Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. April 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Wanke-Czerwenka als Schriftführers in der Strafsache gegen Erwin A wegen des Vergehens des Glücksspiels nach dem § 168 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 10. Mai 1982, GZ U 1.092/81-10, und des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 13. Oktober 1982, AZ 7 b Bl 170/82, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 10. Mai 1982, GZ U 1.092/81-10, sowie das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 13. Oktober 1982, AZ 7 b Bl 170/82, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 168 Abs. 1 StGB.
Diese Urteile sowie alle darauf beruhenden Verfügungen und Beschlüsse, insbesonders die Endverfügung ON 17, werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 10.Mai 1982, GZ U 1.092/81-10, wurde der am 27. August 1957 geborene Kaufmann Erwin A des Vergehens des Glücksspiels nach dem § 168 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nach den Feststellungen des Bezirksgerichtes Neunkirchen veranlaßte Erwin A im Rahmen eines von ihm geführten Automatenaufstellungsunternehmens in der Zeit vom November 1980 bis 17. März 1981 den Betrieb eines Glücksspielautomaten der Marke 'Ambassador' im Gasthaus der Maria B in Ternitz. Dieser Automat ließ durch Münzeinwurf zu besorgende Spieleinsätze in der Höhe von 5 S und 10 S zu und ermöglichte zufallsbedingte Gewinne unterschiedlicher Höhe im Wert zwischen 2 S und 600 S. Die Gewinne, deren Gesamthöhe monatlich zwischen 500 S und 1.000 S lag, wurden von der Gastwirtin in Form von Gutschriften für Gasthauskonsumationen abgegolten. Das nachRAbzug der Gewinnsummen verbliebene Einspielergebnis des Automaten wurde zwischen Erwin A und der Gastwirtin im Verhältnis 60 : 40 geteilt.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Bezirksgericht Neunkirchen davon aus, daß es sich beim Betrieb des Glücksspielautomaten um die Veranstaltung eines verbotenen Spiels und zugleich auch eines Glücksspiels im Sinn des § 168 Abs. 1 StGB gehandelt habe. Ein strafloses Unterhaltungsspiel nach dem § 168 Abs. 1, letzter Halbsatz, StGB sei nicht vorgelegen, weil trotz des nicht ausschließbaren Motivs verschiedener Spieler, sich nur die Zeit zu vertreiben, die weitere Voraussetzung eines auf geringe Beträge beschränkten Spielrisikos jedenfalls gefehlt habe. Zur Erfüllung dieser Bedingung dürfe die Summe der Einsätze eines Spielers im Verlauf einer Spielveranstaltung nur einen geringen Betrag ausmachen. Im Hinblick auf Einsätze von 5 S und 10 S pro Spiel und Gewinnmöglichkeiten bis zu einem Gegenwert von 600 S sei aber nicht um geringe Beträge gespielt worden.
Gegen dieses Urteil wurde vom Angeklagten Erwin A Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe erhoben.
Das Kreisgericht Wiener Neustadt als Berufungsgericht wies mit dem Urteil vom 13. Oktober 1982, AZ 7 b Bl 170/82, die Berufung wegen Nichtigkeit zurück und gab ihr punkto Schuld und Strafe keine Folge. Das Berufungsgericht beurteilte auf der Grundlage der Feststellungen des Erstgerichtes den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht ebenfalls dahin, daß der Angeklagte durch Aufstellung und Betrieb des Glücksspielautomaten Spiele im Sinn des § 168 Abs. 1 StGB veranstaltet habe, bei denen nicht bloß um geringe Beträge gespielt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Urteile des Bezirksgerichtes Neunkirchen und des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Berufungsgerichtes stehen - wie die Generalprokuratur in der von ihr erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Ergebnis jetreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Vom Tatbestand des § 168 Abs. 1 StGB ausgenommen (siehe hiezu Bericht des Justizausschusses, 959 BlgNr XIII. GP, S 28; Liebscher im WK, Rz 11 zu § 168 StGB; 9 Os 137, 138/
82, 10 Os 25, 26/83; aM - ohne nähere Begründung - Kienapfel, Bes. Teil II, RN 13 zu § 168 StGB, anscheinend auch Leukauf-Steininger StGB2, RN 17 zu § 168 StGB) ist die Veranstaltung oder Förderung von Glücksspielen, wenn zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib um geringe Beträge gespielt wird. Die in der zweiten Alternative der negativen Tatbestandsmerkmale umschriebenen 'harmlosen' Spiele sind sohin dadurch gekennzeichnet, daß die Mitwirkenden durch ihre Spielbeteiligung im wesentlichen Unterhaltung und Zerstreuung suchen sowie dadurch, daß die hiebei aufs Spiel gesetzten Vermögenswerte nur einen geringen Betrag ausmachen.
Die Beantwortung der Frage, ob um 'geringe Beträge' gespielt wird, ist grundsätzlich am Einzelspiel bzw am einzelnen, jeweils über Gewinn oder Verlust entscheidenden Spielgang zu orientieren (vgl 9 Os 137, 138/82; ausführlich hiezu 10 Os 25,26/83; ebenso Kummer, ÖJZ 1980, 347;
aM Leukauf-Steininger, StGB2, RN 7 zu § 168 StGB, und Höpfel ÖJZ 1978, 422). Diese Auffassung entspricht dem Gesetzeswortlaut, weil der Plural '... um geringe Beträge ...' zwingend eine Mehrzahl von Spieleinsätzen voraussetzt, von denen nur jeder einzelne geringfügig zu sein braucht, ohne daß sich aus diesem negativen Tatbestandsmerkmal das zusätzliche Erfordernis ergäbe, daß auch die Summe aller Einsätze nur geringfügig sein dürfte.
Das Korrektiv gegen eine zu weitgehende Einschränkung der gerichtlichen Strafbarkeit bildet nach dem Gesetz die weitere in bezug auf den gesamten Tatbestand negativ umschriebene Voraussetzung, daß 'bloß zum Zeitvertreib' gespielt wird. Das jedem Spiel wesensimmanente Gewinnstreben der Teilnehmer muß sich zwar bei einem Spiel um Geld zwangsläufig (auch) auf einen Geldgewinn erstrecken, jedoch geht allein dadurch der bloße Unterhaltungscharakter des Spiels noch nicht verloren. Davon kann erst dann die Rede sein, wenn das Gewinnstreben als Motivation - zwar nicht unbedingt ausschließlich wirksam ist, aber doch - so weit in den Vordergrund tritt (zB bei einer außergewöhnlich günstigen, zu Serienspielen verleitenden Relation zwischen Einsatz und theoretisch erzielbarem Gewinn), daß es dem Spieler geradezu darauf ankommt, Geld zu gewinnen, wenn er also in gewinnsüchtiger 'Absicht' (§ 5 Abs. 2 StGB) spielt (vgl 10 Os 25, 26/83; Höpfel, aaO 422; Kummer, aaO, 347;
Liebscher, aaO, Rz 12 zu § 168; Leukauf-Steininger, aaO, RN 17 zu § 168).
Dabei handelt es sich aber in jedem konkreten Einzelfall um eine Tatfrage.
Die von den Gerichten im vorliegenden Verfahren vertretene Rechtsansicht, daß schon aus der bloß abstrakten Möglichkeit, durch eine vielfache Wiederholung des maximalen Einzeleinsatzes von 10 S allenfalls mehrere 100 S zu verspielen, generell auch schon die Annahme eines nicht bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge durchgeführten Spieles abzuleiten sei, ist demnach verfehlt. Die festgestellte Relation zwischen dem maximalen Einzeleinsatz von 10 S und dem höchstmöglichen Gewinn von 600 S indiziert allerdings die Möglichkeit eines besonderen Anreizes für Serienspiele mit gewinnsüchtiger Absicht. Nach Lage des Falles kann daher - entgegen der Auffassung der eine sofortige Sachentscheidung anregenden Generalprokuratur -
noch nicht ausgeschlossen werden, daß durch die vom Angeklagten zu verantwortende Spielveranstaltung der im § 168 Abs. 1, letzter Halbsatz, StGB umschriebene Bereich der 'harmlosen' Unterhaltung allenfalls doch verlassen wurde und der - in dieser Richtung bisher unaufgeklärt gebliebene - Tätervorsatz auch die Veranlassung bzw Ermöglichung eines Spielbetriebes umfaßte, der nicht nur dem Zeitvertreib dienen sollte. Selbst bei Unmöglichkeit des Nachweises von Serienspielen käme nämlich gegebenenfalls - so etwa dann, wenn nicht schon die technische Konzeption des Automaten angemessene Zwischengewinne erwarten ließ, oder wenn vom Angeklagten nicht auf andere Weise Vorsorge getroffen wurde, daß ein vom Gesetz verpöntes Spiel nicht stattfinden konnte, bei daraus abgeleiteter Feststellung eines Handelns mit dem oben näher beschriebenen qualifizierten Vorsatz - eine Einordnung des Sachverhaltes unter die §§ 15, 168 Abs. 1 StGB auf der Grundlage versuchter Veranstaltung eines Glücksspieles in Frage.
Die aufgezeigten, auf unrichtiger Gesetzesauslegung beruhenden Feststellungsmängel machen daher eine Erneuerung des gegen Erwin A durchgeführten Verfahrens erforderlich.
In Stattgebung der gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde der Generalprokuratur war daher spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E04181European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00039.83.0420.000Dokumentnummer
JJT_19830420_OGH0002_0110OS00039_8300000_000