199, EvBl. 1982/167). Der Angeklagte selbst behauptete nämlich niemals, auf die ihm bis dahin völlig unbekannte Katharina B, die ihm nicht den geringsten Anlaß zur Tat gegeben hatte, im Zustand eines tiefgreifenden heftigen Affektes eingestochen zu haben, er konnte nach seiner eigenen Darstellung für die Tathandlung vielmehr keine Erklärung geben. Auf die - im übrigen infolge seiner Arbeitsscheu selbst verschuldete - prekäre finanzielle und familiäre Situation als tatauslösendes Moment berief sich der Angeklagte entgegen seinem (insoweit neuen und daher unbeachtlichen) Beschwerdevorbringen in der Hauptverhandlung nicht. Abgesehen davon würde es an dem für eine Tatbeurteilung als (versuchter) Totschlag essentiellen Moment der allgemeinen Begreiflichkeit einer bloß aus einer solchen prekären Situation des Angeklagten resultierenden heftigen Gemütsbewegung fehlen, muß doch die Gemütsbewegung bei der hier gebotenen Anlegung eines objektiven Beurteilungsmaßstabes in ihrer Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß allgemein verständlich sein (ÖJZ-LSK. 1977/379), ein Umstand, der auch bei Zutreffen der vorerwähnten Beschwerdebehauptung zu verneinen wäre.

Da sohin - wie auch der Schwurgerichtshof zutreffend erkannte (S. 400 d.A.) - nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung die vom Beschwerdeführer angestrebte Aufnahme einer Eventualfrage in Richtung des versuchten Totschlages in das Fragenschema nicht indiziert war, erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Leopold A als nicht begründet.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 75 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren und ordnete gemäß dem § 21 Abs. 2 StGB. die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.

Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorverurteilungen des Leopold A sowie die heimtückische und grausame Tatbegehung als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist und der Angeklagte die Tat unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes begangen hat, als mildernd.

Mit seiner Berufung begehrt Leopold A die Herabsetzung des Strafausmaßes und bekämpft den Ausspruch nach dem § 21 Abs. 2 StGB. Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Einzuräumen ist dem Angeklagten, daß nach Lage des Falles für die Annahme eines besonderen Erschwerungsgrundes der grausamen Tatbegehung keine Handhabe besteht, vor allem aber, daß er sich in der Hauptverhandlung schuldig bekannte und ihm daher, auch unter besonderer Berücksichtigung seines Geisteszustandes, der wesentliche Milderungsgrund des Geständnisses zugute kommt.

In sorgfältiger Abwägung der korrigierten Strafzumessungsgründe erweist sich daher eine maßvolle Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das tatschuldangemessene Ausmaß von achtzehn Jahren als geboten. Was die angeordnete Maßnahme nach dem § 21 Abs. 2

StPO. anlangt, so ging das Erstgericht in übereinstimmung mit dem gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachten (vgl. insbesondere die Seiten 281, 283, 299 und 396) zutreffend davon aus, daß - unterbliebe die Anstaltsunterbringung - zu befürchten wäre, daß der Angeklagte abermals gleichartige Taten beginge.

In diesem Umfang war der Berufung daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04136

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00033.83.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19830413_OGH0002_0110OS00033_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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